Leider auch Gourmand gehe ich mittags regelmäßig allein oder mit Kollegen essen. Abendessen zu zweit waren in der Vergangenheit rar gesät, das wird jetzt nachgeholt! Auf Dienstreisen vertreibe ich mir die Zeit stets mit abendlichen Restaurantbesuchen, möglichst in den Highlights. So war ich auf Restaurantkritik gekommen und hatte den inneren Schweinehund, der zu bequem zum Kritiken schreiben war, überwunden.
Nach etwa 100 Bewertungen hat mich der Verkauf an Yelp ausgebremst, da ich aussagekräftige Kritiken schreiben möchte, für Menschen, die gutes Essen schätzen. In einem Portal, bei dem man auch seine Wertschätzung für die Heiße Hexe an der Tankstelle veröffentlicht, fühle ich mich nicht mehr wohl und suche eine neue Kritikerheimat.
Nachdem mittlerweile (fast) alle geschätzten Kritikerinnen und Kritiker aus dem Verschwundenen Portal hierher gewechselt und ein paar mehr dazu gekommen sind, fühle ich mich wieder wohl. Ein bißchen wie im Stammlokal, man kennt/schätzt/neckt sich, tauscht Neuigkeiten aus... Eben lesen, schlemmen, schreiben.
Leider auch Gourmand gehe ich mittags regelmäßig allein oder mit Kollegen essen. Abendessen zu zweit waren in der Vergangenheit rar gesät, das wird jetzt nachgeholt! Auf Dienstreisen vertreibe ich mir die Zeit stets mit abendlichen Restaurantbesuchen, möglichst in den Highlights. So war ich auf Restaurantkritik gekommen und hatte den inneren... mehr lesen
Bewertungs-Statistik
Insgesamt 288 Bewertungen 362472x gelesen 10162x "Hilfreich" 9120x "Gut geschrieben"
Geschrieben am 22.02.2020 2020-02-22| Aktualisiert am
22.02.2020
Besucht am 18.02.2020Besuchszeit: Mittagessen 1 Personen
Nachdem uns das Spitzner im Oerschen Hof so kaltschnäuzig abserviert hatte (siehe meinen Beitrag dort), musste ein Ersatz für die abendliche Abschlussrunde unserer betrieblichen Klausurtagung gesucht werden. Kollege Carsten1972 erwies sich als äußerst hilfreich (Hoch soll er leben!) und die Wahl fiel auf Münsters Esszimmer. Die von Carsten beschriebene und auch auf der Homepage ersichtliche harte Einfach-Bestuhlung machte mir allerdings ebenso Sorgen wie das der Papierform nach eher einfache Getränkeangebot. Außerdem gibt es hin und wieder Stimmen, die mir einen gewissen Hang zu Sonderwünschen und Garstigkeit bei Nichterfüllung derselben bescheinigen. Das ist zwar maßlos übertrieben, aber es traf sich doch gut, dass ein Termin in Berlin kurzfristig abgesagt wurde, denn so konnte ich die Zeit für einen spontanen mittäglichen Kurzbesuch in der westfälischen Beamten- und Studentenstadt nutzen.
Nachdem ich das in einer wenig pittoresken Seitengasse der Fußgängerzone gelegene Lokal (immerhin mit frühlingshaft-grünem Müllcontainer vor der bodentiefen Glasfront) gefunden hatte, trat ich als Dritter von nach und nach 11 erwachsenen Mittagsgästen ein. Außer einer weiß gekachelten Wand erinnert mich nur wenig an die ehemalige Backstube.
Mit verschiedenen Details wird versucht, das Ambiente einer Wohnküche zu vermitteln; wie ich finde, recht erfolgreich. Schön fand ich die Musikauswahl, die durch etliche Langspielplatten (Die Jüngeren googeln, bitte.) der Siebziger und Achtziger angekündigt wurde. Zur lebendigen Atmosphäre tragen sicher auch die Gespräche der jungen Küchenjungs bei, die teilweise mit im Service agieren. Alles ungekünstelt, aber freundlich. Weder übertriebene Coolness, noch unangemessene Kumpelhaftigkeit. Der Service wurde im Wesentlichen von einem der auch nur etwas älteren Inhaber professionell gewuppt, dabei blieb er auch an den anderen Tischen gern für einen Schwatz stehen, ohne Wartezeiten entstehen zu lassen. Auf meine Bitte, die Karaffe Leitungswasser am Tisch stehen zu lassen, kündigte er selbstbewusst jederzeitiges Nachschenken an und hielt dieses Versprechen. Als er zeitweilig zu einem Handwerkertermin nach Hause gerufen wurde, übernahm sein Kompagnon, der bis ins letzte Jahr als Küchenchef im Esszimmer tätig war, jetzt aber das Zweitlokal Cho & Riso managt, eine Tapas- und Cocktailbar am anderen Ende der Innenstadt. Da er auch Sommelier des Hauses war, konnten wir erfreulicherweise schon viele meiner „kleinen Wünsche“ klären. Schön, dass dazu auch eine Auswahl aus dem überraschend eigenständigen Tapas-Angebot (s. Homepage Cho&Riso) gehört, ebenso eine spannende Negroni-Variante zur Begrüßung. Schade, dass die Bar bei unserem Besuch geschlossen ist; dort wäre ich gern versackt...
Aber zurück zum knallharten Probe-Essen:
Der erste Winzersekt war - na, klar - müde. Aber mit einem „Da diskutieren wir nicht, da machen wir eine neue Flasche auf!“ kam ein perfektes Glas an den Tisch.
Meine Bitte neben einem „echten“ Hauptgericht eine Auswahl der Mittagskarte in abgespeckter Version zu erhalten, wurde erst zögernd quittiert. Da aber die Gerichte überwiegend „mit der Kelle“ portioniert werden konnten, war es letztlich ebenso wenig ein Problem wie ein Wechsel der Beilagen. Dies auch am Nebentisch, wie überhaupt erkennbar versucht wurde, es den Gästen recht zu machen. Das Auseinanderrücken eines Vierertisch war kein Ding, wurde sogar angeboten und eine auswärtige Familie auf Englisch nicht nur abgefertigt, sondern auch beraten. Nur WLAN ist nicht (mehr) im Angebot, weil die schon erwähnten Studierenden allzu lange mit allzu wenig Umsatz die vielleicht 25 Plätze blockierten.
Meine Wahl war auf die vietnamesische Pho gefallen (denn der Küchenchef hat vietnamesische-chinesische Eltern), auf Hühnerfrikassee, ein Massaman-Curry mit Jasmin-Reis, das Carsten empfohlen hatte und als Hauptgang die Rinderroulade.
Die Brühe
war fleischig und süffig, die Rindfleischstreifen erfreulich rosa und ungemein zart und die Nudeln gefielen mit Biss, einem leicht süßlichen Teig, der das raue Mundgefühl frischer Ware hatte. Als Beilagen die üblichen Verdächtigen: Koriander, Chili, Limette und eine Hoisinsauce, die mich mit einem feinen Geschmack nach Tamarinde überraschte und weder zu salzig noch penetrant süß war. Ein paar mehr frische Kräuter wären schön gewesen, aber sonst gab es überhaupt nichts zu meckern. Sehr lecker und genau richtig zum Durchwärmen, denn an der Fensterfront war es nicht wirklich kuschelig.
Der Chef fragte von sich aus, wie schnell ich die weiteren Gänge haben wolle; auch das professionell.
Beim Hühnerfrikassee
gefiel mir das zarte und saftige Brustfleisch vom Sauerländer Biohof. Während der Jasminreis für meinen Geschmack zu weich war, wurde das auf der Karte in Aussicht gestellte knackige Gemüse mit nur kurz sautierten rosa Champignons und punktgenau gegarten Karotten und Brokkoli auch geliefert. Die Sprossen fand ich entbehrlich; gut dagegen etwas knackiges FrüZwie-Grün. Sauber gemacht.
Danach kam mit dem Massaman-Curry ein sehr ähnlicher Gang.
Nur dass hier die durch Blumenkohl, Aubergine und Zucchini ergänzten Gemüse noch stärker im Mittelpunkt standen und entsprechend Carstens Ankündigung glänzten. Die pikant-würzige Soße etwas flüssiger und die hausgemachten Udon-Nudeln schön elastisch. Wenn vegetarische Gerichte geschmacklich immer so stark sind, ist mir vor der Fastenzeit nicht Bange.
Beim Hauptgericht (12,9€)
hatte die Küche vergessen, dass ich schon drei, wenn auch verkleinerte Gänge intus hatte. Der Berg an leicht buttrigem, ein klein wenig leimig gewordenem Kartoffelpüree war bei aller Mühe nicht zu schaffen. Dazu war schon das kräftig angeröstete Spitzkohl-Wurzelgemüse mit knackigem Biss zu lecker. Und die kleine Roulade war ein Träumchen. Allein der Duft! So, wie bei Muttern - wenn die es denn so gut hinbekommt... Kräftig angebratenes Rindfleisch, ebenso mürbe wie saftig, innen noch rosa. Einerseits mit einer ganz klassischen Füllung aus Speck, Zwiebel, Essiggurke und Senf.
Die aber andererseits sehr fein geschnitten war und so die würzigen, süß-sauren und scharfen Aromen fast elegant zusammen spielten. Dazu eine leicht gebundene Dunkelbiersauce, die ich etwas süßer erwartet hätte. Trotzdem: Mann, war das sonntagessenlecker!
Kollege Carsten hat es treffend beschrieben: Hier gibt es kein ChiChi, sondern „bodenständige“ Gerichte, nicht nur mit regionalem Hintergrund, aber immer immer sehr gut umgesetzt. Ins Esszimmer kann man bedenkenlos einkehren.
Inzwischen hatte ich mich auch durch die in der Tat ausbaufähige Weinkarte probiert. Was mir nicht schmeckte, musste ich nicht bezahlen - DAS nenn ich gastfreundlich! Erfreulicherweise fand mein Gastgeber im Keller auch noch ein paar nicht verzeichnete Bouteillen, die wir sogleich für die kommende Woche reservierten.
Beruhigt konnte ich die etwas ausgedehnte Mittagspause schließen und nach einem Espresso aufs Haus zurück an den bremischen Schreibtisch fahren.
Nachdem uns das Spitzner im Oerschen Hof so kaltschnäuzig abserviert hatte (siehe meinen Beitrag dort), musste ein Ersatz für die abendliche Abschlussrunde unserer betrieblichen Klausurtagung gesucht werden. Kollege Carsten1972 erwies sich als äußerst hilfreich (Hoch soll er leben!) und die Wahl fiel auf Münsters Esszimmer. Die von Carsten beschriebene und auch auf der Homepage ersichtliche harte Einfach-Bestuhlung machte mir allerdings ebenso Sorgen wie das der Papierform nach eher einfache Getränkeangebot. Außerdem gibt es hin und wieder Stimmen, die mir einen... mehr lesen
4.5 stars -
"Sehr erfreuliche Mittagspause!" DerBorgfelderNachdem uns das Spitzner im Oerschen Hof so kaltschnäuzig abserviert hatte (siehe meinen Beitrag dort), musste ein Ersatz für die abendliche Abschlussrunde unserer betrieblichen Klausurtagung gesucht werden. Kollege Carsten1972 erwies sich als äußerst hilfreich (Hoch soll er leben!) und die Wahl fiel auf Münsters Esszimmer. Die von Carsten beschriebene und auch auf der Homepage ersichtliche harte Einfach-Bestuhlung machte mir allerdings ebenso Sorgen wie das der Papierform nach eher einfache Getränkeangebot. Außerdem gibt es hin und wieder Stimmen, die mir einen
Geschrieben am 10.02.2020 2020-02-10| Aktualisiert am
10.02.2020
Besucht am 03.11.2019Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 129 EUR
Aber von einer Guide-Michelin-Empfehlung hatte ich mir doch noch etwas mehr versprochen.
Hanseats schönen Bericht über das quirlige Restaurant nahe Savignyplatz und Ku‘Damm habe ich gerade erst entdeckt; er ist ja auch schon etwas in die Jahre gekommen...
Das Ambiente ist speziell. Im vorderen, großzügigen Bereich mit großer Fensterfront ist es hauptstädtisch laut und lebendig, aber recht entspannt. Hier werden die West-Berliner platziert, die unter sich sein wollen. Dem Vernehmen nach sollen auch wichtige und/oder bekannte Menschen das nicht nur auf griechische, sondern allgemein mediterrane Küche fokussierte Restaurant besuchen. Mag was dran sein, vor der Tür parkte ein Bentley mit Diplomaten-Kennzeichen.
Als eindeutiger Nicht-Berliner wurde ich vom Oberkellner mit kühler Professionalität auf den einzigen freien Tisch verwiesen, direkt hinter einer Wand. Grauenhaft. Mit Hartnäckigkeit und ungewohntem Charme gelang es mir nach einer Abfuhr dann aber doch, einen Platz weiter rücken zu dürfen, so dass ich mehr Ausblick hatte. Das kurz danach ankommende Pärchen, das dann ein wenig missgelaunt an der Wand saß, bedauerte ich angemessen scheinheilig...
Hier im hinteren, engeren Teil der Restaurants sitzen die überwiegend touristischen Einmal-Gäste an einer langen Tafel in der Mitte oder an sehr eng gestellten Zweiertischen entlang der Wand. Das optimiert die Wirtschaftlichkeit und muss auch nicht schlecht sein, erst recht, wenn man kommunikativ ist. Wenn alle fremd sind, hat man schon mal die erste Gemeinsamkeit. Ich hab mich jedenfalls ganz gut mit dem belgischen Geschäftsmann und seiner Tochter zu meiner anderen Seite unterhalten.
Zwei Besonderheiten zeichnen das Cassambalis aus: Zum einen sind die Wände dicht an dicht mit moderner Kunst behangen, fast alles in kräftigen Farben. Das meiste traf nicht meinen Geschmack, indes: Wer vieles bringt, wird Manchem etwas bringen. Passt außerdem zur fröhlichen, lauten Stimmung des internationalen Publikums.
Zwischen den beiden Gästegruppen nimmt die andere Besonderheit viel Raum ein, das Vorspeisenbuffet.
Die sind in Menge und Abwechslung dann doch erwähnenswert. Sehr, sehr vieles von dem, was an Mezze etc. im östlichen Mittelmeerraum bekannt ist, lässt sich hier ansprechend präsentiert finden. Und vieles scheint und schmeckt auch selbstgemacht. Da die Köstlichkeiten nach Gewicht berechnet werden (6,5€/100g - da werden Kichererbsen&Co. preislich zum Luxusprodukt) und meine Augen bei solchen Buffets immer mehr sehen, als in diesem Fall dem Geldbeutel gut tut, verschaffte ich mir erst einmal ohne Teller eine Marktübersicht. Gut, dass ich zuvor schon knuspriges Weißbrot mit einfacher Butter
bekommen hatte, wie von Hanseat beschrieben.
Als Aperitif natürlich einen Anisschnaps auf Wasser. Also Ricard (5,5€), was sonst beim Griechen:)
Mit den gewählten Salaten und Gemüsen (15,6€) war ich zufrieden, angenehm gewürzt und nach den jeweiligen Bestandteilen schmeckend.
Durch die Präsentation auch auf Zimmertemperatur, das ist ja häufig ein Ärgernis. Schön und gut und teuer. Nicht mehr, nicht weniger.
Am Platz ging es an die Weinauswahl. Die Karte bot ein erfreuliches Angebot auch höherwertiger griechischer Flaschen. Die Beratung (wohl durch die Wirtin) beschränkte sich auf die wertvolle Information „Beide Spitze“. Tja dann kannste ja nix falsch machen... Tatsächlich wählte ich einen mir unbekannten makedonischen Chardonnay
mit toastiger Holznote (65€, im Netz bei 25€) und war damit sehr zufrieden. Auch das sonstige Servicepersonal (ausschließlich junge, gut aussehende Frauen wohl aus Osteuropa) agierte patent und mit etwas aufgesetzt wirkender Berliner Schnauze. Die Pasta mit Trüffel wurde jedenfalls „Schmeckt besser als McDonald‘s“ beschrieben. Aber letztlich behandelten sie mich freundlich. Die meinen das nicht so; die wollen doch Umsatz machen...
Oder auch nicht: Denn neben meiner Vorspeisenauswahl, Tarama, Oktopus und einer Fischsuppe hätte ich gerne noch von den so arg angepriesenen Nudeln probiert; die Portionierung dürfte ja kein Problem sein. Aber: „Halbe Portionen erlaubt der Chef nicht!“ Dann halt nicht.
Wer weiß wozu es gut war, dachte ich mir so, als ich das Tarama probiert hatte. Das stellte sich als völlig glatte, rosa-blässliche Majonäse heraus, salzig mit viel Knoblauch, dafür ohne Rogengeschmack. Vielleicht kann der profunde Kenner griechischer Küche aus Bremen-Nord die Frage beantworten, die mir spontan durch den Kopf ging: Muss das so oder kann das weg? Immerhin konnte ich die Nachfrage von Frau Widdin (Wer kennt hier noch Lia Wöhr?), ob es mir schmecke, klar beantworten. Das Schälchen wurde ausgehoben und kam auch nicht auf die Rechnung. Sehr fair, es war ja nicht mangelhaft.
Dem Netz nach gehört der gegrillte Oktopusarm (19,5€) zu den hiesigen Highlights.
Schlecht war er nicht; nur ungewohnt fest. Nicht zäh, eher fleischig. Etwas mehr Röstung hätte dem Unopod gut getan, aber Chili und Rosmarin waren tolle Begleiter. Was rohe Zwiebeln, Petersilie und Dill(!) neben dem schmackhaften Bewohner südlicher Gewässer verloren hatten, fragt Ihr? Ich mich auch.
Ein tatsächlicher Höhepunkt war dann die abschließende Bouillabaisse (23,5€)
mit viel Kraft im Fond und leichten Safran- und Anisnoten. Auch die reichhaltige Einlage von Fisch, Muscheln und Krustentier war tadellos gegart und voll Geschmack.
Sehr, sehr gut und absolut empfehlenswert.
Gilt das auch für einen weiteren Besuch im Cassambalis?
Öhm, ja klar, warum nicht? Wenn man in der Nähe ist. Sich nichts anderes aufdrängt. Man Lust auf fröhliche Stimmung und ganz gute griechisch-mediterrane Küche zu recht kräftigen Preisen hat. Aber am besten in einer Gruppe! Darauf noch einen Pastis, aber den für gute Freunde! Yammas!
Aber von einer Guide-Michelin-Empfehlung hatte ich mir doch noch etwas mehr versprochen.
Hanseats schönen Bericht über das quirlige Restaurant nahe Savignyplatz und Ku‘Damm habe ich gerade erst entdeckt; er ist ja auch schon etwas in die Jahre gekommen...
Das Ambiente ist speziell. Im vorderen, großzügigen Bereich mit großer Fensterfront ist es hauptstädtisch laut und lebendig, aber recht entspannt. Hier werden die West-Berliner platziert, die unter sich sein wollen. Dem Vernehmen nach sollen auch wichtige und/oder bekannte Menschen das nicht nur... mehr lesen
Restaurant Cassambalis
Restaurant Cassambalis€-€€€Restaurant0308854747Grolmanstr. 35, 10623 Berlin
3.5 stars -
"Gut war es, das schon." DerBorgfelderAber von einer Guide-Michelin-Empfehlung hatte ich mir doch noch etwas mehr versprochen.
Hanseats schönen Bericht über das quirlige Restaurant nahe Savignyplatz und Ku‘Damm habe ich gerade erst entdeckt; er ist ja auch schon etwas in die Jahre gekommen...
Das Ambiente ist speziell. Im vorderen, großzügigen Bereich mit großer Fensterfront ist es hauptstädtisch laut und lebendig, aber recht entspannt. Hier werden die West-Berliner platziert, die unter sich sein wollen. Dem Vernehmen nach sollen auch wichtige und/oder bekannte Menschen das nicht nur
Geschrieben am 09.02.2020 2020-02-09| Aktualisiert am
09.02.2020
Besucht am 13.10.2019Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 142 EUR
Nee, nee, nicht die Heimat des Daueressers ist hier falsch geschrieben, sondern der finnische Militär und Politiker spielte eine gewisse Rolle bei meinem ungeplanten Besuch im SAVU, tief im Westen des Ku‘damm.
Eigentlich war ein spontaner Besuch im Christopher’s, dem ehemaligen Schwein in der Mommsenstraße angesagt. Allerdings fand an diesem Abend eine offene Promotionveranstaltung für Wodka und Champagner statt, die mit einem festen 4-Gang-Menü verbunden war. Das mag ich schon mal beides nicht. Also die Getränke schon, aber feste Gänge und dann nur 4 halt weniger... Obwohl ich freundlich herein gebeten wurde, ließen mich außerdem die vielen finster dreinblickenden Herren mit ihren sehr jungen, sehr langbeinigen Begleiterinnen zweifeln, ob ich wohlfühlen würde.
Also kurz im zu Fuß vielleicht 15 bis 20 Minuten entfernten SAVU angerufen und mich sehr über die außerordentlich freundliche Reservierungsbestätigung durch die junge Restaurantleiterin Lea Funk gefreut. Die Freude hielt den gesamten Abend an, denn egal, ob es die Begrüßung, der Garderobenservice, das Platzieren mit Blick in die Küche
(„Damit Ihnen nicht langweilig wird!“) oder andere Kleinigkeiten waren, immer war das echte Bemühen spürbar, mir einen angenehmen Abend zu bereiten. Die ebenso junge, fast genauso nette zweite Frau im Service blieb kaum dahinter zurück.
Das SAVU ist im Gebäude des kleinen, edlen Hotels Louisa‘s Place beheimatet
und stellt wohl auch so etwas wie das Hausrestaurant für dessen zahlungskräftige internationale Gästeschaft dar. Das Haus ist mir von einem dreitägigen Aufenthalt mit Mutter und Gattin in guter Erinnerung geblieben; ich kann es nur empfehlen.
Vom SAVU gibt einen Durchgang zum Hotel, in dessen Treppenhaus sich auch die tadellosen Toiletten befinden. Eine wirtschaftliche oder weitergehende organisatorische Verbindung gibt es aber nicht. Gründer, Inhaber und Chefkoch ist allein der kulinarische Weltenbummler Sauli Kempaiinen, der nach Stationen in seiner finnischen Heimat, Spanien und Italien nun hier am Ku‘damm mit einer Mischung all dieser Erfahrungen 15 Punkte Gault Millau und etwas überraschend einen Stern erkocht hat.
Der sympathisch und offen wirkende Finne Sauli ist nicht nur durch die Glasscheibe beim Werkeln mit seiner ausschließlich männlichen Mannschaft zu beobachten; er bringt mehrere Teller selbst an den Tisch, erklärt diese selbstbewusst und legt auch letzte Hand mit der Pipette oder dem Siphon an.
Der recht große, quadratische Raum, in dem an diesem Montagabend nach und nach sechs oder sieben der sparsam gedeckten Tische besetzt wurden, ist durch mehrere Pfeiler strukturiert und wirkt auf den ersten Blick nordisch klar.
Durch angenehmes Licht, viel blankes Holz und das dunkle Leder der Sitzbezüge habe ich mich aber durchaus wohl gefühlt. Es erklang entspannter Jazz, so soll die Stimmung hier auch sein - leger, nicht cool. Das Publikum war völlig gemischt; ein junges Paar wurde an den Hochtisch direkt vor der Glasscheibe zur Küche platziert, der hier als Chef‘s table dient.
Nach meinem flotten Spaziergang bestellte ich als Durstlöscher zunächst ein Pils. Auch außerhalb der Fastenzeit alkoholfrei. Weil. Ich. Es. Kann. Leider hatte ich nicht mit den wohl amerikanischen Gästen gerechnet, die ihr Bier offenbar sehr nahe am Gefrierpunkt lieben. Autsch! Naja, „wärmer“ wird’s von alleine; ich hatte keine Termine mehr. (Nach vier Stunden war ich tatsächlich der letzte Gast und wurde freundlich zur Tür begleitet. Manchmal muss der Service eben sicher gehen, dass der Pflock ganz durchs Herz getrieben ist...).
Der Preis von 5€ für 0,33l Allerwelts-Pils hätte mich warnen sollen, doch well chilled ging es an die Weinauswahl. Aber hallo? So eine seltsame Karte hatte ich bis dato noch nicht gesehen: Mehrere deutsche Anbaugebiete, Spanien und Italien jeweils mit drei bis vier Weißen. Alles andere so gut wie Fehlanzeige, sogar Frankreich völlig blank! Da staunte der Burgunderfelder und fragte vorsichtshalber nach. Ja, das sei so gewollt, erläuterte mir die nette Frau Funk. Man sei ein Restaurant in Deutschland und Sauli habe eben nur in Spanien und Italien die Weine kennen- und lieben gelernt. Und finnische Weine, haha. Halt das Konzept... Welches Konzept genau wurde mir auch gleich klarer, als doch mehrere Bordeaux’ im Bereich von 200€ bis 400€ in der Karte auftauchten. Oder es ist die alte spanisch-italienische Region Bordelais gemeint, kennen ja viele gar nicht mehr! Jedenfalls wunderte es mich überhaupt nicht, dass bei den verschiedenen Weißweingebieten jeweils eine, maximal zwei Flaschen unter 100€ kosteten, der Rest bzw. die Mehrzahl darüber, zum Teil heftig. Nur leider waren die niedriger bepreisten überwiegend „ausgetrunken“. So ein Pech auch. Meine Gastgeberin murmelte „Kartenwechsel“ vor sich hin, zauberte dann aber einen Gemischten Satz aus Tauberfranken zutage, der zwar auch mit dem 3,5 bis 4-fachen EK kalkuliert, aber mit 33€ immerhin bezahlbar war. Der gute Trinkfluss und die nette Betreuung dämpften meinen Ärger dann nach und nach, bis sich wieder meine gewohnt meditative Stimmung ausbreitete.
(Dass der erste Gang serviert wurde, während wir noch in Verhandlungen über den Wertheimer Alten Satz standen und auch das Brot gerade erst auf den Tisch gekommen war, war dem unter meinem Blick etwas nervös werdenden Service nicht anzulasten, zumal die Fünf von der weißen Brigade uns doch noch eifrig diskutieren sahen. Stress kann es angesichts des fast leeren Lokals auch kaum gewesen sein. Also Unaufmerksamkeit oder Ignoranz? *Kopfschüttel*)
Die ungewöhnlichen Aperos hatten zwischenzeitlich meine Laune weiter gebessert:
Ein süffiger Steinpilz-Schaumkuss war schneller genossen als geknipst. Auf Holzstäbchen einerseits ein ganz vorzüglicher Happen heiße Zitronen-Polenta mit Extra-Rauchmajo und andererseits Basilikum-Knusper, der der Küche leider zu hart geraten war.
Wieder zum Wohlfühlen die warme Steinpilzvelouté,
deren voller Geschmack sogar die abgenudelte Präsentation des Grußes als Cappucino verzeihen ließ.
Der erste Gang beweist, dass die Fusion nordisch-spanisch-italienisch ernst genommen wird: Eismeergarnelen und finnisches Rapsöl wurden mit Chorizo, Taggiasca-Oliven, Piquillo und Ruccola aus Mallorca kombiniert.
Die Krabben überzeugten mehr durch Geschmack als ihre mürbe Textur, das kräftige Öl im Zusammenspiel mit einer Emulsion aus der „scharfen spanischen Wurst“ machten das Gericht am Beginn schwer. Olive war als Sand verarbeitet und Chorizo-Chips sorgten für Crunch. Die Rauke in dünnen Streifen blieb mir als einziges „Grünzeug“ zu stark im Hintergrund, Frische fehlte. Was auch daran lag, dass statt Zitrusaromen der geräucherte Spitzpaprika eine Barbecue-Note einbrachte. Die Präsentation als Legostein kann natürlich als skandinavische Referenz gedeutet werden. Trotzdem: Keine Säure, keine Frucht, keine Schärfe. Ich war ein wenig überfordert bei dieser Instagram-tauglichen Leistungsschau, die mir als Opener zu schwer war.
Gut, dass jetzt Bekanntes kam, für das ich mir ausdrücklich etwas Zeit erbat. Im SAVU ist das Brot nicht Teil des Menüs, sondern wird mit 8€ berechnet, so man es denn bestellt. In Zeiten von no- und low-carb ganz vernünftig. Da mein 5-Gang-Menü mit 88€ im Vergleich der 1-Sterne-Restaurants eher günstig war, ist der Preis auch keine Beutelschneiderei, erst recht nicht für das gebotene Backwerk:
Das Knäcke war wirklich sehr knackig. Der weitgehend neutrale Teig ließ Dillsamen Raum; stark und nordisch, sehr lecker. Unterdurchschnittlich in dieser Auswahl das Focaccia mit unerwartet fester Krume und zu harter Kruste. Mein Favorit das saftige Gewürzbrot, bei dem Anis leicht die Geschmacksführerschaft hatte. Als Aufstrich
aufgeschlagene Butter, sehr glatte, intensive Lachscrème sowie ein Trüffelricotta, dessen leicht „mehlige“ Konsistenz mir nicht völlig gefiel.
Es folgte eine Hummervelouté, die etwas dick geraten war. Am Tisch wurde Hummeröl mit Vanille aufgeträufelt, das im Weiteren immer mal wieder aufblitzte und daher nicht nur Show war.
Die Hummerfleischwürfel als Einlage waren qualitativ 1a. À part gab es eine gehäutete Mini-Tomate, vermutlich wieder als spanischer Twist gedacht. Passend empfand ich die fruchtige Säure nicht, eher schon den Fenchel als Chiffonade vom Stiel, Samen und Bronce-Zweiglein, ebenso wie über das exakt pochierte Wachtelei.
Textur und Öl ergaben wieder einen recht schweren Teller für kalte Polarnächte. Andererseits brachte die mediterrane Ergänzung kaum Leichtigkeit, jedenfalls keine, die ich verstanden hätte.
Auftritt Marschall Mannerheim!
Als der ehedem zaristische General aus schwedisch-finnischem Adelsgeschlecht Anfang der 1920er gegen die Rote Armee kämpfte, brachte er aus Osteuropa ein Gericht mit, das am ehesten an Labskaus erinnert und seitdem das finnische „Seelengericht“ (Sauli Kemppainen) darstellt: Vorschmack!
Für die Variante des SAVU werden zunächst Lamm, Rind, Hering und Knoblauch traditionell 72 Stunden ohne Salz geköchelt, was eine nicht sonderlich appetitlich aussehende, aber unfassbar umami Masse ergibt. Für das Sterneküche wurden die weiteren Zutaten nicht untergemengt, sondern das Gericht dekonstruiert. Weiche, wohlschmeckende Kartoffel gekocht und als Mousseline, Essiggurken-Gelee und Crème sehr gut, dazu passte geflämmte Silberzwiebel. Frittierter Knoblauch knusperte schön und gab dem milden Poltiger Lamm-Schinken einen Kick. Rote Bete als Eis (endlich Temperatur!) war großes Kino! Der kleine Baiser einen Ticken zu klebrig und natürlich durfte Smetana, Schmand, nicht fehlen!
Für den authentischen (Show-)Effekt versprühte Sauli ein Holzteer-Aerosol - aber ich bin Stadtkind, wir haben elektrisch gekocht...
Erneut viel, viel los auf dem Teller, aber beim Vorschmack ging’s auf - man denke nur an russische Buffets: Bolschoi prazdnik!
Nach der Papierlage klang das letzte Fleischgericht wieder vertrauter: Beelitzer Maishähnchen und Estragon, Mais, Pistazie und Schokolade, dazu allerdings auch Schneckenschaum.
Soviel vorweg: Yummy!
Die gegrillte und confierte Brust war wunderbar saftig. Keulenfleisch hatte die Küche zu eine kräftige Bolo geköchelt, die mit dezenter Säure und Schärfe gut zur geflämmten Zuckermaus passte. Ätherischer Estragon war klar erkennbar Ungewöhnlich die ganzen Pistazien, aber etwas Knack ist nie verkehrt! Dagegen blieb das vereinzelte Popcorn nur ein optischer Effekt; am Tisch war es schon nicht mehr knackig und ging geschmacklich sowieso unter. denn die samtene Suppe mit viel Arriba-Schokolade war der Burner mit ihrer nur leicht süßen Herbheit. Sehr, sehr gut! Der Sauli mit dem Siphon ergänzte noch einen Schaum,
in dem auf einer Basis der Hühnerknochen Thüringer Schnecken verarbeitet waren. Für mich war das angesichts der kräftigen Aromen keine merkliche Verbesserung, aber es sorgte natürlich für ein volleres Mundgefühl. Was sich an diesem Abend ja in die nicht eben leichten Gerichte konsequent einreihte.
Irgendwie war mir das alles zu schwer und ich lechzte nach etwas Entlastung. Natürlich würde ich nie ein Sorbet bestellen (nach dem Fleisch, meine ich), aber die große Flasche auf der Theke mit der schwarzen Flüssigkeit sah recht vielversprechend aus. Und in der Tat, Saulis selbstgemachter Lakritz-Wodka (8€) sorgte für aufgeräumte Stimmung...
Mit dem abschließenden Teller blieb der Nordmann mit der Zero-Frisur seiner Linie treu: Viel und bunt!
Was nach farbenfreudigem Dessert aussieht, war aber (überwiegend) ein Käseteller. Kräftiger alter Gorgonzola am Stück und in einer milderen Variante als cremiges Eis sehr befriedigend. (Wie in diesem Song: Er mag das Eis sehr, wenn es herb ist, wenn es auf der Zunge beißt. Dann vergisst er den Dessert-Mist, der nicht süßer Eiswein heißt. Ohohohoho....). Dazu dann aber doch die große Kaffeetafel, knackige Haselnüsse auch im saftigen Kuchen, Rosen als Gelee und sehr gelungene kristallisierte Blätter. Von der Lakritze in Püree- und Crème-Form hätte es für die Balance gern mehr sein können. Dagegen konnte der Fichtensprossen-Staub eine merkliche herbe Nuance einbringen.
Fazit:
Schwierig. Eigenwillig war es und schon deutlich abgesetzt von der üblichen puristischen, brutal-regionalen Nordic cuisine. Andererseits fand ich die wilde Melange von finnischer mit Mittelmeer-Küche angestrengt und selten gelungen. Mit einem winzigen zeitlichen Abstand scheint mir ein Wiederholungsbesuch doch lohnend, allein schon für Saulis vorzüglichen Salmiakki!
Nee, nee, nicht die Heimat des Daueressers ist hier falsch geschrieben, sondern der finnische Militär und Politiker spielte eine gewisse Rolle bei meinem ungeplanten Besuch im SAVU, tief im Westen des Ku‘damm.
Eigentlich war ein spontaner Besuch im Christopher’s, dem ehemaligen Schwein in der Mommsenstraße angesagt. Allerdings fand an diesem Abend eine offene Promotionveranstaltung für Wodka und Champagner statt, die mit einem festen 4-Gang-Menü verbunden war. Das mag ich schon mal beides nicht. Also die Getränke schon, aber feste Gänge... mehr lesen
Savu
Savu€-€€€Sternerestaurant03088475788Kurfürstendamm 160, 10709 Berlin
3.5 stars -
"Mailand oder Madrid - Hauptsache Mannerheim!" DerBorgfelderNee, nee, nicht die Heimat des Daueressers ist hier falsch geschrieben, sondern der finnische Militär und Politiker spielte eine gewisse Rolle bei meinem ungeplanten Besuch im SAVU, tief im Westen des Ku‘damm.
Eigentlich war ein spontaner Besuch im Christopher’s, dem ehemaligen Schwein in der Mommsenstraße angesagt. Allerdings fand an diesem Abend eine offene Promotionveranstaltung für Wodka und Champagner statt, die mit einem festen 4-Gang-Menü verbunden war. Das mag ich schon mal beides nicht. Also die Getränke schon, aber feste Gänge
Geschrieben am 04.02.2020 2020-02-04| Aktualisiert am
04.02.2020
Besucht am 06.09.2019Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
Rechnungsbetrag: 440 EUR
Als wir mit unserem Sohn und seiner Freundin im September mal wieder ins Topaz einkehrten, „regierte“ dort noch Norman Fischer, der nach dem Verlöschen des letzten Sterns dann in der Havanna-Lounge und dem Tagesbistro Greta‘s für unkomplizierte, aber doch kreative Küche stand. Das Gastspiel im Topaz ist schon wieder Geschichte. Trotzdem kann ich hier (kurz) Bericht erstatten, da ich mich in den letzten Wochen durch eifriges Studium der Menükarte und bei zwei mittäglichen „Kontrollbesuchen“ überzeugen konnte, dass beim jetzigen jungen Team in der Küche noch sehr viel Fischersche Gastro-DNA weiter lebt. Neben den Hausklassikern (u.a. Sashimi, Fischsuppe, Wiener Schnitzel) gibt es nach wie vor Teller, die sich in Sachen interessante Idee und ansprechende Ausführung vor dem Angebot des letzten Jahres nicht verstecken müssen.
Das Ambiente habe ich schon beschrieben und bebildert, hier hat sich nichts geändert - zum Glück. Wir saßen im quirligen Erdgeschoss an Hochtischen. Die dazugehörige Bank und Stühle sind lederbezogen und eigentlich ganz bequem. Nur für Menschen unter 1,70 Meter Körpergröße ist es schwierig, die Fußstützen zu erreichen. Das nervt natürlich auf die Dauer. Mittags ist das kein Problem, für einen Abendbesuch würde ich, jedenfalls nach dem Erstbesuch, eher im ruhigeren Obergeschoss reservieren.
Mit der Bedienung ist es etwas Glückssache, manche sehr nett, manche „leben“ authentische Pariser Garçon-Manieren. Nachfragen zu oder gar Kritik an der Weinempfehlung wird eigentlich immer schnippisch beantwortet. Da mangelnde Souveränität meist auf Unsicherheit beruht, habe ich mir angewöhnt, entweder selbst aus der preislich leider stark angezogenen Karte zu wählen oder ansonsten jede Nachfrage mit einem neutralen „Danke“ zu beantworten. Schlechtes Zeug ist mir aber noch nicht untergekommen. Die Flasche Wasser wurde mit 6,2€ berechnet. Das Gläschen Champagner (Roederer, aber Théophile) kostete 10,9€, dafür der alkoholfreie Cocktail 7,5€. Nur mein Sohn blieb beim Vermouth blanc in der bekannten Dr. Loosen Edition von Belsazar (5,9€).
Zum Essen wünschte sich mein holdes Weib Sauvignon und so geschah es. Gegen den Wunsch eines nicht zu nennenden Herrn zuerst ein Pfälzer Bär von Oliver Zeter für 64,5€. Und zum Nachspülen dann endlich die volle Ladung Feuerstein Pouilly-Fumé Les Beaudieres für 58€.
Die Küche grüßte mit einer geeisten Paprikasuppe, die mir zu süß und sehr breiig daher kam. Dazu ordentliches Baguette mit einer leckeren Zitronenbutter. Aromatisch war das Süppchen (hier stimmt’s) präsent, aber es fehlte ein Kick.
Den hatte das Carpaccio von Fjordforelle, denn die angenehm dick geschnittenen Scheiben ruhten auf einem Bett von Meerettich-Schaum. Nordseekrabben steuerten ihre eigene, süßliche Note bei und zurückhaltender Dillknusper in überraschender Schwammoptik sorgte für etwas Textur (19,5€).
Geradlinig, stimmig, mit klarer Idee. Guter Auftakt.
Auch die gut gewürzte Wild-Consommé (11,5€) war konzentriert (Brüller...) und kam erfreulich heiß, aber ohne Verbrühungsgefahr an den Tisch.
Fein die nicht näher beschriebene Wild-Preiselbeerfüllung (ich tippe auf Reh) der zwei Ravioli, deren Teig etwas dünner hätte sein dürfen. War das geeiste Amuse noch ein Sommergruß, regierten hier schon Herbst und Winter. Insofern ist die Kritik (jahres)zeitlich ja geradezu perfekt getimt...
Auch der Hauptgang hatte es in sich.
Die Hochrippe aus dem Smoker (24,5€) kann vermutlich niemals mit Solinger Wertarbeit konkurrieren. Aber fleischig, zart-saftig und von einer kräftig rauchigen Barbecue-Sauce begleitet, blieb bei mir Grill-Amateur kein Wunsch offen. Vielleicht gilt aber auch hier: Was man nicht kennt, kann man nicht vermissen.
Typisch für das Topaz, dass als Konterpart zum kräftigen Hauptdarsteller ein fruchtig-frisch-knackiger Apfel-Zuckerschoten-Salat gereicht wurde, dem Estragon eine würzige Kräuternote hinzufügte. Ich hätte hier eher Majoran/Oregano erwartet, wurde aber positiv überrascht.
Und, weil ich neugierig war, wählte ich das Dessert „Nordsee“, das eine an den Strand schlagende Welle darstellte (Günstige 9€!).
Mit Sepia gefärbte Limettencréme und ein Zitrusgel hielten mit ihrer Frische wirklich leckeres Karamellwaffel-Eis, Korallenschokolade mit Kakaobutter und Haselnuss-Sand gut in der Waage. Echter Queller konnte mit leichter Salzigkeit punkten, die ich zu Süßem fast genauso schätze wie etwas Schärfe. Farblich ein nicht so schöner Teller, aber die Nordsee hat eben andere Qualitäten als das Mittelmeer.
Zur Begleitung ölten Zeters Goldschatz und eine schöne Spätlese Nectar blanc 2009 durch die Kehlen (5,9/4,9€).
Mit dem abschließenden Käse für alle ging ein überzeugendes Menü ohne Schwächen zu Ende. Der Abend im Topaz war rundum gelungen und stellte einen ruhigen Auftakt zum turbulenten Besuch im Kleinen Lokal dar. Aber über den habe ich ja schon gewohnt wortreich und *hüstel* selbstkritisch berichtet.
Als wir mit unserem Sohn und seiner Freundin im September mal wieder ins Topaz einkehrten, „regierte“ dort noch Norman Fischer, der nach dem Verlöschen des letzten Sterns dann in der Havanna-Lounge und dem Tagesbistro Greta‘s für unkomplizierte, aber doch kreative Küche stand. Das Gastspiel im Topaz ist schon wieder Geschichte. Trotzdem kann ich hier (kurz) Bericht erstatten, da ich mich in den letzten Wochen durch eifriges Studium der Menükarte und bei zwei mittäglichen „Kontrollbesuchen“ überzeugen konnte, dass beim jetzigen jungen... mehr lesen
4.0 stars -
"Weiterhin eine schöne Brasserie mit gehobenem Anspruch" DerBorgfelderAls wir mit unserem Sohn und seiner Freundin im September mal wieder ins Topaz einkehrten, „regierte“ dort noch Norman Fischer, der nach dem Verlöschen des letzten Sterns dann in der Havanna-Lounge und dem Tagesbistro Greta‘s für unkomplizierte, aber doch kreative Küche stand. Das Gastspiel im Topaz ist schon wieder Geschichte. Trotzdem kann ich hier (kurz) Bericht erstatten, da ich mich in den letzten Wochen durch eifriges Studium der Menükarte und bei zwei mittäglichen „Kontrollbesuchen“ überzeugen konnte, dass beim jetzigen jungen
Schließzeit laut Homepage 2. bis 20. Februar 2020. Und ausdrücklich geschlossen wegen des Caterings für den Semperoper-Ball vom 4. bis 8. Februar 2020?
Schließzeit laut Homepage 2. bis 20. Februar 2020. Und ausdrücklich geschlossen wegen des Caterings für den Semperoper-Ball vom 4. bis 8. Februar 2020?
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"Leicht verwirrend" DerBorgfelderSchließzeit laut Homepage 2. bis 20. Februar 2020. Und ausdrücklich geschlossen wegen des Caterings für den Semperoper-Ball vom 4. bis 8. Februar 2020?
Geschrieben am 31.01.2020 2020-01-31| Aktualisiert am
01.02.2020
Besucht am 29.08.2019Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 163 EUR
Im Pauly Saal habe ich 2019 zweimal gegessen und getrunken. Im Sommer kam ich allein und als einer der ersten Gäste. Es war heiß und so war nur der Garten geöffnet. Im trüben November begleitete mich eine Kollegin und wir waren am Ende des Abends im großen Speisesaal unter den letzten Gästen. Da die Rechnung des Novemberbesuches schon lange in der Buchhaltung ist, sind nur die wirtschaftlichen Daten der Premiere vermerkt.
Ein Wort noch zur durchaus beabsichtigen Doppelbewertung:
Wenn man ein Restaurant aus verschiedenen Blickwinkeln wahrnimmt, fallen die Unterschiede, aber auch die Konstanten besser auf.
Nachteil ist nur, dass die geneigte Leserschaft ein wenig Durchhaltevermögen benötigt...
Das Restaurant hat alles, was man gemeinhin in Berlin-Mitte erwartet: Coole Location, eine internationale Gästeschar (die nach dem Weiterziehen der Hipster überwiegend aus heftig knipsenden Foodies von Borgfeld bis Baikonur besteht und aus Geschäftsleuten, deren Spesenkonto die überzogenen Weinpreise herzlich egal sind), eine Service-Mannschaft, in deren Welt das hauseigene Konzept viel, sehr viel gilt, jedenfalls eindeutig mehr als das Wohlbefinden der Gäste und eigentlich eine exaltierte Küche. Die allerdings ist in der Auguststraße mit dem Weggang des für starke Aromen stehenden Arne Anker passé. Nachfolger Dirk Gieselmann steht entsprechend seinem exzellenten Werdegang für eine behutsam modernisierte, aber im Kern sehr klassische französische Küche, die primär auf Harmonie, weniger auf Kontrast setzt. Das ist beileibe nicht schlecht. Es muss nicht immer „Boah! Ey, Alter!“ sein; das „Mmmmmmh...OMG! Ist das lecker!“ kann genauso in die kulinarische Glückseligkeit führen.
Den Weg dorthin war im Pauly Saal leider ein klein wenig holprig.
Was sicher nicht am Ambiente lag, im Gegenteil. Mich begeistert der hohe Turnsaal der ehemaligen jüdischen Mädchenschule mit seiner hohen braunen Wandverfliesung, den mit grünem Samt bezogenen, dick gepolsterten Sesseln und Bänken vor den klassisch eingedeckten Tischen und den extravaganten dreistöckigen Kronleuchtern. Und natürlich die vielen kleinen und großen ironischen Brechungen, von denen die größte natürlich die ikonische Comic-Rakete an der Schmalseite ist,
hinter deren horizontaler Verglasung die Küchenmannschaft konzentriert werkelt. Auf der gegenüberliegenden Seite erinnern die langen Vertikalfenster im oberen Bereich fast an eine Kirchenarchitektur.
Im Foyer vor der Kathedrale des guten Geschmacks wird man nicht nur begrüßt und lässt seine Garderobe in - wenn ich richtig gesehen habe - verschlossene Schränke verwahren. Man kann auch stilvoll warten, z.B. auf die leicht verspätete Kollegin (Oder hatte ich wieder eine falsche Zeit vorgegeben? Das Alter...). Und hat dabei sogleich einen guten Blick in die wirklich heimelige Bar, die einerseits mit herüber wehenden Swing wie direkt aus den Zwanzigern importiert wirkt, andererseits aber unglaublich lässig und zeitgemäß ist. Hut ab, tolle Atmosphäre!
Der der ehemalige Pausenhof (fast) nicht nachsteht. Denn eine so erstaunlich ruhige, grüne Oase hätte ich hier nun wahrlich nicht erwartet.
Hinsetzen, ausatmen, zur Ruhe kommen (gelegentlich fährt ein Anwohner gesittet hinter dem Zaun entlang). Sogleich fallen die ebenfalls übergroßen Pop-Art-Plastiken ins erheiterte Auge.
Herrlich! Und dann irritiert sein, dass tatsächlich das härteste, offenbar ebenfalls einer Zeitreise entsprungene Metallmobiliar die eigene Sitzfläche malträtiert.
Aber ist das nicht wunderbar authentisch, so mit diesen alten Lackresten? Nein, das ist indiskutabel und der beste Beweis, dass hier das „Konzept“ mehr Bedeutung hat, als die Behaglichkeit der Gäste. Immerhin, auf den alten Schulstühlen liegen homöopathische Sitzkissen. Drei oder vier davon an den umliegenden Tischen zusammen geklaubt und es wird einigermaßen erträglich. Auch die Holztische scheinen noch aus der ehemaligen Schule zu stammen, die nach der Schließung durch die Nazis dann in der DDR wieder eröffnet und noch bis 1996 genutzt wurde. Draußen unter der mächtigen Eiche wären weiße Decken fehl am Platze gewesen, aber schön eingedeckt ist auch hier.
Die große Service-Mannschaft kam wechselnd an den Tisch, manche waren freundlich und bemüht, andere weniger. Auffällig war eine gewisse Desorganisation. Im Sommer - bei übersichtlicher Auslastung - ging es noch. Beim zweiten Besuch dagegen hatten wir uns gewehrt, zu zweit direkt neben eine Firmenfeier gesetzt zu werden. Dann erhielten wir eine Eckbank an der Servicestation und bekamen so die eine oder andere Verwirrung mit - nebst einigen Zickereien innerhalb des Teams. Der unruhige Platz an der Kreuzung zweier Laufwege hat mich nicht gestört, es herrscht hier sowieso ein recht hoher Geräuschpegel, aber auf eine, wie ich finde, gute, lebendige Art, so ein Bienenkorbgesumme. Natürlich sprechen die jungen Leute angesichts des hohen Anteils an internationalen Gästen englisch. Manche auch nur das und entschuldigen sich für ihre fehlenden Deutschkenntnisse. Aber auf eine so formelhafte Weise, dass eine Verbesserung der Sprachkenntnisse auch nicht wirklich angestrebt erschien. Das fand ich im Layla viel charmanter, wo jede und jeder es soweit auf deutsch versuchte, wie es ging und dann wechselte. „Schlimm“ ist das nicht, da auch genügend anderes Personal da ist. Aber schade, weil es zumindest meine Möglichkeiten für Nachfragen, Wünsche oder auch Rückmeldungen einschränkt. Gerade mit dem Barkeeper und dem Sommelier möchte man sich als (Einzel-)Gast doch etwas austauschen. Wobei Kommunikation nicht wirklich im Fokus des Service steht; hier soll verkauft werden und gerne auch die teuren Flaschen. Gleich dreimal stand der finnische Weinfachmann am Tisch und drängte auf eine Bestellung. Andererseits auch kein großes Wunder, denn die Küche legte ein ähnliches Tempo vor. Als wir nach 15, vielleicht 20 Minuten ohne Abstimmung Amuse, Brot und Butter und auch schon den ersten Gang hinter uns hatten, bat ich beim Restaurantleiter doch nachdrücklich um Entschleunigung. Was dann gut klappte und auch sonst wurde die Arbeit ordentlich erledigt. Positiv ist schließlich anzumerken, dass der Service unsere, allein schon zeitlich nicht eingeplanten Antworten auf die geschäftsmäßige Frage nach der Zufriedenheit kurzerhand abwürgte und anbot, dass der Chef am Ende des Abends selbst an den Tisch komme werde. Was Herr Gieselmann dann auch tat und sich Zeit für unser Feedback nahm.
Bei meinem sommerlichen Besuch startete ich so gut wie gar nicht süß mit einem Aviation, also nur Maraschino-Likör und Crème de Violette als Zuckerquellen im Sour. Der hübsche Cocktail wurde „with bubbles“ angekündigt, also mit Champagner aufgegossen. Nur leider fehlte das Prickeln dann völlig. Meine Reklamation brachte mir immerhin die Gesellschaft einer jungen Barkeeperin ein, die mir, an meine Tischplatte geklammert, in der Hocke langwierig erklärte, warum das so sein müsse. Mal unterstellt, ich habe sie korrekt verstanden, s.o. Wir einigten uns friedlich auf einen neuen Versuch, aber in der klassischen Variante. Wunderbar ausbalanciert, das ist ja die Kunst bei den Sours und auch nur einmal auf der Rechnung (12€). Ganz glücklich war ich indes nicht und bestellte daher beim Zweitbesuch erneut die Schaumwein-Version, sprach den Barkeeper aber vorher darauf an. Und Zack! schon perlte es ganz wunderbar im Glas und drängte die leichte Seifigkeit des Veilchen-Likörs schön zurück. Was ein Champagner so alles vermag, wenn er nicht abgestanden serviert wird - toll, was?
Beim Ausflug in den Garten stand nur ein abschließendes 5-Gang-Menü für recht teure 115€ im Angebot. (Im Spätherbst hatte man immerhin bei drei Gängen Alternativen und Alba-Trüffel als Aufpreisvariante.)
Vorher kamen mit dem Wasser (Preussenquelle, 6,5€) blitzschnell zwei Brote auf den Tisch.
Hatte mich im NoName das warme, aromatische Backwerk begeistert (Kikillus kocht übrigens gerade in Singapur), war es hier kalt und ganz o.k. Auch die neben der Zitrus-Butter gereichte Oliven-Tapenade war nicht schlecht, nur „normal“. Aber das ist eigentlich nicht die Erwartungshaltung an Sternegastronomie.
Die Küche setzte die erste Duftmarke mit einem Bouillabaisse-Sabayon, der mit Süffigkeit und vollem Umami zum Lippenlecken gut war. Zudem feine Gemüsewürfel und ein Brotchip mit Estragoncrème für etwas Biss.
Farbenfroh startete das Menü mit Makrele, die in Salzlake gebeizt und dann geflämmt wurde.
Das brachte wohl temperiert kräftigen Geschmack bei zarter Konsistenz. Die vielfältige Begleitung - Beete-Brunoise, süßer knackiger Apfel, Tomate als leicht pikantes Puder und klarer weißer Schaum, Basilikumöl - setzten eine Vielzahl von Geschmacksakzente, wobei der fette Fisch stets Hauptdarsteller blieb. Sehr gut. Ach so, Kaviar war in diesem Potpourri auch vertreten. Der tat nichts, überhaupt nichts, weil die Salzigkeit schon durch durch die gebeizte Makrele vertreten war. Schade um das (hier) verschenkte Produkt.
Weiter ging’s mit einem Surf‘n‘turf von Flusskrebs und und Kalbskopf, modisch im Napf serviert.
Die Schalentiere kamen aus dem heimischen Tiergarten, man las schon darüber. Viel wichtiger als die regionale Nutzung der invasiven Art (Das nennt man wohl aus der Not eine Tugend machen.) ist der Umstand, dass die kleinen Schwänze nichts mit der aus Supermärkten bekannten, konservierten Ware zu tun hatten. Groß und sehr zart, mit einem Eigengeschmack, der auch mit Sellerieschaum und feinen Perlgraupen wahrnehmbar blieb. Gegen den hier umstrittenen, von mir sehr geschätzten collagenreichen Kalbskopf war das dann schon schwerer, der als Unterlage deutlich sauer und auch leicht pikant daherkam.
Als Fischgang „schwamm“ ein noch glasig pochierter Lachs mit Kartoffelschuppen vorbei.
Stark im Geschmack, musste er doch gegen die intensive Ratatouille-Emulsion kämpfen. Bei den Beilagen aus Pfifferlingen, kleinen weißen Bohnen und Mangold konnte ich den geschmacklichen Zusammenhang nicht recht erkennen. Das grüne Blattgemüse war zudem mit Löffel und Gabel nur schwer zu zerteilen, so blieb es mir als fast nur ein großer Happen unangenehm in Erinnerung.
Genau wie die Sehne im Fleischgang. Die Tranchen von der Taubenbrust waren sehr zart,
hätten aber durch eine nicht so weiche Haut noch gewonnen. Als zweite Variation war pikant gewürztes Keulenfleisch in einer Art Armer Ritter ausgebacken worden. Diese kreative Idee litt unter überraschend schwachen Beilagen. Die stark gegrillte rote Birne war hauptsächlich sauer ohne Fruchtaroma und auch bei der separat angegossenen Barbecue-Soße
war das Raucharoma einer starken Bitterkeit gewichen, die alle süßen Noten platt machte. Dafür blieb das frittierte Salbeiblatt ohne Wirkung. Die Zwiebel war halt Zwiebel.
Ein eher schwächerer Gang.
Ausnahmsweise wollte ich bei der Nachspeise zuschlagen, denn einen Vacherin glacé gibt es auch nicht alle Tage. Das mit Eis oder Crème Chantilly gefüllte Baiserbauwerk gehört zum Kanon der klassischen Patisserie und wurde natürlich von einer fruchtsüßen Riesling-Auslese standesgemäß begleitet. 18€ für den 0,1l-Fingerhut schien mir erst sehr hoch gegriffen, gemessen an den aktuellen Internetpreisen liegt der Faktor aber bei ca. 3.
Statt der (erhofften) Dessert-Herrlichkeit alter Tage kam dann eine dekonstruierte Variante.
Die Limetten-Meringue hatte eine frische Säure, die es angesichts der etwas sparsamen Crème-Tupfen gar nicht gebraucht hätte. Zumal Johannisbeeren (Cassis-Eis, Baiser und natur) geschmacklich lange dominierten und auch dem guten Riesling kaum Chance ließen. Erst mit dem Kaffee-Eis wurde es dann insgesamt harmonisch. Etwas Unausgewogenheit und viel enttäuschte Erwartung führten dazu, dass ich in dieser „zerschmetterten“ Variante keinen wirklichen Mehrwert erkennen konnte.
Von Antony gab es zum Abschluss gewohnt gut gereiften Epoisses, Roquefort und Livarot Colonel.
Kürbismarmelade und Zwiebelchutney schmeckten tadellos. Das Früchtebrot war angeröstet, aber trocken. Immer wieder so kleine Stolperer.
Da war es schon fast klar, dass die Bar keine After-Dinner-Cocktails auf Minzbasis anbot. Der Brandy Alexander (12€) tröstete.
Passte alles in allem zu diesem irgendwie doch nicht so ganz passenden Besuch. Immerhin wollte ich dem Pauly-Saal gern eine zweite Chance einräumen.
Und so konnten sich die Kollegin und ich uns nach feuchter Anreise zunächst sehr knuspriges Baguette und Sauerteigbrot schmecken lassen.
Die Tapenade war diesmal viel intensiver, aber nicht zu salzig und wirklich gut gefiel mir die Butter mit crunchigen Buchweizen. Weil wir mit soviel Muße am Quatschten waren, bekamen wir sogar einen Nachschlag, wenn auch erst auf Nachfrage.
Die Küche grüßte aus der France profonde mit einem saftigen Ochsen-Paté nebst halbem Wachtel-Ei, einer Sauce Tatar und feinen Perlgraupen.
Rustikal und fein zugleich und ein klares Bekenntnis zu den ländlichen Wurzeln jeglicher (Hoch)küche.
Die intensiv getrüffelte Pâté en croute von Maispoularde, Kalbsbries und Foie Gras griff diese Ankündigung sogleich auf.
Die reichhaltigen Füllungen konnten einzeln und auch im Zusammenspiel überzeugen; leider war das Geflügelbrustfleisch recht trocken. Die Begleiter hinterließen einen zwiespältigen Eindruck. Granatapfel als Reduktion blieb geschmacklich schwach, dafür harmonierten die Kerne schön mit den Pistazien und dem Gelee der Pastete. Ebenso gefiel die Remoulade mit eingearbeiteten knackig-frischen Selleriewürfelchen. Die im Plural angekündigten schwarzen Walnüsse entpuppten sich als eine dünne Scheibe, was ich nicht aus Geiz anspreche. Es fällt halt nur schwer zu kombinieren, wenn der üppige Hauptpart zu knapp bemessene Aroma-Mitspieler hat. Schon sehr lecker, aber es wäre sicher noch besser gegangen.
Es folgte eine geschmacklich durchaus gelungene, aber sehr feste Hummer-Mousseline,
die doch eher etwas fluffig daherkommen sollte. Zudem irritierte mich eine grenzwertige Salzigkeit, die aus der Zutatenliste nicht zu erklären war. Die Krustentier-Bisque, ganz frischer Spinat und Hummerfleisch waren gut, allerdings auch nicht zum Niederknien. Wieder ein gelungenes, aber eben nicht ganz fehlerloses Gericht.
Nichts zu meckern hatte ich dann tatsächlich mal bei der Kastanien-Velouté, der eingelegte Pilzen und ein lockerer (!) Blumenkohl-Flan sehr harmonisch weitere Geschmacksrichtungen hinzufügten.
Wirklich toll die Borettane-Zwiebeln, die in mehreren Variation unterschiedliche Knackigkeit erzeugten. Spannend, wie sich die Texturen ablösten. Absolut lohnend auch das Zusatz-Invest in frisch gehobelte weiße Trüffel aus Alba.
Absoluter Wohlfühlteller.
Und auch der Fleischgang präsentierte französische Kochkunst par excellence.
Der Rehrücken rosa und einfach perfekt, Pastinake in Texturen von roh über mariniert bis zum knusprigen Chip, ein Schaum von Haferwurzel, der auch genauso schmeckte, dann krachende geröstete Haselnüsse voller Aroma, fluffige Pariser Gnocchi und eine schokoladige Sauce Grand Veneur,
die im genau richtigen Moment herb-würzig auf sich aufmerksam machte.
Mit dem Wild wechselten wir von unserem Chablis 1er Cru zu einem bezahlbaren Pinot, natürlich auch aus dem Burgund.
Statt Dessert kam wieder sehr gut gereifte Ware
von Meister Antony, vermutlich aus der Ferne beeinflusst durch einen portalbekannten Asketen, der wenige Tage vorher beim Besuch des Hannoveraner Schicki-Italieners eigentlich heldenhaft auf das Dessert verzichteten wollte. Hat halt nicht geklappt.
Karamellisierte Walnüsse, ein pikantes Kürbis-Chutney und eine Lauch(!)-Marmelade schmeckten ebenso vorzüglich, wie der mit Armagnac gespritete Vin muté.
Chef Dirk Gieselmann spendierte am Tisch dann noch einen P.X. von Williams and Humbert (12 Jahre) und nahm unsere Rückmeldung im Übrigen recht schmallippig auf.
Es gab aber ja auch nicht wirklich viel zu meckern, sieht man von immer wieder auftauchenden Nachlässigkeiten ab. Aber eben auch zu wenig uneingeschränkt zu feiern. Passte alles, gutes Handwerk, nur bis auf das Reh wenig im Gedächtnis geblieben. Gelungen zwar, aber meist nicht perfekt in Produkt und Ausführung. Berlin-Mitte ist eben doch weit weg von Heppingen, wo in Steinheuers Zur Alten Post die perfekte Harmonie nicht nur gesucht, sondern auch auf vielen Tellern gefunden wurde. Aber von den dortigen Erlebnissen vor und neben dem Kamin berichte ich zu gegebener Zeit...
Im Pauly Saal habe ich 2019 zweimal gegessen und getrunken. Im Sommer kam ich allein und als einer der ersten Gäste. Es war heiß und so war nur der Garten geöffnet. Im trüben November begleitete mich eine Kollegin und wir waren am Ende des Abends im großen Speisesaal unter den letzten Gästen. Da die Rechnung des Novemberbesuches schon lange in der Buchhaltung ist, sind nur die wirtschaftlichen Daten der Premiere vermerkt.
Ein Wort noch zur durchaus beabsichtigen Doppelbewertung:
Wenn man ein... mehr lesen
Pauly Saal
Pauly Saal€-€€€Restaurant, Bar, Biergarten, Sternerestaurant03033006070Auguststr. 11–13, 10117 Berlin
4.0 stars -
"Hält doppelt besser?" DerBorgfelderIm Pauly Saal habe ich 2019 zweimal gegessen und getrunken. Im Sommer kam ich allein und als einer der ersten Gäste. Es war heiß und so war nur der Garten geöffnet. Im trüben November begleitete mich eine Kollegin und wir waren am Ende des Abends im großen Speisesaal unter den letzten Gästen. Da die Rechnung des Novemberbesuches schon lange in der Buchhaltung ist, sind nur die wirtschaftlichen Daten der Premiere vermerkt.
Ein Wort noch zur durchaus beabsichtigen Doppelbewertung:
Wenn man ein
Anfang November haben wir für ein kleines Treffen im Kollegenkreis Ende Februar einen Tisch bestellt. Gestern kam die telefonische Absage vom Restaurant, weil man am Reservierungstag geschlossen habe. Auf unsere Frage, warum das denn jetzt erst mitgeteilt werde, erhielten wir die Auskunft, dass gerade entschieden worden sei, an dem Tag nicht zu öffnen. Gründe wurden nicht mitgeteilt.
Das ist unprofessionell und enttäuschend.
Mal abgesehen von Wasserrohrbruch etc., hält man Reservierungen, die man angenommen hat, auch ein.
Dass es auch anders geht, beweist das Kesselhaus in Osnabrück. Am Donnerstag waren wir zu dritt die einzigen Gäste. Eine Absage stand nicht zur Debatte. Im Gegenteil wurden wir besonders zuvorkommend bedient, bis hin zu einer kleinen spontanen Küchenparty. Wir fühlten uns als geschätzte Gäste und empfanden den Abend als beste Werbung für das dortige Restaurant. Diese Chance hat das Spitzner im Oerschen Hof leider verpasst. Schade.
Anfang November haben wir für ein kleines Treffen im Kollegenkreis Ende Februar einen Tisch bestellt. Gestern kam die telefonische Absage vom Restaurant, weil man am Reservierungstag geschlossen habe. Auf unsere Frage, warum das denn jetzt erst mitgeteilt werde, erhielten wir die Auskunft, dass gerade entschieden worden sei, an dem Tag nicht zu öffnen. Gründe wurden nicht mitgeteilt.
Das ist unprofessionell und enttäuschend.
Mal abgesehen von Wasserrohrbruch etc., hält man Reservierungen, die man angenommen hat, auch ein.
Dass es auch anders geht,... mehr lesen
Spitzner im Oerschen Hof
Spitzner im Oerschen Hof€-€€€Restaurant, Sternerestaurant025141441550Königsstraße 42, 48143 Münster
2.0 stars -
"Unprofessionell. Schade." DerBorgfelderAnfang November haben wir für ein kleines Treffen im Kollegenkreis Ende Februar einen Tisch bestellt. Gestern kam die telefonische Absage vom Restaurant, weil man am Reservierungstag geschlossen habe. Auf unsere Frage, warum das denn jetzt erst mitgeteilt werde, erhielten wir die Auskunft, dass gerade entschieden worden sei, an dem Tag nicht zu öffnen. Gründe wurden nicht mitgeteilt.
Das ist unprofessionell und enttäuschend.
Mal abgesehen von Wasserrohrbruch etc., hält man Reservierungen, die man angenommen hat, auch ein.
Dass es auch anders geht,
Smells Like Münster
DAS KESSELHAUS KOCHT IM
SMELLS LIKE
Das „Kesselhaus“-Team kocht wieder einmal im Monat in einem Pop-up-Restaurant in Münster in der Weinbar „Smells Like“, Voßgasse 4 in Münster.
Die Termine immer am letzten Dienstag eines Monats:
28.01.
25.02.
31.03.
28.04.
Smells Like Münster
DAS KESSELHAUS KOCHT IM
SMELLS LIKE
Das „Kesselhaus“-Team kocht wieder einmal im Monat in einem Pop-up-Restaurant in Münster in der Weinbar „Smells Like“, Voßgasse 4 in Münster.
Die Termine immer am letzten Dienstag eines Monats:
28.01.
25.02.
31.03.
28.04.
Reservierungen werden ab sofort über das „Smells Like“ entgegen genommen: www.smellslikewinespirit.de
(Quelle: Kesselhaus-os.de)
stars -
"Einmal im Monat Pop-up-Restaurant mit dem Team des Kesselhaus aus Osnabrück" DerBorgfelderSmells Like Münster
DAS KESSELHAUS KOCHT IM
SMELLS LIKE
Das „Kesselhaus“-Team kocht wieder einmal im Monat in einem Pop-up-Restaurant in Münster in der Weinbar „Smells Like“, Voßgasse 4 in Münster.
Die Termine immer am letzten Dienstag eines Monats:
28.01.
25.02.
31.03.
28.04.
Reservierungen werden ab sofort über das „Smells Like“ entgegen genommen: www.smellslikewinespirit.de
(Quelle: Kesselhaus-os.de)
Geschrieben am 05.01.2020 2020-01-05| Aktualisiert am
05.01.2020
Besucht am 07.08.2019Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 144 EUR
...am Ende des Besuchs ein, sagen wir mal, Fauxpas passiert wäre.
Aber von Anfang:
Ob‘s edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern des wütenden Geschicks erdulden - Mit anderen Worten: Auf der Strecke Bremen-Bielefeld hatte die Bahn eine Verspätung von sage und schreibe 1,5 Stunden hinbekommen. Meine Besprechung hatte schon lange begonnen und wäre, bis ich vom Hauptbahnhof die Außenbezirke der geheimnisvollen Perle Ostwestfalens erreicht hätte, wohl schon fast beendet gewesen. Was lag also näher, als bei einem Frustrationsminimierer
(Fino von Lustau, 6,5€) auf die Kollegin zu warten und sich bei einem gemeinsamen Mittagessen das Verpasste berichten zu lassen?
Nach einem gemütlichen Spaziergang vom Bahnhof in die City unternahm ich noch einen Streifzug durch Klötzers Feinkostladen, der im Erdgeschoss bescheiden wirkt, im großzügigen Untergeschoss jedoch allerlei Leckereien für den Schlemmer bereit hält (man merke sich: einschließlich einer schönen Käsetheke).
Das Restaurant befindet sich im Nebenhaus, einen direkten Durchgang habe ich nicht bemerkt. Von der Straße ist nach meiner Erinnerung eine Stufe zu überwinden.
Der Raum ist modern, aber nicht kühl gestaltet, mit abgehängten Deckenfeldern, schönen Designerleuchten und moderner Kunst an den Wänden.
Ein ideales Tagesbistro, wenn auch der Blick auf die kleine Seitenstraße nicht sonderlich interessant ist. Trotzdem freute es mich, zur frühen Mittagszeit einen Tisch am Fenster bekommen zu haben. Der junge Mann, der mich freundlich begrüßte und uns meistenteils bediente, hatte vor sicher noch nicht allzu langer Zeit ausgelernt und machte seiner Sache sehr gut, wie auch zwei weitere Servicekräfte. Offen, kompetent und bemüht, auch meine kleinen Sonderwünsche möglichst zu erfüllen. So hatte ich mir, um nicht schon deutlich vor meiner ja noch schuftenden Kollegin ins Menü zu starten, im Laden etwas Schinken gekauft und fragte, ob die Küche meine Beute wohl für mich anrichten würde. Sicher eine nicht ganz alltägliche Bitte, der aber mustergültig nachgekommen wurde.
Dazu kamen schon drei Brotsorten
und eine Butter, der mit Thai-Curry ordentlich Wumms beigebracht worden war. Olivenöl gab’s auch. So lässt sich eine Wartezeit genussvoll überbrücken.
Zum gemeinsamen Essen orderten wir dann eine gereifte südafrikanische Cuvée von Chenin Blanc, Sauvignon und Semillon. 43€ waren für dafür ok. Die Flasche regionales Wasser für 6€ muss man ja schon als günstig bezeichnen, zumal mit dem Kauf soziale Projekte unterstützt werden.
Das Monatsmenü sah als Vorspeise bretonischen Hummer mit Ananas-Carpaccio sowie Gurken-Salbei-Chutney (21€) vor, als 2. Gang ein Surf‘n‘turf von Jakobsmuschel und Wachtel mit Pfifferlingen und Makkaroni-Terrine. Statt des vorgesehenen Fleischgangs vom Simmenthaler bat ich um eine größere Portion des Zwischengerichts (25€). Auch das war kein Problem. Meine Begleitung wollte es eh bei zwei Gängen belassen. Und wir hatten Käse danach. Natürlich.
Der ausgelöste halbe Hummer
hatte eine schöne fleischige Struktur und klaren Geschmack. Tadellos. Drapiert auf einer dünnen Scheibe Ananas, der man die Karamellisierung deutlich anmerkte. Als salzige Komponente leckere Nordsee-Krabben. Das Chutney hätte für mein Empfinden etwas mehr Kräuterigkeit vertragen können, so blieb es recht blass. Aber das kann bei Salbei auch leicht nach hinten losgehen und plötzlich schmeckt der ganze Teller nach Hustenbonbon. Daher: Klasse Auftakt.
Ach so: Zu einer Kirschtomate im August ist ja nichts zu sagen, zumal so herzallerliebst mit Basilikumblättchen im Kreuzschlitz. Außer vielleicht: WTF hat das mit Hummer, der Bretagne oder Ananas zu tun? Ich muss noch viel lernen...
Auch mein zum Hauptgericht gepimpter zweiter Gang machte Spaß und schon ein wenig satt.
Mehr drauf, als in manchem Karlsruher Sterneladen im ganzen Menü...
Die drei Wachtel-Suprêmes waren zwar durchgebraten (wie das die Gästeschaft hierzulande nach häufig erhaltener Auskunft von Küche und Service so wünscht), aber saftig und mit schönen - doch, doch - Röstaromen. Leider war die Haut nicht mehr knusprig; das Foto schmeichelt da dem Geflügel ein wenig. Dafür die drei Muscheln mal leicht mehliert gebraten und sehr gelungen. Wirklich sehr gut auch die Pfifferlinge. Bei so einer Qualität muss der Koch nicht mehr viel machen, außer sie à point aus der Pfanne zu nehmen. Tricky der mit Mokka und Chili weiter aromatisierte Balsamico. Zur Wachtel exzellente Ergänzung, ächzten Pilze und Schalentiere doch arg, wo sie von der Geschmacksbombe getroffen worden waren.
Die Beilage störte nicht: (Zu) weiche Nudeln von gestocktem Ei gehalten. Schade, da hätte ich mir noch ein paar zusätzlich Geschmacksnuancen vorstellen können. Trotzdem ein gelungener Teller, der besonders mit Produktqualität glänzen konnte.
Meine Kollegin hatte mit dem glasierten Rote-Bete-Carpaccio zum getrüffelten Ziegenkäse (13€) sicher den farbintensivsten Teller
der ihr gut gefiel. Der Hauptgang war eine nur leicht modernisierte Variante des Klassikers Kalbsleber mit Zwiebeln, Apfel und Kartoffelpüree (23€).
Von gegenüber hörte ich dazu keine wirkliche Begeisterung; der Apfel war wohl noch recht fest.
Zum Abschluss kam eine Käseplatte mit Sainte-Maure, Munster, Camembert, Fourme d‘Ambert und Gruyere.
Schöne Auswahl. Dazu reichliche und vielfältige Beilagen, von denen die eingelegte Pflaume besonders gefiel. Ebenso wie eine Beerenauslese aus dem schönen Rheingau (7,5€).
Und so hätte man sehr zufrieden in den Nachmittag starten können.
Aber, oh Schreck, was war das denn?
Drei der Käse waren schlicht und einfach vertrocknet. Nicht reif oder drüber, sondern mit harten Rändern und eben so, wie Käse an der Luft austrocknet. Selbst der noch recht junge Sainte-Maure hatte seine Cremigkeit eingebüßt. Sahen aus und schmeckten wie die Reste der vergessenen Käseplatte vom Vortag. Nur Gruyere und Fourme d‘Ambert hatten Normalform.
Sehr, sehr deutlich reklamiert. Der junge Ober hielt kurz Rücksprache außerhalb unseres Sichtfeldes mit dem Ergebnis, dass der Käse in Gänze nicht auf der Rechnung erschien. Das fand ich zwar korrekt. Aber: Wie kann solche Ware zum Gast gehen? Wo doch in der Theke des Stammhauses die Köstlichkeiten liegen! Wollte man sich den Weg sparen? Oder war es gar ein „optimierter“ Wareneinsatz? Ich versteh es einfach nicht. Etwas konsterniert verließen wir diese an sich so gastliche Stätte. Die Bewertung des Essens kann so nicht über drei Sterne hinausgehen; ansonsten hätte ich zwischen 4 und 4,5 geschwankt.
Damit soll das vermutliche Augenblicksversagen aber auch vergessen sein und es gibt von mir eine klare Empfehlung für Klötzer’s Restaurant.
...am Ende des Besuchs ein, sagen wir mal, Fauxpas passiert wäre.
Aber von Anfang:
Ob‘s edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern des wütenden Geschicks erdulden - Mit anderen Worten: Auf der Strecke Bremen-Bielefeld hatte die Bahn eine Verspätung von sage und schreibe 1,5 Stunden hinbekommen. Meine Besprechung hatte schon lange begonnen und wäre, bis ich vom Hauptbahnhof die Außenbezirke der geheimnisvollen Perle Ostwestfalens erreicht hätte, wohl schon fast beendet gewesen. Was lag also näher, als bei einem Frustrationsminimierer
(Fino von Lustau, 6,5€)... mehr lesen
4.0 stars -
"Eigentlich ein toller Lunch, wenn nicht..." DerBorgfelder...am Ende des Besuchs ein, sagen wir mal, Fauxpas passiert wäre.
Aber von Anfang:
Ob‘s edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern des wütenden Geschicks erdulden - Mit anderen Worten: Auf der Strecke Bremen-Bielefeld hatte die Bahn eine Verspätung von sage und schreibe 1,5 Stunden hinbekommen. Meine Besprechung hatte schon lange begonnen und wäre, bis ich vom Hauptbahnhof die Außenbezirke der geheimnisvollen Perle Ostwestfalens erreicht hätte, wohl schon fast beendet gewesen. Was lag also näher, als bei einem Frustrationsminimierer
(Fino von Lustau, 6,5€)
Geschrieben am 01.01.2020 2020-01-01| Aktualisiert am
01.01.2020
Besucht am 31.07.2019Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 144 EUR
Mit Zweitrestaurants von Sterneköchen ist das so eine Sache. Wenn es gut läuft, kommt man für vergleichsweise kleines Geld an eine etwas einfachere Version der preisgekrönten Küche (z.B. Erfort, Steinheuer). Oder aber der Name soll Publikum locken, die Grundkonzeption wird vom Meister verantwortet, aber vor Ort liefert man doch nur aufgepeppten Mainstream.
Mal schauen, in welche Kategorie das Imperial „by Alexander Herrmann“ fällt.
Spät in Nürnberg eingetroffen war wenig Zeit für lange Fahrten, und ich suchte etwas in Bahnhofsnähe. Im angesagten Italiener C‘era Una Volta bekam man kein Bein an den Boden, aber auf der Königstraße war nach kurzer telefonischer Anfrage ein Platz im sogar „kaiserlichen“ Zweitrestaurant des hoch-telegenen Franken kein Problem. Dazu muss man wissen, dass der für sein (auch hier schon gelobtes) Gourmetrestaurant in Wirsberg inzwischen mit zwei Michelinsternen ausgezeichnete Herrmann im stattlichen Gründerzeithaus gleich zwei Küchen anbietet: Im nordischen Design des Erdgeschosses gibt es beim Selbstbedienungskonzept Fränk’ness unter dem Motto „Fränkisches trifft Streetfood“ gepimpte Burger und ausgefallene Pizza zu fränkischem Bier. Wer‘s mag. Im 1. Stock ein trendiger Lifestyle-Laden in Gold und Weiß und Holz und Bronze und einer auf den ersten Blick recht wilden Mischung aus asiatischen Crossover und regionalen Angeboten. Halt der „kosmopolitische Cool-Dining-Hotspot“ Nürnbergs. Oje - und das ist nur ein winziger Teil des Marketing-Gesülzes der Homepage! Aber wir wissen es alle: Entscheidend ist auf‘m Teller.
Vor Ort in Nürnberg kulinarisch verantwortlich ist Michael Seitz und der bekommt gleich mal ein dickes Extra-Lob. Denn am Ende des Abends setzte sich der Chef zu mir an den Tisch, erklärte die Ideen hinter den Tellern und nahm Kritik interessiert und offen, aber auch genügend selbstbewusst auf. Wir quatschten mindestens eine viertel Stunde, was ja auch immer vom Feierabend abgeht. Für das ausführliche, konstruktive Gespräch einen Extra-Punkt und damit eine leicht überdurchschnittliche Serviceleistung. Ansonsten gab es neben Licht auch einige Schatten. Sehr zu loben ist die Freundlichkeit des Teams, sei es am Telefon, bei Empfang und Begleitung in den ersten Stock oder auch bei der Wahl, ob ich an diesem heißen Sommerabend lieber drinnen oder auf der kleinen Terrasse auf einem Flachdach zwischen den Häusern sitzen wollte. Andererseits bekam ich dort trotz der späten Zeit einen schön gelegenen Tisch nur auf Nachbohren. Das bestellte Wasser wurde vergessen und auch später saß ich längere Zeit vor leeren Gläsern, bis ich genug hatte und mir den Kühler an den Tisch holte. Sonst hätte ich weiterhin recht laut auf mich aufmerksam machen müssen, denn keiner der jungen Menschen im Service suchte den Augenkontakt. Das war richtig auffällig und nervig. Nicht benötigte Gläser wurden nicht etwa ausgehoben, sondern blieben umgekehrt (Außenterrasse) auf dem Tisch stehen. Das zweite Gedeck wurde aber ausgehoben. Das schmutzige Geschirr am Nebentisch wurde während meines Aufenthaltes dafür gar nicht mehr abgeräumt, als die Gäste am späten Abend gegangen waren. Hier fehlte es meiner Meinung nach an der ordnenden Hand einer Restaurantleitung. Aber die befand sich „inkl. Amelie“ in Babypause, wie die sympathische Aufzählung des Teams am Ende der Speisekarte mit einem Zwinker-Smiley verriet.
Leider war der fröhliche Herr, der mich die meiste Zeit bediente, mit der vernünftig zusammen gestellten, aber überraschend kleinen Weinkarte nicht sonderlich vertraut, so dass seine Alternativempfehlungen zu meinen Weinwunsch nicht überzeugten. Immerhin gab es welche. (Letztlich wurde es ein 2015 Ürzinger Würzgarten Spätlese von Markus Molitor; machste eh nix mit falsch und schien mir ganz gut zu meiner eher asiatischen Auswahl zu passen. Wird gerade für über 20€ im Netz angeboten, da war ich mit den aufgerufenen 49€ zufrieden.)
Insgesamt empfand ich den Service als engagiert, aber mehr als lässig, nämlich nachlässig.
Deutlich aktiver war das Personal dabei, mir (und an anderen Tischen ebenfalls) als Aperitif Champagner anzu...bieten und auch, zusätzliche add-ons aus der ein wenig nach dem Baukastenprinzip aufgebauten Karte zu verkaufen. Hier scheint es eine deutliche Erwartung des Managements gegeben zu haben, so jedenfalls mein Eindruck. Aber unangenehm drängend wurde es auch nicht.
Ich schaute mich derweil etwas auf der von großen Ruinart-Sonnenschirmen geschützten Terrasse um. Trotz der recht heimeligen Lage mit einigen Blumen auf dem Nachbardach
und einem schmalen Blick zur Königstraße war mein Gefühl ein wenig zwiespältig. Mag an den umliegenden Fenstern gelegen haben oder am glatten hellen Steinfußboden mit dunklem, zweckmäßigem Mobiliar.
Bösartig könnte man sagen, was man halt so in Nürnberg (oder der deutschen Provinz allgemein) für kosmopolitischen Flair hält. Aber das kann ich gar nicht beurteilen und sowas schreibt der Tibeter ja auch nicht...
Richtig gemütlich fand ich es jedenfalls nicht und trendy erst recht nicht. Geschmacksache und daher neutrale drei Sterne.
Optisch ansprechend die Speisekarte, die ganz auf Alexander Herrmann setzt und in Form eines Fotoalbums Das "Fotoalbum" (aka Speisekarte)
gestaltet ist und mit vielen Bildern aus Kinder-, Jugend- und Lehrjahren aufwartet. Ein wenig Personenkult, aber eben auch etwas anderes und unterhaltsam.
Angesichts der fortgeschrittenen Zeit orderte ich nur ein kleines Nachtmahl:
- Fingerfood-Starter (12€)
- 4 pochierte Austern (je 2 für 10€)
- „Peking-Ente“ mit Pfifferlingen und Melone (37€)
- 2erlei Käse (10€)
Zu den Preisen ist positiv zu bemerken, dass meine Auswahl mit Ausnahme des Hauptganges so „eigentlich“ nur als zusätzliche Gänge im Rahmen eines Menüs bepreist war. Aber überhaupt kein Problem, diese wohl kleineren Portionen auch einzeln zu bestellen. Insgesamt ein prima PLV, das bei 4,25 liegt; ich runde in noch festtäglicher Stimmung natürlich auf.
(Zeitsprung ins Jahr 2014: Hätten wir uns damals für - ich meine - Yumee entschieden, hätte es einen Schieberegler gegeben, den ich auf 85% eingestellt hätte. Aber wer weiß, ob es diese schöne Community dann überhaupt noch gäbe. Ich schau gerade Dark auf Netflix...).
Zurück ins Jetzt, ergo den Hochsommer 2019:
Den Auftakt machte, auf heißen Steinen serviert, ein kleines fluffiges Sauerteigbrot, das mir vom Teig wie vom Geschmack zu „luftig“ war. Mit der dazu gereichten Kaviarbutter geschmacklich dann ganz gut.
Das Fingerfood bestand aus drei Teilen:
Roh marinierter Saibling als Tatar und als crunchy nigiri und Tataki vom Roastbeef (Ist das nicht „doppelt gemoppelt“?) ebenfalls als Auflage für den knusprigen japanischen Reisriegel.
Das Tatar wohl nach Art der Sous-Chefin „Josy“ war leicht geflämmt, hatte Knack durch Radi, Wasabi-Schärfe und nicht zu überbordende Säure aus einem Fruchtessig-Schaum. Alles stimmig und spannend.
Die nigiri konnten leider nicht mithalten. Durch das Rind
zog sich eine unangenehme Sehne und am Gaumen war eine sehr süße Note federführend, sodass ich die Schärfe des angekündigten Ingwers um so deutlicher vermisste.
Zum Saibling waren Meerrettich-Crème und eine Sauce wohl auf Sojabasis zwar etwas erwartbar, aber natürlich stimmig.
Leider war der gepuffte Reis, der der eigentliche Clou der beiden nigiri sein sollte, nicht knusprig, sondern schlicht hart. Schwer zu kauen und dann noch klebrig in den Zähnen. Sehr schade, aber das war kein Genuss.
Weiter ging es mit den Austern.
Große Tsarkayas, schön fleischig, sanft pochiert und nicht zu fest, am Gaumen nicht zu salzig. Dazu wurde eine milde Vinaigrette erfreulicherweise im Extra-Kännchen serviert, so dass man selbst dosieren konnte.
Das war schon lecker.
Jetzt war auch ein Gläschen Champagner (Hausmarke, vermutlich Ruinart, s.o.) für 16€/0,15l genehm, der schon etwas lange offen, aber nicht wirklich zu bemängeln war. Trotzdem wurde nach meiner zurückhaltenden Reaktion eine neue Flasche geöffnet. Das war wiederum eine schöne Geste.
Der asiatisch-fränkische Hauptgang versprach so einiges: Auf der Haut kross gebratene Pekingentenbrust, süß-sauer eingelegte Pfifferlinge, Gewürzmajonäse, geflämmte Honigmelone.
Das klang doch nach einem äußerst interessanten Aromenspiel. Die kräftigen Tranchen waren rosa gebraten und die Haut war in der Tat knusprig,
soweit sehr gut. Leider keine asiatische Gewürzwelt, die auch die Majo nicht wirklich beisteuern konnte. Gut dagegen die kräftige Röstnote der Melone, die ich eher für eine Charentais hielt. Ein Totalausfall dagegen die Pilze. Eine süß-saure Note war kaum auszumachen. Zudem waren die Schwammerl höchstens lauwarm beim Servieren und kühlten schnell aus.
Gemessen an den Erwartungen war der Teller zwar nicht enttäuschend, aber doch unter den Möglichkeiten.
Zum Abschluss gab es (nicht völlig überraschend) statt Dessert verarbeiteten Käse: Alter Oberfälzer, ein Hartkäse, als Schaum, krosser Chip und Natur mit altem Balsamico. Abwechslungsreich und kräftig - ein guter Käsegang. Der Ziegenfrischkäse blieb auch mit Thymian und Himbeer-Texturen etwas blass. Trotzdem ein versöhnlicher Abschluss, den ich jederzeit wieder bestellen würde.
Leider war über der Frankenmetropole endgültig die Dunkelheit herein gebrochen und das einsame Windlicht auf dem Tisch ermöglichte noch so gerade eine risikofreie Nahrungsaufnahme. Aber beileibe keine vorzeigbaren Fotos mehr.
Bleibt das Fazit:
Das Imperial bietet durchaus engagierte Küche mit aktuell trendigem Asia-Twist. Also keine Schaumschlägerei, die sich nur auf den bekannten Namen verlässt. Die vollmundigen Ankündigungen der Homepage werden aber deutlich gerissen. Dazu agierte auch die Küche bei meinem Besuch mit zu vielen vermeidbaren Nachlässigkeiten. Daran sollten Alexander Herrmann und Michael Seitz arbeiten, denn Nürnberg hat gleich eine ganze Reihe von anspruchsvollen Restaurants, die noch deutlich die Nase vorn haben.
Mit Zweitrestaurants von Sterneköchen ist das so eine Sache. Wenn es gut läuft, kommt man für vergleichsweise kleines Geld an eine etwas einfachere Version der preisgekrönten Küche (z.B. Erfort, Steinheuer). Oder aber der Name soll Publikum locken, die Grundkonzeption wird vom Meister verantwortet, aber vor Ort liefert man doch nur aufgepeppten Mainstream.
Mal schauen, in welche Kategorie das Imperial „by Alexander Herrmann“ fällt.
Spät in Nürnberg eingetroffen war wenig Zeit für lange Fahrten, und ich suchte etwas in Bahnhofsnähe. Im angesagten... mehr lesen
Restaurant Imperial by Alexander Herrmann
Restaurant Imperial by Alexander Herrmann€-€€€Restaurant, Gourmet091124029955Königstraße 70, 90402 Nürnberg
3.5 stars -
"Der eigene Anspruch sei die Messlatte..." DerBorgfelderMit Zweitrestaurants von Sterneköchen ist das so eine Sache. Wenn es gut läuft, kommt man für vergleichsweise kleines Geld an eine etwas einfachere Version der preisgekrönten Küche (z.B. Erfort, Steinheuer). Oder aber der Name soll Publikum locken, die Grundkonzeption wird vom Meister verantwortet, aber vor Ort liefert man doch nur aufgepeppten Mainstream.
Mal schauen, in welche Kategorie das Imperial „by Alexander Herrmann“ fällt.
Spät in Nürnberg eingetroffen war wenig Zeit für lange Fahrten, und ich suchte etwas in Bahnhofsnähe. Im angesagten
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Nachdem ich das in einer wenig pittoresken Seitengasse der Fußgängerzone gelegene Lokal (immerhin mit frühlingshaft-grünem Müllcontainer vor der bodentiefen Glasfront) gefunden hatte, trat ich als Dritter von nach und nach 11 erwachsenen Mittagsgästen ein. Außer einer weiß gekachelten Wand erinnert mich nur wenig an die ehemalige Backstube.
Mit verschiedenen Details wird versucht, das Ambiente einer Wohnküche zu vermitteln; wie ich finde, recht erfolgreich. Schön fand ich die Musikauswahl, die durch etliche Langspielplatten (Die Jüngeren googeln, bitte.) der Siebziger und Achtziger angekündigt wurde. Zur lebendigen Atmosphäre tragen sicher auch die Gespräche der jungen Küchenjungs bei, die teilweise mit im Service agieren. Alles ungekünstelt, aber freundlich. Weder übertriebene Coolness, noch unangemessene Kumpelhaftigkeit. Der Service wurde im Wesentlichen von einem der auch nur etwas älteren Inhaber professionell gewuppt, dabei blieb er auch an den anderen Tischen gern für einen Schwatz stehen, ohne Wartezeiten entstehen zu lassen. Auf meine Bitte, die Karaffe Leitungswasser am Tisch stehen zu lassen, kündigte er selbstbewusst jederzeitiges Nachschenken an und hielt dieses Versprechen. Als er zeitweilig zu einem Handwerkertermin nach Hause gerufen wurde, übernahm sein Kompagnon, der bis ins letzte Jahr als Küchenchef im Esszimmer tätig war, jetzt aber das Zweitlokal Cho & Riso managt, eine Tapas- und Cocktailbar am anderen Ende der Innenstadt. Da er auch Sommelier des Hauses war, konnten wir erfreulicherweise schon viele meiner „kleinen Wünsche“ klären. Schön, dass dazu auch eine Auswahl aus dem überraschend eigenständigen Tapas-Angebot (s. Homepage Cho&Riso) gehört, ebenso eine spannende Negroni-Variante zur Begrüßung. Schade, dass die Bar bei unserem Besuch geschlossen ist; dort wäre ich gern versackt...
Aber zurück zum knallharten Probe-Essen:
Der erste Winzersekt war - na, klar - müde. Aber mit einem „Da diskutieren wir nicht, da machen wir eine neue Flasche auf!“ kam ein perfektes Glas an den Tisch.
Meine Bitte neben einem „echten“ Hauptgericht eine Auswahl der Mittagskarte in abgespeckter Version zu erhalten, wurde erst zögernd quittiert. Da aber die Gerichte überwiegend „mit der Kelle“ portioniert werden konnten, war es letztlich ebenso wenig ein Problem wie ein Wechsel der Beilagen. Dies auch am Nebentisch, wie überhaupt erkennbar versucht wurde, es den Gästen recht zu machen. Das Auseinanderrücken eines Vierertisch war kein Ding, wurde sogar angeboten und eine auswärtige Familie auf Englisch nicht nur abgefertigt, sondern auch beraten. Nur WLAN ist nicht (mehr) im Angebot, weil die schon erwähnten Studierenden allzu lange mit allzu wenig Umsatz die vielleicht 25 Plätze blockierten.
Meine Wahl war auf die vietnamesische Pho gefallen (denn der Küchenchef hat vietnamesische-chinesische Eltern), auf Hühnerfrikassee, ein Massaman-Curry mit Jasmin-Reis, das Carsten empfohlen hatte und als Hauptgang die Rinderroulade.
Die Brühe
war fleischig und süffig, die Rindfleischstreifen erfreulich rosa und ungemein zart und die Nudeln gefielen mit Biss, einem leicht süßlichen Teig, der das raue Mundgefühl frischer Ware hatte. Als Beilagen die üblichen Verdächtigen: Koriander, Chili, Limette und eine Hoisinsauce, die mich mit einem feinen Geschmack nach Tamarinde überraschte und weder zu salzig noch penetrant süß war. Ein paar mehr frische Kräuter wären schön gewesen, aber sonst gab es überhaupt nichts zu meckern. Sehr lecker und genau richtig zum Durchwärmen, denn an der Fensterfront war es nicht wirklich kuschelig.
Der Chef fragte von sich aus, wie schnell ich die weiteren Gänge haben wolle; auch das professionell.
Beim Hühnerfrikassee
gefiel mir das zarte und saftige Brustfleisch vom Sauerländer Biohof. Während der Jasminreis für meinen Geschmack zu weich war, wurde das auf der Karte in Aussicht gestellte knackige Gemüse mit nur kurz sautierten rosa Champignons und punktgenau gegarten Karotten und Brokkoli auch geliefert. Die Sprossen fand ich entbehrlich; gut dagegen etwas knackiges FrüZwie-Grün. Sauber gemacht.
Danach kam mit dem Massaman-Curry ein sehr ähnlicher Gang.
Nur dass hier die durch Blumenkohl, Aubergine und Zucchini ergänzten Gemüse noch stärker im Mittelpunkt standen und entsprechend Carstens Ankündigung glänzten. Die pikant-würzige Soße etwas flüssiger und die hausgemachten Udon-Nudeln schön elastisch. Wenn vegetarische Gerichte geschmacklich immer so stark sind, ist mir vor der Fastenzeit nicht Bange.
Beim Hauptgericht (12,9€)
hatte die Küche vergessen, dass ich schon drei, wenn auch verkleinerte Gänge intus hatte. Der Berg an leicht buttrigem, ein klein wenig leimig gewordenem Kartoffelpüree war bei aller Mühe nicht zu schaffen. Dazu war schon das kräftig angeröstete Spitzkohl-Wurzelgemüse mit knackigem Biss zu lecker. Und die kleine Roulade war ein Träumchen. Allein der Duft! So, wie bei Muttern - wenn die es denn so gut hinbekommt... Kräftig angebratenes Rindfleisch, ebenso mürbe wie saftig, innen noch rosa. Einerseits mit einer ganz klassischen Füllung aus Speck, Zwiebel, Essiggurke und Senf.
Die aber andererseits sehr fein geschnitten war und so die würzigen, süß-sauren und scharfen Aromen fast elegant zusammen spielten. Dazu eine leicht gebundene Dunkelbiersauce, die ich etwas süßer erwartet hätte. Trotzdem: Mann, war das sonntagessenlecker!
Kollege Carsten hat es treffend beschrieben: Hier gibt es kein ChiChi, sondern „bodenständige“ Gerichte, nicht nur mit regionalem Hintergrund, aber immer immer sehr gut umgesetzt. Ins Esszimmer kann man bedenkenlos einkehren.
Inzwischen hatte ich mich auch durch die in der Tat ausbaufähige Weinkarte probiert. Was mir nicht schmeckte, musste ich nicht bezahlen - DAS nenn ich gastfreundlich! Erfreulicherweise fand mein Gastgeber im Keller auch noch ein paar nicht verzeichnete Bouteillen, die wir sogleich für die kommende Woche reservierten.
Beruhigt konnte ich die etwas ausgedehnte Mittagspause schließen und nach einem Espresso aufs Haus zurück an den bremischen Schreibtisch fahren.