"Perfekter Lunch!"
Geschrieben am 04.02.2017 2017-02-04 | Aktualisiert am 06.02.2017
"Gute?? italienische Küche?"
Geschrieben am 25.01.2017 2017-01-25
"Ni hao in Stuttgart"
Geschrieben am 22.01.2017 2017-01-22
"Vom Cannstatter Zuckerle bis zum Schwäbischen Rostbraten"
Geschrieben am 21.01.2017 2017-01-21
"Persisch in Stuttgart"
Geschrieben am 14.01.2017 2017-01-14 | Aktualisiert am 14.01.2017
"Gute Bäckerei"
Geschrieben am 10.01.2017 2017-01-10
"Standard-Brunch in netter Atmosphäre"
Geschrieben am 10.01.2017 2017-01-10
"Empfehlenswerter Mittagstisch"
Geschrieben am 09.12.2016 2016-12-09 | Aktualisiert am 24.04.2017
"Enttäuschender Mittagstisch"
Geschrieben am 09.12.2016 2016-12-09 | Aktualisiert am 09.12.2016
"Neuer Küchenchef"
Geschrieben am 07.12.2016 2016-12-07 | Aktualisiert am 07.12.2016
"Yummy + healthy"
Geschrieben am 29.11.2016 2016-11-29
"Nix für Dorfkind"
Geschrieben am 26.11.2016 2016-11-26 | Aktualisiert am 27.11.2016
"DIE schwäbische Wirtschaft par excellence"
Geschrieben am 24.11.2016 2016-11-24
"Schönes, aber überfülltes Café"
Geschrieben am 06.11.2016 2016-11-06
"Sehr üppiges Buffet zur Mittagszeit"
Geschrieben am 03.11.2016 2016-11-03
"Sehr guter Mittagstisch"
Geschrieben am 03.11.2016 2016-11-03
"Typisch schwäbisch und immer gut"
Geschrieben am 01.11.2016 2016-11-01 | Aktualisiert am 01.11.2016
"Biergarten und modernes Brauhaus"
Geschrieben am 16.09.2016 2016-09-16
"Exzellente Schlemmereien"
Geschrieben am 16.09.2016 2016-09-16 | Aktualisiert am 16.09.2016
"Das schönste Café im Umkreis von Hedelfingen, tolles Ambiente, genialer Café-Genuss und liebenswerte Betreiber."
Geschrieben am 09.09.2016 2016-09-09 | Aktualisiert am 02.10.2016
Warnung 2: Gastrosophische Überlegungen
Als ich ging, kam Chef Nico Burkhardt aus der Küche und verabschiedete mich persönlich. So schloss sich der Kreis beim Mittagessen im Olivo, dem erneut (völlig nachvollziehbar) besternten Gourmetrestaurant im Steigenberger Hotel vis-a-vis des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Denn schon bei meiner Ankunft um 12:00 Uhr begrüßte mich Gastgeber Christiaan van Berkel persönlich. Zuvor hatte ich nach etwas geistiger Arbeit in der Lobby (zwar mit Kaffee aus dem Vollautomaten, aber exzellenter Patisserie - Schokolade ist Menschenrecht!) spontan nach einem Tisch gefragt und problemlos erhalten. Nicht selbstverständlich in einiger Bahnhofsnähe, auf die ich wg. des drohenden 14.00-Uhr-Termins beschränkt war. Hat doch z. B. die nahe Zirbelstube im Januar ihr Mittagsangebot eingestellt. Das Délice öffnet sowieso nur abends. Und im 5 scheint man dem Netz nach mittags doch einige Abstriche machen zu müssen. Allerdings ist das schon nachvollziehbar, denn den "wunderbaren" Blick auf die bundesweit bekannte Baustelle
wollte auch hier bis kurz vor 14:00 Uhr außer mir nur noch eine einzige andere Genießerin auf sich nehmen.
Das Olivo hält die Werbung für das Abendangebot dagegen aufrecht und reagiert nicht mit einer einfacheren Küche, sondern mit einem sehr beschränkten Auszug aus der Karte: Aus je zwei Vor- und Hauptspeisen, Käse und einem Dessert kann ein Menue von 3 Gängen zu 82€ oder vieren zu 94€ kombiniert werden. Ob die Weinbegleitung auch mittags gilt, konnte ich wegen der nachfolgenden beruflichen Aufgaben nicht testen; es scheint mir wahrscheinlich.
Die Beschränkung auf das Menue-Angebot ist in sich konsequent und ermöglicht, auch mittags das "volle Programm" der Sterneküche zu fahren. Das ist perfekt gelungen. Bei gleichzeitiger Bespielung des à-la-carte-Restaurants hat es die Küche geschafft, mich nach exakt 105 Minuten glücklich und satt, doch nicht übervoll und schon ein bißchen beeindruckt zur Arbeit zu entlassen.
Ich wählte die "große Version" und entschied mich für angebratene Jakobsmuschel, confierte Wachtelbrust, Atlantik-Seeteufel und zum Abschluss Rohmilchkäse von Affineur Waltmannus Erlangen.
Der junge Maître, der nach seiner letzten Station im Sylter Hotel Fährhaus seit einem Jahr in Stuttgart empfängt, erleichterte mir die Antwort auf die Aperitiffrage zumindest mit einigen Vorschlägen aus unterschiedlichen Kategorien. Ich entschied mich für einen weißen Port von Ramos Pinto, der für 9€ angenehm kühl serviert wurde. Über den Wasserpreis genannten Subventionsbeitrag schweige ich, "immerhin" noch nicht zweistellig...
Nach Bestellung des Aperitifs gestaltete die Küche schon das Studium der Speisenkarte mit einigen Petitessen genussvoll. Auf der Höhe des Zeitgeists wurden halbkreisförmig vor mir bereit gestellt:
Büsumer Krabbensalat mit Rauchchip (auf Mini-Holzpaddel)
Gazpacho (aus dem Reagenzglas)
Olivenöl-Gelpraline (auf seinem Holz-Löffel und Blättern)
Thunfischtatar (auf - hoffentlich falscher - Koralle)
Wildschweinschinken mit Variationen von Rot- und Rosenkohl (auf Geweih)
Es wurde, wie auch bei den folgenden Gängen, genau angesagt.
Alles durchdacht und perfekt ausgeführt.
Gefallen haben mir u. a.: Bei den Nordseegarnelen der Rauchgeschmack. Die geeiste Suppe hatte am Ende den pikanten Kick. Für das Öl hätte ich mir zwei oder drei Salzflocken gewünscht, der Geschmack war aber sehr intensiv. Das knusprige Teigröllchen war an einer Spitze in schwarzen und weißen Sesam gestippt, so dass der optische Eindruck der "Zigarette" verstärkt wurden. Solche Spielereien finde ich nett, wenn sie denn mit erstklassiger Qualität des Produkts einher gehen. So wie hier.
Am spannendsten war der Rosenkohl, der mit seiner leichten Bitternote Wildschwein und Rotkohl zu einem Wintergeschmack en miniature veredelte. Allein die Gewichtung ging etwas zu Lasten des Schwarzkittels aus.
Keinerlei Kritik, die den Bereich der persönlichen Vorlieben verlassen hätte. Im Gegenteil der klare Hinweis, dass hier die Küche genau weiß, was sie tut.
Das bestätigte sich in der nächsten Runde
Viererlei selbst gebackenes Weißbrot (Natur, Tomate, Röstzwiebel, Kümmel), Grissini und als erstes wirkliches Highlight Gougere au fromage
ein frisch gebackener Windbeutel mit geschmolzenem, kräftigem Bergkäse, von außen knusprig, von innen fluffig und noch leicht warm
In Windeseile beim Ober das Menü abbestellt und dafür noch drei von diesen luftig-duftigen Verführern geordert. Er musste auch lachen...
Als Begleiter eine aufgeschlagene Crème fraîche, Échiré-Butter und ein festes Olivenöl mit schwarzem Olivensand
Ich kam kaum dazu, in die Tageszeitung zu schauen, die mir von einer charmanten Dame von der Rezeption herauf gebracht worden war, nachdem ich beim Gastgeber "geklagt" hatte, dass ich ja keinen Gesprächspartner habe. (Eigentlich ging es darum, dass ich keine Pause brauchte.) Auch mein Mantel, den ich in der Lobby vergessen hatte, wurde mir nachgetragen. Das Alter... Immerhin lehnte ich am Ende meines Besuches sportlich die selbstverständlich angebotene Hilfestellung bei der Garderobe ab.
Nun konnte es also los gehen - und wie es ging!
Als Amuses wurde faktisch ein Surf'n'Turf in zwei Akten gereicht.
Als Gruß aus dem Meer Variationen von der argentinischen Wildgarnele
Im türkisen Teller schwamm gleichsam der wunderbar zarte Schwanz auf einer Woge von Petersilienwurzelschaum daher. Chips der Knolle blähten sich gleich Segeln auf Gischttropfen und eine Julienne von grünem Spargel diente als Ruder. Welcher Kurs lag an? Immer in Richtung Fixstern, der über dem muschelgeschmückten Strand strahlte
Frittierte Garnelenpraline (in der Fotogalerie auch Vollständig...)
Ein intensivstes Tartar von der Garnele in Tempurateigfäden crunchy ausgebacken
Ein weiterer früher Höhepunkt!
Das zweite Amuse, quasi (Achtung Wortspiel!) der Land-Gang, war sehr fein komponiert, konnte mich aber nicht gleichermaßen begeistern. Angekündigt als Das Goldne vom Ei
verbargen sich unter dem von Kaviar gekrönten Brotchip im passend goldfarben lackierte Ei drei Schichten. Zuoberst knusprige Krümel vom Eigelb, vielleicht gefriergetrocknet. Dann als Verbindung ein Trüffelschaum und schließlich cremige schwarze Linsen zum recht rustikalen Abschluss
Angenehmes Mundgefühl, aber etwas zu wenig akzentuiert.
Aber es ging ja mit der angebratenen Jakobsmuschel weiter, die in zwei Tranchen angerichtet war, angenehme Röstnoten hatte und ansonsten mit typisch süß-nussigem Aroma punktete
Der Gargrad perfekt plus-minus ein paar Sekunden je nach persönlichen Vorlieben. So weit, so gut, so erwartbar. Überraschend und überzeugend die Variationen von Butternut-Kürbis und Schafsjogurt, die von Passepierre-Algen und rotem Ingwer ergänzt wurden
Letzterer hatte ein Aroma von frischem Gras, ungewöhnlich. Das brachte unterschiedliche Geschmacksrichtungen ebenso wunderbar zusammen, wie die verschiedenen Konsistenzen u.a. von Gel über Schwamm bis zu knusprigen Kürbiskernen. Kann man da meckern, dass die Muschel nur in einzigen Ausführung angeboten wurde? Nö. Und zwar schon deshalb nicht, weil gesondert in einem Cannellono ein rohes Tatar
gereicht wurde, das ebenfalls von zwei Kürbiszubereitungen begleitet war. Da heißt es, den Hut gezogen und einmal ganz tief verbeugt! Für den Gaumen und ebenso für's Auge ein Fest!
Beruhigend anzuschauen dann der nächste Teller, dessen Farbtöne sich von Crème zu dunklem Braun harmonisch entwickelten
Aber hier wurde auch die Nase "begeistert", denn der ungemein aromatische Duft des gehobelten Perigord-Trüffels kündigte den Teller formidabel an und hielt mit seiner Frische auch im Mund, was er versprochen hatte. Meilen entfernt von der aufdringlichen Modrigkeit der Trüffel, die bei so manchem Edel-Italiener serviert werden. Die Gemüsefraktion wurde hier vom häufig unterschätzen Blumenkohl gestellt. Mir gefielen besonders die knusprig gebackenen Scheiben. Die noch ganz leicht wahrnehmbare Bitterkeit wurde von der am Tisch angegossenen Trüffelvinaigrette toll eingebunden und für die Schlotzigkeit des Ganzen sorgte das auf Karfiolpüree servierte Eigelb. Tupfer von Brunnenkresse sorgten für etwas Frische. In jeder Hinsicht die Krönung waren jedoch die Tranchen der confierten Wachtelbrust
Ich habe leider viel zu lange viel zu schlechtes Geflügelfleisch gegessen. Umso mehr schätze ich nun die Zartheit und absolute Saftigkeit, wie ich sie bei diesen Stücken genießen durfte. Einfach nur köstlich.
Vor dem Hauptgang folgte eine kleine Pause, die ich für einen Abstecher in die Waschräume nutzte. Diese liegen außerhalb der Restaurants und stehen sicher auch für den Bankett- und Tagungsbereich zur Verfügung. Daher gibt es leichte Abnutzungserscheinungen. Indes sind Sauberkeit und Frische absolut gegeben.
Gerade nach Rückkehr an den Tisch fiel der Unterschied seit dem letzten Relaunch eben auf. Im Restaurant erinnert eben nur noch das (sehr schöne) Stäbchenparkett an etwas verspieltere, holzlastige Zeiten. Ansonsten ein klares, edles Ambiente in weiß und braun. Gerbera bilden den einen farblichen Stopper, der das Auge erfreut. Nicht überladen, auch nicht auf den Tischen, aber eben keine Spur von nordischer Kühle
Die lange Fensterfront lässt viel Licht herein. An den Säulen etwas Literatur zum Nachdenken. Im hinteren Bereich einige Nahaufnahmen von Oliven, naja. Der Lehnstuhl bequem, zumindest bei meinem in zeitlicher Hinsicht Power-Lunch.
Ich fand eine frische Serviette vor und mir wurde ganz klassisch erneut der Stuhl heran geschoben. Eingesetzt wurde mit weißen Handschuhen. Ich denke, man erkennt es schon an den eingestreuten Hinweisen: Dieser Service des durchweg jungen Teams war zum einen fachlich perfekt. Aber dabei eben auch von natürlicher Freundlichkeit und echter Aufmerksamkeit. Ich hatte deutlich das Gefühl: Es geht darum, dass ich mich als Gast rundherum wohl fühle. Und sie wissen auch genau, wie man das anstellt. Bravo!
Und auch kulinarisch wurde das Niveau gehalten.
Der Seeteufel fleischig-fest (wie ich es liebe), mit etwas Piment d'Espelette gepimpt
Die Variationen von Fenchel, einem Gemüse, das ich erst nach und nach zu schätzen lerne, haben mich sehr positiv überrascht. Der krachende Krautsalat, ein knusprig gebackener Schnitt von kaum mehr als mikroskopischer "Dicke" und die mit schönen Röstaromen versehene saftige Scheibe passten auch wunderbar zum ebenfalls am Tisch angegossenen Bouillabaisse-Sud. Die Zubereitungen der Tomate brachten erfreulicherweise eher fruchtig-süße Aromen, als starke säuerliche Nuancen ein. Hier war die getrocknete dünne Schnitte der Kirschtomate mein Favorit. Zwar wurde der Kiemenatmer aus dem Atlantik gezogen, doch die leicht mediterrane Zubereitung hat ihn sehr schön ergänzt, nicht überdeckt.
Abschluss statt Dessert mal wieder Käse von Waldmann aus Erlangen (ich spekulierte allerdings schon auf ein paar petits fours und schäme mich ein wenig). Die Auswahl im Käsewagen war beeindruckend und endlich einmal sehr ansprechend präsentiert
Ich wählte gegen meine sonstige Gewohnheit kräftige bis sehr kräftige Sorten
Zu allem konnte Herr van Berkel inhaltliche Auskunft geben, sowohl zu Geschmack wie auch der Zubereitung. Mir schmeckte diesmal der korsische Brin d'Amour aus Schafsmilch mit seinen kräftigen Kräutern besonders gut. Dazu wurde hauseigenes Früchte-Nuss-Brot in angenehm dünnen Scheiben
sowie erneut Baguette gereicht. Fruchtzubereitungen aller Art wurden von mir nicht vermisst.
Die Zeit drängte zwar nicht zu sehr, aber auf einen Kaffee verzichtete ich. Meine unverschämten Hoffnungen nicht enttäuschend, wurden mir trotzdem noch einige süße Leckereien angeboten
Zumindest den fruchtigen Verführern - Brombeermacaron, gezuckertes Holundergelee, Himbeer-Marshmallow - konnte ich auf Anhieb nicht widerstehen. Zum Verschwinden von Karamell- und Kakaopraliné kann ich keine sachdienlichen Hinweise mehr machen. Aber Brownie und Mandeltarte blieben unberührt. Bestimmt. Glaube ich...
Fazit:
Hier wird traditionell gekocht.
Wieviel Kritik kann in diesem einfachen Satz stecken oder - in diesem Fall - wieviel Bewunderung.
Zweierlei gilt es klar zu stellen.
Es ist nicht das Überkommene der Regionalküche, die derzeit eine ungeahnte Renaissance, mancherorts einen Hype erlebt. Sondern die Tradition der grande cuisine. Exzellente Produkte: Garnele, Jakobsmuschel, Wachtel, Seeteufel. Ein festes Rahmenprogramm: Amuses, Brot (dem Aschenputtel der Gastronomie, in dem eine Prinzessin steckt), Käse, petits fours. Dazu eine beeindruckende Weinkarte. Und ein Service, der den Gast in jeder Hinsicht umsorgt, unauffällig, aber jederzeit zur Stelle und die Bedürfnisse voraus ahnend, bevor der Gast sie äußert.
Dieses über wohl 150 Jahre entwickelte Wissen, welche Produkte von Natur aus gut sind und durch welches Handwerk sie noch besser werden, ist ein überaus solides Fundament.
Eine Basis, dies als zweite Bemerkung, auf der die große Küche ihre weitere Tradition aufbaut, nämlich seit jeher kreativ zu sein. Das Vorgefundene (der regionalen bäuerlichen oder gutbürgerlichen Küche), das sich dort eben nicht ändert, aufzunehmen, zu verfeinern und weiter zu entwickeln. Auf eben jenem festen Stand kann Neues wie roter Ingwer hinzu treten und Spannung erzeugen. Oder es kann zurückhaltend mit verschiedenen Aggregatzuständen gearbeitet werden, ohne dass es disharmonisch oder gar effekthaschend wirkt.
Das gleiche gilt für den Service. Wer es schafft, die Mittagsöffnung für einen einzigen Gast völlig selbstverständlich wirken zu lassen, hat auch das Standing, über no-shows, ihre Wirkung in dieser Preisklasse und mögliche Reaktionen darauf in völlig angemessener Weise zu diskutieren.
Weniger als zwei Stunden, die mir verdeutlichten, warum ich bestimmte Restaurants überhaupt aufsuche und warum Geld für gutes Essen (fremd oder selbst zubereitet) auszugeben, eine der sinnvollsten Investitionen des Tages ist.