Leider auch Gourmand gehe ich mittags regelmäßig allein oder mit Kollegen essen. Abendessen zu zweit waren in der Vergangenheit rar gesät, das wird jetzt nachgeholt! Auf Dienstreisen vertreibe ich mir die Zeit stets mit abendlichen Restaurantbesuchen, möglichst in den Highlights. So war ich auf Restaurantkritik gekommen und hatte den inneren Schweinehund, der zu bequem zum Kritiken schreiben war, überwunden.
Nach etwa 100 Bewertungen hat mich der Verkauf an Yelp ausgebremst, da ich aussagekräftige Kritiken schreiben möchte, für Menschen, die gutes Essen schätzen. In einem Portal, bei dem man auch seine Wertschätzung für die Heiße Hexe an der Tankstelle veröffentlicht, fühle ich mich nicht mehr wohl und suche eine neue Kritikerheimat.
Nachdem mittlerweile (fast) alle geschätzten Kritikerinnen und Kritiker aus dem Verschwundenen Portal hierher gewechselt und ein paar mehr dazu gekommen sind, fühle ich mich wieder wohl. Ein bißchen wie im Stammlokal, man kennt/schätzt/neckt sich, tauscht Neuigkeiten aus... Eben lesen, schlemmen, schreiben.
Leider auch Gourmand gehe ich mittags regelmäßig allein oder mit Kollegen essen. Abendessen zu zweit waren in der Vergangenheit rar gesät, das wird jetzt nachgeholt! Auf Dienstreisen vertreibe ich mir die Zeit stets mit abendlichen Restaurantbesuchen, möglichst in den Highlights. So war ich auf Restaurantkritik gekommen und hatte den inneren... mehr lesen
Bewertungs-Statistik
Insgesamt 293 Bewertungen 382420x gelesen 10363x "Hilfreich" 9301x "Gut geschrieben"
Geschrieben am 30.11.2015 2015-11-30| Aktualisiert am
01.12.2015
Besucht am 16.11.2015
Berufliche Aufgaben führten mich mal wieder für einige Tage an den Rhein nach Rolandseck. Da die Anreise am Montagabend erfolgte, hatte gleich eine Reihe anvisierter Einkehrmöglichkeiten geschlossen. Doch das Ahrtal hoch lockt in Heppingen das Hotel Zur Alten Post gleich mit zwei sonntags wie montags geöffneten Lokalitäten. Steinheuers Restaurants wurde soeben wieder mit zwei Sternen und 19 Punkten ausgezeichnet. Das wäre natürlich ein Kracher gewesen. Allerdings tendiert der Vielfraß in mir stets zum opulenten Menue, was bei der recht späten Anreise eventuell die Leistungsfähigkeit am folgenden Morgen eingeschränkt hätte. Daher doch lieber in die Poststuben, die als Landgasthof firmieren und regionales Essen wie bei (Steinheuers) Mutter versprechen.
Kaum angekommen wurde ich von einer jungen Angestellten bemerkt, die mich nett begrüßte und zum Tisch führte. Den ersten Teil des Abend wird sie mich freundlich und gut ausgebildet begleiten. Es gelingt ihr, eine Beziehung zum Gast aufzubauen. Dabei war sie durchaus sicher in ihren Aussagen. Kleines Manko war, - neben der schnellen Frage nach dem Aperitif, die manche Gäste ja scheinbar erwarten und dem Wasserkühler erst auf meine Bitte - dass sich die junge Servicekraft bei den ersten Gängen nicht schon während des Essens nach meiner Zufriedenheit erkundigt wird. Beim Abräumen wird ehrlich interessiert gefragt, aber da kann ja nicht mehr nachgesteuert werden. Ich führe das auf die zeitliche Beanspruchung durch eine große Gruppe zurück. Bemerkenswert dafür, ob ich etwas Lesestoff wünsche. Soviel Aufmerksamkeit wird dem Einzelgast nicht oft zuteil... Besonders gefallen hat mir, dass klar benannt wurde, wenn sie unsicher war oder etwas nicht wusste; was nur bei einem Cocktail und den Dessertweinen der Fall war. Schnell war Hilfe bei der Juniorchefin Frau Steinheuer geholt, die mich dann im zweiten Teil des Abends umsorgte und vor allem vorzüglich bei den Süßweinen beriet (sowie großzügig probieren ließ). Beim Aufbruch war meine Bitte, noch einen Blick ins Gourmetrestaurant werfen zu dürfen, überhaupt kein Problem. Demnächst bin ich ja wieder in der Nähe...
Der Service insgesamt war tadellos, von bester Qualität, aber nicht steif. Es gelang scheinbar mühelos, den herzlichen Umgang einer familiengeführten Gastronomie mit der Professionalität erster Häuser zu verbinden. Sehr leise Popmusik (mindestens dreimal Imagine) blieb nicht die einzige Unterhaltung.
Ich habe mich rundum wohl gefühlt.
Leider konnte ich nicht in der rustikal, aber hochwertig eingerichteten Gaststube sitzen, da hier eine Jagdgesellschaft bis auf einen kleinen Tisch alle Plätze belegt hatte. Stattdessen wurde ich in einen Nebenraum geführt, der mich spontan an den Begriff Kabinett denken ließ. Vier Zweier- und ein Vierertisch ziemlich eng gestellt auf einer etwas in die Jahre gekommenen weinroten Auslegeware. Die recht tiefe Decke mit indirekter Beleuchtung und eine glatte dunkle Holzverkleidung an den Wänden ließen unwillkürlich Erinnerungen an Chefetagen der 70er Jahre aufkommen. Vielleicht habe ich auch unbewusst an gerade häufig gezeigte Bilder aus der Regierungszeit Helmut Schmidts gedacht. Jedenfalls ein starker Kontrast zu den lebendigen Poststuben. In der die Jagdgesellschaft im Laufe des Abends auch immer lebendiger wurde... Dreimal schallte ein Hallali-Lied nicht schön, aber laut durch die Räume, unterbrochen von mehr oder weniger launigen, aber immer lautstarken Reden auf Strecke, falsche Munition, geschossene Böcke etc. Ich litt im Nebenraum still, aber immerhin voll Galgenhumor mit. Langweilig war's nicht. Und allemal unterhaltsamer, als die langatmige Besserwisserei eines Ministerialbeamten, der Stimmfärbung nach aus dem Württembergischen, der einer alten Bekannten die Welt erklärte; einschließlich seiner bahnbrechenden Rolle bei diversen Gesetzesvorhaben. Dann doch lieber ein lautes Hallali...
Persönlich wollte ich gern das in der Internetkarte noch nicht verzeichnete Herbstmenü zur Strecke bringen. Leider war dies nur für zwei Personen vorgesehen, was die junge Dame jedoch mit einem festen "Das kriegen wir für Sie schon hin!" weg lächelte. So kam es und auch die in der Karte angekündigten zusätzlichen 3€ für Änderungen (gar pro Umstellung?) fanden sich nicht auf der Rechnung.
Bestellt wurde schließlich:
Feines von der Ente mit Feigen
Ahrtaler Kräutersüppchen (statt Curry-Kürbissüppchen mit Garnele)
Steinpilzrisotto mit Kalbsbäckchen
Rehmedaillons mit Pfeffersauce, Quitten, Maronen, Rosenkohl und Spätzle
Auswahl von Rohmilchkäsen (statt Birnen Beignets mit Walnussparfait und Cassisschaum - da musste ich mit mir kämpfen)
für 62 Euro, was ein gutes PLV bedeutet.
An Getränken schlug der Aperitif mit 10,5€ zu Buche. Ein Madeira Barbeito mit dem Käse kam auf 9,0€ und als krönender Abschluss ein PX Murillo cien años, d.h. abgefüllt 1992, zum Hundertjährigen von Lustau für nicht übertriebene 18,0€. Dafür habe ich mich bei den Gängen mit dem Wasser der örtlichen Quelle beschieden, ebenso wie meine Gastgeber mit den dafür verlangten 6,0€.
Die Tische mit Leinendecke, ein kleines Grablicht und zwei Zierkürbisse als Deko neben dem Fleur de sel-Töpfchen, das einen türkisen Farbflecks setzte. Zweimal Silberbesteck, Wasser- und Weinglas, Brotteller nebst Buttermesser und die schön gefaltete Stoffservietten werten den Tisch auf.
Vorab wurde ein Moscow Mule nach meinen Angaben gemixt. In Berlin hatte mir noch der Ingwer gut gefallen, hier war die Limonade deutlich schwächer, so dass es eher wie ein Wodka-Lemon schmeckte. Ach, zur Not...
Die Küche grüßte mit zweierlei unspektakulärem Schnittbrot, gereicht im Silberkörbchen, dazu französische leicht gesalzene Butter und ein hausgemachtes Gänseschmalz. Das war ein rustikaler Genuss, der für mich allerdings durch die fast flüssige Konsistenz des Fettes getrübt wurde. Je länger in der warmen Stube, desto größer die Kleckergefahr vom Brot aufs Hemd! Später wurde ein drittes, vollkorniges Brot gereicht.
Ein weiteres Amuse folgte nicht.
Die feine Ente kam in dreierlei Gestalt: Eine Leberpraline, in Pumpernickel gewälzt, so dass sie wie ein Trüffel aussah. Dazu passte das leicht bitter-süße Quittenchutney, das durchaus aus eine alkoholische Komponente (Wodka?) gehabt haben könnte, vorzüglich. Letzteres ging auch schön mit der mit verschiedenen Nüssen ergänzten Terrine.
In der Mitte des rechteckigen Tellers Blattsalate in einem nicht zu würzigen Dressing und vielen Nussstückchen. Passte gut zum schieren Entenfleisch in einer intensiven, leicht süß-säuerlichen Sauce, vermutlich versteckten sich dort die angekündigte Feigen. Leider trübte die Trockenheit einiger Stücke aus der Brust den Genuss ein klein wenig. Ansonsten ein überzeugender Auftakt.
Weiter ging's mit der Suppe. Da die im Menü vorgesehene Curry-Kürbissuppe wegen des mitgelieferten Garnelenspießes nicht ganz das Versprechen der Regionalität einzuhalten schien, hatte ich auf das Ahrtaler Kräutersüppchen umdisponiert. Dieses kam sehr heiß in einer Suppentasse, die in der Tat aus dem Schrank der Großmutter stammen könnte. Wunderbar grün und herrlich samtig abgezogen. Nur ein leichter Geschmack nach Kerbel. Das war's denn auch. Keine Deko störte das Auge, keine Einlage den Gaumen. Tadellos gemacht, trotzdem (m)eine falsche Entscheidung, vom kräftigeren Vorschlag im Herbstmenue an dieser Stelle abzuweichen.
Als Zwischengang war ich auf das Steinpilzrisotto mit Kalbsbäckchen gespannt. Die Portion war großzügig, der Reis von perfektem Gargrad und Sämigkeit. Reichlich Steinpilze waren als Aromaträger sehr deutlich. Auch das Fleisch, wunderbar zart mit Collagenanteilen, konnte völlig überzeugen. Einzig die reichliche Soße war zu intensiv und überdeckte damit das Risotto, das z. B. erkennbar eine Kräuterkomponente hatte, die geschmacklich nicht zu bestimmen war. Ich habe zuletzt den Reis "um die Sauce herum" gegessen, etwas ist zurück gegangen. Etwas weniger wäre hier der Ausgewogenheit der Bestandteile zugute gekommen.
Weiter ging es mit den. herbstlichen Hauptdarstellern, drei perfekten Rehmedaillons. Rosa, mager und doch saftig, typischer Rehgeschmack, die Pfefferkruste pikant, aber nicht zu scharf. Dazu eine ebenfalls pfeffrige, leicht gebundene Sauce, die hervorragend mit den hausgemachten leicht gedrehten Spätzle schmeckte. (Merke gerade, wie mir das Wasser im Munde zusammen läuft ;-)). Als Begleiter feiner kleiner Rosenkohl ohne alles. Nichts dran auszusetzen, überhaupt keine unangenehmen Bitternoten, aber meins ist das Wintergemüse so nicht. Umso mehr aber geschmorte Maronen und erneut Quitten die zusammen ein vollmundiges Herbstduo gaben. So lecker, dass ich um einen Nachschlag bat, der in und aus einer gusseisernen Kokotte serviert wurde.
Mit großem Bedauern habe ich auf die Birnen Beignets verzichtet.
Um erfreut zur Kenntnis zu nehmen, dass man bei der Käseauswahl zunächst nach eventuellen Vorlieben oder Abneigungen fragte. Da ich verneinte, kamen sechs Stücke von mild bis kräftig, die nicht nach einer Käseuhr ausgerichtet waren, aber Frau Steinheuer lotste mich sicher durch die Sorten, die ich mir namentlich leider nicht gemerkt habe. Mit dem Käse wurde ein recht ordentliches Früchtebrot gereicht, vor allem aber schwarze Walnüsse, Rosinen und ein Feigengelee. Sehr leckere Kombinationen. Erst recht mit den Proben aus dem reichhaltigen Sherry, Port und Madeira-Angebot des Hauses. Ein 5jähriger Madeira aus dem Haus Barbeito hat schließlich das Rennen gemacht. Aber mich auch nachdrücklich erinnert, dass bekanntlich Käse ohne Dessert nur ein halbes Vergnügen ist. Aber ich blieb natürlich standhaft ;-)). Also nur ein Gläschen des wunderbaren, wirklich wunderbaren intensiv fruchtig-süßen, inzwischen fast 25jährigen PX. Wie Motoröl floss er langsam ins Glas... Dazu bat ich nur um etwas dunkle Schokolade, direkt vom Block gehobelt. Überhaupt kein Problem, nachdem ich zuvor das reizende Angebot der Küche, mir vielleicht doch einen kleinen Schokoladenkuchen zu zaubern, dankend abgelehnt hatte (Habe ich eigentlich schon meine Standhaftigkeit gegenüber jeglichem Süßkram erwähnt?). Mindestens genauso nett, die Valrhonastücke außer Berechnung zu lassen.
Es war ein sehr angenehmer, entspannter Aufenthalt. Vom Essen war ich - zunächst - ein klein wenig enttäuscht. Im Nachhinein glaube ich, dass mir doch der Zweisternetempel nebenan zu sehr im Kopf herum ging und für überzogene Erwartungen im Sinne von "Abfärben" sorgte. Tatsächlich war es ein sehr gutes, überwiegend regionales Essen auf hohem Niveau zu einem sehr fairen Preis.
Berufliche Aufgaben führten mich mal wieder für einige Tage an den Rhein nach Rolandseck. Da die Anreise am Montagabend erfolgte, hatte gleich eine Reihe anvisierter Einkehrmöglichkeiten geschlossen. Doch das Ahrtal hoch lockt in Heppingen das Hotel Zur Alten Post gleich mit zwei sonntags wie montags geöffneten Lokalitäten. Steinheuers Restaurants wurde soeben wieder mit zwei Sternen und 19 Punkten ausgezeichnet. Das wäre natürlich ein Kracher gewesen. Allerdings tendiert der Vielfraß in mir stets zum opulenten Menue, was bei der recht späten... mehr lesen
Steinheuers Landgasthof Poststuben
Steinheuers Landgasthof Poststuben€-€€€Restaurant0264194860Landskroner Str. 110, 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler
4.5 stars -
"Herbstliche Küche mit kleinen Schwächen und Jägergesang." DerBorgfelderBerufliche Aufgaben führten mich mal wieder für einige Tage an den Rhein nach Rolandseck. Da die Anreise am Montagabend erfolgte, hatte gleich eine Reihe anvisierter Einkehrmöglichkeiten geschlossen. Doch das Ahrtal hoch lockt in Heppingen das Hotel Zur Alten Post gleich mit zwei sonntags wie montags geöffneten Lokalitäten. Steinheuers Restaurants wurde soeben wieder mit zwei Sternen und 19 Punkten ausgezeichnet. Das wäre natürlich ein Kracher gewesen. Allerdings tendiert der Vielfraß in mir stets zum opulenten Menue, was bei der recht späten
Geschrieben am 12.11.2015 2015-11-12| Aktualisiert am
03.04.2016
Besucht am 11.11.2015
Streikbedingt wurde ich überraschend in der Hauptstadt festgehalten und durfte anhand der Hotelpreisgestaltung beruhigt feststellen, dass das kapitalistische Prinzip funktioniert.
Was nun anfangen mit der eigenen Frustration? Vielleicht klappt es ja diesmal im gelobten Land aller Grillfreunde, dem Smokermekka, zumal fußläufig grob auf halber Strecke zwischen Hackeschem Markt und Hauptbahnhof gelegen. Aus zwei früheren Fehlversuchen klug geworden, bei denen ich mitleidig-abschätzig aus dem rappelvollen Laden verwiesen ward, reservierte ich kurzfristig telefonisch. Doch, eine Person, das bekäme man hin, beschied mir eine überraschend höfliche Stimme. Die Reservierung war natürlich nur auf den Vornamen möglich, aber wer einmal bei Starbucks mit amerikanischer Plastik-Freundlichkeit gefoltert wurde, weiß sich zu wehren: Athanassiou war heute der Name der Wahl.
Später wird sich der junge Mann rührend des älteren Herrn annehmen. Man möge doch an der Theke Platz nehmen, dort sei mit dem wildlederbezogenen Drehstuhl das einzig bequeme, etwas höhere Sitzmöbel vorhanden. (Oh Gott, man sieht mir mein Alter an!) Schon klar, die Tische sind für Gruppen. Aber Recht hat er; ist nach einigen Versuchen erst einmal eine lässige Pose gefunden, hockt man wie Schildkröte in Ingos Imbiss einigermaßen bequem. Auch später verhinderte die korrekt mit Schirm nach hinten getragene Cap nicht, dass die Arbeit zwar rau, aber doch passabel erledigt wurde. Alle Gäste wurden begrüßt, es wurde nach der Zufriedenheit und weiteren Wünschen gefragt, sogar so etwas wie Empfehlungen konnte man mit gutem Willen erkennen. Andererseits blieb ich vor meiner leeren ersten Flasche sitzen, bis ich selbst aktiv nachbestellte. Aber das mag ja dem Thekenplatz geschuldet sein, sowie dem Umstand, dass auch die Tischgäste zum Bestellen an den Tresen kommen müssen. Wirklich gestört hat mich nur eins: Mein Wunsch als quasi dritten Gang zum Probieren je eine Salsiccia und Merguez zu bekommen, konnte nicht erfüllt werden. Begründung: Weil das so nicht im System hinterlegt ist. Ja, niemand kann zwei Herren dienen, entweder dem Gast oder dem System... Immerhin rebellierten draußen anlässlich des Bundeswehrgeburtstags wenigstens einige junge Menschen auch gegen irgendein System, wird wohl dasselbe sein. Ich bin nicht mehr so kämpferisch, statt einer Diskussion um die Wurst ging's dann nur noch an die Begleichung der Rechnung.
Aber alles in allem: Es gibt keinen Grund, die Leistungen des Service unterdurchschnittlich zu bewerten.
Freundlich im Rahmen des hier gepflegten Stils war er schließlich auch. Keinerlei Versuche, dem Gast herablassend-arrogant zu bedeuten, dass er störe und sich doch glücklich schätzen möge, überhaupt an den Segnungen des genialen Konzeptes teilhaben zu dürfen.
Mit einem Wort: Der Hype ist weitergezogen.
Aber das war schon klar gewesen, als ich das Etablissement etwas verfrüht betrat. Nur ein sorgsam getrimmter Vollbart mit Hut zeugt von vergangener Pracht! Und selbst der in Begleitung der kleinen Tochter, die mit dem Schlüssel des bürgerlichen Automobils spielte. Das hätte es früher unter all den Enghosen- und Buntsockenträger nicht gegeben. Vielleicht deshalb trollt er sich später in die Ecke hinter der Theke, als immer mehr Publikum erschien und den Ab- oder Aufstieg (alles eine Frage der Perspektive) nur bestätigte. Junge Leute ja, aber doch verdächtig nach BWL-Studenten oder gar Touristen ausschauend, wohlsituierte Paare, einzelne Herren aus der norddeutschen Provinz. The times they are a changin!
Und so wirkt das Ambiente nur noch wie ein Klischee seiner selbst. Natürlich teilweise unverputzte Wände, Zeichnungen der Fleischschnitte und Sprüche an anderen Stellen, zusammengesuchtes, möglichst unbequemes Holzmobiliar, Theke mit orangeroten Kleinstfliesen, sicherlich original 70er Jahre. Viel Nippes zwischen hottest shit und Was die Großmutter noch wusste. Alles sehr sophisticated wie die Bademäntel an der Garderobe (kommt Dittsche auch noch?) und gleichzeitig natürlich mit street-cred, wie Baseballschläger und Axt hinter der Theke. Aus der Box über meinem Ohr dröhnt permanent Rap, sicherlich aus Chicago, denn hier legt man Wert auf Authentizität. Allerdings nicht so sehr, dass die Bestellungen nicht per Tablet in die Küche gingen.
Aber: Entscheidend ist auf dem Teller! Der hier entweder aus Blech ist, oder es wird gleich direkt auf dem aus Kantinen bekannten Plastiktablett angerichtet, gnädigerweise mit einem Pergament drunter. Alles andere wäre auch ein Stilbruch, das Billigbesteck steht offen im Krug bereit, anstelle von Servietten eine Rolle Küchenpapier im praktischen Abroller. Über Decken oder Sets wollen wir schweigen. Die rote Imbissplastikquetschflasche habe ich nicht angerührt. Vielleicht ein Fehler, wäre es doch verwunderlich gewesen, hätte sich darin ordinärer Industrieketchup gefunden.
Denn die Küchenleistungen waren mehr als passabel.
Kaum saß ich, wurde als Amuse eine Maissuppe direkt aus dem Kessel hinter dem Tresen geschöpft. Selbstverständlich nicht in Teller oder Tasse, sondern in kleine beschichte Einmal-Eisbecher. Später wurde in einem größeren Exemplar der Coleslaw serviert. Die Suppe war heiß, süß und mit Jalapeños-Fetzen, pikant bis scharf. Recht dickflüssig, aber noch nicht breiig. Ein überraschend guter Auftakt. Alle Gäste erhielten ihr Becherchen in die Hand nebst Blechlöffel, nur das kleine Mädchen nicht. Unser Gastgeber war in Sorge wegen der Schärfe und empfahl, doch erst beim Papa zu probieren. Wenn ich es recht überlege, gibt es dafür noch einen halben Servicepunkt.
Die "Karte" findet sich stilecht nur auf der Wand über der Theke. Von meinem Platz mit etwas Nackenverrenkungen verbunden . Aber nicht zu vermeiden, da es einige kleinere Änderungen zur Internetkarte gab. Die größte Enttäuschung war, dass im Gegensatz zum letzten Jahr kein Brisket mehr im Angebot ist. Diese Spezialität aus dem Smoker hätte ich wirklich, WIRKLICH gern gegessen.
Statt der noch im Netz angepriesenen escargots wurde mir passend zum Martinstag Gänserillette auf Landbrot empfohlen. Zudem hatte ich mich schon für pulled pork und eine halbe Seite Rippchen entschieden. Begleitet von einem dunklem Hausbier, natürlich crafted. Zuvor allerdings einen Moscow Mule, hier nicht gemixt, sondern aus einer von zwei Slushmaschinen gezapft und mit Strohhalm im Glasseidel serviert. Die Ingwernote war am Gaumen spürbar, der Wodka später im Kopf. Mir war das Ganze aber zu kalt, wie häufig bei Slusheis. Wartet man ab, ist aber der Effekt weg. Alternative wäre ein Gin-Lemon gewesen.
Die Speisen wurden zügig serviert, aber nicht gehetzt.
Der Gänseaufstrich hatte die richtige Balance zwischen Fleisch und Fett. Er war nicht geizig auf zwei kleinen Scheiben eines Mischbrots mit saftiger Krume und schön dunkler Kruste verteilt. Den sensorischen Kick gaben knusprige selbst gemachte Röstzwiebeln, den geschmacklichen gerade genug frittierter Thymian! Dazu, ganz shabby, zwei Streifen saure Gurke. Trotz Blechnapf eindeutig 5 Sterne in dieser Klasse.
Die Hauptspeisen kamen gleichzeitig. Ich wendete mich zunächst dem pulled pork zu, das mit gehackten roten Zwiebeln und Scheiben von sauer eingelegten grünen Chilis vermischt war. Das pikante Ergebnis hat mir sehr gut geschmeckt, durch die scharfen Komponenten kühlte das Fleisch leider schnell aus. Es war saftig bis auf einen einzigen Randstreifen, Röstaromen und -Farbe vom Anbraten gelegentlich erkennbar. Ich hätte mir das Fleisch schon noch weicher gewünscht, aber das ist im Bereich des persönlichen Geschmacks.
Weiter ging's mit den sechs oder sieben Rippchen, die ich nach dem Trennen genussvoll aus der Hand aß. Wenn schon die Küchenrolle bereit steht... Auch hier hätte es für meinen Geschmack zarter zugehen können, auch hier war das ganze aber weit entfernt von hart oder zäh. Halt nur noch mit Struktur und zu beißen. Die zweifelsohne hauseigene Barbecuesauce, die in exakt richtige Portionierung an den kleinen Schweinereien haftete, war sehr dunkel, gar nicht so rauchig wie erwartet, eher ausgewogen zwischen Süße, Gewürzen und Rauch. Rund, tät man beim Wein sagen... Die spanische Variante aus dem heimischen Deych vor einigen Wochen gefiel mir insgesamt besser.
Auch die reichliche Portion Coleslaw selbst geraspelt und mariniert. Sehr fein, mit wenig Karotte und eine recht flüssige, süße Mayonaise. Dadurch sehr saftig, aber auch mit einer ins breiige gehenden Konsistenz. Das ebenfalls vorhandene Apfelmus habe ich verschmäht. Fehlte mir nicht und der wie die Rippchen direkt auf das Pergament geklatschte Fladen machte jetzt auch nicht wirklich Appetit.
Das dunkle Bier traf meinen Geschmack, war süffig, ohne zu sehr ins Malzige abzukippen. Lief schnell durch.
Eine Bewertung der beiden Würste blieb mir ja leider verwehrt. Die beiden Hauptgerichte sehe ich bei 4 Sternen. Unter Einbeziehung des Rillette und der Maissuppe lege ich noch einen halben oben drauf. Was mir wieder den Vorwurf der zu milden Bepunktung einbringen wird...
Mit 39,5€ für Berliner Verhältnisse sehr freundlich bepreist.
Im Laden gab es keine Mängel in der Sauberkeit. Weiter bin ich nicht in die Gemächer eingedrungen. Man soll sein Schicksal nicht versuchen.
Fazit: Gutes Fleisch statt Hype. Aber nicht so phantastisch, wie erwartet. Geht mir aber bei den Hipsterläden oft so, viel zu hoch gelobt. Aber das ist ja schon fast ein Gemeinplatz. Wenn, aber nur wenn, ich mal wieder in der Nähe bin, schau ich mal, ob ein Plätzchen frei ist. Die Würste und das BBQ-Chicken wären noch interessant. Und mit etwas mehr Alkohol wird das auch mit dem Rappen was...
Ach so, Fotos sind uncool hier bei uns im meat district.
Streikbedingt wurde ich überraschend in der Hauptstadt festgehalten und durfte anhand der Hotelpreisgestaltung beruhigt feststellen, dass das kapitalistische Prinzip funktioniert.
Was nun anfangen mit der eigenen Frustration? Vielleicht klappt es ja diesmal im gelobten Land aller Grillfreunde, dem Smokermekka, zumal fußläufig grob auf halber Strecke zwischen Hackeschem Markt und Hauptbahnhof gelegen. Aus zwei früheren Fehlversuchen klug geworden, bei denen ich mitleidig-abschätzig aus dem rappelvollen Laden verwiesen ward, reservierte ich kurzfristig telefonisch. Doch, eine Person, das bekäme man hin, beschied mir... mehr lesen
Chicago Williams BBQ
Chicago Williams BBQ€-€€€Restaurant030 / 280 42 422Hannoversche Str. 2, 10115 Berlin
4.0 stars -
"Ein Grillerherz kann viel verzeihn..." DerBorgfelderStreikbedingt wurde ich überraschend in der Hauptstadt festgehalten und durfte anhand der Hotelpreisgestaltung beruhigt feststellen, dass das kapitalistische Prinzip funktioniert.
Was nun anfangen mit der eigenen Frustration? Vielleicht klappt es ja diesmal im gelobten Land aller Grillfreunde, dem Smokermekka, zumal fußläufig grob auf halber Strecke zwischen Hackeschem Markt und Hauptbahnhof gelegen. Aus zwei früheren Fehlversuchen klug geworden, bei denen ich mitleidig-abschätzig aus dem rappelvollen Laden verwiesen ward, reservierte ich kurzfristig telefonisch. Doch, eine Person, das bekäme man hin, beschied mir
Geschrieben am 11.11.2015 2015-11-11| Aktualisiert am
11.11.2015
Gerade noch vom GM erneut mit 14 Punkten ausgezeichnet - was in der Hansestadt immerhin für Platz 3 der besten Restaurants reicht - schließen Luka Lübke und Jonas Martin ihr Restaurant am Wall zum 18.11.2015. Schade, die Stadt verliert ein ungewöhnlich kreatives Lokal, das die Erfahrung von Weltenbummlern gekonnt mit norddeutschen Küchentraditionen verband.
Gerade noch vom GM erneut mit 14 Punkten ausgezeichnet - was in der Hansestadt immerhin für Platz 3 der besten Restaurants reicht - schließen Luka Lübke und Jonas Martin ihr Restaurant am Wall zum 18.11.2015. Schade, die Stadt verliert ein ungewöhnlich kreatives Lokal, das die Erfahrung von Weltenbummlern gekonnt mit norddeutschen Küchentraditionen verband.
stars -
"Jon-Luk schließt" DerBorgfelderGerade noch vom GM erneut mit 14 Punkten ausgezeichnet - was in der Hansestadt immerhin für Platz 3 der besten Restaurants reicht - schließen Luka Lübke und Jonas Martin ihr Restaurant am Wall zum 18.11.2015. Schade, die Stadt verliert ein ungewöhnlich kreatives Lokal, das die Erfahrung von Weltenbummlern gekonnt mit norddeutschen Küchentraditionen verband.
Geschrieben am 08.11.2015 2015-11-08| Aktualisiert am
09.11.2015
Besucht am 25.08.2015
Die fast klassische Hochküche von David Kikillus, die auf Produktvielfalt (ohne Übertreibungen) und kunstvolle Präsentation setzt, steht im Widerspruch zur gewollten Ungezwungenheit von Service und Ambiente.
Letzteres ist bereits fachkundig und detailliert beschrieben worden, ich beschränke mich daher auf einige Bemerkungen.
Positiv auf jeden Fall, dass trotz der teilweise offenen Decke mit Blick auf die Lüftungsrohre auch dort absolute Sauberkeit herrschte. Keine Einblicke in staubige Ecken oder gar Spinnweben. So muss es sein. Die Toiletten, die sich im Hoteltrakt befinden, waren in jeder Hinsicht ansprechend und dieser Klasse angemessen.
Witzig und sinnvoll fand ich die an den Seiten offenen, nach oben jedoch geschlossenen "Waben", die Séparée-Atmosphäre vermitteln und mittels Rollen je nach Belegung im Raum positioniert werden können. Angenehme leise, entspannte Musik.
Der Übergang zum Hotel ist für meinen Geschmack sehr offen gestaltet. Das Licht mag dort gut sein, wie die brillanten Fotos von Siebecko beweisen, aber die dortigen Tische wären mir jedenfalls gefühlt zu zugig. Fast zwangsläufig, dass dem Einzelgast (mit Reservierung und bei zu maximal einem Drittel gefüllten Restaurant) genau dort der erste Tisch vorgeschlagen wird. Fernab von Fenstern, dafür direkt am Laufweg von Kellnern und Gästen. Vermutlich habe ich hier eine kleine Paranoia entwickelt, aber da es keinen Grund gibt, diesen Tisch anzubieten, sollen die besser platzierten offensichtlich Gruppen vorbehalten sein. Was Unsinn ist, denn wenn überhaupt für jemanden, dann ist doch für gut gelaunte Gruppen die Umgebung weniger bedeutsam, erst recht im Laufe eines Abends. Der Einzelesser lässt dagegen zwischen den Gängen mangels Gegenüber die Blicke schweifen und verfällt in Schwermütigkeit.
Wovor ihn ein aufmerksamer, zugewandter Service bewahren kann. Die im Kikillus gepflegte Lässigkeit bietet dafür durchaus eine Grundlage, sie muss nur stets mit Freundlichkeit und Respekt dem Gast gegenüber verbunden sein. Wie schon bei anderen Gästen, gab es dazu auch bei meinem Besuch teilweise noch Verbesserungsbedarf. Allerdings darf man diesen auch nicht überbetonen. Die zwei jungen Fachkräfte agierten fachlich bis auf einen Fauxpas auf angenehmen Niveau, einsetzen, nachschenken, ansagewn, alles ganz prima. Beeindruckend die Produktsicherheit des junges, im dunklen Dreiteiler gewandeten Herrn, der von den wohl fast 100 Zutaten des Menues alle, auch die nicht in der Karte verzeichneten beschreiben konnte. Bei einer einzigen bedurfte es eines Blickes in die Karte zu den Bestandteilen eines anderen Tellers. Beeindruckend. Angenehm auch seine Höflichkeit und die durchaus nicht unangenehme Beflissenheit. Auf Wunsch wird ein Kissen gebracht.
Beides fehlte leider seiner Kollegin, die mich schon beim Eintreffen mit der beliebten Gastro-Begrüßung "Wie ist der Name?" willkommen hieß. Ich antworte dann immer etwas verschüchtert mit dem Wunsch eines guten Abends, aber da hatte sich die junge Frau in Freizeitkleidung schon dem Reservierungsbuch zugewandt. Die Modernität des Auftritts wurde durch Jeans und Schlabberoberteil unterstrichen, das den Blick auf die Tätowierungen nicht behinderte. Aber geschenkt, ich gehe schließlich nicht zur Modenschau. Wenn der Service fachlich gut und mit dem Willen agiert, den Gast auch als solchen zu behandeln, kann er oder sie (fast) alles am, über oder im Körper tragen. Ich erinnere mich gern an die Belle de nuit im Hannoveraner 11A. Dementsprechend gibt es bei der Dame ansonsten nichts auszusetzen. Dass ihr eine Tomatenträne vom Amuse-Löffel plumpste, kann mal passieren (mit Julia Roberts: Schlüpfrige kleine Scheißerchen!).
Der einzige wirklich unangenehme Umstand war ein angetrocknetes Insekt an einem Besteckteil, das beim Einsetzen übersehen wurde. Das sollte nicht passieren. Und es MUSS eine Entschuldigung geben und nicht langatmige Erklärungen wie und warum es passiert ist.
Trotzdem, in den wesentlichen Punkten ein überdurchschnittlicher Service, den ich nur wg. der beschriebenen Mängel bei 3,5 Sternen sehe.
Überwiegend erfreulicher die Küchenleistung:
Ich wählte (als "ganz Verfressener", stimmt schon...) das große Degustationsmenue, das gegenüber der Karte im Internet um 2 auf 94€ angehoben worden war. Auch die Varianten mit 5 und 6 "Erlebnissen" waren teurer geworden, 4 Gänge standen nicht mehr als Menue zur Wahl.
Die inkl. Amuses 10 angekündigten Gänge werden für den vergesslichen Gast auf einem hohen, schmalen Faltblatt ausgedruckt präsentiert. Schön, man kann sich schon freuen und außerdem ersetzt es den (elektronischen) Notizblock. Schön wäre noch eine schnelle Personalisierung gewesen, durch die Reservierung war der Name ja bekannt. Aber das sind i-Tüpfelchen, deren Fehlen nicht stört, deren Auftreten nichts desto weniger gefreut hätte.
Die Menüfolge:
Auf die Hand...
Ungestopfte Gänseleber
Hamachi
Steinbutt
Tea Time
Etouffee-Taube (für Milchkalb eingetauscht)
Gewürzbanane
Schokolade
Rohmilchkäse von Affineur Eric Lefebvre
Süßes Finale
Den ersten Heißhunger - immerhin ging es von der Stadtbahn noch fast 15 Minuten zu Fuß am Friedhof entlang - stillten zwei schön krosse, dunkle Brotsorten, die mit toskanischen Olivenöl, Maldonsalz und geschmacklich flacher, aufgeschlagener französischer Butter zwar nicht begeisterten, aber doch gefielen.
Los ging es dann mit einem vierteiligen, farbenfrohen Gruß aus der Küche. Enttäuschend allein die Lachspraline auf Avocado, eigentlich eine sichere Bank, die hier aber muffig schmeckte. Gazpacho im Reagenzglas, mehr süß-fruchtig, als würzig-scharf. Gut. Ein knuspriger Cannellono, gefüllt mit Rindstartar und Frischkäse, knusprig außen, saftig innen, feiner Geschmack. Sehr gut. Und schließlich die molekulare Bloody-Mary, eine Sphäre aus Tomatengelee, gefüllt mit (reinem?) Wodka. Wumms hatte das Kunstwerk auf jeden Fall. Hab mich ja schon als Fan des Dekonstruierten geoutet.
Die folgende Gänseleber, die mit einem tadellosen, warmen Brioche serviert wurde, ist in den Kommentaren zu Siebeckos Bericht sehr kontrovers diskutiert worden. Ich gestehe, dass ich auch mit einem zwiespältigen Eindruck zurückblieb. Einerseits ein optisch, sensorisch und geschmacklich sehr harmonisches Potpourri mit feiner Himbeerschicht und -Tropfen, knusprigem(!) Kürbisschwamm, Perlen und "Blüten" aus Sanddorngelee sowie einer perfekten, cremigen Nocke Pistazieneis. Unter dem Eis eine sehr weiche, aber gerade noch schnittfeste Leber, aber eben nur unter dem Eis. Dort, wo diese Kühlung nicht wirkte, rutschte für meinen Geschmack die Konsistenz ins Schmierige ab, leider. Ich denke, an diesem Punkt wird Gänseleber vollends zur Einstellungsfrage. Ich würde das Produkt trotz der zuvor beschriebenen Vorzüge nicht wieder wählen.
Klar dagegen der folgende, asiatische Gang, in Bewertung - sehr gut - wie in Produkt. Zwei Scheiben roher Hamachi, Gelbflossenmakrele, schön ins rosa spielendes, fettfreies Fleisch mit dieser herrlich knirschenden Textur. In der Menüfolge war die dazu gereichte bekannte thailändische Tom Kha Gai erwartbar, bis ich auf dem Teller die entsprechende Eisnocke fand! Sehr kokosmilch-samtig und mit dem bekannten exotischen Geschmack der Suppe, u. a. Galgant tippe ich. Platziert auf einem Mandelcrumble. Während der Couscous etwas blass blieb, setzten Paprikagel-Tropfen und grüne Mango farbliche und fruchtige Akzente. Letztere nicht nur als Relish, sondern auch in kleinen Smileys. Witzige Idee, noch nicht gesehen.
Der eigentliche Fischgang folgte mit einem sensationell intensiven, saftigen Filet vom Steinbutt. Als Topping getrocknete Nussbutter, die den Fisch genauso fein ergänzte, wie der schön ausgestrichene Brokkoli. Perfekt wär's gewesen, aber es sollte noch eine Zitrusfrüchte-beurre-blanc säuerliche Noten beisteuern. Leider hatte die Küche wohl zweimal zu Yuzu, Limone oder was auch immer gegriffen. Mit der ersten Berührung der Säurerezeptoren zogen sich die Gesichtsmuskeln zusammen. Viel zu sauer. So vollständig, wie es nur ging, befreite ich den Fisch. Die Rückmeldung an die Küche, so sie denn angekommen ist, wurde von dort nicht kommentiert. Immerhin hatte Siebecko bei diesem Gericht keine Zitrusfrüchte mehr. Da hab ich mich gern geopfert... ;-))
Erfrischt wurde nun mit Röllchen und Relish von der Gartengurke, dazu passende Dillblüten. Der Namens gebende grüne Tee als Essenz und Staub. Schließlich Limonensorbet, um den Gaumen aufwecken. Als Clou wurde jedoch am Tisch aus der Stickstoffkartusche Espuma von Monkey47-Gin in die Schale gegeben. Eventuell etwas mehr als vorgesehen, wurde das Sorbet doch fast verdeckt, wer genau hinschaut, entdeckt die gleichfarbige Nocke in der Bildmitte. Erfreulich, dass der Schaum schön fest blieb. Der herbe Geschmack nicht zu stark. Molekular, ick liebe dir!
Anstelle des vorgesehenen Milchkalbs hatte ich als Hauptgericht die Taube. Auch bei mir zwei sehr saftige Tranchen der Brust, saignant. Krosse Haut gab's leider nicht, aber Salzflocken, die den kräftigen Geschmack hoben und eine tadellose Rotweinjus. Perfekt. Beilagen wurden für den Bremer Fußballfan überwiegend in grün-weiß gehalten: Miso-Schaum, grüner Spargel, Buchenpilze, Erbsen als Mousse und "im Ganzen".
Mit der Gewürzbanane ging es in die Zielkurve. Siebecko hat den sehr schönen, sehr individuellen Gang erschöpfend beschrieben. Unterschiedlich nur die Behandlung der Banane, hier sous vide und dann (etwas zu wenig) überflämmt. Dadurch leichte Röstnoten. Petersilie schien mir der Aromaträger des Schwämmchens zu sein. Den Inhalt des dazu gereichte Gläschens darf man sich als Smoothie vorstellen.
Zum Dessert gegen meine übliche Wahl Schokolade mit Früchten, Erdbeere, Rhabarber, Yuzu und Minze. Ein Feuerwerk der Texturen: Creme-Eis, Sorbet, Mousse, Luftschoko, Gel, Crumble, Schaum, Saft, Likör und schließlich Papier. Sehr kreativ, sehr gelungen.
Dagegen wurden die das Menü offiziell beschließende 6 Käse mit Gurkenrelish, Maldonsalz und Haselnuss-Früchtebrot recht einfallslos präsentiert. Geschmacklich gut, aber nicht überragend. Das Brot dagegen sehr reichhaltig.
Zum Finale wurden diverse süße Leckerlis gereicht, alle mehr oder minder nett, es gilt das zum Käse Gesagte. Präsentiert in zwei Holzkistchen auf bzw. überwiegend in Kaffeebohnen. Was für den klebrigen Marshmallow nicht zu Ende gedacht war.
So endete das Menü, wie es begonnen hatte, mit Schönheitsfehlern.
Bei den Getränken habe ich mich zurück gehalten, stand doch am nächsten Tag eine anstrengende Veranstaltung an.
Als Aperitif einen sommerlichen Cocktail verschiedener Spirituosen und Zitrusfrüchte, der den Namen des Chefs trug (naja).
Zu Banane und Ananas ein restsüßer Riesling aus der Pfalz, mehr blieb nicht in Erinnerung; für 0,1l wurden 4,2€ gebongt.
Zur Schokolade sollte es ein Portwein sein. Eine etwas schwere Geburt, bis an der Bar ein (einfacher) Sandeman gefunden war. Entweder der Port oder der Cocktail wurden unter "diverse" mit 5,5€ in Rechnung gestellt, das andere Getränk ging ohne Erwähnung (gewollt oder übersehen) auf's Haus.
Das Wasser mit 7,4€ gewohnt überteuert. Besonders ärgerlich war aber, dass aus den verschiedenen Angeboten ohne Nachfrage Evian serviert wurde, immerhin 1,5€ teurer, als das preiswerteste Apollinaris. Das gehört sich einfach nicht, ich wiederhole das (un)gern. Auf Nachfrage wurde etwas von "Hausmarke" gemurmelt, was für ein Unsinn bei diesem Massenprodukt. "Deckungsbeitrag" wäre wohl zutreffend gewesen. Was wohl auch bewusst passiert, denn hier muss mit den Getränken Geld verdient werden. Die Frage nach dem Aperitif kam jedenfalls schon, bevor ich mich ganz gesetzt hatte.
Das Team des Kikillus hat bei meinem Besuch nicht vollends überzeugt.
Als Gesamteindruck - der Küche - bleiben die hohe Kreativität, die schönen Präsentationen, die tadellosen Produkte.
Was für meine Fotos leider überhaupt nicht gilt, und ich nicht auf das schwindende Licht schieben will. Angesichts der brillanten Bilder von Siebecko habe ich mich daher auf eine Auswahl beschränkt.
Die fast klassische Hochküche von David Kikillus, die auf Produktvielfalt (ohne Übertreibungen) und kunstvolle Präsentation setzt, steht im Widerspruch zur gewollten Ungezwungenheit von Service und Ambiente.
Letzteres ist bereits fachkundig und detailliert beschrieben worden, ich beschränke mich daher auf einige Bemerkungen.
Positiv auf jeden Fall, dass trotz der teilweise offenen Decke mit Blick auf die Lüftungsrohre auch dort absolute Sauberkeit herrschte. Keine Einblicke in staubige Ecken oder gar Spinnweben. So muss es sein. Die Toiletten, die sich im Hoteltrakt befinden,... mehr lesen
4.0 stars -
"Zu lässig auf dem Drahtseil" DerBorgfelderDie fast klassische Hochküche von David Kikillus, die auf Produktvielfalt (ohne Übertreibungen) und kunstvolle Präsentation setzt, steht im Widerspruch zur gewollten Ungezwungenheit von Service und Ambiente.
Letzteres ist bereits fachkundig und detailliert beschrieben worden, ich beschränke mich daher auf einige Bemerkungen.
Positiv auf jeden Fall, dass trotz der teilweise offenen Decke mit Blick auf die Lüftungsrohre auch dort absolute Sauberkeit herrschte. Keine Einblicke in staubige Ecken oder gar Spinnweben. So muss es sein. Die Toiletten, die sich im Hoteltrakt befinden,
Pommes de terre grenaille, creme saumon fumé. Soupe de poisson, croûtons et sauce rouille. Bresse pigeon, foie gras. Lotte. Parfait au pavot.
Cremant de Loire. Sancerre. Banyuls rouge. Sherry Pedro Ximenes.
C'est formidable.
Pommes de terre grenaille, creme saumon fumé. Soupe de poisson, croûtons et sauce rouille. Bresse pigeon, foie gras. Lotte. Parfait au pavot.
Cremant de Loire. Sancerre. Banyuls rouge. Sherry Pedro Ximenes.
C'est formidable.
Restaurant Marais Soir
Restaurant Marais Soir€-€€€Restaurant08962838662Schwanthaler Straße 131, 80339 München
5.0 stars -
"Vive la France! Vive l'Obacht!" DerBorgfelderPommes de terre grenaille, creme saumon fumé. Soupe de poisson, croûtons et sauce rouille. Bresse pigeon, foie gras. Lotte. Parfait au pavot.
Cremant de Loire. Sancerre. Banyuls rouge. Sherry Pedro Ximenes.
C'est formidable.
Geschrieben am 16.10.2015 2015-10-16| Aktualisiert am
04.11.2015
Mehrere Folgebesuche im "neuen" La Villa haben inzwischen den guten ersten Eindruck bestätigt. Das junge Team um Chef Emil Karnacewicz und seine charmante Partnerin Janina Geils im Service liefert konstant Leistungen auf unerwartet hohem Niveau ab.
Und hat dabei mit erheblichen Widerständen zu kämpfen: Bereits dreimal wurde seit der Übernahme am 1. September eingebrochen. Offensichtlich von Tätern aus der Gastronomie oder mit entsprechenden Auftraggebern. Denn gestohlen wurden gezielt teure Produkte wie Champagner oder hochwertige Gewürzmischungen. Ätzend. Da es bereits einen weiteren Einbruchsversuch gegeben hat, verhandelt das junge Paar jetzt mit dem Verpächter über Sicherheitsmaßnahmen. Wie immer eine Frage des Geldes. Es wäre schade, wenn ein so ambitioniertes Projekt an diesen Umständen scheitern würde. Denn die Mannschaft ist hoch motiviert, es macht Freude die drei Köche bei ihrer konzentrierten Arbeit zu beobachten. Die durchaus mit Nachteilen (u. a. schlechtes Licht für Fotos) verbundene Enge des Souterrains schafft eben auch Nähe. Der Service ist freundlich, natürlich und gegenüber Verbesserungsvorschlägen offen (ja, was dem Ego des alternden Chronisten schmeichelt). Nicht alles ist schon perfekt, aber man redet miteinander, improvisiert und hat den Gast im Fokus. Dazu mit Herrn Karnacewicz einen Koch, der bereit ist, seine Gerichte zu erklären. Und da geht es nicht um verkopfte Philosophien, sondern um Produkte, deren Zubereitung und ihre Kombination.
Natürlich gilt auch hier Adi Preißler: Entscheidend is aufm Teller.
Es gab erneut drei Sorten Brot: Sardelle, Walnuss, Zwiebel mit schöner Kruste, dazu Maldon-Salz und nicht zu harte Butter. Eine Pfeffermühle soll es nicht geben, stattdessen wird ein Schälchen mit passender Mischung serviert.
Zweites Amuse ist diesmal ein Parmesansüppchen mit etwas Chiliöl, dazu ein Crostini mit Knoblauch und Linsen. Gut und kräftig.
Als Vorspeise Blattsalate mit gelben Minitomaten, Orangenfilets und Scheiben von der Jakobsmuschel, sehr zart und mit ganz wenig Paprika pikantisiert. Exzellent. Wenn auch unerwartet, da die Menuekarte die 3-Gang-Variante "ohne" Muschel ankündigte. Was mir recht war, da ich auf das Entrecôte gespannt war. Kurze Verblüffung bei meinem Gegenüber, da es genau anders herum geplant war. Kurzerhand wurde die Muschel zum weiteren Amuse erklärt und mir bald darauf ein dünnes Rindersteak nach Pariser Art serviert. Kurz gebraten, etwas durchwachsen, saftig und für eine Vorspeise eher zu viel. Dazu Würfel vom Hokkaidokürbis auf dem Punkt und Zwiebeln ebenfalls noch mit etwas Biss. Den weiteren Salat hab ich nicht angerührt, zu viele Vitamine sind bestimmt ungesund. Yummy.
Hauptgang war überraschend Ochsenschwanz mit viel Collagen in einer kräftigen dunklen Sauce, leicht säuerliche Linsen und Topinambur als Püree und wie gewachsen. Einige Tomatenwürfel sollten die Wurzel geschmacklich abrunden. Ebenso wie der Kerbel. Sehr gutes herbstliches Gericht. Der weiche, tanninfreie und überraschend dunkle südfranzösische Grenache noir traf meinen Geschmack, manchem wäre er nicht kräftig genug gewesen.
Da ich ja schon meine ursprünglich beabsichtigten drei Gänge hatte, bestellte ich heldenhaft das Dessert ab und bereitete mich zufrieden auf den Kaffee vor. Meine leicht satte Unaufmerksamkeit nutzte der Zweitkoch, mir einen "Probierteller" unterzuschieben. Mit dem Bemerken, er glaube, die Schokolade sei ihm heute ganz gut gelungen. Dieser Teufel! Ich revanchierte mich beim Gehen mit dem Hinweis, dass ich bei ihm Potential sehe. Ob er wohl daran denke, das Kochen beruflich zu betreiben? Natürlich hatte ich nicht den Hauch einer Chance, das Dessert nicht anzurühren. Ausgestrichene Blattschoko, saftiger Kuchen, Eis mit Stücken desselben und ein unfassbar cremiges Praliné. Alles mit der nötigen leichten Bitternote. Dazu ein Strich intensives Erdbeermark. Ja, doch. Kann man machen...
Nach dem guten Lungho in vorgewärmter Tasse kam mit der Rechnung, die ich entsprechend den genossenen Gängen aufstockte, noch ein kleiner Rausschmeißer. Eine Gin-Tonic-Granita! Süß, säuerlich, alkoholisch, phantastisch.
Was für ein Genuss zur Mittagszeit.
Im Rahmen eines Kurzberichtes mag das genügen. Ein Opus Magnum harrt der weiteren Bearbeitung.
Mehrere Folgebesuche im "neuen" La Villa haben inzwischen den guten ersten Eindruck bestätigt. Das junge Team um Chef Emil Karnacewicz und seine charmante Partnerin Janina Geils im Service liefert konstant Leistungen auf unerwartet hohem Niveau ab.
Und hat dabei mit erheblichen Widerständen zu kämpfen: Bereits dreimal wurde seit der Übernahme am 1. September eingebrochen. Offensichtlich von Tätern aus der Gastronomie oder mit entsprechenden Auftraggebern. Denn gestohlen wurden gezielt teure Produkte wie Champagner oder hochwertige Gewürzmischungen. Ätzend. Da es bereits einen... mehr lesen
La Villa - Kays Culinarium
La Villa - Kays Culinarium€-€€€Restaurant, Cafe04213648557Goetheplatz 4, 28203 Bremen
4.5 stars -
"Jetzt erst recht! Diese Leistungen verdienen Unterstützung." DerBorgfelderMehrere Folgebesuche im "neuen" La Villa haben inzwischen den guten ersten Eindruck bestätigt. Das junge Team um Chef Emil Karnacewicz und seine charmante Partnerin Janina Geils im Service liefert konstant Leistungen auf unerwartet hohem Niveau ab.
Und hat dabei mit erheblichen Widerständen zu kämpfen: Bereits dreimal wurde seit der Übernahme am 1. September eingebrochen. Offensichtlich von Tätern aus der Gastronomie oder mit entsprechenden Auftraggebern. Denn gestohlen wurden gezielt teure Produkte wie Champagner oder hochwertige Gewürzmischungen. Ätzend. Da es bereits einen
Geschrieben am 06.10.2015 2015-10-06| Aktualisiert am
03.04.2016
Von Hanseat lernen, heißt genießen lernen. Allemal, wenn der Godfather of greek cuisine ein kleines, eher einfaches Lokal in Hafennähe adelt. Eine kurze Erledigung hatte uns in die Viertel meiner Kindheit verschlagen, als mein Weib nach Atzung verlangte. Eine vorzügliche Gelegenheit, der Empfehlung nachzukommen, die ich schon mehrfach im Vorbeifahren sehnsuchtsvoll erspäht hatte. Wir fanden alles, wie beschrieben. Eine angenehme, entspannte Atmosphäre. Zwei sehr freundliche und höfliche, kein bißchen kumpelhafte Wirtsleute. Ein selbst gemachtes, etwas stockiges Taramas, das selbst meiner bei Fischzubereitungen skeptischen Frau geschmeckt hat., ebenso wie das Tzatziki. Als Hauptgerichte konnte selten so saftiges, mit schmackhaften Weißkäse gefülltes Bifteki rundum überzeugen. Dazu etwas Gyros, ebenfalls saftig. Auch der gelbe, körnige Reis völlig zu Recht gelobt. Gut gewürzt und kein bißchen trocken. Wirklich gut. Die Gastgeber sind großzügig. Je zwei Ouzo, ein Likör und ein flambierter Metaxa, zwei kleine warme Blätterteigteilchen. Gingen aufs Haus. Wir sind satt und sehr zufrieden. Solche Wirte müssen wir unterstützen!
Von Hanseat lernen, heißt genießen lernen. Allemal, wenn der Godfather of greek cuisine ein kleines, eher einfaches Lokal in Hafennähe adelt. Eine kurze Erledigung hatte uns in die Viertel meiner Kindheit verschlagen, als mein Weib nach Atzung verlangte. Eine vorzügliche Gelegenheit, der Empfehlung nachzukommen, die ich schon mehrfach im Vorbeifahren sehnsuchtsvoll erspäht hatte. Wir fanden alles, wie beschrieben. Eine angenehme, entspannte Atmosphäre. Zwei sehr freundliche und höfliche, kein bißchen kumpelhafte Wirtsleute. Ein selbst gemachtes, etwas stockiges Taramas, das... mehr lesen
Zum Griechen
Zum Griechen€-€€€Restaurant042130156383Nordstraße 323, 28217 Bremen
4.0 stars -
"Sehr empfehlenswert!" DerBorgfelderVon Hanseat lernen, heißt genießen lernen. Allemal, wenn der Godfather of greek cuisine ein kleines, eher einfaches Lokal in Hafennähe adelt. Eine kurze Erledigung hatte uns in die Viertel meiner Kindheit verschlagen, als mein Weib nach Atzung verlangte. Eine vorzügliche Gelegenheit, der Empfehlung nachzukommen, die ich schon mehrfach im Vorbeifahren sehnsuchtsvoll erspäht hatte. Wir fanden alles, wie beschrieben. Eine angenehme, entspannte Atmosphäre. Zwei sehr freundliche und höfliche, kein bißchen kumpelhafte Wirtsleute. Ein selbst gemachtes, etwas stockiges Taramas, das
Geschrieben am 21.09.2015 2015-09-21| Aktualisiert am
22.09.2015
Besucht am 09.09.2015
In einer der stilleren Wohnstraße im hinteren Teil des Bremer Amüsierbezirks Steintor (aka Das Viertel) hat nach umfassender Renovierung in den Räumen des ehemaligen Divino nun das Deych eröffnet. Der Name weist auf den nahen Weserdeich hin. Aber, Moment mal: Deich mit y? Und das ohne erkennbaren Sinn (wie z. B. Mittelalter-Schmausereien)? Das kann heutzutage nur eines bedeuten: HIPSTER-Alarm!!!
Also, schnell den Hipster-Check:
1. Trägt der Koch Vollbart und ist schwer tätowiert? Check!
2. Gibt es wie zufällig Hinweise auf schwer angesagte Locations bevorzugt aus Williamsburg oder Notting Hill, aber mindestens PrenzlBerg? Check!
3. Werden "weltbeste" o. ä. Produkte angepriesen, die dann völlig enttäuschend kulinarisch verwendet werden? Check!
4. Verfügt der Laden über das ultimative Kochgerät, wahlweise direkt aus NASA-Entwicklung oder schamanischer Tradition? Check!
5. Stehen mindestens 10 Gin-, 15 Rum- und 20 Whisk(e)y-Sorten auf der Karte? Check! Check!! Check!!!
Oje.
Rückwärts wieder raus oder Augen zu und durch?
Für den Bremer Gastro-Chronisten gilt natürlich: Buten und binnen - Wagen und...Winnen!
Für die kleine Terrasse mit recht ansprechendem Außenmobiliar schien mir der Abend schon zu kühl. So trat ich ein. Der erste Raum wird von der gut ausgestatteten Theke mit aktueller farbiger Beleuchtung dominiert. Es ist recht düster und die kleinen Tische scheinen sich zu "ducken". Nicht sehr einladend. Zwei junge Damen in schwarzen Schürzen und ebensolchen Polos mit dem Logo des Lokals begrüßen mich. Eine entspricht dem Äußeren nach dem Klischee der studentischen Bedienung. Schwarze Röhrenjeans und Chucks, wilde dunkle Haare mit Dreads. Diverse Bänder ums Handgelenk und natürlich tätowierte Sterne. Die Kollegin ist von norddeutscher Natur, mit blonden Haaren und gesunder Gesichtsfarbe. Sie begleitete mich in einen großen hellen Raum. Ich war der erste Gast des Abends und erhielt daher wie erwartet den schlechtesten Tisch angeboten. Inzwischen störrisch (und an das Licht für die Fotos denkend) bat ich um einen Vierertisch am Fenster. Die Kellnerin zögerte, man könne die Belegung noch schlecht einschätzen. Nachvollziehbar. Ich versprach, ggf. an einen kleineren Tisch zu wechseln und unterschätzte dabei das Interesse an diesem Abend unter der Woche. Zum Glück musste niemand abgewiesen werden. (Hinweis für Süddeutsche: Der Gedanke, dass fremde Leute zu einem einzelnen Gast an den Tisch gesetzt werden, ist nahezu absurd.) Beim Verlassen bemerke ich, dass auch der Thekenraum und die Terrasse voll belegt sind. Kein Wunder, dass die beiden Servicekräfte ihre Arbeit teilweise im Laufschritt erledigen. Dabei meist aufmerksam und immer freundlich. Alle Achtung. Auch die ebenfalls nur zu zweit besetzte Küche schaffte es, keine ungebührlichen Wartezeiten aufkommen zu lassen.
Der Raum ist ungewöhnlich.
Fast quadratisch hat er eine große Höhe. Später schaue ich mir das Gebäude näher an. Es handelt sich um einen lang gestreckten Wohnblock, wohl der frühen 60er Jahre. Die kurze Seite steht an der Straße. Vielleicht war hier ein Gesellschaftsraum der Wohngemeinschaft. Der Innenarchitekt oder die Architektin hat sehr gute Arbeit geleistet. Weiße Wände, graubrauner Holzfußboden, helle Holztische. Die von mir wenig geschätzten Schlabberplastiksets in Flechtoptik und die dunklen Holzstühle mit roten Lederflächen setzen dunkle Akzente. Wenige Wandlampen, über die weiße Küchentücher geworfen sind (Hip, Hip). Einige aufgezogene Fotografien mit norddeutschen Küstenmotiven setzen das Thema Deych bzw. Strand um. Dazu passen wenige zurückhaltende maritime Accessoires auf den Fensterbänken. Vor den Fenstern einzelne rote Gerbera, auf den Tischen je eine kleine gelbe Rose, das sind die wenigen echten Farbtupfer im Raum. An einer Wand kaschiert eine übergroße schwarze Tafel die Raumhöhe. Geschrieben steht daran noch nichts. Doch die aktuelle Homepage preist Fleisch bzw. Fang des Tages "von der Wandtafel" an; es ist also im Werden. (Übrigens droht die HP auch, dass man demnächst etwas über "unseren Koch Tobi" und dessen "Philosophie" erfährt...) Gegenüber hängen als echte Hingucker drei große, wirklich große Besteckteile an der Wand. Und von der Decke schweben zwei große Schneeflocken, die mit warmem Licht wunderschöne Schattenspiele an die Wände zaubern. Obwohl der Raum so hell ist, wirkt er überhaupt nicht kalt. Ein großer Tisch in der Mitte ist für eine Gruppe auch mit Weingläsern eingedeckt. Das Besteck ist solide Gastroware. Ansonsten stehen auf den Sets nur umgedrehte Wassergläser, naja, nicht ganz die feine Art. Außerdem findet sich auf den Tischen in einem weißen Porzellanständer eine elegante Kerze, die von der Kellnerin auch gleich entzündet wurde, nachdem ich Platz genommen hatte. Ich empfand das Ambiente als völlig stimmig und habe mich als Einzelgast sehr wohl gefühlt. Die 5 Sterne werden durch ein Detail verhindert, das mich mal wieder sprachlos machte. Setzen sich die Wirte eigentlich nie gemütlich auf ihre Stühle? Die hinteren Stuhlbeine sind hochgezogen und bilden den Rahmen der Rückenlehne. Die Streben sind aber nach hinten gesetzt, so dass man (d. h. ich) daran gar nicht lehnt, sondern an den Kanten des Rahmens. Auf die Dauer ist das Folter. Wer denkt sich sowas aus?
Der Gastraum war bei Beginn des Abends frei von tagesaktuellen Verschmutzungen; die kürzlich abgeschlossene Renovierung verhinderte Spuren in the long run. Die hinteren Gemächer habe ich nicht besucht.
Die junge blonde Dame brachte die Karte und - oh Wunder - zieht sich wieder zurück, um mich in Ruhe stöbern zu lassen. Mit der Bestellung des Aperitifs (kleines Leffe Bruyne für 2,2€) wird zweierlei Brot gebracht. Frisch aufgeschnitten an der Servicestation hatte es eine krosse Kruste und eine luftige Krume, gute Bäckerware. Das Brot wird mit einer (sparsamen) Pfütze eines Orangen-Olivenöls serviert. Die Provenienz kann auf Nachfrage nicht genannt werden, aber flugs wurde der kleine Artefakt-Kanister geholt und es entpuppte sich als katalanisch. Für meinen Wunsch nach Pfeffer und Salz musste ich später einmal etwas auf die Aufmerksamkeit der jungen "Studentin" warten. Sie lässt ihren Blicke durch den Raum wandern, nur nicht zu mir. Suboptimal. Dann genügt aber eine kurze Geste und zwei Peugeot-Mühlen (mit Mahlgradverstellung!) werden gereicht. Warum sich der Pfeffer in der roten und das Salz in der schwarzen befindet, muss man nicht verstehen. Anders dagegen die "norddeutsche" Kollegin. Obschon nicht mehr für mich zuständig, erkennt sie, dass ich nach Abräumen des 1. Gangs vor dem leeren Tisch saß und wohl gelangweilt aussah. Jedenfalls machte sie auf ihrem Weg aus der Küche stante pede kehrt und teilte in der Küche deutlich hörbar mit, dass es bei mir weiter gehen könne. Die Nachfragen erfolgten freundlich, Dessert und Kaffee wurden angeboten und auf die ordnungsgemäße Rechnung musste ich nicht warten. Freundlich interessiert frage ich meine "Studentin", ob denn die blonde Kollegin "vom Fach" sei. Nach einer kurzen peinlichen Pause, erhalte ich die Auskunft, dass es umgekehrt sei... Hüstel, so kann's gehen mit den Vorurteilen. Erklärt aber wenigstens das penetrante "Sehr gerne!" nach jedem Wunsch des Gastes. In der Summe der beiden Servicekräften war ich positiv überrascht und sehr zufrieden, 4,5 Sterne.
Die locker gebundene Speisekarte hat einen festen Einband in grauer Holzoptik und macht kurz nach der Eröffnung noch einen soliden Eindruck. Inhaltlich herrscht kluge Beschränkung auf wenige Gerichte regionaler und leicht mediterraner Provenienz. Damit bleiben Ressourcen für aktuelle Angebote. Eine große Standardkarte in einem kleineren Laden ist sonst nur mit viel Convenience leistbar. Signature dishes gleich zwei: Das amerikanische Wagyu-Beef "voll Biss, Struktur und Geschmack", das daher zu einem Burger-Patty durchgedreht wird... Und weltbeste Spareribs vom Bellota Iberico, also von spanischen Eichelmastschweinen aus der Dehesa (gleich bei Wiki schauen, schöne Bilder). Natürlich das Superfleisch aus einem Tonofen nach jahrtausendealter japanischer Tradition... Schwein und speziell Rippchen hatte ich schon lange nicht mehr. Aber bitte die kleine Portion für 12,9€ (damals noch, Näheres beim PLV). Zuvor einen mediterranen Eichblattsalat mit Himbeerdressing und gebratenen Pfifferlingen für sportliche 10,9€. Aus der mit Verstand zusammen gestellten Weinkarte, die erfreulich viele offene Weine ab 0,1l-Gläschen anbietet, wähle ich zum Salat eine spanische Rosé-Cuvée von Baron de Ley in der Annahme vieler roter Früchte nicht nur am Gaumen. Auf der Rechnung standen dafür 2,6€. Zum Schwein gab es für 0,2€ weniger einen Merlot Ragazzo IGP. Beide Weine stellten sich als perfekt zu den Gerichten heraus. Da ich selten Rote bestelle, war ich erfreut, getroffen zu haben.
Der Salat wurde auf einem schönen Glasteller serviert und war eine Pracht. Bunt, frisch, sauber, nicht zu groß gezupft mit einer nicht zu säuerlichen fruchtigen Sauce und einigen Beeren. Die Pilze noch leicht warm, vorsichtig gebraten und voller Geschmack. Auch die Antipasti mit Basilikumpesto passten überraschend gut zu den anderen Zutaten. Weich, nicht zu sauer, die Artischocke nicht faserig. Schönes Öl, davon vielleicht etwas viel. Aber das war auch die einzige kleine Schwäche.
Keine Frage, ich war angefixt.
Die Rippchen kamen auf einem viereckigen weißen Teller. Sie wurden begleitet von erneutem Pesto (überflüssig), einer geschmolzenen Kirschtomate (belanglos), in Rotwein geschmorten Zwiebeln, die ausgezeichnet waren, mit gerade noch genügend Biss und fruchtig-würzig-süß schmeckend. Schließlich in einer kleinen Porzellanschale etwas Coleslaw, der schön knackig, aber nicht zu hart war und recht viel flüssig geratene Majonäse hatte. Alles Miniportionen, die eigentlichen Beilagen hätten dazu gekauft werden können. Wenn ich mich recht erinnere z.B. Fritten (Kartoffel oder Süßkartoffel) für 3,9€. Für mich nicht, ich wollte mich ganz den wunderbar gebräunten Schweinereien widmen. Die beiden Rippchen mit genügend Fleischanteil waren zart, aber nicht zerfallend. Sie hatten weichen, vollen Biss. Auch der kleine Fettanteil war hier der schon fast sprichwörtliche Geschmacksträger. Aber am besten war die zurückhaltend eingesetzte Marinade. Nur ein leichter würzig-süßer Hauch unterstrich den tatsächlich leicht nussiges Geschmack. Vielleicht nicht world's best, aber sehr, sehr gut.
Um es klar zu sagen: An diesem Essen gab es nichts zu kritisieren. Die kleinen Auffälligkeiten (das Pesto z. B. war in meinen Augen reine optische Spielerei) rechtfertigen nicht, hier keine Höchstpunktzahl zu vergeben, auch im Vergleich zum Schwarzen Schaf, wo es doch noch ein klein wenig geholpert hatte. Also 5 Sterne.
Auch das PLV ist unter Einbeziehung der Getränke nur knapp dahinter. Dabei lasse ich aber außer Acht, dass in der aktuellen Internetkarte die Iberico-Rippchen auf 19€ hochgeschossen sind. Für immerhin auch schon 15€ gibt's jetzt auch die Alternative aus hiesiger Zucht vom Viertel-Schlachter Safft. Da kam ich wohl gerade noch in der Preisfindungsphase, Glück gehabt...
Fazit: Interessantes Ambiente und am Herd ein Tobi! der richtig gut kochen kann. Und Produkte hat, deren Qualität er zur Geltung bringt. "Philosophie" hat das Deych nicht nötig, dafür ist es zu gut. Hingehen.
In einer der stilleren Wohnstraße im hinteren Teil des Bremer Amüsierbezirks Steintor (aka Das Viertel) hat nach umfassender Renovierung in den Räumen des ehemaligen Divino nun das Deych eröffnet. Der Name weist auf den nahen Weserdeich hin. Aber, Moment mal: Deich mit y? Und das ohne erkennbaren Sinn (wie z. B. Mittelalter-Schmausereien)? Das kann heutzutage nur eines bedeuten: HIPSTER-Alarm!!!
Also, schnell den Hipster-Check:
1. Trägt der Koch Vollbart und ist schwer tätowiert? Check!
2. Gibt es wie zufällig Hinweise auf... mehr lesen
Deych
Deych€-€€€Restaurant, Bistro, Bar, Catering042189700109Lübecker Straße 37, 28203 Bremen
4.5 stars -
"Newcomer, der Maßstäbe setzt!" DerBorgfelderIn einer der stilleren Wohnstraße im hinteren Teil des Bremer Amüsierbezirks Steintor (aka Das Viertel) hat nach umfassender Renovierung in den Räumen des ehemaligen Divino nun das Deych eröffnet. Der Name weist auf den nahen Weserdeich hin. Aber, Moment mal: Deich mit y? Und das ohne erkennbaren Sinn (wie z. B. Mittelalter-Schmausereien)? Das kann heutzutage nur eines bedeuten: HIPSTER-Alarm!!!
Also, schnell den Hipster-Check:
1. Trägt der Koch Vollbart und ist schwer tätowiert? Check!
2. Gibt es wie zufällig Hinweise auf
Eine Einladung von Geschäftspartnern bescherte mir einen Besuch in diesem vom GM empfohlenen und auf anderen Portalen hochgelobten Braunschweiger Restaurant. Obwohl die Küchenleistung die Vorschusslorbeeren nicht vollständig einlösen konnte, hatten wir einen angenehmen Abend. Eine Empfehlung kann ich ohne Bedenken aussprechen.
Das Restaurant befindet sich etwas zurück gesetzt in einem Fachwerkhaus an einer dörflichen Durchgangsstraße. Da es Bindfäden regnete, konnten wir den Außenbereich nicht nutzen. In der Diele war der Platz durch die Theke eingeschränkt, so dass die unterschiedlich großen Tische kreativ verteilt waren. Die Abstände waren dementsprechend nicht groß, aber erträglich. Im Nebenraum und der größeren 1. Etage waren wir nicht. Die Toiletten waren etwas angenähert, aber ausgesprochen sauber und frisch, was den Gesamteindruck bestätigt. Im Hauptraum hatten einige durchbrochene Zwischenwände und die niedrige Decke des Bauernhauses den sehr angenehmen Nebeneffekt, dass sich die Geräusche nicht verstärkten, sondern überlagerten. Trotz des Stimmengewirrs war es möglich in vernünftiger Lautstärke ein Gespräch zu führen und man hatte nicht das Gefühl, dass der Nachbar mithört. Das Fachwerk kontrastierte mit den vollständig eingedeckten Tischen, auf denen über der weißen Tischdecke noch im 90-Grad-Winkel eine in altrosa ausgebreitet war. Das rustikale Ambiente, die edlen Tischwaren und das Stimmengewirr schufen eine angenehme, lebendige Atmosphäre, wie geschaffen für ein gehobenes italienisches Restaurant.
Gefahren drohen für solche Etablissements aus zwei Richtungen: lokale Möchtegern-Prominenz und arrogante Bedienungen (z.B Silvano in Wunstorf). Beide Risiken bestanden an diesem Abend im da Piero nicht. Das Publikum bestand außer uns drei Business-men aus diversen Paaren unterschiedlichen Alters. Besonderes Gewese hat keiner um sich gemacht. Natürlich wurden Stammgäste herzlich begrüßt, es ist ein italienisches Lokal! Aber ohne Chi Chi und auch nicht in einer Lautstärke, die die Aufmerksamkeit des ganzen Ladens auf sich zieht (und genau das ist ja auch die Absicht).
Der Service wurde meistenteils durch einen stattlichen Herrn mindestens mittleren Alters versehen. Professionell-höflich wurde angeboten, serviert, nachgefragt und auch aufmerksam (umsatzfördernd) nachgeschenkt. Dass dafür über den Tisch gelangt werden musste, war den räumlichen Gegebenheiten geschuldet. Die leise geäußerte Kritik am Hauptgericht nahm er allerdings weitgehend ungerührt zur Kenntnis. Da ich eingeladen war, kann nicht sagen, ob bei der Rechnung Zugeständnisse gemacht wurden; ich denke nicht. Essig und Öl und die Macho-Mühlen standen bereits auf allen Tischen. Etwas auffällig war, dass wir beim Wein ein "Missverständnis" hatten. Ich fragte nach einem Sauvignon aus dem Collio, der Ober bejahte und brachte eine Flasche vom Isonzo. Beides Gebiete in der Region Friaul, ja, und auch der Wein selbst war klar, dabei wunderbar rund und schmeckte sowohl zur Vor- als auch zur Hauptspeise. Trotzdem sind die Böden verschieden und man kann ja einen kurzen Hinweis geben, versuchen, den Gast zu überzeugen oder ihm eben die Wahl lassen. Ausgebügelt wurde dieser leichte Patzer durch eine ausführliche Verprobung der Dessertweine. Auch hier erschloss sich mir aber der erste, sehr fruchtig-schwere Vorschlag zu einem Pistazieneis nicht. Der sehr junge Mann, der beim Auftragen half, wächst offensichtlich in die Serviceaufgaben hinein und bleibt daher außerhalb der Konkurrenz. Ich sehe den Service bei professionellen 4 Sternen.
Wir wählten das Wochen-Menü, das jeweils auf der Homepage aktuell eingesehen werden kann.
Zunächst Burratina mit Kirschtomaten, Basilikum und kampanischen Landschinken.
Als Pasta Tagliatini mit frischen Steinpilzen.
Hauptgang Wolfsbarschfilets mit Mangold, Tomatensauce und Kartoffeln.
Drei Gänge kosten 34€, vier werden mit 42€ berechnet.
Zunächst erhielten wir jedoch reichlich frisches Ciabatta mit unglaublich krosser Kruste. Allein das Geräusch ein Genuss. Zusammen mit dem toskanischen Olivenöl und etwas gemahlenem Salz ein ebenso einfacher wie netter Auftakt.
Was ohne Weiteres auch für die Vorspeise gilt. Der Kuhmilchverwandte des Mozzarella - derzeit ein Shooting-star der gehobenen Küche - kam als ein gar nicht so kleines Säckchen auf den Teller, wie die Verkleinerungsform das hätte erwarten lassen. Die Konsistenz der Füllung war weniger cremig, als ich sie in Erinnerung hatte. Eher wie ein körniger Frischkäse, der Burrata ja auch ist, aber eben nicht hundertprozentig nach meinem Gusto. Geschmacklich jedoch tadellos, leicht säuerlich-frisch, aber eben auch sahnig. Das Wow des Tellers waren jedoch die Kirschtomaten, die ihr ganzes Sommeraroma mit Süße und einer nur leichten fruchtigen Säure anboten. Zusammen mit den hübschen Basilikumblättern eine schöne Caprese-Variante, die durch den Schinken eine rustikale Ergänzung erfuhr. Hier ging die Bewertung am Tisch etwas auseinander. Teilweise wurde mehr Geschmack erwartet. Ich war dagegen ganz froh, dass die Aromen von Käse und Tomaten nicht völlig zugedeckt wurden. Von mir daher 4,5 Sterne für die Vorspeise.
Wie auch für die Tagliatini, die von Produktqualität und sauberer Ausführung lebten. Die Steinpilze waren reichlich, nicht zu große Exemplare, nur leicht angebraten, daher noch mit guter Struktur, und erstklassigem Geschmack. Auch zum Gargrad von Nudeln gehen die Vorlieben bekanntlich von weich bis con cuore auseinander; mir war's gerade recht. Zurückhaltend ein paar Kräuter, ganz leicht mit Sahne abgezogen, frischen Pfeffer drüber, ein perfekter Gang zum herbstlichen Wetter an diesem Abend. Ebenfalls 4,5.
Nach passender Zeit für Gespräche wurde der Fisch serviert. Das Filet war zu einer Röhre aufgedreht, aufgestellt und mit Mangold(stielen) gefüllt worden. Dann etwas geschmacklich nicht zu identifierenden Käse darüber und gebacken. Das ganze schaute sehr trocken aus. War der Fisch zum Glück noch nicht, wenn auch gut durch. Geschmacklich war das Erlebnis eher neutral. Enttäuschend, aber mehr noch die recht schlichte Tomaten-Paprika-Oliven-Komposition, die einfach viel zu sauer war. Solo probiert kein Genuss, tötete sie den eh schon flachen Fisch. Aber vermutlich war die Sauce auch eher zur Anfeuchtung der ausgetrockneten Ofenkartoffeln gedacht, denen zudem fast jedes Röstaroma abging. Das kann mindestens jeder zweite Vorstadt-Italiener besser. Für den Anspruch des da Piero indiskutabel. 2,5 Sterne.
Dementsprechend machte sich Enttäuschung breit, die meine Braunschweiger Gastgeber sogleich bekämpfen wollten. Ein Dessert musste her. Während ein Teilnehmer unserer Runde auf Erdbeeren mit Sahne in Blätterteig setzte, orderte eine Zweier-Fraktion ein Pistazienparfait. Beides konnte überzeugen. Nur von einigen Früchten und einer wohl hausgemachten Sauce mit leichten Zitrusnoten begleitet, war die Cremigkeit gut und der Geschmack durch reichlich Pistazienstücke unerwartet intensiv. Außerdem gab's dadurch etwas zu kauen, was der norddeutsche Mann ja liebt (lt. Schokoladenverkaufs-Statistik: Ganze Haselnüsse! Die durchschnittliche süddeutsche Frau schätzt dagegen Nougat und Noisette.)
Bei der Präsentation war noch Luft nach oben, was auch für alle Teller galt. 3,5 Sterne.
Insgesamt reicht es beim Essen, auch unter Einbeziehung von Brot und Wein für ganz knappe 4 Sterne.
Das PLV für das Menü sehe ich knapp darunter.
Fazit: Ich hatte den Eindruck, dass sich Küche und Service etwas zu sehr auf ihren Lorbeeren ausruhen. Bei größerer Konzentration würden sicher auch wieder rundum überzeugende Ergebnisse möglich sein. Eine Empfehlung bleibt das da Piero aber ohne Weiteres.
Eine Einladung von Geschäftspartnern bescherte mir einen Besuch in diesem vom GM empfohlenen und auf anderen Portalen hochgelobten Braunschweiger Restaurant. Obwohl die Küchenleistung die Vorschusslorbeeren nicht vollständig einlösen konnte, hatten wir einen angenehmen Abend. Eine Empfehlung kann ich ohne Bedenken aussprechen.
Das Restaurant befindet sich etwas zurück gesetzt in einem Fachwerkhaus an einer dörflichen Durchgangsstraße. Da es Bindfäden regnete, konnten wir den Außenbereich nicht nutzen. In der Diele war der Platz durch die Theke eingeschränkt, so dass die unterschiedlich großen... mehr lesen
Da Piero
Da Piero€-€€€Restaurant0531 26 21 52 9Salzdahluhmer Str. 301, 38126 Braunschweig
4.0 stars -
"Gehobene italienische Küche in Braunschweig. Trotz einiger Nachlässigkeiten ein schöner Abend." DerBorgfelderEine Einladung von Geschäftspartnern bescherte mir einen Besuch in diesem vom GM empfohlenen und auf anderen Portalen hochgelobten Braunschweiger Restaurant. Obwohl die Küchenleistung die Vorschusslorbeeren nicht vollständig einlösen konnte, hatten wir einen angenehmen Abend. Eine Empfehlung kann ich ohne Bedenken aussprechen.
Das Restaurant befindet sich etwas zurück gesetzt in einem Fachwerkhaus an einer dörflichen Durchgangsstraße. Da es Bindfäden regnete, konnten wir den Außenbereich nicht nutzen. In der Diele war der Platz durch die Theke eingeschränkt, so dass die unterschiedlich großen
Geschrieben am 06.09.2015 2015-09-06| Aktualisiert am
06.09.2015
Besucht am 09.08.2015
Nicht nur Portale verschwinden...
Eine Ausstellungseröffnung unseres Lieblingsmalers führte uns auf das sehr hübsche Gut Altenkamp nahe Papenburg im äußersten Norden des Emslandes. Die Nachbarstadt Leer, mit dem Zug keine 10 Minuten entfernt, liegt schon in Ostfriesland und besticht, im Krieg kaum zerstört, mit einer pittoresken Altstadt aus dem 17. und 18. Jahrhundert und etlichen reformierten Kirchen. Papenburg ist gänzlich anders, lang gestreckt an Kanälen gelegen mit vielen Kähnen und Seglern vergangener Zeiten, Mühlen und ausgedehnten Radwegen in die klare Landschaft der flachen Fehngewässer. Mit dem Auto zwischen beiden Orten unterwegs, kommt man an der neuen Meyer-Werft vorbei und wer, wie wir, Glück hat, erspäht in der Halle eines der Kreuzfahrtschiffe in ihrer ganzen Größe bis zum Kiel hinunter. Gewaltig, überwältigend, unglaublich. Dann aber wieder schnell die Augen auf die Straße!
Das ehemalige Werftgelände fast im Zentrum ist dagegen fast klein zu nennen, aber natürlich immer noch ein stattliches Industrieensemble, das ein Beispiel für gelungene Konversion zu sein scheint. Verschiedene Kunst-, Kultur- und Bildungsangebote gruppieren sich um ein Viersternehotel mit überwiegend in Türmen gelegenen, modern ausgestatteten Zimmern. In unserer Maisonette war das fest installierte Fernglas der Clou, mit dem durch die großzügige Verglasung ein schöner Blick über Ems und Land möglich war. Die Zimmerpreise scheinen mir allerdings etwas überzogen. Bis auf das noch neue, kleine Hotel im Arkadenhaus beim Rathaus fehlt es halt an ebenbürtiger Konkurrenz; für die Kleinstadt ist das Angebot aber beachtlich. Da könnte die Nachfrage der Werft und anderer großer Arbeitgeber eine Rolle spielen. Auch die chinesischen Gäste dürften nicht wegen des landschaftlich reizvollen Emslandes hier übernachten. Unerwartet gut das Frühstücksbüffet, das statt auf Masse auf Eigenständigkeit setzt. Einige ungewöhnliche Konfitüren sind mir z. B. in Erinnerung, aber besonders das Waffeleisen mit frischem Teig. Frische Waffeln mit Kirschen sind was Feines, auch am Morgen!
Der Blick durch die Fenster geht in einen schönen Biergarten, umfasst von einem historischen Rotklinkerbau und einer niedrigen Mauer, in dem wir unter einer mächtigen Rotbuche am Nachmittag einen leckeren Eiskaffee als Ersatz für das der Anfahrt zum Opfer gefallenen Mittagessen genossen hatten. Nur die Musik eines Dudelsenders störte etwas, schien aber einer Gruppe junger Menschen zu gefallen.
Der Frühstücks-"Raum" (und die Hotelbar) befindet sich im eigentlichen Highlight des Hotels, dem ehemaligen Schnürboden der Werft. In dieser hohen Klinkerhalle wurden die Holzmodel gefertigt, die dann später Vorlage für die zu endgültigen Metallteile waren. Maß wurde ursprünglich mit Schnüren genommen, der Name hat sich gehalten. Das gusseiserne Skelett der Hallenkonstruktion ist ebenso erhalten und sichtbar, wie einige beeindruckende Maschinen und insbesondere der große Bockkran einschließlich Laufkatze. Sicher nicht original, aber sehr originell ist die Lackierung aller Metallteile in türkis. Diese Farbe wird dann bei den Polstern der hellen Holzmöbel und sonstigen Wohntextilien teilweise wieder aufgegriffen. Zusammen mit den Messingaccessoires wirkt das zwar ziemlich 80er, aber in der großen Halle ergibt sich ein ganz eigenes, stimmiges Ambiente. Eben weder der erneut moderne kalte Sichtbetonlook einiger Gastrotempel, noch der gewollt shabby Holzkisten-Klinkerwand-Stil angesagter Hipsterlocations. Wir haben uns sehr wohlgefühlt. Als es gegen Abend dunkler wurde, zauberten Kerzen, Stehleuchter und insbesondere nach oben gerichtete Strahler an den Wänden eine wunderbare Atmosphäre in der Halle. Für das besondere Ambiente von mir ausnahmsweise 5 Sterne. Gleiches gilt für die Sauberkeit, wobei ich unser Zimmer anstelle eines Besuchs der allgemeinen Toiletten einbeziehe.
Der Schnürboden gibt auch dem á-la-carte-Restaurant des Hotels den Namen. Wir wollten indes auch kulinarisch etwas höher hinaus. Da das ursprünglich anvisierte, besternte Perior in Leer während der Tage unseres Aufenthalts leider geschlossen war, fiel die Wahl auf das Graf Goetzen, das Gourmetrestaurant Hotel Alte Werft. Die im Internet einsehbare Weinkarte war vielversprechend, allerdings wunderte uns die fehlende Speisekarte. Erst dachte ich auch an eine Schließzeit, aber die telefonische Reservierung war problemlos. Über das interessante Schicksal der Namensgeberin (nicht: des Namensgebers!) gibt die Homepage ausführliche Auskunft.
Von der Rezeption wurden wir dann durch die tolle Halle geschickt, an deren Ende wir etwas ratlos standen. Schließlich schauten wir durch eine Lücke in den Stellwänden, die unauffällig und einigermaßen geschmackvoll eine vielleicht 40 Quadratmeter große Ecke des Raums abtrennten. Und siehe da, um eine Station mit Edelbränden waren mehrere, verschieden große Tische mit Hochlehnern gruppiert, mit weißen Tischdecken und jeweils einer hohen weißen Gladiole. Eingedeckt waren jedoch nur zwei Plätze an einem schönen Tisch mit Blick in den Garten. Wir blieben dann auch über den Abend die einzigen Gäste in diesem übergroßen "Séparée". Immerhin hatten wir so die ungeteilte Aufmerksamkeit der jungen Commis de rang, die sehr gut ausgebildet war. Das war handwerklich alles tadellos und sehr bemüht. Auch im Foyer des Hotels belegen etliche, aktuelle Urkunden, dass man sich hier erfolgreich um den Nachwuchs kümmert. Was unserer Bedienung fehlte, war allerdings die Souveränität im Umgang mit anspruchsvollen Gästen. So etwas wächst erst mit den Jahren, hätte aber viel geholfen beim Borgfelder, der sehr verärgert war.
Und das kam so: Mit der unvermeidlichen Frage nach dem Aperitif, kaum, dass wir saßen, wurde eine recht schmale Karte überreicht. Die hielt ich für ein Versehen, da mit "Schnürboden" überschrieben. Meine Nachfrage zauberte ehrliches Erstaunen in das Gesicht der jungen Dame. Nein, eine eigene Karte habe das Graf Goetzen schon seit der Landesgartenschau im letzten Jahr nicht mehr. Bei teilweise 200 Gästen sei das nicht leistbar gewesen. Na, schön, dass das geklärt ist. Und ein Hinweis auf der Homepage war seit Oktober offenbar auch nicht leistbar. Oder wenigstens bei der Reservierung. Nein, das Restaurant bestehe quasi aus dem abgetrennten Bereich, sonst sei alles identisch, Küche, Service, Karten. Nein, ein besonderes Tagesangebot gebe es auch nicht. Sie könne aber ja mal in der Küche nachfragen, ob man etwas außerhalb der Karte für uns anbieten könne. Nö, war der Bescheid aus der Küche. Aber: "Wir können für Sie ein Amuse Geuele machen, wenn Sie sowas mögen." Mann, Mann, Mann. Was war ich geladen. Natürlich nur, weil ich Erwartungen hatte und folglich enttäuscht werden konnte. Genauer gesagt, ein wenig vera...lbert kam ich mir vor. Mein Fehler, klar...
Wie gut, dass uns aus dem Paradies drei Dinge geblieben sind: Frauen, die uns sagen, dass wir uns nicht so wichtig nehmen sollen. Hunger, der die Suche nach Alternativen verbietet. Und Alkohol, der eine verlässliche Mauer zwischen uns und dem Unbill dieser Welt errichtet. Diesen dreien vertraute ich mich an und hatte so mit der Zeit einen Restaurantbesuch, der im Rahmen gehobener Hotelküche durchaus zu einer Empfehlung führt.
Meine Frau wählte einen fruchtigen Cocktail für günstige 4,2€, mich besänftigte ein Gläschen Laurent Perrier Brut für 10,7€, neben dem Rosé aus demselben Maison der einzige Champagner. Das Wasser, sei es SP oder die nahe Emsland Quelle mit 6,2€ für den dreiviertel Liter gewohnt überzogen.
Zum Knabbern wurden Baguettescheiben und zweierlei Knäcke gereicht, wobei die Körnervariante gut, das Roggen aber ausgefallen und ausgesprochen lecker war. Als Dip/Aufstrich standen Butter, ein recht fester, dilllastiger Kräuterquark und ein wohlschmeckender fruchtiger Paprikafrischkäse zur Wahl. Gut so, denn ich hatte große Probleme, etwas Ansprechendes aus der zum einen sehr übersichtlichen Karte zu finden. Vermutlich hing es zum anderen noch mit meiner Erwartungshaltung zusammen, denn es gab überwiegend Standard-Angebote der Art "Aus dem Meer und von der Weide". Was der Tourist (vermeintlich!) erwartet, wenn er sich gefühlt in Küstennähe begibt... Die beiden Standardvorspeisen konvenierten nicht, so dass ich mich von meinem Wunsch nach etwas Ausgefallenerem sogar zum Äußersten hinreißen ließ und um eine kleinere Portion des vegetarischen Gerichts bat. War erfreulicher Weise kein Problem. Karottencrêpe gefüllt mit grünem Spargel, Lauchzwiebeln und Champignons in einer Kräutersahnesauce für 9,8€ (statt 13,5€). Danach entschieden wir uns für Zander auf der Haut gebraten, allerdings statt der vorgesehenen Fenchel-Süßkartoffeltalern begleitet von einem "spanischen" Risotto mit Serranoschinken, Oliven und Knoblauch. Das war eigentlich für die Maispoulardenbrust vorgesehen, aber der Tausch war auch hier ohne weiteres möglich, fein. Das Hauptgericht war mit 19,5€ bepreist. Die Dessertentscheidung wollten wir uns noch vorbehalten. (Es gab eine kleine zusätzliche Pfifferlingskarte, das sei zugestanden. Allerdings ist Anfang August bei heißem Sonnenschein für uns eben noch keine Pilzzeit. Inzwischen wurden die Pfifferlingen von einer kleine Wildkarte abgelöst, in der ich schon leichter fündig geworden wäre. Alle Karten sind im Internet einsehbar - aber eben unter dem Restaurant Schnürboden, nicht unter dem Graf Goetzen. Wer ahnt denn schon... Aber das hatten wir ja bereits.)
Die etwas angeberisch dick gebundene Weinkarte hat uns jedenfalls positiv überrascht, hier ist das Feinschmeckerniveau des ehemaligen Goetzen noch deutlich erkennbar. Viele deutsche Regionen mit namhaften Winzern vertreten, ebenso eine feine Auswahl von europäischen und überseeischen Anbaugebieten und Anbietern. Das Gleiche gilt für Hochprozentiges jeder Richtung. Allein das Champagnerangebot würde in der Hannoveraner Sylt-Außenstelle als arg beschränkt bewertet werden. Dafür gibt es wiederum einige Rotwein-Raritäten.
Wollte man kritteln, würde man bemerken, dass auch hier auf Sicherheit gesetzt wird, also das, was der Gast sicher als gut erkennt. Aber bei den Weinen langweilt mich ein traditionelles Angebot weit weniger, als bei den Speisen. So fiel unser interessierter Blick denn auch auf eine Trierer Karthäuserhofberg Spätlese, die für freundliche 31€, sowohl aus der Lese 2005 feilgeboten wurde, als auch als 2013er. Nach einem Blick in die Weinschränke bedauerte der Service indes, dass leider nur noch der 2005er vorrätig sei. Na, damit kann ich leben! Oder sollte es ein Wink sein, dass selbst die Spätlese nach 10 Jahren etwas müde geworden ist? Mmmh, da gehen wir mal ins Risiko und ja, vielleicht hätte ich etwas mehr Komplexität erwartet. Was uns alte Trinker indes nicht davon abhielt, zwei Flaschen für die Heimfahrt zu ordern (Oder doch lieber für die Zeit nach der abgeschlossenen Rückreise!) Der Mitnahmepreis von 15,5€ war ein gutes Argument und lange sollten die Flaschen nicht mehr liegen... Schatz, fährst du heute noch zum Glascontainer?
Los ging's aber mit den so "charmant" angebotenen Amuses, die sich als Jakobsmuschel mit einigen gedünsteten Gemüsestreifen entpuppten. Zur Deko ein Dill-Zweiglein. Nicht zum Niederknien, aber mittelgroße Exemplare, sorgfältig angebraten, nicht zu fest, mit gutem Eigengeschmack. Und das Beste an Jakobsmuscheln: Meine Frau mag sie nicht! ;-)) Ein zufrieden stellender Auftakt.
Der Für mich folgende flache Gemüsepfannkuchen war handwerklich gelungen, wobei ich Karotte weder sehen, noch schmecken konnte. Auch die Sahnesauce war gut. Nur leider, leider hatte das Gericht einen penetranten Geschmack nach grünem Lauch, gegen den alle anderen Bestandteile null Chance hatten. Zudem gehört Lauch nun zu den von mir wenig bis gar nicht geschätzten Gemüsen. Bei meiner Frau ist es gerade das Gegenteil, so dass nun ein Teller von meiner Seite des Tisches wanderte. Nach der Jakobsmuschel aus der Gegenrichtung waren Yin und Yang also wieder im Einklang.
Nach angenehmer Wartezeit wurde der Fisch serviert. Die Küche ließ sich offensichtlich zu weiteren "Angeboten" hinreißen, jedenfalls wurden außerhalb der Karte zusätzlich Blattsalate mit halben Kirschtomaten, Körnern und Feigenvierteln in einer sicher selbst gemachten Himbeeressig-Senfsauce serviert. Das angemessen große Filet mit schöner goldbraun gebratener Haut thronte auf dem Risotto, so dass sich bestätigte, dass jedes (gebratene) Gericht doch irgendwie braun aussieht. Farbe brachte ja wiederum das Dillzweiglein ins Spiel - was dem einen seine Kirschtomaten...
An diesem Gericht gab es rein gar nichts auszusetzen. Der Fisch war zwar durch, aber saftig und so geschmackvoll, wie Zander halt ist. Die Haut vorbildlich eingeschnitten und knusprig. Der Reis schlotzig, aber nicht zerlaufend. Mit reichlich Schinken, der aber nicht zuviel Salz hatte. Die Oliven setzten einen leicht fruchtigen Akzent.
Natürlich konnte meine Begleitung sodann trotz des unerwarteten Kräutercrêpe einem Dessert nicht widerstehen (merke: Geschenktes Essen hat keine Kalorien, die bleiben beim Schenker!). Erdbeerparfait mit Orangen-Chili-Confit hörte sich jetzt durchaus ambitioniert an. Der Preis von 7€ dafür günstig. Erdbeeren sind - außerhalb der hiesigen Hochsaison - nun nicht gerade meins, auch Rote Grütze esse ich lieber eigene (Der nächste norddeutscher Klassiker auf der Karte!). Aber bevor ich wieder missmutig werden konnte - da wär der gute Moselwein auch vor gewesen - bot mir unsere Servicedame ein von der Küche erstmals gefertigtes Sauerkirschsorbet an. Die Küche kann ja doch, wenn sie will; aber gerne!. Da wir auf Kaffee verzichten wollten, gab es immerhin für jeden dazu ein Gläschen Tawny Port je für günstige 3,7€ (lt. Karte Calem, gem. Rechnung Royal Oporto), der zum Geeisten fast angewärmt erschien und gerade zu den Kirschen bombastisch schmeckte! Beide Desserts waren sehr gut, das eine cremig-mild, das andere intensiv säuerlich-fruchtig, keineswegs wässrig. Ein rundum gelungener Abschluss.
Schlussendlich kamen 109€ auf die Zimmerrechnung, das verdiente Trinkgeld gab's in bar. Zu unseren Gunsten wurde nur ein einfacherer QbA-Riesling eingebongt. Ein vermutliches Versehen, das mir jetzt beim Schreiben aufgefallen ist.
Mit dem gebotenen zeitlichen Abstand und endlich weg von falschen Erwartungen muss, nein, möchte ich die Küchenleistung als gelungen und empfehlenswert bezeichnen. Allein der Crêpe ließ Karotte vermissen und die Kräutersauce traf nicht nur nicht meinen Geschmack, sondern war auch unausgewogen. Deswegen "nur" gute(!) 4 Sterne. Das PLV möchte ich wohlwollend noch etwas darüber ansiedeln.
So kann's gehen...
(Kaum waren wir im Zimmer angekommen, läutete der Meister für einen gemeinsamen Ausklang in der Bar an, so dass es nach den kulinarischen Genüssen auch noch interessante Einblicke in das künstlerische Arbeiten gab. Insgesamt ein Tag, der uns im Gedächtnis bleiben wird!)
Nicht nur Portale verschwinden...
Eine Ausstellungseröffnung unseres Lieblingsmalers führte uns auf das sehr hübsche Gut Altenkamp nahe Papenburg im äußersten Norden des Emslandes. Die Nachbarstadt Leer, mit dem Zug keine 10 Minuten entfernt, liegt schon in Ostfriesland und besticht, im Krieg kaum zerstört, mit einer pittoresken Altstadt aus dem 17. und 18. Jahrhundert und etlichen reformierten Kirchen. Papenburg ist gänzlich anders, lang gestreckt an Kanälen gelegen mit vielen Kähnen und Seglern vergangener Zeiten, Mühlen und ausgedehnten Radwegen in die klare Landschaft... mehr lesen
Restaurant Schnürboden im Hotel Alte Werft
Restaurant Schnürboden im Hotel Alte Werft€-€€€Restaurant, Biergarten, Tagungshotel049619200Ölmühlenweg 1, 26871 Papenburg
4.5 stars -
"Überraschungen im Emsland. Traditionelle Empfehlungen aus Küche und Keller." DerBorgfelderNicht nur Portale verschwinden...
Eine Ausstellungseröffnung unseres Lieblingsmalers führte uns auf das sehr hübsche Gut Altenkamp nahe Papenburg im äußersten Norden des Emslandes. Die Nachbarstadt Leer, mit dem Zug keine 10 Minuten entfernt, liegt schon in Ostfriesland und besticht, im Krieg kaum zerstört, mit einer pittoresken Altstadt aus dem 17. und 18. Jahrhundert und etlichen reformierten Kirchen. Papenburg ist gänzlich anders, lang gestreckt an Kanälen gelegen mit vielen Kähnen und Seglern vergangener Zeiten, Mühlen und ausgedehnten Radwegen in die klare Landschaft
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Kaum angekommen wurde ich von einer jungen Angestellten bemerkt, die mich nett begrüßte und zum Tisch führte. Den ersten Teil des Abend wird sie mich freundlich und gut ausgebildet begleiten. Es gelingt ihr, eine Beziehung zum Gast aufzubauen. Dabei war sie durchaus sicher in ihren Aussagen. Kleines Manko war, - neben der schnellen Frage nach dem Aperitif, die manche Gäste ja scheinbar erwarten und dem Wasserkühler erst auf meine Bitte - dass sich die junge Servicekraft bei den ersten Gängen nicht schon während des Essens nach meiner Zufriedenheit erkundigt wird. Beim Abräumen wird ehrlich interessiert gefragt, aber da kann ja nicht mehr nachgesteuert werden. Ich führe das auf die zeitliche Beanspruchung durch eine große Gruppe zurück. Bemerkenswert dafür, ob ich etwas Lesestoff wünsche. Soviel Aufmerksamkeit wird dem Einzelgast nicht oft zuteil... Besonders gefallen hat mir, dass klar benannt wurde, wenn sie unsicher war oder etwas nicht wusste; was nur bei einem Cocktail und den Dessertweinen der Fall war. Schnell war Hilfe bei der Juniorchefin Frau Steinheuer geholt, die mich dann im zweiten Teil des Abends umsorgte und vor allem vorzüglich bei den Süßweinen beriet (sowie großzügig probieren ließ). Beim Aufbruch war meine Bitte, noch einen Blick ins Gourmetrestaurant werfen zu dürfen, überhaupt kein Problem. Demnächst bin ich ja wieder in der Nähe...
Der Service insgesamt war tadellos, von bester Qualität, aber nicht steif. Es gelang scheinbar mühelos, den herzlichen Umgang einer familiengeführten Gastronomie mit der Professionalität erster Häuser zu verbinden. Sehr leise Popmusik (mindestens dreimal Imagine) blieb nicht die einzige Unterhaltung.
Ich habe mich rundum wohl gefühlt.
Leider konnte ich nicht in der rustikal, aber hochwertig eingerichteten Gaststube sitzen, da hier eine Jagdgesellschaft bis auf einen kleinen Tisch alle Plätze belegt hatte. Stattdessen wurde ich in einen Nebenraum geführt, der mich spontan an den Begriff Kabinett denken ließ. Vier Zweier- und ein Vierertisch ziemlich eng gestellt auf einer etwas in die Jahre gekommenen weinroten Auslegeware. Die recht tiefe Decke mit indirekter Beleuchtung und eine glatte dunkle Holzverkleidung an den Wänden ließen unwillkürlich Erinnerungen an Chefetagen der 70er Jahre aufkommen. Vielleicht habe ich auch unbewusst an gerade häufig gezeigte Bilder aus der Regierungszeit Helmut Schmidts gedacht. Jedenfalls ein starker Kontrast zu den lebendigen Poststuben. In der die Jagdgesellschaft im Laufe des Abends auch immer lebendiger wurde... Dreimal schallte ein Hallali-Lied nicht schön, aber laut durch die Räume, unterbrochen von mehr oder weniger launigen, aber immer lautstarken Reden auf Strecke, falsche Munition, geschossene Böcke etc. Ich litt im Nebenraum still, aber immerhin voll Galgenhumor mit. Langweilig war's nicht. Und allemal unterhaltsamer, als die langatmige Besserwisserei eines Ministerialbeamten, der Stimmfärbung nach aus dem Württembergischen, der einer alten Bekannten die Welt erklärte; einschließlich seiner bahnbrechenden Rolle bei diversen Gesetzesvorhaben. Dann doch lieber ein lautes Hallali...
Persönlich wollte ich gern das in der Internetkarte noch nicht verzeichnete Herbstmenü zur Strecke bringen. Leider war dies nur für zwei Personen vorgesehen, was die junge Dame jedoch mit einem festen "Das kriegen wir für Sie schon hin!" weg lächelte. So kam es und auch die in der Karte angekündigten zusätzlichen 3€ für Änderungen (gar pro Umstellung?) fanden sich nicht auf der Rechnung.
Bestellt wurde schließlich:
Feines von der Ente mit Feigen
Ahrtaler Kräutersüppchen (statt Curry-Kürbissüppchen mit Garnele)
Steinpilzrisotto mit Kalbsbäckchen
Rehmedaillons mit Pfeffersauce, Quitten, Maronen, Rosenkohl und Spätzle
Auswahl von Rohmilchkäsen (statt Birnen Beignets mit Walnussparfait und Cassisschaum - da musste ich mit mir kämpfen)
für 62 Euro, was ein gutes PLV bedeutet.
An Getränken schlug der Aperitif mit 10,5€ zu Buche. Ein Madeira Barbeito mit dem Käse kam auf 9,0€ und als krönender Abschluss ein PX Murillo cien años, d.h. abgefüllt 1992, zum Hundertjährigen von Lustau für nicht übertriebene 18,0€. Dafür habe ich mich bei den Gängen mit dem Wasser der örtlichen Quelle beschieden, ebenso wie meine Gastgeber mit den dafür verlangten 6,0€.
Die Tische mit Leinendecke, ein kleines Grablicht und zwei Zierkürbisse als Deko neben dem Fleur de sel-Töpfchen, das einen türkisen Farbflecks setzte. Zweimal Silberbesteck, Wasser- und Weinglas, Brotteller nebst Buttermesser und die schön gefaltete Stoffservietten werten den Tisch auf.
Vorab wurde ein Moscow Mule nach meinen Angaben gemixt. In Berlin hatte mir noch der Ingwer gut gefallen, hier war die Limonade deutlich schwächer, so dass es eher wie ein Wodka-Lemon schmeckte. Ach, zur Not...
Die Küche grüßte mit zweierlei unspektakulärem Schnittbrot, gereicht im Silberkörbchen, dazu französische leicht gesalzene Butter und ein hausgemachtes Gänseschmalz. Das war ein rustikaler Genuss, der für mich allerdings durch die fast flüssige Konsistenz des Fettes getrübt wurde. Je länger in der warmen Stube, desto größer die Kleckergefahr vom Brot aufs Hemd! Später wurde ein drittes, vollkorniges Brot gereicht.
Ein weiteres Amuse folgte nicht.
Die feine Ente kam in dreierlei Gestalt: Eine Leberpraline, in Pumpernickel gewälzt, so dass sie wie ein Trüffel aussah. Dazu passte das leicht bitter-süße Quittenchutney, das durchaus aus eine alkoholische Komponente (Wodka?) gehabt haben könnte, vorzüglich. Letzteres ging auch schön mit der mit verschiedenen Nüssen ergänzten Terrine.
In der Mitte des rechteckigen Tellers Blattsalate in einem nicht zu würzigen Dressing und vielen Nussstückchen. Passte gut zum schieren Entenfleisch in einer intensiven, leicht süß-säuerlichen Sauce, vermutlich versteckten sich dort die angekündigte Feigen. Leider trübte die Trockenheit einiger Stücke aus der Brust den Genuss ein klein wenig. Ansonsten ein überzeugender Auftakt.
Weiter ging's mit der Suppe. Da die im Menü vorgesehene Curry-Kürbissuppe wegen des mitgelieferten Garnelenspießes nicht ganz das Versprechen der Regionalität einzuhalten schien, hatte ich auf das Ahrtaler Kräutersüppchen umdisponiert. Dieses kam sehr heiß in einer Suppentasse, die in der Tat aus dem Schrank der Großmutter stammen könnte. Wunderbar grün und herrlich samtig abgezogen. Nur ein leichter Geschmack nach Kerbel. Das war's denn auch. Keine Deko störte das Auge, keine Einlage den Gaumen. Tadellos gemacht, trotzdem (m)eine falsche Entscheidung, vom kräftigeren Vorschlag im Herbstmenue an dieser Stelle abzuweichen.
Als Zwischengang war ich auf das Steinpilzrisotto mit Kalbsbäckchen gespannt. Die Portion war großzügig, der Reis von perfektem Gargrad und Sämigkeit. Reichlich Steinpilze waren als Aromaträger sehr deutlich. Auch das Fleisch, wunderbar zart mit Collagenanteilen, konnte völlig überzeugen. Einzig die reichliche Soße war zu intensiv und überdeckte damit das Risotto, das z. B. erkennbar eine Kräuterkomponente hatte, die geschmacklich nicht zu bestimmen war. Ich habe zuletzt den Reis "um die Sauce herum" gegessen, etwas ist zurück gegangen. Etwas weniger wäre hier der Ausgewogenheit der Bestandteile zugute gekommen.
Weiter ging es mit den. herbstlichen Hauptdarstellern, drei perfekten Rehmedaillons. Rosa, mager und doch saftig, typischer Rehgeschmack, die Pfefferkruste pikant, aber nicht zu scharf. Dazu eine ebenfalls pfeffrige, leicht gebundene Sauce, die hervorragend mit den hausgemachten leicht gedrehten Spätzle schmeckte. (Merke gerade, wie mir das Wasser im Munde zusammen läuft ;-)). Als Begleiter feiner kleiner Rosenkohl ohne alles. Nichts dran auszusetzen, überhaupt keine unangenehmen Bitternoten, aber meins ist das Wintergemüse so nicht. Umso mehr aber geschmorte Maronen und erneut Quitten die zusammen ein vollmundiges Herbstduo gaben. So lecker, dass ich um einen Nachschlag bat, der in und aus einer gusseisernen Kokotte serviert wurde.
Mit großem Bedauern habe ich auf die Birnen Beignets verzichtet.
Um erfreut zur Kenntnis zu nehmen, dass man bei der Käseauswahl zunächst nach eventuellen Vorlieben oder Abneigungen fragte. Da ich verneinte, kamen sechs Stücke von mild bis kräftig, die nicht nach einer Käseuhr ausgerichtet waren, aber Frau Steinheuer lotste mich sicher durch die Sorten, die ich mir namentlich leider nicht gemerkt habe. Mit dem Käse wurde ein recht ordentliches Früchtebrot gereicht, vor allem aber schwarze Walnüsse, Rosinen und ein Feigengelee. Sehr leckere Kombinationen. Erst recht mit den Proben aus dem reichhaltigen Sherry, Port und Madeira-Angebot des Hauses. Ein 5jähriger Madeira aus dem Haus Barbeito hat schließlich das Rennen gemacht. Aber mich auch nachdrücklich erinnert, dass bekanntlich Käse ohne Dessert nur ein halbes Vergnügen ist. Aber ich blieb natürlich standhaft ;-)). Also nur ein Gläschen des wunderbaren, wirklich wunderbaren intensiv fruchtig-süßen, inzwischen fast 25jährigen PX. Wie Motoröl floss er langsam ins Glas... Dazu bat ich nur um etwas dunkle Schokolade, direkt vom Block gehobelt. Überhaupt kein Problem, nachdem ich zuvor das reizende Angebot der Küche, mir vielleicht doch einen kleinen Schokoladenkuchen zu zaubern, dankend abgelehnt hatte (Habe ich eigentlich schon meine Standhaftigkeit gegenüber jeglichem Süßkram erwähnt?). Mindestens genauso nett, die Valrhonastücke außer Berechnung zu lassen.
Es war ein sehr angenehmer, entspannter Aufenthalt. Vom Essen war ich - zunächst - ein klein wenig enttäuscht. Im Nachhinein glaube ich, dass mir doch der Zweisternetempel nebenan zu sehr im Kopf herum ging und für überzogene Erwartungen im Sinne von "Abfärben" sorgte. Tatsächlich war es ein sehr gutes, überwiegend regionales Essen auf hohem Niveau zu einem sehr fairen Preis.