Leider auch Gourmand gehe ich mittags regelmäßig allein oder mit Kollegen essen. Abendessen zu zweit waren in der Vergangenheit rar gesät, das wird jetzt nachgeholt! Auf Dienstreisen vertreibe ich mir die Zeit stets mit abendlichen Restaurantbesuchen, möglichst in den Highlights. So war ich auf Restaurantkritik gekommen und hatte den inneren Schweinehund, der zu bequem zum Kritiken schreiben war, überwunden.
Nach etwa 100 Bewertungen hat mich der Verkauf an Yelp ausgebremst, da ich aussagekräftige Kritiken schreiben möchte, für Menschen, die gutes Essen schätzen. In einem Portal, bei dem man auch seine Wertschätzung für die Heiße Hexe an der Tankstelle veröffentlicht, fühle ich mich nicht mehr wohl und suche eine neue Kritikerheimat.
Nachdem mittlerweile (fast) alle geschätzten Kritikerinnen und Kritiker aus dem Verschwundenen Portal hierher gewechselt und ein paar mehr dazu gekommen sind, fühle ich mich wieder wohl. Ein bißchen wie im Stammlokal, man kennt/schätzt/neckt sich, tauscht Neuigkeiten aus... Eben lesen, schlemmen, schreiben.
Leider auch Gourmand gehe ich mittags regelmäßig allein oder mit Kollegen essen. Abendessen zu zweit waren in der Vergangenheit rar gesät, das wird jetzt nachgeholt! Auf Dienstreisen vertreibe ich mir die Zeit stets mit abendlichen Restaurantbesuchen, möglichst in den Highlights. So war ich auf Restaurantkritik gekommen und hatte den inneren... mehr lesen
Bewertungs-Statistik
Insgesamt 288 Bewertungen 362466x gelesen 10162x "Hilfreich" 9120x "Gut geschrieben"
Geschrieben am 12.05.2020 2020-05-12| Aktualisiert am
13.05.2020
Besucht am 10.05.2020Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 14 EUR
Manche Lobeshymnen klingen so grotesk übertrieben, dass ich mich geradezu herausgefordert fühle, selbst nachzuschauen, welchen versteckten Diamanten ich da bislang übersehen habe...
Das Soho Sushi befindet sich gegenüber des Hauptbahnhofs in einem jüngst fertig gestellten Einkaufs- und Bürokomplex. Die modernen Arkaden vor dem Eingang freuen sicherlich die vielen Pendler, die hier auf Bus und Bahn warten. Den schmalen, hohen Raum des Soho machen sie dunkel. Innen können zu normalen Zeiten 6-8 Personen an Hochtischen sitzen, dazu noch zwei kleine Stehtische, vermutlich für draußen. Das Angebot ist aber auf eilige Gäste ausgelegt, to-go dürfte auch schon vor Corona der wesentliche Vertriebsweg gewesen sein.
Damit ist auch klar, an welchem Maßstab die „überragend hohe Qualität“ und der „beste Sushi-Geschmack“, die Peter getestet hat, zu messen ist. Natürlich nicht an japanischen Qualitätsvorstellungen und auch nicht an dem einen oder anderen „normalen“ Restaurant. Vielmehr an den vielen, vielen kleinen Verkaufsständen, die in deutschen Einkaufszentren, Bahnhöfen und Innenstadt-Fußgängerzonen ihre immer gleichen maki und nigiri (Wer hier sashimi bestellt, ist selber schuld...) in Plastikboxen verkaufen; dazu die unvermeidliche Instant-Misosuppe im Styropor-Eimerchen und natürlich der quietschgrüne wakame Algensalat.
In dieser Liga spielt das Soho - und das ist die Überraschung - tatsächlich sehr weit oben mit.
Das Angebot ist leicht erweitert, es gibt z. B. auch eine scharfe Suppe mit Reis und statt rotem wird eher selten anzutreffender weißer Thunfisch verwendet. Es gibt auch Bowls und Salat. Das Betreiber-(Ehe?Geschwister?)-Paar, dessen familiären Wurzeln ursprünglich vielleicht eher am Fuße des Libanon denn am Fuji wuchsen, ist freundlich und kompetent; die Kommunikation gelingt mühelos. Was für Labsal gegen die Zwei-Wort-„Sätze“ anderen Ortes. Man gibt gern Auskunft und ist stolz auf „alles selbst gemacht“.
O.k., dann schauen wir mal genauer hin, denn „selbst“ ist ja noch lange nicht „gut“ gemacht. Jedes sushi steht und fällt mit dem Reis. Die Qualität der Toppings hängt auf diesem Niveau allein vom Einkauf, sprich Preisniveau ab. Produkte und Bezugsquellen sind austauschbar. Schneidtechniken, Temperatur, winzige Aroma-Beigaben spielen überhaupt keine Rolle. Aber der Reis, mit dem kannst du auch hier überzeugen oder es versauen. Und ausgerechnet dabei leistet sich das Soho die einzige Schwäche. Geschmacklich noch zufriedenstellend mit leichter Essigsäure, fiel das Mundgefühl brutal ab. Völlig verkocht, kein Korn mehr erkennbar, zu einem klebrigen, schnittfesten Klumpen gematscht.
Gut, dass beim nigiri wenigstens die Größe zu den Auflagen passte, die zumindest nicht enttäuschten. Schon mal gar nicht bei der Geruchsprobe, alles frisch und unauffällig. Die Garnele geschmacklich leidlich erkennbar, hatte sogar einen leichten Knack. Beim Thunfisch, der sehr sparsam geschnitten war, konnte ich keinen Unterschied zwischen weiß und rot in der üblichen Geschmacklosigkeit dieser Qualitätsstufe erkennen. Der Lachs enttäuschte etwas, das geht schon etwas fetter und aussagekräftiger.
Hosomaki, die große Rolle war besser, gefüllt mit Avocado, die nur ganz leicht braun an den Kanten geworden war und statt des unsäglichen kanibo/surimi erneut die gute Garnele. Sogar der Reis gewann ein wenig, der aufgrund der großen Schnittfläche häufig etwas trocken in diesen Boxen wird. Das war ja hier nicht zu befürchten... Gerollt als uramaki inside-out steuerte sogar der helle Sesam außen noch etwas Textur und einen Hauch von Körnergeschmack bei.
Und selbst die Allerweltszutaten wasabi und gari konnten was. Die Merrettichpaste war zwar einen Tick zu wässrig geworden, aber mit ordentlich Wumms versehen. Und der Ingwer war nicht zu hart oder holzig und steuerte seine typische reinigende Frische bei. Da hab ich schon übel muffiges Zeug erlebt...
Zu zahlen waren 12,95€. Das kam mir erst etwas zu hoch vor. Aber die Ware war in allen Belangen frisch und gut ausgesucht. Daher angemessen.
War noch was? Ach ja, der beste Kaffee. Mit ;-), warum auch immer. Der beste Kaffee wird auf einer Cimbali Siebträgermaschine gebrüht, war als Cafe Crema m.E. ein (überwiegender) Arabica von mittlerer Röstung, ganz nach meinem Geschmack ohne Säure und hatte tatsächlich eine wirklich schöne Crema. Auch da hat der Peter also nicht sehr zu viel versprochen.
So, jetzt hat das Soho Sushi bekommen, was es verdient. Und ich eine Rezi über Essen aus der Plastikschachtel hinter mir. Crazy times...
Manche Lobeshymnen klingen so grotesk übertrieben, dass ich mich geradezu herausgefordert fühle, selbst nachzuschauen, welchen versteckten Diamanten ich da bislang übersehen habe...
Das Soho Sushi befindet sich gegenüber des Hauptbahnhofs in einem jüngst fertig gestellten Einkaufs- und Bürokomplex. Die modernen Arkaden vor dem Eingang freuen sicherlich die vielen Pendler, die hier auf Bus und Bahn warten. Den schmalen, hohen Raum des Soho machen sie dunkel. Innen können zu normalen Zeiten 6-8 Personen an Hochtischen sitzen, dazu noch zwei kleine Stehtische, vermutlich... mehr lesen
Soho Sushi
Soho Sushi€-€€€Bistro, Take Away042144967100Auf den Häfen 28, 28203 Bremen
3.5 stars -
"Tatsächlich ganz ordentlich" DerBorgfelderManche Lobeshymnen klingen so grotesk übertrieben, dass ich mich geradezu herausgefordert fühle, selbst nachzuschauen, welchen versteckten Diamanten ich da bislang übersehen habe...
Das Soho Sushi befindet sich gegenüber des Hauptbahnhofs in einem jüngst fertig gestellten Einkaufs- und Bürokomplex. Die modernen Arkaden vor dem Eingang freuen sicherlich die vielen Pendler, die hier auf Bus und Bahn warten. Den schmalen, hohen Raum des Soho machen sie dunkel. Innen können zu normalen Zeiten 6-8 Personen an Hochtischen sitzen, dazu noch zwei kleine Stehtische, vermutlich
Geschrieben am 09.05.2020 2020-05-09| Aktualisiert am
09.05.2020
Besucht am 06.02.2020Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 127 EUR
Es tut sich (hoffentlich auch bald wieder) was in Bremen!
Argwöhnisch beäugt von der heimischen Gastroszene hat Anfang November in der Nähe des Hauptbahnhofs ein neuer Hotspot eröffnet, bei dem in den ersten Monaten kaum ein Tisch zu bekommen war.
Die ab 1900 in einem Ensemble (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Wohnhausgruppe_Hollerallee) errichtete, schon seit 1973 unter Denkmalschutz stehende großbürgerliche Villa Rocholl gehört einem Weinhändler, der mit dem Verkauf seines Unternehmens an eine Großkellerei sicher nicht ärmer geworden ist und sich jetzt u.a. in der Gastronomie engagiert. Da war das nötige „Kleingeld“ (man munkelt von einer siebenstelligen Summe) zur Hand, um die bis dato als Büros genutzten Räumen in ein Schmuckstück aus einem Guss zu verwandeln.
Für die Innenausstattung stand eine französische Brasserie Pate, was zum kulinarischen Angebot passt. Im großzügigen Restaurant, im Wintergarten und der Terrasse auf der Gartenseite werden wohl bis zu 100 Gäste Platz finden. Unter dem Dach ist eine sehr exklusive Eventlocation in Form einer Lounge untergebracht. Auch hier ist mit Geschmack viel Geld eingesetzt worden. (Sogar die Toiletten im Keller sind durchaus sehenswert.) Da das Dachgeschoss barrierefrei per Fahrstuhl erreicht werden kann, gehe ich davon aus, dass dies für alles Etagen des Hauses gilt. Das Prunkstück des Chapeau ist in meinen Augen die Bar im englischen Landhaus-Stil.
Nicht nur wegen der harmonischen Gestaltung, sondern auch wegen der Karte, die deutlich verrät, dass hier Profis am Werk sind. Was kein Wunder ist, denn mit dem Bobby Lane im nahen Schwachhausen haben die ja aus der Branche stammenden Gesellschafter schon vor ein paar Jahren gepflegte Barkultur in die auch an diesem Punkt etwas zurückgefallene Hansestadt gebracht.
Einziges Manko: Reservieren ist in der Bar (natürlich) nicht möglich. Aber ich war ja sowieso schon um 18.00 Uhr erschienen, um vielleicht doch einen Tisch zu ergattern. Aber nein, frühestens in zwei oder drei Stunden werde möglicherweise etwas frei, lautete die nur mäßig bedauernde Antwort.
Auf Verdacht diese Zeit in der Bar verbringen? Warum nicht, erst recht, nachdem ich einen Blick auf die Karte mit den Haus-Cocktails (preislich von ca. 9,5€ bis 12,5€) und dem wirklich lecker klingenden Barfood geworfen hatte. Und einen Barkeeper aus dem legendären Münchner Schuhmann‘s zurück in Richtung Norddeutschland, - aber mal nicht nach Hamburg - zu lotsen, gelingt auch nicht jeden Tag. Kein Wunder, dass es mit meinen Bestellungen etwas abseits vom Mainstream überhaupt keine Probleme gab.
Gerade hatte ich den zweiten Drink und als Unterlage für weitere Eskapaden eine Dose Jahrgangs-Sardinen mit Rosmarin-Oliven (9,5€) bestellt, da kam zunächst eine überraschende Nachricht: Ein Tisch sei nun doch schon frei! Die Gäste seien nicht erschienen. Das, oooooder der Einzelgast, der so viel fotografiert und neugierige Fragen gestellt hatte, war dem Restaurant-Chef nicht ganz geheuer... Über mangelnde Aufmerksamkeit des Service konnte ich mich jedenfalls nicht beklagen, trotz in der Tat erkennbar voll besetztem Restaurant. Man war meist konzentriert, schnell und professionell freundlich. Das Weinglas blieb nie lange leer und ein paar Extra-Wünsche wurden auch erfüllt. Eine gute Leistung.
Als Aperitif diente der schon in Arbeit befindliche Cocktail
als Quasi-Apero dazu die feinen, pikanten Sardinen mit stilvoll servierter Zitrone
die auch nicht mehr abbestellt werden konnten. Verzehr in der Bar und im Restaurant hätten zwar auf einen Bon gebucht werden können. Das ist auch sinnvoll, denn der Wechsel ist durchaus gewollt. Allerdings wird das Trinkgeld nicht in einen Topf geworfen, so dass ich doch lieber getrennt bezahlte.
Mein Platz befand sich im etwas ruhigeren Wintergarten.
Ansonsten ging es nämlich wie im sprichwörtlichen Taubenschlag zu. Allerdings sind die Tische auch hier so eng gestellt, dass von beiden Seiten jedes Gespräch ohne Weiteres zu verstehen ist. Man kommt fast nicht umhin, miteinander ein paar Worte zu wechseln. Kann man mögen oder auch nicht.
Das Publikum an diesem Dienstagabend bestand aus wenigen, aber finanziell potenten Geschäftsleuten und aus viel Hautevolee. Von der Art, bei der sich die Familienpatriarchin mit doppelreihiger Perlenkette mit dem Kellner über die verschiedenen Champagner-Jahrgänge austauscht. Sieht man geballt nicht oft in dieser Stadt, aber das alte Geld ist noch da, oh ja.
Vom Haus kamen zwei Brotsorten, trotz Reklamation dabei ein so lappiges Weißbrot, dass ich schließlich darum bat, es doch bitte im Ofen aufzubacken. Was auch leidlich klappte, immerhin. Dazu Olivenöl, Salz-Flocken aus Guérande und eine Tomatencrème mit Oliven und Knoblauch, sehr lecker.
Nach den Cocktails sollte es weinmäßig nicht allzu schwer werden. Da kam eine junge Cuvée aus einheimischen Trauben des Alentejos (freundliche 26,5€) gerade recht.
13,5% und etwas Holz sorgten dann aber doch für genug Kraft. Freundlicherweise wurde mir der Weißwein glasweise zum Probieren angeboten. Mit einem Bukett von gelben Früchten zeigte er sich am Gaumen erst würzig, später wurde er parfümiert, seltsam.
Um die Küche kennen zu lernen, gab es an diesem Abend nur Klassiker: Bouillabaisse, Muscheln mit Fritten und Boudin noir. Alles konnte in kleinen Portionen (12,5€-14,5€) gewählt werden, das finde ich ganz herausragend gastfreundlich! Danach nur noch ein Stückchen Blauschimmelkäse (4,5€). Natürlich.
Die Mittelmeer-Suppe schlechthin hinterließ gemischte Gefühle: Die Brühe schmeckte nicht nach Fischfonds, sondern sehr stark nach Krustentier. Eine Anisnote fehlte leider. Die Einlage mit Licht und Schatten und von der Auswahl etwas irritierend:
Thunfisch rare war gut, Lachs(?) dito, Jakobsmuschel naja, Oktopus zart, Garnele geschmacklich stark. Fenchel und grüner Spargel (WTF?) sehr überzeugend, was aber auch etwas über den Fisch sagt. Es ist kein Problem, wenn hier eine eigenständige Version der südfranzösischen Fischsuppe zubereitet wird. Allerdings sollte man darauf als Gast schon hingewiesen werden. Die Beilage ähnlich abgewandelt, knusprige Brotchips und dazu eine Sauce Rouille, der ich keine Kartoffel und auch nicht wirklich Paprika angemerkt habe. Knoblauch-Majonäse war das wohl eher,
schmeckt auch gut, aber eben anders. Ich war etwas enttäuscht.
Die folgenden Miesmuscheln tadellos; sind aber auch keine hohe Küchenkunst.
Gute, geschmacklich eindeutige Ware in einem pikanten Süd mit Chili, Gemüse-Würfelchen, Lorbeer und Petersilie. Daneben handwerklich sehr gut gemachte (Industrie-)Pommes, die im kleinen Frittierkörbchen serviert wurden.
Ich tippe auf zweimal frittiert, Außen sehr knusprig (ohne zu dunkel zu sein), innen weich. Heiß und salzig. Da leckt man sich die Finger. Der weiße Alentejo dazu auf der Höhe!
Beim Hauptgericht
gab es wieder Fragezeichen, ausgerechnet bei der Blutwurst. Die Ware kommt aus dem Elsass, wie Chef Jens Kommerau bei seinen sehr ausführlichen Honneurs berichtete. Neben dem prägnanten, metallischen „Blut“-Geschmack, vermisste ich fast gänzlich eine Würzung. Dafür gefiel mir die leichte Knusprigkeit gut. Tatsächlich besser die Beilagen: Spitzkohl mit schöner, nicht zu penetranter Kümmel-Note (mag ich zwar nicht, aber man ja trotzdem erkennen, wenn etwas gut ist), die gelben Karotten und die Petersilienwurzel trotz der Jahreszeit geschmacklich stark, alles genau auf den Punkt gegart. Das Püree ebenfalls am Gaumen klar Kartoffel und mit viel Petersilie verfeinert.
Die üblichen französischen Desserts reizten mich nicht. Immerhin werden Käse von einer guten örtlichen Händlerin angeboten. Ich bat um ein Stück Fourme d‘Ambert
der leider direkt aus der Kühlung kam. Einige Augenblicke im Ofen taten Wunder; dazu wurden ein paar Trauben und Walnüsse gereicht. Der Service zeigte am Ende des Abends eine kleine Schwäche und vergaß zunächst meinen Monbazillac, der hier den Sauternes preisfreundlich (6€) ersetzt.
Fazit:
Tolle Location, die mich echt begeistert hat. Gute Crew, die was kann und hoffentlich auch nach der Schließung noch an Bord ist!
Das Essen im Restaurant dagegen war eher guter Durchschnitt.
In seiner letzten Station als Inhaber des Kaffee Worpswede schien Herr Kommerau ein paar Jahre lang mit einem Stern zu liebäugeln, bis er sich doch für regionale Wohlfühlküche mit Anspruch entschied (nicht zum Gefallen aller Gäste). Das merkt man auch der Karte im Chapeau an, die neben der Brasserieküche norddeutsche Klassiker wie Grünkohl oder Schmorgerichte aus heimischer Jagd enthält. Das wird wohl auch dem Bremer Publikum gefallen. Bei unserem langen Nachgespräch hatte ich schon den Eindruck, dass man auch mehr könnte, wenn man denn sollte, aber schon sehr genau auf die Wirtschaftlichkeit geschaut wird. Im Einkauf liegt der Gewinn...
Ich habe einen guten ersten Eindruck erhalten und werde auf jeden Fall erneut die Brasserie besuchen, denn ein Gewinn für Bremens Gastro-Szene ist das Chapeau La Vache ohne jeden Zweifel.
Für einen Schlummertrunk in der Bar reichten Zeit und Leber noch.
Trotzdem, dass ich die Exkursion durch die Cocktail-Welt so früh abbrechen „musste“, wurmte mich dann doch. Was für ein Glücksfall, dass ich nur eine Woche später meinen Sohn vom Bahnhof abholen und in die schicke Villa lotsen konnte. Bei etwas Barfood (s. Galerie) haben wir es geschafft, alle hauseigenen Kreationen zu verkosten. Das war ein lustiger Abend...
Es tut sich (hoffentlich auch bald wieder) was in Bremen!
Argwöhnisch beäugt von der heimischen Gastroszene hat Anfang November in der Nähe des Hauptbahnhofs ein neuer Hotspot eröffnet, bei dem in den ersten Monaten kaum ein Tisch zu bekommen war.
Die ab 1900 in einem Ensemble (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Wohnhausgruppe_Hollerallee) errichtete, schon seit 1973 unter Denkmalschutz stehende großbürgerliche Villa Rocholl gehört einem Weinhändler, der mit dem Verkauf seines Unternehmens an eine Großkellerei sicher nicht ärmer geworden ist und sich jetzt u.a. in der Gastronomie... mehr lesen
Chapeau La Vache
Chapeau La Vache€-€€€Restaurant, Bar, Brasserie0421 33111777Hollerallee 77, 28209 Bremen
4.0 stars -
"Vielversprechende Neueröffnung mit Luft nach oben" DerBorgfelderEs tut sich (hoffentlich auch bald wieder) was in Bremen!
Argwöhnisch beäugt von der heimischen Gastroszene hat Anfang November in der Nähe des Hauptbahnhofs ein neuer Hotspot eröffnet, bei dem in den ersten Monaten kaum ein Tisch zu bekommen war.
Die ab 1900 in einem Ensemble (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Wohnhausgruppe_Hollerallee) errichtete, schon seit 1973 unter Denkmalschutz stehende großbürgerliche Villa Rocholl gehört einem Weinhändler, der mit dem Verkauf seines Unternehmens an eine Großkellerei sicher nicht ärmer geworden ist und sich jetzt u.a. in der Gastronomie
Geschrieben am 03.05.2020 2020-05-03| Aktualisiert am
04.05.2020
Besucht am 17.01.2020Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
So schnell kann das gehen: An einem Abend in Osnabrück der Youngster in der Altherrengruppe, am nächsten in Leipzig der Nestor beim Geschäftsessen. Aber, was soll ich sagen - mit einem Rudel junger Hunde macht’s auch Spaß. Also uns. Die beiden Damen am Nachbartisch ahnten schon beim Aperitif, was ihnen blühen würde. Ihre freundliche Frage, ob wir nach Alkoholgenuss eventuell zu den stillen, melancholischen Trinkern mutieren, verneinten wir empört. So dass sich das Pärchen doch für das freundliche Angebot des Obers entschied, ans andere Ende des Raums zu wechseln. Die nachkommenden Gästen mussten wohl oder übel den Tisch neben uns an der Stirnseite des ausgebuchten Restaurants nehmen und ergaben sich nach einigen Minuten in ihr Schicksal. Ganz Yin und Yang übernahmen wir zur Verbesserung unseres Karmas später ihre Getränkerechnung.
Das Ambiente habe ich bereits in meinem Bericht aus dem letzten Sommer gewürdigt; es hatte sich nichts geändert.
Ebenso beim Service. Da ich schon beim Reservieren mit ein paar Fotos auf mich aufmerksam gemacht hatte, wurde ich gleich erkannt und das Wiedersehen begann prickelnd
(Obwohl ich hier noch nie die Küche geentert habe! Durch den kleinen Pass käme ich - also nicht ich, man - nur mit einem Hechtsprung...)
Der junge Sommelier hatte erkennbar Lust und begleitete uns gut gelaunt mit einem Kollegen durch den Abend. Alles prima.
Wir starteten mit zwei wieder sehr leckeren selbst gemachten Brotsorten des Hauses und dazu Frischkäse mit rotem Pesto,
der uns mit Frische und leichter Schärfe frappierend zeigte, warum der sogenannte Kräuterquark verboten gehört.
Als Amuse gab es einen Salat aus Frisée, roter Bete, Bohnenkraut, Erdnüssen, Tarama und Kräuterseitling.
Völlig anders als die üblichen Verdächtigen unter den Appetithappen, machte das schon mal neugierig auf ein 6-Gang-Menü, das in der vegetarischen Vollversion 92€ gekostet hätte, mit Fleisch 6€ mehr. Alles auch à la carte möglich.
Angeboten wurden
PRESSKOPF VOM DUROC SCHWEIN
RAVIOLI MIT SCHMORFLEISCHFÜLLUNG
KOHLWICKEL MIT UMAMI-PILZFOND
SKREI-LOIN aus dem Rohr
LAMMBAUCH lackiert
(SAUERRAHM EIS)
Ich wählte das Dessert ab, kam so auf 80€ und hatte mit diesem Schachzug gleich noch Platz für eine PARMESAN-VELOUTÉ mit Trüffel geschaffen!
Aber los ging es mit einem eigenwilligen Surf‘n‘turf, denn die Scheibe angenehm säuerlichem Presskopf wurde mit einer Jahrgangssardine kombiniert.
Von den beiden recht prägnanten Geschmäckern wurde aus meiner Sicht zu viel abgelenkt mit Fenchel und Apfel, beides in verschiedenen Verarbeitungen. Weiter gab es gefrorenen Ziegenfrischkäse, der durch die Temperatur unauffällig blieb, Feldsalat und dann noch einen Pilzsud. Alles verschmolz zu einem unklaren Geschmacksbild von sauer und salzig, das für mich nicht aufging. Zuviel des Guten! Aber instagrammabel, das muss man Andreas Reinke in der Küche lassen.
Der zweite Gang geriet fokussierter.
Ein großer, schön dünner Raviolo mit einer Füllung aus geschmorten, aber wohl auch haschiertem Schweinefleisch. Dazu „nur“ saisonaler Rosenkohl als Blatt und Crème und einen getrüffelte Schmorsud. Nussbuttercrumble sorgte für etwas Knusprigkeit. Sehr schön. Wenn es überhaupt etwas (IMHO) zu verbessern gab, dann wäre noch eine pikante Note sicher nicht ganz falsch gewesen.
Der Wunsch sollte mir später noch erfüllt werden, aber zunächst kam die „sichere Bank“, oder wie soll man die süffige Kombi von Parmesan, Trüffel und einem wachsweich perfektem Bio-Eigelb nennen, in die sich noch etwas Sellerie im Hintergrund einfügte. Spontane Nachbestellung von den „Jungs“ am Tisch. Ich warte gern auf Euch...
Sehr interessant der nächste Teller: Ein Krautwickel, der statt der ungesunden Blässe so mancher Kohlroulade meiner Jugend schon mal mit sattem Grün und knackigem Gemüsebiss punktete.
Die Füllung aus Zwiebel und Pilzen (und weiterem Kohl) fand sich in einem diesmal deutlich mehr umami Pilzfond wieder. Der Teller stammte nicht von der fleischlosen Seite der Karte, denn es wurde reichlich geeiste Foie gras de canard darüber gehobelt, die sich in der heißen Brühe zwar nicht so hübsch auflöste, aber für ein angenehm cremiges Mundgefühl sorgte. Wie auch bei einer klassischen Entenleberterrine schaffte Frucht einen wunderbaren Ausgleich, hier durch Cranberries und flüssige Aprikose. Diese Kombination gefiel mir sehr. Und das umso mehr, als im Abgang jetzt etwas Schärfe für Aufmunterung der Geschmacksknospen sorgte.
Der Fischgang ein sehr solides Rückenstück vom weißen Gold der Lofoten.
Hier war auch die im ersten Teller noch daneben gegangene Vermählung von Meer und Land gelungen: Perlhuhnessenz, gebunden mit dem Collagen der Schweinemaske (vom Presskopf, you remember) und mit Senf verfeinert, so dass deutlich an Dorsch mit Senfsoße erinnert wurde. Und der in gutbürgerlichen Häusern gern gereichte Spinat wurde hier durch Texturen von geschmacksstarkem, winterlichem Stängelkohl (Cima di rapa) ersetzt, deren gedämpfte Variante eine lippenleckende Buttrigkeit mitbrachte.
Auch der (für mich) krönende Abschluss stand nicht in Diät-Verdacht!
Zu lackiertem Lammbauch ist hier alles gesagt
ich gehöre zu den bedingungslosen Liebhabern. Naja, so ganz bedingungslos dann doch nicht, aber wenn er so scharf-würzig, fett-fleischig daher kommt, gibt es kein Halten. Und erst recht nicht, wenn dazu die Gourmetküchen-Vergangenheit der beiden Küchenchefs aufblitzt, wie hier bei den Schafskäse-Sphären, der mit Ducca und zurückhaltenden Kalamata-Oliven aromatisierten Sauce oder den mit roter Bete gefärbten Trachanas. Die unelegant dicken Stücke der erdigen Winterrübe hätte es da für mich nicht gebraucht. Aber sonst ein sehr überzeugender Teller, der dem Schweinebauch eine für mich neue Nuance abgewann.
Auch, wenn nicht alles zu einhundert Prozent aufging, bestätigte mein zweiter Besuch, dass im Frieda eigenständig, sehr zugänglich und ganz bestimmt nicht verkopft gekocht wird.
Nur manchmal wäre eben etwas weniger doch mehr. Was für die Teller ebenso galt, wie für die abschließenden Runden Hartgetränke, denen ich aber mit einem dezenten Hinweis auf die Erholungsbedürftigkeit älterer Herren noch einigermaßen rechtzeitig davon hopfte.
Immer wieder sehr gerne!
So schnell kann das gehen: An einem Abend in Osnabrück der Youngster in der Altherrengruppe, am nächsten in Leipzig der Nestor beim Geschäftsessen. Aber, was soll ich sagen - mit einem Rudel junger Hunde macht’s auch Spaß. Also uns. Die beiden Damen am Nachbartisch ahnten schon beim Aperitif, was ihnen blühen würde. Ihre freundliche Frage, ob wir nach Alkoholgenuss eventuell zu den stillen, melancholischen Trinkern mutieren, verneinten wir empört. So dass sich das Pärchen doch für das freundliche Angebot des... mehr lesen
4.5 stars -
"Gute Leistung bestätigt!" DerBorgfelderSo schnell kann das gehen: An einem Abend in Osnabrück der Youngster in der Altherrengruppe, am nächsten in Leipzig der Nestor beim Geschäftsessen. Aber, was soll ich sagen - mit einem Rudel junger Hunde macht’s auch Spaß. Also uns. Die beiden Damen am Nachbartisch ahnten schon beim Aperitif, was ihnen blühen würde. Ihre freundliche Frage, ob wir nach Alkoholgenuss eventuell zu den stillen, melancholischen Trinkern mutieren, verneinten wir empört. So dass sich das Pärchen doch für das freundliche Angebot des
Geschrieben am 27.04.2020 2020-04-27| Aktualisiert am
28.04.2020
Besucht am 16.01.2020Besuchszeit: Abendessen 3 Personen
Rechnungsbetrag: 554 EUR
Drei Herren mit Lebenserfahrung haben sich beruflich kennen gelernt, ihre gemeinsame Freude an gutem Essen, Weinen und Gesprächen entdeckt und treffen sich nun reihum in ihren Wohnorten.
Jetzt war wieder Osnabrück dran und nach Carstens begeisterter Erstkritik fiel die Wahl auf das damals noch unbesternte Kesselhaus. Beim privaten Vorglühen mit Schinken und Bier aus dem Emsland berichtete unser Gastgeber von einem Anruf der Inhaberin Frau Garthoff, die uns vorwarnen wollte, dass wir an diesem Donnerstag Abend die einzigen angemeldeten Gäste seien. Ob dabei auch der Wunsch mitschwang, das Restaurant lieber geschlossen zu halten, kann ich nicht sagen. Die Betreuung während unseres Besuches gab darauf keinen Hinweis, ganz im Gegenteil. Und erst einmal ist ein solcher Anruf ja nützlich.
Wir ließen uns also nicht abschrecken und fanden auf dem Gelände den freundlich erleuchteten Eingang unproblematisch.
An der Straße gibt es zwar einen Hinweis, aber relativ hoch an der Hauswand, nicht ganz leicht zu entdecken. Aber das ist ja bei vielen Restaurants in ehemaligen Industriegebäude und sonstigen Hinterhöfen ähnlich. Vermutlich so ein Geheimtipp-Ding...
Die Innengestaltung versucht, das Industrieambiente zeitgemäß zu präsentieren. Nicht shabby, sondern nach meinem Empfinden „wohnlich“. Dazu ist ein Teil der Rotziegelwand glatt verputzt und dunkelgrau gestrichen, Pop-art setzt bunte Akzente.
Eine Bar mit viel Holz und anderer Kunst ist ebenso in die hohe Halle gesetzt worden
wie eine Lounge-Insel. Dort werden wir begrüßt, und unsere Gastgeberin nimmt uns die Garderobe ab. Mit unseren Aperitifen nach Wahl von prickelnd bis hochprozentig können wir uns umschauen und ungeniert Fotos machen. Hat eben auch Vorteile ohne weitere Gäste...
Die Sitzbänke sind mit weißen Fellen bedeckt und die meisten Tische tragen eine bodentiefe, bronzefarbene Unterdecke und darüber weiße Tischwäsche. Kerzen und Blumen vervollständigen das gehobene Bild. Nur unser Tisch zeigt ebenso wie die wuchtige Servicestation in der Mitte etwas rustikaler seine Holzplatte
Ich vermute, dass Carsten bei seinem Besuch vor meinen Hang zum Kleckern gewarnt hatte, besonders nach Alkoholgenuss...
Pendelleuchten und Wandlampen tauchen den großen Raum in warmes Licht. Man merkt es leider auch an den Fotos.
Trotz allem können die sehr hohe Decke des ehemaligen Kesselhauses, der nackte Fußboden und die großen Glasflächen in unserer Ecke leicht zu einem Frösteln führen, zumal im Januar. Wohlweislich setzte ich mich an die Raumseite. Die Kollegen berichteten aber nichts Nachteiliges. Gespräche und Getränke sind da hilfreich und die Stimmung war vom ersten Augenblick an gelöst.
Unsere Ungezwungenheit übertrug sich im Lauf des Abends auch auf das Team. Die höfliche Distanz wich einer herzlichen Gastlichkeit, die den Abend besonders werden ließ. Stunde um Stunde verging in der golden schimmernden Nuss-Schale unseres Tisches inmitten der winterlichen Nacht. Abwechselnd kamen Thayarni Garthoff und die beiden Köche Jeffrey Thomer und Randy de Jong vorbei und versorgten uns mit heiteren und ernsten Gedanken zur Gastronomie (was damals als „ernst“ galt), den Gängen des festen 5-Gang-Menüs (99€) und der Weinbegleitung (51€), die nicht auf oberste Schublade, sondern auf solide Qualitäten bekannter Winzer setzte. Die Preise fand ich absolut fair und wir stockten bei den Weinen gern noch etwas außer der Reihe auf.
Danach wurde zur aufgeschlagenen Butter ein mit Soja und Anatto-Samen verfeinertes Brot angeboten, das neben der rötlichen Färbung eine kräftige Säure mitbrachte.
Zum Knabbern gab es einerseits Brotchip mit einem frischen Gel aus Kerbelknolle und einer Selleriecrème. Mein Favorit war aber das leicht krosse Gewürzbrot mit Rotkohl, das süßlich und würzig gut in den Winter passte.
Ein kleiner Paukenschlag das folgende, anfangs sehr präsente Thaibasilikum-Öl, das erst nach und nach die Süße der knackigen Würfel von Birne und Topinambur freigab. Der Untergrund aus Mandelmilch war eher fürs Mundgefühl zuständig, als eine eigenständige Geschmacksnote zu setzen.
Wie es meinem Verständnis dieser Happen durchaus entspricht, hatten wir eine klare Ansage bekommen: Hier wird auf kräftige Akzente gesetzt und kein Produktpurismus betrieben.
Im ersten Gang war dann auch Schluss mit Regionalität und Winterzeit:
Dick geschnittener frischer Thunfisch wurde mit knackiger Schwarzwurzel kombiniert, die in Miso angezogen und anschließend geflämmt worden war. Mandarine in Variationen zeigte sich als gute Wahl, da eine kräftigere Säure dem Fisch kaum Raum gelassen hätte. Die Paste von schwarzen Bohnen sorgte wieder für etwas Verbindung. Das war ein harmonischer Teller, der trotzdem nicht langweilig war.
Mit arktischem Saibling folgte ein (lau)warmer Fischgang, was auch so gewollt war, denn der Lachsfisch war unter der Wärmelampe nur auf ca. 50 Grad Kerntemperatur gebracht worden.
Innen also roh, außen schon leicht gegart. Drapiert auf geflämmter Süßkartoffel, die auch als Tupfen erschien und von Schalotten begleitet wurde, driftete der Teller etwas ins Süße ab. Gut, dass mit Ponzu-Essig und Olivenöl gegengesteuert wurde. Macadamiastücke waren für den Biss zuständig.
Schon lecker, aber mir war das etwas zu nah am ersten Gang, nicht nur optisch.
Als vegetarischer Zwischengang wurde ein kleiner, im Ofen kräftig gebräunter Blumenkopf serviert, der mit karamellisierter Nussbutter überzogen war.
Am Boden eine Mousseline vom Karfiol, gegen deren leichte Bitternote eine süße Rosinensauce arbeitete und als Höhepunkt des ganzen Wasabi, der richtig Wumms mitbrachte. Süß und scharf, bittrig und buttrig. So schlicht, so verdammt gut!
Wir gaben unsere Begeisterung lauthals kund und Frau Garthoff versprach es in die nicht einsehbare Küche weiter zu tragen. Na, das könnten wir doch auch direkt tun, riefen wir ihr noch gut gelaunt hinterher. Und siehe, nach etwas Getuschel wurden wir zu einer improvisierten Küchenparty eingeladen: Champagner im Stehen, beim Anrichten zusehen, so lässt‘s sich gut gehen...
Eigentlich sollten die fertigen Teller wieder am Tisch serviert werden, aber der Rotwein war gerade entkorkt und die Stimmung gut und so durften wir bleiben und versuchten nicht allzu sehr im Weg zu stehen. Was leicht fiel, denn an Platz mangelt es im Kesselhaus ja nicht und so ist auch die Küche großzügig dimensioniert.
Aber - das sei hervor gehoben - es lag keineswegs nur an der zauberhaften Atmosphäre, dass mich hier auch mal wieder ein Hauptgang schwer begeistert hat.
Vorab ein Pfannkuchen aus der Hand, dessen Füllung mich an den norddeutschen Klassiker Birnen, Bohnen und Speck erinnerte.
Hier übernahm exotische Papaya (etwas zurückhaltend) den Birnenpart an der Seite der knackigen grünen Bohnen, was sich damit erklärte, dass bei diesem Gang die indische Gewürzmischung Masala der heimliche Star war und hier schon würzige Schärfe ergänzte. Wortwörtlich zum Fingerlecken...
Was soll ich am eigentlichen Teller mehr loben? Das wirklich perfekte Bürgermeisterstück?
Oder die Kartoffel-Millefeuille
die eine Nacht lang im Ofen gebacken und dann vor unseren Augen für noch mehr Knusper ausgebacken wurde
(Verschmitztes Zitat dabei: „Frittieren können wir Holländer ja!“), um dann mit Püree, den Stangenbohnen und diesmal stärkeren, weil geflämmten Papayawürfeln angerichtet zu werden? Oder eben doch die mit Masala aufgeladene Jus? Alles gleich gut gelungen.
Sehr straight, kein überflüssiges ChiChi, aber das, was auf dem Teller war, gehörte da auch hin. Bravo! Und wer es noch würziger wollte, bekam eine Pulverkugel zum Selbstversuch auf den Teller gelegt...
Nach diesem fulminanten Gesamterlebnis ließen wir uns wieder am Tisch ein ebenfalls kreatives Dessert schmecken
das mit Petersilienwurzel und Lakritz die „üblichen Verdächtigen“ Apfel und weiße Schokolade gut in Schach hielt.
Die süße Abteilung lieferte noch einen nur scheinbar unauffälligen Höhepunkt
aber das Blatt aus weißer und zartbitterer Schokolade konnte mich mit seiner Balsamico-Füllung ebenso begeistern, wie die knusprige Madeleine mit einer spektakulären Orangen-Note!
Auch dieser Abschluss war sehr gelungen, obwohl gar kein Käse am Start war. Dafür aber ein äußerst sympathisches Team, das sich nicht zu schade war, auch weit nach Mitternacht Arm in Arm mit drei älteren Herren etliche Erinnerungsfotos zu machen. Danke!
Und Käse gab es in der Nacht tatsächlich auch noch, nämlich zusammen mit einem Schlummertrunk im Hause des Lokalmatadors, der - vorahnend schon und voll Misstrauen ob des Borgfelders Lohn - das gute Zeug frühzeitig aus der Kühlung geholt hatte. Manche stören sich vielleicht am Anblick
für mich war es das perfekte Ende eines ganz, ganz wunderbaren Abends unter Freunden. Mit Erlaubnis des Rechte-Inhabers!
Drei Herren mit Lebenserfahrung haben sich beruflich kennen gelernt, ihre gemeinsame Freude an gutem Essen, Weinen und Gesprächen entdeckt und treffen sich nun reihum in ihren Wohnorten.
Jetzt war wieder Osnabrück dran und nach Carstens begeisterter Erstkritik fiel die Wahl auf das damals noch unbesternte Kesselhaus. Beim privaten Vorglühen mit Schinken und Bier aus dem Emsland berichtete unser Gastgeber von einem Anruf der Inhaberin Frau Garthoff, die uns vorwarnen wollte, dass wir an diesem Donnerstag Abend die einzigen angemeldeten Gäste seien.... mehr lesen
4.5 stars -
"Ein wunderbarer Abend" DerBorgfelderDrei Herren mit Lebenserfahrung haben sich beruflich kennen gelernt, ihre gemeinsame Freude an gutem Essen, Weinen und Gesprächen entdeckt und treffen sich nun reihum in ihren Wohnorten.
Jetzt war wieder Osnabrück dran und nach Carstens begeisterter Erstkritik fiel die Wahl auf das damals noch unbesternte Kesselhaus. Beim privaten Vorglühen mit Schinken und Bier aus dem Emsland berichtete unser Gastgeber von einem Anruf der Inhaberin Frau Garthoff, die uns vorwarnen wollte, dass wir an diesem Donnerstag Abend die einzigen angemeldeten Gäste seien.
Geschrieben am 20.04.2020 2020-04-20| Aktualisiert am
20.04.2020
Besucht am 27.01.2020Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 716 EUR
Bereits dreimal hatte ich versucht, spontan einen Platz in dem seit 2016 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnetem Lokal zu bekommen, immer erfolglos. Was an der einfallsreichen, französisch geprägten Küche von Patron Andreas Saul und der extrem entspannten Location gelegen haben dürfte, und wohl auch daran, dass im ehemaligen Döner-Grill auf der angesagten Torstraße bei üblicher Bestuhlung gerade 18 Plätze zur Verfügung stehen.
Ok, manchmal lernt selbst ein alter Borgfelder noch neue Tricks bzw. den Umgang mit dem Reservierungssystem.
Beim Eintreten (eine niedrige Stufe) durch den schweren, windabhaltenden Vorhang ist die vergangene Nutzung noch deutlich zu erkennen. Die linke Seite des Raums beherbergt in zwei Zeilen die offene Küche, und wo jetzt Chef Saul mit einem Kollegen seine Sterneküche anrichtet
wurden sicher früher die Teigfladen „mit allem“ gefüllt. Im Gastraum mittig eine kleine Reihe von Zweier-Tischen mit harter Bistromöblierung, rechts davon auf einer Mini-Empore eine gepolsterte Wandbank, die in kleinen Ecken mündet. Auf der großen Tafel darüber werden die bis zu acht Gänge des Abends für die internationalen Gästeschar auch in englisch mitgeteilt.
Gut für das etwas exaltierte Pärchen in der Ecke, das sich nicht nur intensiv über die Speisen austauschte, sondern auch fotografierte und sogar Notizen machte. Sachen gibt’s...
Von unserem Tisch hatten wir einen guten Blick durch den ganzen Raum und konnten so die ungewöhnliche Ausstattung entdecken und bewundern, die aus dem abgerissenen Palast der untergegangenen Republik stammt und auch ganz ohne Ostalgie für Technik- wie Designfreaks einige Schmankerl bereit hält. Dazu spielte unerwartet melancholischer Rhythm’n’Blues. Das ebenso ausgefallene wie stimmige (weil eben gar nicht aufgesetzt „konzeptlastige“) Gesamtpaket hat mich trotz oder auch wegen einer gewissen Geschäftigkeit in den engen Gängen völlig überzeugt, ja begeistert. Beim nächstenmal würde ich allerdings lieber auf der hoffentlich weicheren Bank sitzen.
(Derzeit kein echtes Außer-Haus-Geschäft. Allerdings wird ein „Weinpakt“ angeboten:
5 ausgesuchte Wein-Entdeckungen zzgl. einem Liter Garnelenfrikassée oder Wildschweinragout aus der Sterneküche für 200€ deutschlandweit frei Haus)
Der Blick in die noch nicht allzu lange von Gastgeber Alexander Seiser verantwortete Weinkarte lässt für meine Vorlieben wenig Wünsche offen, Frankreich und Riesling satt, da vergeht schon mal ein Viertelstündchen mit der Auswahl. Wie gut, dass man digital vorab ja nicht nur Unverträglichkeiten mitteilen kann, sondern auch Vorlieben. Und so atmete kurz nach der Begrüßung ein feiner Chardonnay auf
und ich den (erwartbaren) Preis-Schock weg... Was übertrieben ist, denn die Weinkalkulation scheint mir angesichts der durchweg hohen Qualität sehr fair zu sein, allemal bei den Flaschen.
Erfreulicherweise leistete mir ein Kollege kurzfristig Gesellschaft, der auf die Frage nach dem Wein meist „Rot, Cuvée“ antwortet. Da bot sich ein Chateauneuf-du-Pape an. Champagne und Elsass (Vin de Voile!) besuchten wir bei unserer flüssigen Frankreich-Reise glasweise, nur Madeira fiel aus dem geografischen Rahmen.
Nicht nur als Sommelier machte Herr Seiser eine gute Figur. Stets aufmerksam, flott, zugänglich und bereit für einige informative Worten wuppte er den Service unter nur gelegentlicher Hilfe der Küche sehr souverän und schuf eine schöne, gastfreundliche Atmosphäre. Meine Vermutung, dass kleinere Sternerestaurants die Reservierung von Einzelessern aus wirtschaftlichen Gründen beschränken müssten, wollte er nicht bestätigen. Erst recht nicht den auch schon gehörten Vorwurf, dass einzelne Gäste für müde Stimmung sorgten. Im Gegenteil hätten im Bandol durch geschickte Platzierung schon spontane Gruppen zusammen gefunden. Kann ich mir gut vorstellen. Am Service gab es nullkommanichts auszusetzen, daher auch mal von mir die seltenen 5 Sterne.
Die bestellten sechs Gänge waren mit 109€ angesichts von Produkten und Mengen durchschnittlich kalkuliert. Die Karte versprach einige Abwechslung:
Hier nimmt jemand Region und Saison ernst, ohne daraus eine anstrengende Weltanschauung zu machen.
Als Tagesangebot Gänseleber, Umami-Sauce & Holzkohleapfel für zusätzliche 24€.
Auch die notgedrungen spontane Bitte meines Begleiters nach möglichst glutenfreien Speisen wurde ohne Gemaule von der Küche gut umgesetzt. Man scheint darauf vorbereitet zu sein, Respekt.
Mit einer cremigen karamellisierten Butter (Suchtgefahr!) gab es ein Kartoffel(misch)brot mit toller Kruste.
Der Teig war deutlich kartoffelig, aber recht schwer und für mich etwas zu salzarm. Als glutenfreie Variante wurden Chips von Garnele, Sellerie und Kartoffel gereicht.
Den Aufschlag machte ein Champignon-Chip mit frischen Blättern und sehr präsentem Estragonstaub, etwas Kaviar steuerte eine Spur Salz bei.
Mutige Kräuter und Crunch, schon knuspere ich dahin...
Deutlich anders angelegt ein vermutlich sehr lange im Ofen bis zu einer weingummiartigen Konsistenz gegarter Streifen Schwarzwurzel mit einer Crème aus XO-Sauce, dazu getrockneter Ingwer und Liebstöckel.
Irgendwo kam Säure her. Mutig, sehr eindeutig, der Chef hat mehrere Jahre im Rutz bei Marco Müller gekocht.
Die zweite Runde war erneut ein Fingerhappen, aber deutlich komplexer:
Tartelette von Sonnenblumenkernen, darauf eine Schicht Rote Bete, darüber ein Marshmallow eindeutig mit dem Geschmack von Rindermark. Bestrichen mit einem Hauch von Bierbalsam, der an alten Essig erinnerte. Schließlich Tupfen von Pflaume, die würzige Süße mitbrachten. Sehr, sehr süffig. Alter Falter, da weiß jemand, was er tut.
Zum Start ins Menü die inzwischen häufig erlebte gebeizte Makrele, deren Fett den Hintergrund bildete für so kräftige Geschmäcker wie salziges Seegras, saure grüne Erdbeeren, eine kräuterig-scharfen Mayo mit Kapuzinerwurzel und einen nachträglich angegossenen Dashi von Hühnerknochen, Muschel und Shitakepilzen.
Herausfordernd, genau mein Ding.
Kaum leiser der folgende Gang, der sich leider als vegetarisch herausstellte. Leider, denn auf Ziegenfleisch war ich sehr gespannt gewesen. So war es dann „nur“ Quark, der die mexikanisch scharf eingelegte Gurke, schön herausgearbeiteten Grünkohl in verschiedenen Texturen und Teltower Rübchen verband, die zu malzig schmeckenden Chips verarbeitet waren. Das hatte zwar viel Biss, aber auch viel Säure, die hier zwar unterschiedlich, aber letztlich ohne interessanten Konterpart inszeniert wurde. Ein Foto ist nicht auffindbar, so sad...
Auch der nächste Teller kam ohne Fleisch aus. (Ich nehme an, dass Vegetarier aus dem Menü die fleischfreien Gänge wählen, die dann von der Portionsgröße angepasst werden.)
Die Küche richtete fermentierten Rotkohl und Rote Bete in verschiedenen Varianten (darunter intensiv dehydriert) zunächst „trocken“ mit Champignonsand und Saiblingskaviar an. Später wurde eine Austern-Velouté angegossen.
War wieder säuerlich, aber durch die weiteren Komponenten nicht mehr so extrem. Gut, aber vegetarisch begeistert mich eben selten.
Nach den jahreszeitlich bedingten Gemüsefermentationen freute ich mich auf ein schönes Stück Fisch. Für diesen Wunsch war der heimische Zander nicht umsonst gestorben.
Saftig, mit einer knusprigen Haut und etwas Roggensand bestreut war das schon solo 1a. Mit dem wiederum am Tisch beigefügten Waldpilztee ging’s aber nochmal eine Stufe höher, zumal ein Gel aus Pflaumensaft der umami-Bombe einen kleinen fruchtig-süßen Twist gab.
Elegant dazu ein kleiner Raviolo mit einer kühlen Roggencrème-Füllung. Schön, dass auch Temperatur eingesetzt wurde. Toller Teller.
Die folgende, kräftig angebratene Foie gras war vorzüglich und wurde durch eine Sauce aus Schweinefüßen noch vollmundiger.
Gut, dass ein knuspriger Kalbskopf-Chip der Cremigkeit ebenso Einhalt gebot, wie die geräucherten Apfel-Parisienne, die natürlich auch die notwendige Säure einbrachten. Ganz anders, aber nicht weniger süffig war ein mit Entenrilette gefüllter Dumpling, der mit heißem Bärlauch-Öl und Panko-Crumble aber überhaupt keine Wünsche offen ließ.
Genialer Begleiter das Gläschen vom Rebensaft aus deutschen Landen,
der auch nach über 40 Jahren mit einem Quäntchen Frische neben aller Süße erfreute. (Was würden Sie auf eine einsame—It’s SCHARZHOFBERGER, stupid!)
Taube polarisiert.
Ich mag den eigentümlichen, leicht metallischen Geschmack. Hier wären vermutlich viele Genießer ausgestiegen, denn es gab auch das Herz und in einer kleinen Galette
wurde die Leber mit Meerettich und Grünkohl gereicht. Die beiden Tranchen auf dem Teller waren sous-vide, aber noch mit Textur gegart und hatten dann das berühmte Röstaroma mitbekommen.
Zum Aufnehmen der vollmundigen Sauce auf der Basis von Schweinefüßen gab’s lockere Buchweizenbrötchen
extra! Mehr geht nicht - perfekter Fleischteller. Der Vollständigkeit halber seien eher geschmacksarmer Lauch und süß-saurer Rettich erwähnt.
Während sich mein Gegenüber die eingelegten Kirschen schmecken ließ, freute ich mich an verarbeitetem Stilton, der durchaus kräftiger hätte sein dürfen, da neben säuerlichem Cassis auch Rosmarin ätherisch hervor schmeckte.
Aber das war keine Unausgewogenheit, sondern betraf lediglich meine persönlichen Vorlieben.
Und die haben die Bandolisten aus der Torstraße wirklich fast perfekt getroffen. Küche, Service und Ambiente - hier hat mal wieder alles gestimmt und sich zu einem wundervollen Abend gefügt. Danke dafür!
Bereits dreimal hatte ich versucht, spontan einen Platz in dem seit 2016 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnetem Lokal zu bekommen, immer erfolglos. Was an der einfallsreichen, französisch geprägten Küche von Patron Andreas Saul und der extrem entspannten Location gelegen haben dürfte, und wohl auch daran, dass im ehemaligen Döner-Grill auf der angesagten Torstraße bei üblicher Bestuhlung gerade 18 Plätze zur Verfügung stehen.
Ok, manchmal lernt selbst ein alter Borgfelder noch neue Tricks bzw. den Umgang mit dem Reservierungssystem.
Beim Eintreten (eine niedrige... mehr lesen
Restaurant Bandol sur mer
Restaurant Bandol sur mer€-€€€Sternerestaurant03067302051Torstr. 167, 10115 Berlin
4.5 stars -
"Ganz starke Leistung" DerBorgfelderBereits dreimal hatte ich versucht, spontan einen Platz in dem seit 2016 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnetem Lokal zu bekommen, immer erfolglos. Was an der einfallsreichen, französisch geprägten Küche von Patron Andreas Saul und der extrem entspannten Location gelegen haben dürfte, und wohl auch daran, dass im ehemaligen Döner-Grill auf der angesagten Torstraße bei üblicher Bestuhlung gerade 18 Plätze zur Verfügung stehen.
Ok, manchmal lernt selbst ein alter Borgfelder noch neue Tricks bzw. den Umgang mit dem Reservierungssystem.
Beim Eintreten (eine niedrige
Geschrieben am 15.04.2020 2020-04-15| Aktualisiert am
16.04.2020
Besucht am 20.01.2020Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 117 EUR
An der Brasserie Ganymed war ich schon häufiger vorbei gelaufen, wenn ich vom S-Bahnhof zu meinem derzeitigen Lieblings-Hotel an der Friedrichstraße lief. (Dabei besticht die Unterkunft weder durch besonders freundliches Personal, noch beeindruckende Zimmer. Aber bedingt durch die Terrassen-Architektur ergeben sich in den Eckzimmern große Außenflächen in meinem Fall nach Nordwesten und Nordosten. Ich liebe es, bei einer späten Anreise zu beobachten, wie die Sonne hinter der Charité untergeht, die Lichter der Stadt zu funkeln beginnen und auf der gigantischen Leinwand des Abendhimmels ein Flieger nach dem anderen zur Landung in Tegel einschwebt. Am frühen Morgen geht die Sonne hinter dem Fernsehturm auf und die goldene Kuppel der Neuen Synagoge funkelt atemberaubend. Big city lights.)
Das in Weinbar (mit kleiner Karte) und Restaurant räumlich unterteilte Ganymed war meist gut gefüllt, wenn ich schaute. Klar, Unmengen von Touristen hier am Schiffbauerdamm, aber auch Einheimische, die vor der Vorstellung im unmittelbar benachbarten Berliner Ensemble noch ein Abendessen einnehmen. Die Bewertungen im Netz schwanken zwischen authentischer Brasserie und unfreundlicher Abfertigung auf mittelmäßigem Niveau. Aber um 20.00 Uhr und bei strömendem Regen wollte ich es dann einfach mal wissen. Einen Platz zu bekommen und den auch gegen einen Tisch nach Wahl zu tauschen, waren kein Problem, denn ich erwischte gerade das Zeitfenster, als die Theaterbesucher schon gegangen und andere Gäste noch nicht gekommen waren. Später füllte es sich vielleicht zur Hälfte, großer Andrang scheint eher früher zu sein.
Dunkle Holzmöbel, gefliester Boden und gestärkte Tischdecken und Servietten sorgen zusammen mit einem angenehmen Licht für ein mir sympathisches Ambiente. Die Herren fortgeschrittenen Alters, die lautstark in ihr Telefon berlinerten, weniger.
Der Service wurde zunächst von zwei jüngeren Herrn gewuppt, die halt versuchten, das Selbstbewusstsein Pariser Garçons durch Hochnäsigkeit zu imitieren. Ich reagierte mürrisch, so dass wir gut miteinander auskamen. Zumal mit der Bitte um eine Weinberatung Oberkellner Monsieur Laurent Laurent (was sich manche Eltern so ausdenken...) erschien und mir ab dann als souveräner, kompetenter und freundlicher Begleiter durch den kulinarischen Abend zur Seite stand. Immer angenehm - übrigens in allen Berufen - auf Menschen zu treffen, die ihre Aufgabe engagiert und professionell erledigen und mit denen man sich entspannt darüber unterhalten kann. Chapeau!
Die Weinkarte hält eine Handvoll deutscher Gewächse bereit: 12 Weiße, 4 Rote, allesamt bekannte Namen aus den wesentlichen Anbaugebieten. Aber der Schwerpunkt liegt natürlich auf Frankreich, 80 Positionen Stillwein, 20 Champagner und Crémants, dazu Aperitife und Dessertweine, damit kommt man fürs erste über die Runden. Der Lage entsprechend heftig kalkuliert, aber immerhin bei 25€ startend und bis auf die Crus classés nur selten im dreistelligen Bereich. Leider, leider war der Meursault 1er Cru ausgetrunken, was M. Laurent sichtlich bedauerte (und mir später noch sehr zum Vorteil gereichte...), so dass ich meine Speisenwahl umstellte und mal wieder einen (zu) leichten Fleurie-Beaujolais (49€) wählte. Einer der reichlich angeboten Spätburgunder wäre die bessere Begleitung gewesen.
Bei einem Gläschen Crémant rosé (7,5€) wählte ich aus der Karte voller Klassiker:
Rindertatar, 150g (mit Salat 15,9€, für 1,6€ mehr gibt es auch Pommes „Pont Neuf“),
gratinierte Zwiebelsuppe (12,9€) und
Coq au vin (17,5€).
Nicht wirklich günstig, aber auch nicht zu arg überteuert.
Das vorab gereichte Weißbrot war leider weit entfernt von einem handwerklich gefertigten Baguette, aber leidlich kross. An einen Quark o.ä. kann ich mich nicht mal erinnern.
Das gewolfte Rindfleisch kam dann mit einem Eigelb und einer ganzen Parade klassischer Zutaten.
Ich durfte ganz nach Geschmack wählen und der Ober richtete mit viel Geduld und Akribie perfekt an.
Alte Schule, sehr angenehm.
Versehentlich wurden doch die dicken Pommes serviert, die schön dunkel, aber etwas nachlässig entfettet waren.
Ich bin kein großer Freund dieser deutlich „kartoffeligeren“ Variante (Ihr wisst schon); ich mag es lieber dünn und knusprig. Berechnet wurde aber nur die preiswertere Version mit Salat, der natürlich auch nachträglich angeboten worden war.
An der folgenden, heißen Zwiebelsuppe überzeugte schon mal die tolle Emmentaler-Kruste.
Die Croûtons darunter waren angeröstet worden, das merkte man noch. Die Brühe selbst hat mich geschmacklich nicht weggehauen und die Zwiebeln für meinen Geschmack viel zu weich gekocht, null Biss. Muss das so?
Das in Burgunder geschmorte Hähnchen kam nicht in Stücken, sondern als eine Hälfte mit Haut aber ohne Schenkel und Flügel und war - wenn auch nur teilweise - etwas trocken.
Auch hier kein Totalausfall, aber auch keine übermäßige Begeisterung meinerseits.
Tatsächlich zogen die Beilagen (ein sehr helles Kartoffelpüree, Austernseitlinge in - aufgemerkt! - verschiedenen Texturen und dito Frühlingszwiebel) den Teller ebenso nach oben wie eine durchaus kräftige Burgundersauce. Spätestens jetzt wäre der Pinot sehr willkommen gewesen...
Ja, und so hätte ein, ich sag wie es ist, kulinarisch mittelmäßiger Abend enden können. Denn nach dem bisher Verkosteten traute ich der Käseauswahl keine besondere Klasse zu und die mich von der umfangreichen Dessert-Karte allein reizenden Crêpes suzettes gibt es nicht für Einzelgäste. Aufgrund des Aufwands bei der Zubereitung ist das nachvollziehbar und wurde auf meine vorsichtige Nachfrage auch von Monsieur Laurent bedauernd bestätigt. Der nach einer kurzen Verständigung mit der Restaurantleiterin zurück an den Tisch kam und lächelnd verkündete, dass ich ob des fehlenden Meursault so traurig geschaut habe, dass er mich nicht noch ein zweites Mal am Abend enttäuschen könne. Hurra! Wer sagt, dass Männer keine Gefühle zeigen sollen? Und so wurde das Trumm von Elektroherd heran gerollt
lange genug vorgeheizt und los ging die Show mit allen Schikanen von Schmelzen, Karamellisieren, Ablöschen, Einkochen, Flambieren, Abziehen, Erwärmen, Übergießen und Anrichten, dass es nur so eine Freude war. (Über 5 Minuten ungeschnittenes Live-Video verfügbar:-))
Zuletzt noch eine Kugel Vanille-Eis und mit dem tadellosen Ergebnis waren beide glücklich, der Garçon und der Gast von der Weser.
Fazit:
Vielleicht hatte ich einfach nur Glück. Der Abend hat mich unterhalten, sehr gut sogar. Mag sein, zu anderer Zeit, mit anderem Service wird es nur halb so nett, denn das Essen ist solide, guter Durchschnitt. Aber bis dahin - siehe Überschrift.
An der Brasserie Ganymed war ich schon häufiger vorbei gelaufen, wenn ich vom S-Bahnhof zu meinem derzeitigen Lieblings-Hotel an der Friedrichstraße lief. (Dabei besticht die Unterkunft weder durch besonders freundliches Personal, noch beeindruckende Zimmer. Aber bedingt durch die Terrassen-Architektur ergeben sich in den Eckzimmern große Außenflächen in meinem Fall nach Nordwesten und Nordosten. Ich liebe es, bei einer späten Anreise zu beobachten, wie die Sonne hinter der Charité untergeht, die Lichter der Stadt zu funkeln beginnen und auf der gigantischen... mehr lesen
Ganymed
Ganymed€-€€€Bar, Brasserie030 28599046Schiffbauerdamm 5, 10117 Berlin
3.5 stars -
"Theater, Theater... wenn es sich wieder ergibt" DerBorgfelderAn der Brasserie Ganymed war ich schon häufiger vorbei gelaufen, wenn ich vom S-Bahnhof zu meinem derzeitigen Lieblings-Hotel an der Friedrichstraße lief. (Dabei besticht die Unterkunft weder durch besonders freundliches Personal, noch beeindruckende Zimmer. Aber bedingt durch die Terrassen-Architektur ergeben sich in den Eckzimmern große Außenflächen in meinem Fall nach Nordwesten und Nordosten. Ich liebe es, bei einer späten Anreise zu beobachten, wie die Sonne hinter der Charité untergeht, die Lichter der Stadt zu funkeln beginnen und auf der gigantischen
Geschrieben am 11.04.2020 2020-04-11| Aktualisiert am
12.04.2020
Besucht am 07.12.2019Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
Rechnungsbetrag: 1646 EUR
Ungewöhnliche Zeiten brauchen ungewöhnliche Kritiken: Luxus-Lieferdienste werden besungen, zu kraulende Mitbewohner abgelichtet und eben auch Restaurantbesuche beschrieben, die allein dem hedonistischen Genuss dienen sollten und nicht der minutiösen Aufarbeitung im Dienste der Community. Mal sehen, ob was hängen geblieben ist...
Wobei, minutiös wird sowieso schwierig, denn unglaubliche 7 Stunden und ein Tageswechsel lagen zwischen dem ersten und dem letzten Foto und erst danach machte Chef Tristan Brandt seine ausgedehnten Honneurs an den letzten, noch besetzten Tischen. Dabei zeigte sich der Hüne, dessen vermeintliches Foto auf der Homepage offenbar seinen jüngeren und schlankeren Bruder zeigen muss, selbstbewusst, aber freundlich. „Macht jeder anders“, fiel häufiger. Wobei man angesichts der Auszeichnungen, die im langen Flur
vom Aufzug bis in den Speiseraum effektvoll in Szene gesetzt werden, hier wohl vieles richtig macht.
Wir waren an diesem Samstagabend durchaus mit Skepsis in das Mannheimer Edelkaufhaus gekommen. Nicht nur die Unzufriedenheit des Daueressers hatten wir zur Kenntnis genommen, auch sonst ist man im Netz geteilter Meinung über Tristan Brandt und das Opus V.
Immerhin, eine frühzeitig getätigte Reservierung war für das Wochenende kein Problem und auch, wenn sich das Restaurant nach und nach füllte, blieben doch ein paar Tische leer.
Das Ambiente hat mir persönlich sehr gefallen. In der Tat die Möblierung im Stil der 60er Jahre ansonsten klare Linien, viel Holz, eine Steinwand, runde Tische in der Mitte und kleine Zweier an der durchgehenden Fensterfront. Die erhoffte Aussicht aus dem 6. Stock enttäuschte, zum einen durch den breiten umlaufenden Balkon, der mit Weihnachtsbäumen vollgestellt war, zum anderen durch starke Spiegelungen. Dabei herrschten im Inneren eher gedämpfte Lichtverhältnisse, nur die Tische waren exzellent ausgeleuchtet. Zusammen mit den für mein Empfinden gar nicht so engen Abständen zum Nachbartisch ergab sich so auch ohne Raumtrenner eine gefühlte Privatsphäre.
Die Tische à la casual fine dining ohne Decken, aber ganz und gar nicht spartanisch gedeckt.
Dazu passte perfekt die entspannte Loungemusik.
Anders, als vom Daueresser erlebt, waren die Toiletten tiptop und blieben es den Abend über auch. Im Dezember hatte der Dachgartens selbstverständlich keine Gäste. Überrascht hatte uns eher, dass der Aufzug zum Restaurant auch von den Kaufhauskunden aller Stockwerke frequentiert wurde. So dauerte es eine Weile, bis uns der Lift im Erdgeschoss aufgenommen und nach etlichen Zwischenhalten im schon erwähnten breiten Korridor ausgespuckt hatte, in dem nicht nur ein beachtliches Weinsortiment
sondern auch Kochbücher und Besteck aus dem Hause Brandt
feilgeboten wurden. Man merkt schon, dass man nicht bei einem Mäzen speist, sondern bei einem Kaufmann. Könnte man sagen, aber das wäre ja gehässig.
Oder auch nicht, denn die Verkaufsförderung ging später munter weiter:
Ob Champagner (39€/Glas, Laurent-Perrier, kein(!) Jahrgang), Kaviar
(div. Qualitäten z.B. Prunier Tradition 10g/35€, aber natürlich wurde zum iranischen geraten), Alba-Trüffel (mit Risoni-Nudeln
oder Landei und Spinat für 65€/Portion) oder Wagyu (ohne nähere Angabe, ich meine, - auf Nachfrage - Australien gehört zu haben, A8(!), auch für 65€):
Der Möglichkeiten, das eh nicht sonderlich günstige Menü (z.B. 6 Gänge 174€ bis 9 Gänge 225€) aufzuwerten, waren viele und sie wurden aktiv beworben - immerhin nie unangenehm drängend oder beleidigt, wenn man ablehnte. Schnapper waren nicht gerade darunter, die italienischen Allerweltswässer mit fast 10€ zu bepreisen, spricht da eine deutliche Sprache, erst auf Nachfrage gab es zwei Alternativen für „nur“ 8,9€. Zumal natürlich Amuses und insbesondere Petits fours zwar gereicht wurden, aber Welten entfernt von dem Schlaraffenland, das uns Tischnotizen aus dem Bareiss gezeigt hat. Aber auch an die Wägen im Louis C. Jacob (**) oder im Apicius (*) dachte ich sehr wehmütig zurück. Beim Brot ein ähnliches Bild: Beschränkung statt Opulenz. Wobei ich hier immer das Gefühl der wirtschaftlichen Optimierung hatte, nicht einer kulinarischen Fokussierung.
Nun denn: Wir wussten um die meisten Preise und hatten verabredet, es „krachen zu lassen“. Aber für das PLV spielt das keine Rolle, es bleibt schwierig.
Bei den Getränken wurde ähnlich kalkuliert. Die Weinreisen schlugen mit 17€ pro 0,1l zu Buche, Aperitife und Digestife ähnlich, ein Puligny-Montrachet 1er Cru stand mit 200€ auf der Rechnung. Man muss halt wissen, worauf man sich einlässt...
Das zahlreiche Personal hatte indes nicht nur die Verkaufsförderung im Blick, sondern erledigte den Job routiniert und überwiegend professionell ohne größere Fehler. Während sich Restaurantleiter Adrian Dastig nach der Begrüßung eher rar machte und nur nach einer allzu langen Pause von uns um Nachfrage in der Küche gebeten wurde, nahm sich der unkompliziert agierende Sommelier Jo Wessels viel Zeit. Schade, dass der sympathische Südafrikaner ausgerechnet bei einem Wein aus seiner Heimat in die Küche gerufen wurde und erst wieder auftauchte, als der Gang schon abgeräumt war. Ich war etwas irritiert, dass die Aufgabe in der Küche dringender sein sollte, als die beim Gast. Drohte etwas anzubrennen und der Sommelier musste ablöschen?
Die folgende Brotauswahl beschränkte sich zwar auf frisch geröstetes, noch warmes Weißbrot und einen kleinen Laib Sauerteigbrot
war aber qualitativ hervorragend.
Die Küche schickte als ersten Gang einen marinierten und geflämmten Ora King Lachs Ora King Lachs, Kimizu, Ama ebi
der mir persönlich zu weich, ja schon leicht breiig war. Wunderbar dagegen die Süßwassergarnele, knackig und süßlich, ohne jeden Hauch von Salpeter. Mit schönem Zuckerschoten-Crunch, Queller und einem Kimizu-Schaum war das elegant japanisch, erneut meeres-frisch und überraschend eng an den Geschmacksbildern der Amuses.
Während eine Tischgenossin nun auf Rote Bete mit schwarzem Knoblauch und Amarant setzte, Rote Bete, schwarzer Knoblauch, Amarant
folgte für die Liebhaber von Krustentieren bereits das Highlight des Abends. Ein beeindruckender, an sich schon geschmacksstarker Carabinero aus den mallorquinischen Gewässern Carabinero, Kimchi, Ananas
wurde durch einen Krustentierfonds, Kimchi-Sud und mäßig scharfer Chili aufgeladen. Der endgültige Nachbrenner wurde gezündet, als der Service am Tisch den intensiven Saft aus den Garnelen-Köpfen ausdrückte (und gleich mal in der Küche Nachschub besorgte, wenn zu wenig „Ertrag“ kam)
Die vielschichtige pikante Würzigkeit wurde mit der Süße kandierter, geflämmter Ananas ebenso stark abgepuffert. Himmlisch! Ich ließ es mir nicht nehmen, die fleischigen Stücke mit den Fingern durch den paradiesischen Fonds zu ziehen. Eine Fingerschale war auch kein Problem, allerdings erst auf ausdrückliche Bitte. Das Für-den-Gast-mitdenken fehlte mir beim Service eindeutig; vielleicht lag es ja an der häufigen Abwesenheit von Restaurantleiter Dastig.
Das Menü wechselte nach diesem Kracher kurzzeitig auf Fleisch, wobei der in ganz leichtem, fein-knusprigen Tempurateig ausgebackene Kalbskopf fast reines Collagen war Collagen rules...
Mit der feinen Säure des marinierten Rettichs, einer sauber tarierten Teriyaki-Sauce und dem nur kurz sautierten, jungen Spinat war das Gericht erneut deutlich japanisch inspiriert, was mich ja fast immer begeistert, so auch hier. Auch optisch ein Leckerbissen Kalbskopf Spinat Teriyaki
Die folgende Pause von über einer Dreiviertelstunde wurde uns trotz angeregter Gespräche irgendwann zu lang. Es könnte aber sein, dass ich am Anfang des Abends selbst um eine entspannte Menüfolge gebeten hatte; ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls
war die Ungeduld bei uns drei Rittern der Trüffelrunde (Eine kleine Verbeugung vor dem Pfälzer Meister der Spielworte!) schon recht groß. Ich hatte mich für die jahreszeitliche Variante der Maronensuppe (das Angebot für 35€...) entschieden Maronensuppe mit Alba-Trüffel
und die Süße der als Einlage recht weichen Esskastanie harmonierte mit der reichlichen Portion der italienischen Edelknolle natürlich perfekt. Gegenüber labte man sich am fast doppelt so teuren Luxus-Soulfood mit zugegeber Maßen deutlich mehr Trüffel Alba-Trüffel, Landei, Spinat
Ein letztes Mal ging es zurück an Bord - und selbst nach all den Jahren taucht ein melancholisches Gefühl auf, denn wenn mein Vater an Bord ging, hieß es für lange Wochen, später sogar für Monate Abschied zu nehmen; er hat es gehasst. Also sagen wir lieber, dass es auf hohe See ging:
Der legendäre Black cod oder Kohlenfisch war wunderbar saftig und mit prägnantem Eigengeschmack, zart, fast weich, aber im Gegensatz zum Lachs des Auftakttellers mit Struktur. Kohlenfisch
Die dunkle, leicht knusprige Fischhaut machte dem Namen alle Ehre; ich vermutete aber auch eine Lackierung, vielleicht auf Basis von Sojasauce. Kleine Flips, die nur in der Nahaufnahme nicht so nett ausschauen, knisterten schön. Eingebettet und umkränzt von Mandel und Sellerie in verschiedenen Texturen ergab das ein aufwändigeres Tellerbild Black Cod, Soja, Zitrusfrüchte
über das die Meinungen auseinander gingen. Mir war es etwas zu bemüht und mehr nach Heimwerker als Künstler ausschauend. Problematischer jedoch das ungenaue Süße-Säure-Spiel. Kleine Stücke von Grapefruit und Fingerlime sollten ausgleichen, traten für mein Empfinden zu stark in den Hintergrund. Der Teller kippte dadurch in eine zu süße, etwas schwere Richtung. Etwas schade, vom Fisch war ich begeistert.
Optisch ganz anders mein einziger „richtiger“ Fleischgang, der Rinderrücken vom Wagyu, der nur mit (recht salziger) Kartoffelmousseline und wildem Brokkoli (lauwarm?) mit weißem Sesam fast puristisch begleitet wurde. Wagyu Rinderrücken Kartoffel Brokkoli
So stand auf einem vorbildlich erhitzten, durch einen Unterteller bravourös heiß gehaltenen Teller das Tajima-Fleisch im Mittelpunkt, das ich noch niemals in diesem hohen (australischen) Marmorierungsgrad probiert hatte. Kurz gesagt: Ich würde das Produkt so nicht wieder wählen. Natürlich „schmolz“ das Fett im Mund, ohne irgendwie ein unangenehmes Gefühl zu hinterlassen. Natürlich hob es den Eigengeschmack des Fleisches. Aber das war eben nur in Spuren vorhanden, so dass alles sehr dezent blieb.
Vielleicht ist der innere Genusskompass bei Fleisch, zumal vom Rind einfach zu sehr auf „kräftig“ ausgerichtet, und ich muss lernen, wie bei feinem Fisch, den Nuancen nachzuschmecken. Aber das würden sehr teure Lektionen. Bis dahin ruhig etwas weniger intramuskulärer Geschmacksverstärker. Insgesamt war der Teller allerdings wieder sehr gut, denn die Küche schickte separat eine intensive Rindfleisch-Jus, die keine Wünsche offen ließ. Ein versöhnliches Ergebnis und ein Erfahrungsgewinn.
Während sich die Naschkatzen am Tisch ihren süßen Gelüsten hingaben Schokolade, Passionsfrucht, Topinambur Quitte, Crème fraiche, Karamell
freute ich mich, dass mal wieder ein Käsegang im Menü war: Parmesan Aubergine Champignon, alter Balsamico
Im Mittelpunkt alter Parmesan als Chip, Schaum und in Brocken, dazu 30 Jahre alter Balsamico, das war für mich schon ein Umami-Traum. Aber mit Aubergine und unfassbar intensiven Champignons kam nochmal eine erdige, leicht süß-bittrige Note dazu, die den Käse wunderbar begleite.
Die kleine Auswahl von Maître Affineur Waldmann
hab ich dann nur als Unterstützung für meinem Sohn genommen, der plötzlich schwächelte (vermutlich lag ihm der Kaviar so schwer im Magen...). Natürlich.
Weit nach Mitternacht schlossen wir den sehr langen Abend mit etwas Eierlikör zum Nuckeln
und Mignardises
zu denen mir nichts im Gedächtnis geblieben ist. Vielleicht etwas ungerecht, da die Konzentration doch ein klitzekleines Stückchen gelitten hatte, aber doch bezeichnend.
Fazit: Ein denk-würdiger, herausfordernder Abend. Die moderne, aber nicht experimentelle Küche mit asiatischem Touch von Chef Tristan Brandt trifft meinen Geschmack absolut. Mehr z.B. als die wenige Wochen zuvor bei Hans-Stefan Steinheuer genossene Klassik. Trotzdem würde ich sofort wieder in der Alten Post einkehren, aber nicht so schnell wieder im Opus V. Zu steril, zu kalkuliert, zu teuer.
Das Essen allein macht eben kein perfektes Restaurant-Erlebnis.
Ungewöhnliche Zeiten brauchen ungewöhnliche Kritiken: Luxus-Lieferdienste werden besungen, zu kraulende Mitbewohner abgelichtet und eben auch Restaurantbesuche beschrieben, die allein dem hedonistischen Genuss dienen sollten und nicht der minutiösen Aufarbeitung im Dienste der Community. Mal sehen, ob was hängen geblieben ist...
Wobei, minutiös wird sowieso schwierig, denn unglaubliche 7 Stunden und ein Tageswechsel lagen zwischen dem ersten und dem letzten Foto und erst danach machte Chef Tristan Brandt seine ausgedehnten Honneurs an den letzten, noch besetzten Tischen. Dabei zeigte sich der Hüne,... mehr lesen
Engelhorn · Restaurant Opus V · 6. Etage
Engelhorn · Restaurant Opus V · 6. Etage€-€€€Sternerestaurant, Gourmet06211671199O 5, 9-12, 68161 Mannheim
3.5 stars -
"Moderne Oper ist eben nicht einfach..." DerBorgfelderUngewöhnliche Zeiten brauchen ungewöhnliche Kritiken: Luxus-Lieferdienste werden besungen, zu kraulende Mitbewohner abgelichtet und eben auch Restaurantbesuche beschrieben, die allein dem hedonistischen Genuss dienen sollten und nicht der minutiösen Aufarbeitung im Dienste der Community. Mal sehen, ob was hängen geblieben ist...
Wobei, minutiös wird sowieso schwierig, denn unglaubliche 7 Stunden und ein Tageswechsel lagen zwischen dem ersten und dem letzten Foto und erst danach machte Chef Tristan Brandt seine ausgedehnten Honneurs an den letzten, noch besetzten Tischen. Dabei zeigte sich der Hüne,
Geschrieben am 28.03.2020 2020-03-28| Aktualisiert am
29.03.2020
Besucht am 30.11.2019Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 171 EUR
Anders als das vergleichbare Osnabrück ist Oldenburg kulinarisches Niemandsland. Zumindest Guide Michelin und Gault Millau halten keine Gastronomie in Niedersachsens drittgrößter Stadt für erwähnenswert. In den vergangenen Jahren wurde einerseits Schmidt‘s Brasserie empfohlen, deren Küche ihrem Namen gerecht wird und eine erfreuliche Weinauswahl bereit hält. Und andererseits eben die Kleine Burg des Geschwisterpaares Bassam Faour und Lina Willms, die nach überwiegend gemeinsam verbrachten Wanderjahren in der norddeutschen Gastronomie 2012 hier ihr eigenes Restaurant eröffnet haben.
Die Karte im Netz sah ganz ambitioniert aus, so dass ich als Auftakt für einen „Zug durch die Gemeinde“ mit einer Schulfreundin in Oldenburg reservierte. Dabei gab es schon den ersten Dämpfer, denn am Wochenende werden die Tische „à la Mallorca“ vergeben. Entweder Tisch um 17.30 Uhr oder 20.00 Uhr. Das scheint in Mode zu kommen, Freitag und Sonnabend sind eben die Tage mit der größten Nachfrage. Mir gefällt das zwar nicht, weil ich gerne lange tafele (und dabei nach Kräften Umsatz mache), aber das ist die freie Entscheidung des Gastronomen. Wenn ich es vorher weiß, kann ich ja überlegen, ob ich woanders hingehe. Die Wahl fiel auf den frühen Termin, denn ich „hungere“ über den Tag, um dann richtig zuschlagen zu können.
Also in knapp zweieinhalb Stunden durchs Menü. Wo doch schon das vorfreudige Stöbern in der Weinkarte einiges der begrenzten Schlemmerzeit verbrauchen würde. Das Internet war da keine Hilfe, also flugs angerufen, auf die Reservierung am Abend hingewiesen und um Übersendung des Angebots gebeten. Ja, kein Problem versicherte die freundliche junge Stimme am anderen Ende der Leitung, wenn ich meine E-Mail-Adresse mitteile, werde das nach dem Mittagsgeschäft erledigt. Wurde es aber leider nicht. Als ich später die Chefin darauf ansprach, kassierte ich nur eine schnippische Antwort: Sie habe ja nicht wissen können, dass ich die Karte heute brauchte. Naja, es hatte keinen wirklichen Zeitverlust zur Folge, denn die Blätter auf dem Klemmbrett offerierten eine übersichtliche Flaschen-Auswahl, alle unter 30€ und einem EK-Faktor von vermutlich 3,5 bis 4. Der zunächst bestellte einfache Weißburgunder von Prinz Salm schwächelte auf ganzer Linie, das gleiche Gewächs als Gutswein von Nik Weis gefiel uns beiden deutlich besser. War dann aber die letzte Flasche. Der mangels Alternative bestellte südfranzösische Chardonnay wieder eine Enttäuschung. Lief nicht so richtig für mich...
Das Ambiente hat skandinavische Anklänge. Viel helles Holz neben grau und weiß. Immerhin ist in beiden Gasträumen je eine Wand in einer warmen Farbe gestrichen. Im vorderen Bereich zur Fußgängerzone, in der im Sommer einige Tische locken, sorgt der offene Dachstuhl zusammen mit den bodentiefen Fenstern für Großzügigkeit. Im trüben November fröstelte mich dadurch ein wenig, zumal wir einen Tisch „mittenmang“, aber in Nähe der Eingangstür bekommen sollten. Gewohnt charmant gelang es uns dann aber doch, ein Plätzchen in der Ecke an der Heizung zu erbetteln. Die nette junge Bedienung reagierte dabei genauso sympathisch wie am Telefon. Die nackten Holztische sind klein bemessen, die Stühle hart. (Aber man darf ja eh nicht so lange bleiben. Yin und Yang...). Die Toilette war frisch und auch bei den Herren mit reichlich Deo etc. ausgestattet.
Ein Aperitif war schnell bestellt und alkoholfrei, da ich die Version Rosenzauber von Jörg Geiger (5€) noch nicht kannte. Das erste, müde Glas vom Vortag ging zurück, das frische perlte schön, hatte aber neben einem angenehmen Rosenduft für mich trotz Apfel zu viel Süße. Wird nicht meine Lieblingssorte. Das Völslauer Wasser bescherte den Wirtsleuten mit 6,9€ einen ordentlichen Deckungsbeitrag.
In der Kleinen Burg werden die Gäste mit etwas do-it-yourself begrüßt
Grobe Salzkristalle und Pfefferkörner können mittels Mörser nach Geschmack zerstoßen werden. Ich fand das recht vorteilhaft, aber etwas Kraftaufwand ist schon nötig und meine Frau hatte bei unserem Erstbesuch Zweifel wegen der Hygiene. Ich vermute, dass man auf Nachfrage wohl auch Mühlen bekommt.
Neben dem Gewürz-Bausatz wurde mit hausgebackenem Knäckebrot und Tahina-lastigem Hummus gegrüßt, der auch schon offen auf den Tischen stand, als wir kamen. Ich meinte, ein ungewohntes Prickeln zu spüren, aber eine Nachfrage in der Küche ergab, dass es „genauso“ sein soll. Immerhin: Meine Begleitung schmeckte nichts dergleichen und mutmaßte, dass ich wohl eine nervöse Zunge hätte. Also bleibt dieser Punkt außer Bewertung.
Jetzt aber flugs ans Bestellen, die Zeit ist knapp!
Die Karte entsprach absolut der Internet-Version, das war ein Pluspunkt. Vorspeisen zwischen 12 € und 15 €, Hauptgerichte von gut 20 € bis knapp unter 30€. Schon o.k. Mangels Menü bitte à la carte fünf Gänge einschließlich Suppe und gepimpten Salat. Die junge Frau schaute skeptisch, da müsse sie erstmal in der Küche fragen, eigentlich seien nur drei Gänge möglich, wenn man um 17.30 Uhr kommt. Hä? Wollt Ihr mich verar...? Nein, mehr schaffe die (übrigens mit 5! Köchen besetzte) Küche nicht, erklärte sehr kühl die Mit-Inhaberin, die ich an den Tisch gebeten hatte, da unsere Service-Dame ja nicht die Regeln macht. Auch mein Hinweis, dass Salat und Suppe wohl keinen immensen zusätzliche Aufwand bedeuten, fruchtete da nichts. Ok, dann nur noch eine kurze Frage: Warum wird das denn nicht auf der Homepage oder bei der Reservierung mitgeteilt? Na, weil die Gäste dann Bescheid wissen und alle um 20.00 Uhr möchten oder gleich in ein anderes Lokal gehen, sagte sie (natürlich nicht). Stattdessen: Die meisten Gäste wollen sowieso maximal 3 Gänge. Ok, danke für gar nichts. Auch hier gilt: Ihr Restaurant, ihre Regeln. Aber diese Regeln erst bekannt zu geben, wenn der Gast schon am Tisch sitzt, ist alles andere als Fairplay!
Allein wäre ich jetzt natürlich gegangen. Meiner Schulfreundin wollte ich das nicht zumuten, also machte ich böse Miene zum bösen Spiel. Immerhin bemühte sich Frau Willms im Weiteren professionell um den erzürnten Gast, viele Nachfragen, endlich mal kein herablassender Tonfall und der gute Wein kam auch nicht auf die Rechnung. Zusammen mit der netten Angestellten und einer fachlich meist aufmerksamen Leistung ohne Mängel reicht das Dalai-lamaesk für drei Service-Sterne.
Meine Dreier-Wette setzte auf Schweinebauch, dann ein Steinpilz-Risotto und Kabeljau.
Bei der Vorspeise war unsere Service-Fee nicht auf der Höhe. Auf meine Frage, ob das Schweinefleisch warm oder kalt serviert wurde, entschied sie sich mit Überzeugung für warm. Kam natürlich in kalt und das sollte in der Tat so. Aber die Küche zeigte sich flexibel und wärmte mir die zwei Scheiben Schweinebauch schnell an. (Hätte man in der Zeit nicht auch eine Suppe? Ach, lass...)
Das Fleisch war unauffällig, die kräftige Rotfärbung könnte von einer Tandoori-Marinade stammen, geschmacklich war da aber nichts besonderes. Dattelstreifen und Granatapfelkerne verschoben das Geschmacksbild in die orientalische Richtung, Süße und fettes Schweinefleisch ist sowieso unschlagbar. Etwas Schärfe wäre vielleicht noch schön gewesen. Für ordentlichen Crunch sorgte nochmals das Knäckebrot. Das Ganze zwar in viel Jus ersäuft, aber da gibt es ja auch hier unterschiedliche Auffassungen. Was mich allerdings sehr irritierte, waren die halben Radieschen darin. Warum bloß? Wir wissen es nicht.
Das folgende Steinpilz-Risotto kam handwerklich gelungen, schön schlotzig, das Korn noch spürbar. Steinpilze waren eher sparsam eingesetzt, aber das Aroma sehr intensiv. Ob da mit Öl nachgeholfen wurde? Egal, geschmeckt hat es und zu penetrant war es auch nicht. Sehr schön der Mimolettekäse dazu und ebenso die süße Note von Kürbis. Wilder Brokkoli und Lauchzwiebel hab ich in der Komposition verstanden, Tomate eher nicht. Dazu ordentlich Salat auf den Teller geworfen. Aber das hat mir schon gut gefallen, weil der Hauptdarsteller im Vordergrund und auch die weiteren Komponenten erkennbar blieben. Leider ist das Foto der Totale verwackelt, so dass nur ein close-up bleibt.
Entschuldigung bei allen, die die Nahaufnahme nicht so mögen.
Blieb noch der Hauptgang. Und da ging‘s dann mit Chef Bassam richtig durch. Kabeljau. Und Spinat. Und Jakobsmuschel. Und Miesmuschel. Und Fenchel in ein, zwei, drei oder waren es vier? Variationen. Und noch ˋne Crème, ich sag mal Süßkartoffel. Und ein frittierter Chip, der vielleicht an Backfisch erinnern sollte. Und geröstetes „Gelump“. Und geteilte Arrancini (italienische Reisbällchen? Hä? Ja komm, is doch egal, schmeiß rauf, da geht noch was!) und ein paar Kräuter. Ach guck, da ist ja noch Ratatouille, warum auch nicht? Puh.
Was gefiel: Der Fisch war durchgegart, aber saftig und hatte eine Spinatkruste. Nicht Haube, nein; es war eine wirklich krosse Kruste. Chapeau! Die kleinen St Jacques waren leicht angebraten und ordentlich. Alles andere schmeckte auch. Es war Crunch auf dem Teller (Es waren alle Texturen auf dem Teller. Aber z.B. Einsatz von Temperatur Fehlanzeige). Diesen Gang servierte wieder die Chefin. Ich konnte mir ein „Immer feste druff! Ordentlich was los auf dem Teller!“ nicht verkneifen. Brachte mir einen bösen Blick ein. Komisch.
Gegenüber gab’s ein Wiener Schnitzel und keine Klagen.
Fazit:
Die Küche von Bassam Faour ist Crossover, man könnte auch kreatives Chaos sagen. Fokussierung ist seine Sache ganz und gar nicht. Auf der letzten, noch im Netz einsehbaren Karte vor der Schließung, zählt man bei den Hauptgerichten jeweils sage und schreibe 9 angegebene Komponenten. Ein Konzept dahinter hab ich nicht verstanden. Außer vielleicht, mit möglichst viel auch möglichst viele anzusprechen. Handwerklich war das alles gut gemacht, die Crew versteht ihr Handwerk.
Mich holen solche Von-allem-etwas-Teller halt nicht ab. Andere schon, der Laden war ja voll.
Bei meinem nächsten Besuch in Oldenburg nach Beendigung des shut-downs geht’s jedenfalls in die Brasserie.
Nachsatz 1
Spät in der Nacht gab’s in einer Studi-Kneipe noch einen kolossalen Flammkuchen. Eine 3-Gang-Diät hat halt Konsequenzen.
Nachsatz 2
Darf man in diesen auch für die Gastronomie katastrophalen, existenzbedrohenden Zeiten einen „Verriss“ schreiben? Ich stell das Thema mal ins Forum.
Auf jeden Fall gilt: Ich wünsche den Geschwistern Faour, allen Gastronomen, überhaupt allen von der Situation wirtschaftlich Getroffenen, dass sie die Zeit nur mit Beulen überstehen und sich am Markt halten können. Der Wunsch wird sich nicht erfüllen, aber tun wir, was wir können. Bestellt, kauft Gutscheine und wenn Ihr Verpächter oder Lieferant seid (und es euch leisten könnt), denkt über Reduzierung oder Stundung nach!
Anders als das vergleichbare Osnabrück ist Oldenburg kulinarisches Niemandsland. Zumindest Guide Michelin und Gault Millau halten keine Gastronomie in Niedersachsens drittgrößter Stadt für erwähnenswert. In den vergangenen Jahren wurde einerseits Schmidt‘s Brasserie empfohlen, deren Küche ihrem Namen gerecht wird und eine erfreuliche Weinauswahl bereit hält. Und andererseits eben die Kleine Burg des Geschwisterpaares Bassam Faour und Lina Willms, die nach überwiegend gemeinsam verbrachten Wanderjahren in der norddeutschen Gastronomie 2012 hier ihr eigenes Restaurant eröffnet haben.
Die Karte im Netz sah ganz... mehr lesen
Kleine Burg
Kleine Burg€-€€€Restaurant044115855Burgstraße 2, 26122 Oldenburg
3.0 stars -
"Drama in drei Gängen" DerBorgfelderAnders als das vergleichbare Osnabrück ist Oldenburg kulinarisches Niemandsland. Zumindest Guide Michelin und Gault Millau halten keine Gastronomie in Niedersachsens drittgrößter Stadt für erwähnenswert. In den vergangenen Jahren wurde einerseits Schmidt‘s Brasserie empfohlen, deren Küche ihrem Namen gerecht wird und eine erfreuliche Weinauswahl bereit hält. Und andererseits eben die Kleine Burg des Geschwisterpaares Bassam Faour und Lina Willms, die nach überwiegend gemeinsam verbrachten Wanderjahren in der norddeutschen Gastronomie 2012 hier ihr eigenes Restaurant eröffnet haben.
Die Karte im Netz sah ganz
Geschrieben am 22.03.2020 2020-03-22| Aktualisiert am
07.10.2022
Besucht am 18.11.2019Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 333 EUR
„Wir suchen nach Harmonie, nicht nach Gegensätzen!“
Treffender kann man die Seele dieses hoch dekorierten Restaurants im Ahrtal nicht beschreiben, als es Patron Hans Stefan Steinheuer bei seiner Runde am Ende des Abend selbst tat.
Hier wird eine Gastlichkeit gepflegt, die vielleicht nur noch in kleinen, familiengeführten Häusern überlebt hat. Einerseits voll wohltuender Freundlichkeit fern von den üblichen Marketingphrasen, andererseits stets mit einem Hauch professioneller Distanz, die jedes Anbiedern oder gar ein Duzen der Gäste als Unmöglichkeit erscheinen lässt. Kurz und gut: Welcome stranger!
Und ein herzliches Willkommen hatte ich an diesem Abend mehr als nötig. Schon während ich zu Fuß von meinem Quartier nahe des Rolandsbogen zum Kulturbahnhof Rolandseck lief, um mit dem alkoholfreundlichen Verkehrsmittel nach Heppingen zu fahren, hatte sich der leichte Nieselregen so sehr verdichtet, dass mir Böses schwante. Ein Schirm musste her! Da traf es sich, dass ich am Vorabend nach der Anreise im Interieur No. 253 ein spätes Nachtmahl inklusive angeregtem Plausch mit Inhaber Nic Herbst eingenommen hatte, der mich vom Besuch 2017 wieder erkannte https://www.gastroguide.de/restaurant/228578/interieur-no-253/remagen/bewertung/32008/
Also, nichts wie rein und um einen Schirm gebeten. Kein Problem, aber gern! Die erste nette Geste dieses Abends.
So blieb nach der kurzen Zugfahrt auf dem 10 bis 15-minütigen Fußmarsch immerhin der größte Teil Borgfelder trocken. Nur gegen das lustig hochspritzende Wasser war nicht zu machen, bis zum Knie war’s eklig nass. Und die hübschen italienischen Schühchen hatten gegen den veritablen rheinischen Landregen schon nach Sekunden keine Chance mehr.
Natürlich hatte ich die Beine in die Hand genommen und war fast 20 Minuten vor der Öffnung am Restaurant, in dem durch die Scheiben der Service noch in den letzten Abendvorbereitungen zu sehen war. Verständlich, dass die Tür noch verschlossen blieb. Aber immerhin betreibt Familie Steinheuer nebenan ja auch ein kleines, feines Hotel, durch dessen Eingangstür es einladend golden schimmerte. So trat ich ein.
Augenblicklich war ich still, denn mein Näschen erschnupperte einen gar heimeligen Duft von glimmenden Holz und nach einer kurzen Bitte an die freundliche Empfangsdame, meinen Verbleib im Gourmetrestaurant kundzutun, stürmte ich durch die kleine Weinbar in Richtung Lounge, in der tatsächlich ein lustiges Kaminfeuer loderte. Zu meinem Glück war ich noch der einzige Gast; einen Sessel heranziehen, das völlig durchnässte Leder abstreifen und die eiskalten Füße vor die warme Scheibe platzieren schien eine einzige, fließende Bewegung. Gekommen um zu bleiben! Und das konnte ich auch, denn pünktlich zur Reservierungszeit erschien ein freundlicher junger Mann, der sofort wieder abdrehte und zunächst mit Zeitungspapier für die Schuhe wiederkam. Auch beim zweiten Erscheinen war er mir sehr willkommen, trug er doch eine Dreiliterflasche Tawny Port 20 years von Noval zärtlich im Arm, deren feiner Inhalt (nicht der ganze...) mir die Wartezeit im wahrsten Sinne des Wortes versüßte. So geht Service!
Später füllte sich die Weinbar, denn der Chef empfing eine kleine Gruppe von Schulkameraden zum Klassentreffen. Zeitlich leisten kann er es sich, denn für das Tagesgeschäft in der Küche ist inzwischen Schwiegersohn Christian Binder zuständig. Der Leistung hat das keinen Abbruch getan, wie jüngst die weiterhin vergebenen 2 Michelin-Sterne und 19 Punkte im Gault zeigen. Trotz des sehr wörtlich genommenen Fühlen-Sie-sich-wie-Zuhause! wurde ich nicht etwa scheel angeschaut, sondern konnte - von Zeit zu Zeit wendend - vor dem Feuer in Ruhe dem richtigen Gar- und Gemütsgegenstand entgegen trocknen. Gewärmt an Füßen, Herz und Magen trollte ich mich bestens gelaunt ins Restaurant.
Das Ambiente setzt sich bewusst ab vom Landgasthof-Flair, der in den Poststuben nebenan gepflegt wird.
Meinen Geschmack trifft es nicht, etwas unharmonisch und durch die abgehängte Decke für das indirekte Licht auch einen Tick niedrig. Zudem schien es mir natürlich nach meinem Wechsel aus dem Kaminzimmer recht kühl, was durch die konsequent fehlende Musik noch verstärkt wurde. Zudem es als erster von sieben Gästen an diesem Montagabend erst noch recht einsam war.
Empfangen wurde ich von dem mir schon bekannten Herrn, der mir später anvertraute, dass nun auch im Hause Alte Post casual-dining Einzug gehalten habe: D.h., der Service müsse nun nicht mehr Krawatte tragen! Dem sehr jungen Pärchen am Nebentisch - sie auch aus der Gastro - gefiel die ungezwungen-freundliche Ansprache ebenso wie mir. Später übernahm mich dann Tochter Désirée Steinheuer, die trotz 34. Schwangerschaftswoche ihre Aufgabe als Sommeliere ebenso begeistert wie überlegt erfüllte.
Um nicht wieder wegen meiner Vorliebe für Spät- und Auslesen gemobbt zu werden, startete ich fast trocken mit einem
dessen Lage das Motto des Abends vorgab.
Auch wenn ich etwas wankte, als eine einzelne Dame zwei Tische weiter nach einem hochkompetenten Austausch mit der Sommeliere einen Meursault 1er Cru bestellte, blieb ich standhaft beim Riesling und wurde belohnt. Der
wird vom diesjährigen Gault Millau Weinguide auf Weltklasse hochgestuft, was ich natürlich im trüben November noch nicht wissen konnte (bevor mir wieder von dem mit großen Rieslingen chronisch unterversorgten Pelzern der Etikettentrinker angeheftet wird;-)). Erst recht kann ich solche Urteile nicht selbst abgeben, aber geschmeckt hat er schon recht ordentlich;-))
Jedoch erst noch dem ungewohnt nach Birne duftenden, jungen Saarwein zusprechend, arbeitete ich mich vergnügt durch die beiden Menüs - Herbst und Tradition -, die schwungvoll handgeschrieben angeboten wurden. Eine Auswahl aus beiden war kein Problem. Die gewählten 6 Gänge, überwiegend aus der jahreszeitlichen Karte, wurden mit 180€ berechnet. Die Weine im Hause Steinheuer sind gastfreundlich kalkuliert und erhöhten die Kassa nur soweit, dass eine hübsche Schnapszahl herauskam.
Aber schon begann der Reigen der kleinen Köstlichkeiten, die mit rustikalen Gerichten spielten. Die gelierte Gänse-Consomée mit Verjus-Schaum und einem Schmalzcroûton mit Gänse-Herz(!) spielte gekonnt mit lippenleckender Fettigkeit und Würze, das mit Rindertatar gefüllte knusprige Kartoffelröllchen
war mit Kapern und Remoulade ebenso süffig wie säuerlich und bei den Nordsee-Krabben mit Ei und feiner Dillnote kamen Heimatgefühle auf. Was aber auch an der Präsentation lag.
An gutem Brot aus eigener Fertigung kein Mangel
Sauerteig, Walnuss, Vollkorn, Lauge mit Sesamöl und ein sehr schönes Schwäbisches Seelchen, nur leider mit viel Kümmel, den ich nicht sonderlich mag. Dazu französische Salzbutter.
Als Amuse gueule schickte die Küche ein tolles deutsches Surf‘n‘turf
Geräucherter Aal aus dem Laacher See mit kross gebratener Heppinger Blutwurst und Mini-Parisienne vom Grafschafter Apfel. Himmlisch dazu die Schwarten-Croûtons. Das funktionierte natürlich perfekt. Beeindruckt war ich vom festen, gar nicht fetten Süßwasserfisch. Vielleicht hätte ich mir deshalb ein Stückchen mehr davon gewünscht, allerdings schien mir auch die Blutwurst etwas dominant portioniert.
Der erste Menügang - Jakobsmuschel mit Kürbis und Karotten im Krustentier-Kürbissud -
überzeugte besonders durch die Sauce, in der alle Aromen harmonisch vertreten waren. Die großen Muscheln waren kräftig angebraten und überraschten mit starker Süße. Ein Exemplar hatte leider eine etwas klebrige Textur. Die Gemüse in Variationen waren wie erwartet voller Geschmack und besonders freute mich die nicht angekündigte Krause Glucke, die zusammen mit Nusscrumble für etwas Biss sorgte.
Vegetarisch ging es weiter, Petersilie und Petersilienwurzel waren die Protagonisten
Ein absolut fantastischer Savarin der Wurzel war in einen kräftigen Kräuter-Sud gesetzt, der durch Öl zusätzliche Power bekam. In die Höhe wuchsen gedämpfte und frittierte Scheiben und Blätter. Zitrone sollte für Frische, Macadamia-Nüsse für Crunch sorgen. Beides jedoch sehr vorsichtig eingesetzt, so dass mich dieser Teller nicht mitriss.
Statt des vorgesehenen St. Pierre hatte ich für den Fischgang auf einen Wolfsbarsch mit Muscheln und Seeigel aus der Traditionskarte gesetzt.
Die Tranche des feinen Weißfisches wurde mit einer schönen krossen Haut und durchgebraten serviert, wie es das Publikum sicher überwiegend schätzt. Aber tadellos saftig, da gab es nichts zu kritisieren. Sehr gut gefiel mir auch hier die intensiv nach Seeigel schmeckende Sauce, gegen die sich die Fenchel-Variationen gut behaupten konnten. Schade nur, dass die Miesmuscheln in exzellenter Konsistenz geschmacklich gegen diese starken Aromen verschenkt waren. Außerdem irritierte, dass das Essen überwiegend lau, teilweise sogar kalt kam. Ich war friedlich gestimmt und ließ den Teller nicht zurück gehen. Gewundert hab ich mich aber doch.
Zurück im Herbstmenü folgte ein süffiges Paradies: Cremiges Eigelb in einer hauchdünnen Teighülle, in die Kräuterzweiglein eingelassen waren.
Dazu knusprig gebratenes, wunderbares Kalbsbries in einer Trüffelsauce und natürlich reichlich gehobelte Alba-Trüffeln.
Großes Herbstkino.
Nicht weniger gut und jahreszeitlich perfekt der Hauptgang
Anders als Wachtel steht Rebhuhn wahrlich nicht oft auf den Karten der Spitzengastronomie. Die Stücke der Keule endlich mal nicht durchgebraten, sondern voll Fleischsaft sanft rosa schimmernd. Dabei nicht eine, nicht zwei, nicht drei, nenn mich verrückt, vier Stücke mit leicht lackierter goldbrauner Haut. An dieser Menge, wie überhaupt an allen Portionen hätte (im Rahmen eines Menüs) wohl auch der Mannheimer Dauerhungrige nichts auszusetzen gehabt!
Die Beilagen offenbarten die Kunst der Küche: Steinpilze, Topinambur, Hollandaise. That’s it. Aber so frisch, so intensiv, so auf den Punkt, dass ich einfach nur immer weiter schlemmen wollte. Wobei z.B. eine süffige Crème, die in knuspriger dünner Schale eingehüllt war, bewies, dass hier selbstverständlich Hochküche beherrscht wird.
Dessert fiel natürlich aus. Stattdessen nehme ich eigentlich immer einen verarbeiteten Käsegang, wenn er im Angebot ist. Aber gerade den Gorgonzola dolce von Tosi hatte ich in der Woche vorher schon genießen dürfen. Außerdem setzte ich darauf, dass die Käse-Auswahl von Affineur Waldmann respektabel sein würde. „Und wir wurden nicht enttäuscht!“ Diese, auf anderen, nicht ernst zunehmenden Gastro-Portalen oft gelesene Phrase, stimmte hier wirklich. Was Gastgeberin Gabriele Steinheuer auf dem Wagen hereinrollte, charmant und mit unendlicher Geduld vorstellte, ließ keine Wünsche offen. Problem war vielmehr, dass die gut gefüllten Teller nach über vier Stunden langsam Wirkung zeigten und ich mich daher auf eine Auswahl der innig geliebten Weichkäse beschränken musste. Und Mimolette. Natürlich. Aus dem gleichen Grund wählte ich aus dem reichhaltigen Beilagenangebot auch nur ein paar schwarze Walnüsse.
Aber einen Höhepunkt hatte der Abend, respektive Désirée Steinheuer noch in petto. Dass die Alte Post eine atemberaubende Portwein, Sherry und Madeira-Karte am Start hat, habe ich schon in meiner Kritik der Poststuben
(http://www.gastroguide.de/restaurant/218227/steinheuers-landgasthof-poststuben/bad-neuenahrahrweiler/bewertung/26942/ )
beschrieben. Also kam ich zum Abschluss des Abends ordentlich ins Grübeln, mit welchem Tröpfchen ich mir die ultimative Bettschwere holen sollte. Die junge Sommeliere löste das sehr pragmatisch und stellte mir einen flight aus East india solera, Graham 20 years, Rivesaltes 1998 und P.X. 1971 zusammen. Wow! (!! usw.).
Es gelang mir sogar noch, an einigen der Köstlichkeiten aus der Konditorei zu naschen (Gateaux au chocolat, Karamell-Macaron und -Canelé, Apfel-Tartelett, Calvados-Karamell-Praline).
An die Verabschiedung und die Taxifahrt zurück nach Remagen habe ich kaum noch eine Erinnerung, außer einem absoluten Wohl- und Hochgefühl.
Ich suche kulinarisch tatsächlich nicht vorrangig nach Harmonie. Mich reizen die Kontraste. Und doch werde ich immer wieder in der Alten Post einkehren, um die überragende Gastlichkeit in allen Belangen hier zu genießen!
„Wir suchen nach Harmonie, nicht nach Gegensätzen!“
Treffender kann man die Seele dieses hoch dekorierten Restaurants im Ahrtal nicht beschreiben, als es Patron Hans Stefan Steinheuer bei seiner Runde am Ende des Abend selbst tat.
Hier wird eine Gastlichkeit gepflegt, die vielleicht nur noch in kleinen, familiengeführten Häusern überlebt hat. Einerseits voll wohltuender Freundlichkeit fern von den üblichen Marketingphrasen, andererseits stets mit einem Hauch professioneller Distanz, die jedes Anbiedern oder gar ein Duzen der Gäste als Unmöglichkeit erscheinen lässt. Kurz und... mehr lesen
Steinheuers Restaurant Zur Alten Post
Steinheuers Restaurant Zur Alten Post€-€€€Hotel, Sternerestaurant, Gourmet0264194860Landskroner Str. 110, 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler
4.5 stars -
"Warme Gedanken in kalten Zeiten" DerBorgfelder„Wir suchen nach Harmonie, nicht nach Gegensätzen!“
Treffender kann man die Seele dieses hoch dekorierten Restaurants im Ahrtal nicht beschreiben, als es Patron Hans Stefan Steinheuer bei seiner Runde am Ende des Abend selbst tat.
Hier wird eine Gastlichkeit gepflegt, die vielleicht nur noch in kleinen, familiengeführten Häusern überlebt hat. Einerseits voll wohltuender Freundlichkeit fern von den üblichen Marketingphrasen, andererseits stets mit einem Hauch professioneller Distanz, die jedes Anbiedern oder gar ein Duzen der Gäste als Unmöglichkeit erscheinen lässt. Kurz und
Geschrieben am 05.03.2020 2020-03-05| Aktualisiert am
05.03.2020
Besucht am 08.11.2019Besuchszeit: Abendessen 3 Personen
„Wehe, Sie sind nicht nett zu meinem Freund Alen!“ Mit dieser Drohung seiner Kollegin muss rechnen, wer nur schon einmal eine kleine Vorbesichtigung des noch geschlossenen Limbourg im Belgischen Viertel unternimmt und der Abendbegleitung davon arglos berichtet. Allerdings schien auch Chef Alen Radic der einzelne Herr nicht ganz geheuer, der zwei Stunden vor der Öffnung neugierig durch das große Schaufenster den Innenraum scannte und intensiv die im Hausflur ausliegenden Flyer mit der Abendkarte und einigen Infos zum Restaurant durcharbeitete (Gute Idee für die Laufkundschaft!). Immerhin wurde nur geschaut, nicht mit Steinen geworfen.
Den Hinweis auf die Freundschaft zwischen Koch und Kollegin hätte ich vielleicht nicht so wörtlich nehmen sollen. Oder jedenfalls nicht gleich freudestrahlend in die winzige Küche stürmen, in der der Chef mit einer Unterstützung in den letzten Vorbereitung für den Abendservice war. Aber so als Freund der Freundin... Die reservierte Reaktion fand ich etwas unhöflich, bis meine Begleiterin später aufklärte, dass sie Herrn Radic eigentlich gar nicht kenne. Ömmh...
Zu diesem Zeitpunkt hatten wir aber schon die erste Flasche Riesling geöffnet,
der Albariño und Gamay folgten, so dass die Stimmung entspannter wurde.
Was zum einen am etwas ungewöhnlichen, ebenso rustikalen wie eleganten Ambiente des denkmalgeschützten Inneren lag. Fliesenboden und ein schönes, effektvoll angestrahltes Rotziegelmauerwerk erweckten fast den Eindruck einer Außen-Terrasse. Blumen und hohe, farblich auf die bequemen, samtbezogenen Stühle abgestimmte Kerzen (statt der üblichen Grablichter) machten es dagegen festlich-heimelig.
Die dünnen weißen Mittelläufer auf den dunklen Tischplatten verrutschten zwar ständig, aber der solide Mittelfuß darunter sorgte für kippelfreien Stand und genügend Beinfreiheit. Zum anderen sorgte der Service gute Laune. Den erledigten neben einer jungen Dame an unserem Tisch hauptsächlich ein Herr mit einer gehörigen Portion rheinischen Frohsinns. Dabei aber - auch durch seine Haupttätigkeit bei einem großen Lebensmittelhandel - kompetent und nie unangenehm, so dass wir über ein paar Ruckeligkeiten gern hinweg sahen. Denn mit 24 Gästen war das Restaurant fast vollständig belegt und an der Grenze des Machbaren angelangt. Dafür klappte alles gut, wobei wir auch alle Zeit der Welt hatten und wieder einmal die letzten Gäste waren. Auch Chef Radic war mir nicht gram und setzte sich am Ende des Abends ebenso wie sein fröhlicher Freund aus dem Service für ein längeres Gespräch an unseren Tisch. Sehr angenehme, gastfreundliche Atmosphäre.
Die Küchenleistungen, dies vorweg, konnten durchweg mithalten.
Ein Menü wird nicht angeboten, aber die Preise empfand ich als durchweg günstig. Vorspeisen und Zwischengänge um 15 bis 20 Euro, Hauptgänge von 18 bis 30 Euro und Desserts schließlich für einen guten Zehner. Jeweils nur drei bis vier Positionen auf der Karte, sehr gut.
Zum Start gab es ein wunderbar knuspriges, helles Brot, dem ein Roggenanteil gut tat. Dazu eine solide Thunfischcrème.
Der „Kräuterquark“ genannte, abbindende Mörtel scheint auf dem Rückzug zu sein, ein Glück.
Als Gruß kam eine frittierte Krustentierpraline wohl aus „Kleinkram“ vom Hummer, der uns später erwartete.
Dazu eine leichte Mayo mit feiner Knoblauchnote, bei meinen Gegenübern etwas wenig davon. Ich hätte mir eher etwas Frische gewünscht. Trotzdem eine sehr gelungene „Resteverwertung“.
Auch nicht alltäglich der folgende asiatische inspirierte Gang: Thunfischtataki, mal nicht in Scheiben, sondern als respektabler Block serviert. Darauf eine Teryakischicht, Wasabicrème, ein Yuzusorbet, knuspriger Erdnusscrumble und grüner Tobikorogen als Farbtupfer. Das Ganze stand in einem Seetang-Dashi, der nur leider ohne Löffel schwer aufzunehmen war.
Textur, Temperatur, Kombination: Alles da, alles gut.
Einziger Verbesserungsbedarf: Der scharfe Meerrettich war in Tupfen aufgebracht. Das führte aber bei den einzelnen Happen zu sehr ungleichmäßiger Verteilung von gar nicht bis sehr scharf. Ein dünner Streifen wäre perfekt gewesen. Aber das ist nur der Hauch einer Kritik.
Weiter ging es mit einer sehr kräftigen, schon an der Grenze zur Bitterkeit stehenden Hummer-Bisque. Das Fleisch von Carstens Lieblingstier angebraten und gut getroffen. Qualitativ o.k., ein Stück etwas matschig.
Als Einlage ein großer Raviolo lungo.
Der Teig wird dafür lang ausgerollt, in diesem Fall mit einer geschmacklich überzeugenden, recht fest gewordenen Hummerfarce gefüllt und dann gewickelt. Bei dieser Technik kann die Pasta noch so dünn sein, bei diesen Kaventsmännern kommt eine Menge zusammen, die den Teig zu kompakt, fast hart werden ließ. Zusätzliches Problem: In der Bisque ließ sich das feste Biest nur schwer schneiden und rutschte immer weg, immerhin nicht über den Tellerrand. Ich musste natürlich an die Pretty Woman Julia Roberts denken, die weiland beim Schneckenessen was sagte?
Außerdem war wieder kein Löffel eingedeckt, bei diesem Teller vollends unverständlich. Aber zum Service s.o.
Weiter ging es mit Label Rouge Marensin-Hähnchen in Teilen.
Zu diesem Geflügel und seinen speziellen Aufzuchtbedingungen lohnt eine Internet-Recherche, z.B. https://www.holladiekochfee.de/mit-dem-frischeparadies-bei-den-zuechtern-des-marensin-gefluegels/
Das Fleisch war durchgegart, so wolle es das Publikum. Das glaub ich wohl - auch bei GG scheiden sich ja die Geister - allein, ich mag es bei entsprechender Qualität gern noch einen Hauch rosa. Immerhin, ausreichend gebräunt war das meiste zart und ansonsten half angebratener Lardo, der nicht in Scheiben, sondern erneut in einem kleinen Block auf dem Teller lag. War es diese ungewöhnliche Form oder doch die vorgerückte, weinselige Stunde? Ich hielt das pure Fett zunächst für eine Bürzeldrüse, die damals meine ostpreußische Großmutter immer mit größtem Vergnügen verspeiste. Lief irgendwie nicht so für mich an diesem Abend. Zur individuellen Aromatisierung bestens geeignet Sand von Minze (sehr gut), Koriander, Pistazie und weiterer Kräuter und Gewürze. Hier passten die geschmolzenen Kirschtomaten mit würzigen Crèmetupfern (frischer und schwarzer Knoblauch?) trotz der auslaufenden Saison sehr gut zum südfranzösischen Geflügel. Ebenso das Korianderrisotto, das allerdings auf der Schieferplatte schnell auskühlte. Endlich mal ein Hauptgang, der mich nicht mit einem Naja zurück ließ.
Und es ging noch weiter. Denn das Geflügel hatte ja nur den Fischgang ersetzt. Es fehlte natürlich noch dunkles Fleisch. Ganz im Sinne des gerade angesagten sharing is caring hatten wir einen Gang (aus den Vorspeisen) gewählt, den wir uns teilen wollten. Die Küche war so freundlich gleich auf drei Teller anzurichten und schummelte wohl auch ein bißchen bei der Menge.
Es gab Boudin noir, schön würzig, leicht mit Mehl gebunden und in einem Filoteig gebacken. Durch den Knusper war das Mundgefühl leichter, als sonst oft bei Blutwurst. Ganz klassisch inspiriert sorgten geschmorte Schalotten und roher Apfelscheiben für Süße, Säure und Crunch. Alles mit einer feinen Kartoffelmousseline verbunden, für die Traditionalisten Apfelmus und Bratensoße und dann mit würzigen Blüten dekoriert. Ein absoluter Klassiker behutsam weiter entwickelt. Klasse.
Von den beiden Damen ließ ich mich zu einem Dessert überreden und zumindest optisch war der Bonsai-Blumentopf schon mal witzig.
Über einer recht dick und hart geratenen „Erdschicht“ aus dunkler Schokolade tummelten sich auf einer Schokobrücke im Wesentlichen Kirschsorbet, essbare Blüten und ein grüner Schwamm, den ich nicht recht identifizieren konnte. Eine schöne Überraschung war allerdings, dass sich unter der „Erde“ noch eine Schicht Marscarpone und eine aus Kirschkompott versteckten, geschichtet nach Art eines Trifle. Schon lecker, aber mir zu mächtig, zu süß, zu wenig Frische. Wenn Dessert, dann doch lieber die mit spritzigen Zitrusnoten. Den ausdrücklich zum Schoko-Dessert angebotenen P.X. von Don Zoilo verschmähte ich dann aber doch nicht. Geschmäcker sind halt verschieden und meiner lechzt eben immer nach Käse.
Sogar damit konnte das Limbourg dienen,
wobei alle Sorten bis auf den Epoisse noch sehr jung waren. Ich mag es ja altersgemäß lieber gut gereift. Dafür schmeckten die Senffeigen angenehm pikant und fruchtig süß.
Das Limbourg hat mich auf der ganzen Linie überzeugt. Alen Radic versteht sein Handwerk, verwendet gute Produkte und hat Ideen. Die Gerichte sind zugänglich, stimmig komponiert und ohne überflüssiges ChiChi einfach lecker. Jederzeit gern wieder, wenn es ein entspannter Abend werden soll.
„Wehe, Sie sind nicht nett zu meinem Freund Alen!“ Mit dieser Drohung seiner Kollegin muss rechnen, wer nur schon einmal eine kleine Vorbesichtigung des noch geschlossenen Limbourg im Belgischen Viertel unternimmt und der Abendbegleitung davon arglos berichtet. Allerdings schien auch Chef Alen Radic der einzelne Herr nicht ganz geheuer, der zwei Stunden vor der Öffnung neugierig durch das große Schaufenster den Innenraum scannte und intensiv die im Hausflur ausliegenden Flyer mit der Abendkarte und einigen Infos zum Restaurant durcharbeitete (Gute... mehr lesen
4.5 stars -
"Hat voll überzeugt!" DerBorgfelder„Wehe, Sie sind nicht nett zu meinem Freund Alen!“ Mit dieser Drohung seiner Kollegin muss rechnen, wer nur schon einmal eine kleine Vorbesichtigung des noch geschlossenen Limbourg im Belgischen Viertel unternimmt und der Abendbegleitung davon arglos berichtet. Allerdings schien auch Chef Alen Radic der einzelne Herr nicht ganz geheuer, der zwei Stunden vor der Öffnung neugierig durch das große Schaufenster den Innenraum scannte und intensiv die im Hausflur ausliegenden Flyer mit der Abendkarte und einigen Infos zum Restaurant durcharbeitete (Gute
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Das Soho Sushi befindet sich gegenüber des Hauptbahnhofs in einem jüngst fertig gestellten Einkaufs- und Bürokomplex. Die modernen Arkaden vor dem Eingang freuen sicherlich die vielen Pendler, die hier auf Bus und Bahn warten. Den schmalen, hohen Raum des Soho machen sie dunkel. Innen können zu normalen Zeiten 6-8 Personen an Hochtischen sitzen, dazu noch zwei kleine Stehtische, vermutlich für draußen. Das Angebot ist aber auf eilige Gäste ausgelegt, to-go dürfte auch schon vor Corona der wesentliche Vertriebsweg gewesen sein.
Damit ist auch klar, an welchem Maßstab die „überragend hohe Qualität“ und der „beste Sushi-Geschmack“, die Peter getestet hat, zu messen ist. Natürlich nicht an japanischen Qualitätsvorstellungen und auch nicht an dem einen oder anderen „normalen“ Restaurant. Vielmehr an den vielen, vielen kleinen Verkaufsständen, die in deutschen Einkaufszentren, Bahnhöfen und Innenstadt-Fußgängerzonen ihre immer gleichen maki und nigiri (Wer hier sashimi bestellt, ist selber schuld...) in Plastikboxen verkaufen; dazu die unvermeidliche Instant-Misosuppe im Styropor-Eimerchen und natürlich der quietschgrüne wakame Algensalat.
In dieser Liga spielt das Soho - und das ist die Überraschung - tatsächlich sehr weit oben mit.
Das Angebot ist leicht erweitert, es gibt z. B. auch eine scharfe Suppe mit Reis und statt rotem wird eher selten anzutreffender weißer Thunfisch verwendet. Es gibt auch Bowls und Salat. Das Betreiber-(Ehe?Geschwister?)-Paar, dessen familiären Wurzeln ursprünglich vielleicht eher am Fuße des Libanon denn am Fuji wuchsen, ist freundlich und kompetent; die Kommunikation gelingt mühelos. Was für Labsal gegen die Zwei-Wort-„Sätze“ anderen Ortes. Man gibt gern Auskunft und ist stolz auf „alles selbst gemacht“.
O.k., dann schauen wir mal genauer hin, denn „selbst“ ist ja noch lange nicht „gut“ gemacht. Jedes sushi steht und fällt mit dem Reis. Die Qualität der Toppings hängt auf diesem Niveau allein vom Einkauf, sprich Preisniveau ab. Produkte und Bezugsquellen sind austauschbar. Schneidtechniken, Temperatur, winzige Aroma-Beigaben spielen überhaupt keine Rolle. Aber der Reis, mit dem kannst du auch hier überzeugen oder es versauen. Und ausgerechnet dabei leistet sich das Soho die einzige Schwäche. Geschmacklich noch zufriedenstellend mit leichter Essigsäure, fiel das Mundgefühl brutal ab. Völlig verkocht, kein Korn mehr erkennbar, zu einem klebrigen, schnittfesten Klumpen gematscht.
Gut, dass beim nigiri wenigstens die Größe zu den Auflagen passte, die zumindest nicht enttäuschten. Schon mal gar nicht bei der Geruchsprobe, alles frisch und unauffällig. Die Garnele geschmacklich leidlich erkennbar, hatte sogar einen leichten Knack. Beim Thunfisch, der sehr sparsam geschnitten war, konnte ich keinen Unterschied zwischen weiß und rot in der üblichen Geschmacklosigkeit dieser Qualitätsstufe erkennen. Der Lachs enttäuschte etwas, das geht schon etwas fetter und aussagekräftiger.
Hosomaki, die große Rolle war besser, gefüllt mit Avocado, die nur ganz leicht braun an den Kanten geworden war und statt des unsäglichen kanibo/surimi erneut die gute Garnele. Sogar der Reis gewann ein wenig, der aufgrund der großen Schnittfläche häufig etwas trocken in diesen Boxen wird. Das war ja hier nicht zu befürchten... Gerollt als uramaki inside-out steuerte sogar der helle Sesam außen noch etwas Textur und einen Hauch von Körnergeschmack bei.
Und selbst die Allerweltszutaten wasabi und gari konnten was. Die Merrettichpaste war zwar einen Tick zu wässrig geworden, aber mit ordentlich Wumms versehen. Und der Ingwer war nicht zu hart oder holzig und steuerte seine typische reinigende Frische bei. Da hab ich schon übel muffiges Zeug erlebt...
Zu zahlen waren 12,95€. Das kam mir erst etwas zu hoch vor. Aber die Ware war in allen Belangen frisch und gut ausgesucht. Daher angemessen.
War noch was? Ach ja, der beste Kaffee. Mit ;-), warum auch immer. Der beste Kaffee wird auf einer Cimbali Siebträgermaschine gebrüht, war als Cafe Crema m.E. ein (überwiegender) Arabica von mittlerer Röstung, ganz nach meinem Geschmack ohne Säure und hatte tatsächlich eine wirklich schöne Crema. Auch da hat der Peter also nicht sehr zu viel versprochen.
So, jetzt hat das Soho Sushi bekommen, was es verdient. Und ich eine Rezi über Essen aus der Plastikschachtel hinter mir. Crazy times...