Die neue Shaneymac-Bedienungsanleitung 2020, Stable Release 1.02
Liebe Freunde des guten Essens,
vormals seit 2007 sehr engagiert bei restaurant-kritik.de bin ich nach dessen unsäglichen Ausverkauf an Yelp seit nunmehr Anfang 2015 hier aktiv und froh darüber, wie viele ehemalige RK-Freunde hier eine neue Heimat gefunden haben.
Den Großteil meiner RK-Kritiken habe ich übrigens damals nicht auf GastroGuide "migriert" und auch auf Yelp löschen lassen, daher meine noch vergleichsweise geringe Anzahl von Beiträgen hier auf GastroGuide.
Ich selbst besitze seit meiner Kindheit ein seltsam intrinsisches Faible für Kulinarik und neue Geschmäcker. Obwohl es mir familiär mitnichten in die Wiege gelegt wurde, erzählen meine Eltern noch immer gerne, dass ich bereits als 6-Jähriger großes Interesse an jeglichen, damals spärlich vorhandenen, Kochsendungen hatte und bspw. begeistert Monsieur Bocuse zusah.
Selbstredend war auch das Hauswirtschafts-Lehrbuch das mit Abstand meist gelesene pädagogische Werk in meiner Schullaufbahn. Meine erste – nicht wirklich ernst gemeinte - Restaurant-Kritik erschien 1991 in einer Schülerzeitung, mein Opus Magnum dieser Ära war jedoch ein legendärer Gyros-Buden-Großtest, der nach seinem Erscheinen in unserer Abi-Zeitung anno 1995 für viel Zuspruch und gute Laune bei den Lesern sorgte.
Gute Küche lebt in meiner Welt in erster Linie von guten Zutaten und einer liebevollen, kundigen Zubereitung; daher schätze ich die Küchen des Mittelmeer-Raumes über alles.
Das prägt auch die Leitlinie in meinen Bewertungen. Es gibt vergleichsweise einfache Küchen, die bei mir besser wegkommen als hochgejazzte Gourmet-Tempel, die mit Effekthascherei und kulinarisch irrelevanten Kunstgriffen gehobene Kochkunst mimen.
Was nicht etwa heißen soll, dass ich die Sterneküche ablehne, ganz im Gegenteil sogar, nur die Stilistik sollte sich nicht zu weit vom Produkt entfernen - viele Spielarten der Molekularküche halte ich daher für kulinarisch entbehrliche Auswüchse einer gastronomischen Überflussgesellschaft.
Wichtig zu erwähnen: Ich bewerte mit den Sternen nicht absolut sondern immer in Relation zu Anspruch und Preisgefüge des Restaurants, innerhalb eines "Milieus" wenn man so will. Denn einfach aber dennoch exzellent kochende Restaurants könnten ansonsten nie über drei Sterne kommen - und das wäre im Einzelfall nicht angemessen im Sinne der Wahrnehmung der Sternewertung durch die Leser.
Und last but not least aus gegebenem Anlass ein kleiner Satire-Disclaimer:
Ironie, Satire und ein gesunder Sarkasmus waren immer Zutaten und auch Antrieb meiner Rezensionen, was der Löwenanteil der Leser schon seit Beginn an sehr schätzt.
Verletzen möchte ich damit niemanden, es geht mir in der Regel um gesellschaftliche Klischees, Absurditäten des Alltags oder skurrile Begebenheiten bei einem Restaurant-Besuch, die ich damit augenzwinkernd verarbeite.
Ich schreibe das, weil ein von mir sehr geschätzter, jung gebliebener Pensionär mich kürzlich sehr erschrak, als er mir sagte, er habe sich verletzt gefühlt, als ich mich in einer Kritik über die typisch bergischen „Graue Regenmäntel Rentner“ lustig machte und er es als allgemeines „Opa-Bashing“ auffasste, was mir völlig fremd wäre.
Daher meine Bitte: Nehmt meine Texte stets mit Humor!
Ich liebe Slow-Food, alte und neue Kochbücher, gute Blogs, unsere beiden Katzen sowie alles Gute und Schöne im Leben – denn für das Gegenteil ist es zu kurz, nicht nur für schlechtes Essen.
Forza Genuss,
Shaneymac
Sporadisch auch auf:
https://www.instagram.com/mac_shaney/
https://www.twitter.com/mac_shaney
https://www.facebook.com/shaney.mac.3
Quote corner:
“People ask me: "Why do you write about food, and eating, and drinking? Why don't you write about the struggle for power and security, and about love, the way the others do?" . . . The easiest answer is to say that, like most other humans, I am hungry.”
Mary Frances Kennedy Fisher
"And, after all, it is a very poor consolation to be told that the man who has given one a bad dinner, or poor wine, is irreproachable in his private life. Even the cardinal virtues cannot atone for half-cold entrées."
Oscar Wilde, The Picture of Dorian Gray
Die neue Shaneymac-Bedienungsanleitung 2020, Stable Release 1.02
Liebe Freunde des guten Essens,
vormals seit 2007 sehr engagiert bei restaurant-kritik.de bin ich nach dessen unsäglichen Ausverkauf an Yelp seit nunmehr Anfang 2015 hier aktiv und froh darüber, wie viele ehemalige RK-Freunde hier eine neue Heimat gefunden haben.
Den Großteil meiner RK-Kritiken habe ich übrigens...
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Es gab Jahre, in denen ich panisch am 27. ein Einkaufszentrum in der Innenstadt heimsuchte um mich in einem kollektiven Flash-Mob namens „Geschenke-Umtauschen-Gutschein-Einlösen“ wiederzufinden, gegen den ein Samstagvormittag bei Ikea sich anfühlt wie ein kontemplativer Spaziergang an einem idyllischen, abgelegenen Bergsee.
Diese Situation vermochte ich in den letzten Jahren erfolgreich zu vermeiden und konnte mich somit meist entspannt einer weiteren zentralen Frage dieses Tages widmen: Wo gehen wir am Abend essen?
Die Welt der gehobenen oder gar besternten Gastronomie und Madames Verständnis eines genussvollen Restaurant-Erlebnisses liegen aber – um es diplomatisch auszudrücken – nicht unbedingt auf einer Wellenlänge, weshalb ich zu besonderen Anlässen trotz allem stets versuche, mit kurzfristig verkündeten kulinarischen „Überraschungen“ neue Betätigungsfelder für meine Kritikergelüste zu schaffen.
Bedingt durch schöne Erinnerungen in meiner ersten Retro Kritik liebäugelte ich mit der Villa Paulus und dem nicht weit entfernten Heldmann Restaurant und freute mich auf ein nettes Menü in Remscheid.
Das funktionierte in diesem Jahr leider nicht wirklich, noch bevor ich meine sorgsam verfeinerte „Überrumplungstaktik“ anwenden konnte hörte ich den mit Nachdruck vorgetragenen Wunsch, in diesem Jahr bei Pasta Fresca Russo zu dinieren - die Pasta hat bei beiden bisherigen Besuchen nachhaltige Eindrücke hinterlassen.
Zunächst noch etwas resigniert freundete ich mich aber dennoch schnell mit der Idee an, ich wusste dass das Geburtstagskind glücklich sein würde, mir würden etwaige Enttäuschungen erspart bleiben – zugegeben sprachen mich beide obig erwähnten Restaurants mit ihren aktuellen Karten nicht sonderlich an – und ich könnte einen Teil des gesparten Mammons uneigennützig in einen Führerschein-freundlichen Taxi-Transit investieren.
Gesagt, getan, Zeit also für ein kleines Update aus dem Walder Pasta Kleinod: Gestern, an einem bitterkalten Samstagabend stiegen wir kurz vor 18 Uhr aus der kommod beheizten Droschke und ich stellte fest, dass die tagsüber wenig attraktive „Tarnung“ des Restaurants in der Dunkelheit durch die stimmungsvolle Beleuchtung und liebevolle Dekoration der Gasträume einem einladenden, gemütlichen Gesamteindruck weicht.
Wenige Momente nach uns traf eine Gruppe junger Pärchen mit mehreren kleinen Kindern und einem Säugling ein, wir mussten kurz draußen warten weil kein Durchkommen gewesen wäre, die anhaltende Diskussion im Inneren konnte eigentlich nur eines bedeuten: Keine Reservierung!
Ich für meinen Teil hielt es schon verwegen und für ein großes Wunder, so kurzfristig noch einen Tisch für zwei Personen bekommen zu haben. Dass man mit acht Personen am 28.12. in einem äußerst beliebten Mini-Restaurant ohne Reservierung aufkreuzt, zeugte von einer so bewundernswerten Naivität und Gottvertrauen, das die gegenüberliegende Kirche dieses just in diesem Moment mit vollem Geläut würdigte – Timing ist alles.
Die optimistische „Et hätt noch immer jot jejange“-Fraktion entschied wenig später pragmatisch den Abend im „Take Away“ Modus zu verbringen und nahm sich das Essen mit. Prima, angesichts meines persönlichen „Baby-Glücks“ auf Flugreisen hätte sich der anfänglich noch schlummernde Säugling anderenfalls totsicher unmittelbar in einen mit 200dB dauerbrüllenden Terror-Gremlin verwandelt, der naturgemäß direkt neben mir platziert worden wäre.
Signora Russo begrüßte uns in der sie auszeichnenden Herzlichkeit, ich bahnte mir einen Weg über wuselnde Kinder und Baby-Tragen und wir konnten inmitten saisonaler Dekoration Platz nehmen, nachdem wir uns einen Tisch aussuchen durften.
Wir hatten einige Minuten Zeit um in Ruhe anzukommen, die Behaglichkeit des Raumes zu genießen und uns aufzuwärmen, Signora kümmerte sich zunächst noch kurz um die Aufnahme der Außer-Haus Bestellungen und war danach sofort mit den Karten zur Stelle.
Ein Aperol Spritz für mich und ein Hugo für meine ständige Begleitung sollte die Auswahl aus der kleinen Aperitif-Abteilung darstellen.
Beides eine gute Wahl, wohl temperiert, routiniert zubereitet, ansprechend anzuschauen, ein maximal langweiliger aber in gut gemacht verlässlich beglückender Start.
Ungewohnt zügig dann die Entscheidung für die feste Nahrung, Madam grämte sich später die zu Hause anvisierten Ravioli al Ragù di Cinghiale vor Ort aus den Augen verloren zu haben und landete erneut bei Ihren geliebten Spaghetti Bolognese.
Vorab wieder frisches Brot mit den bekannten Dreingaben, so einfach so appetitanregend.
Kurz darauf kamen die appetitlich anzuschauenden Vorspeisen, einmal „Antipasti Misto“ für meine Begleitung und „Tris di Mare“ für mich, dazu ein gut gekühlter, floraler Chardonnay.
TRIS DI MARE / ANTIPASTI MISTO
Der Meeresbewohner zur Linken kam frisch sautiert aus der Pfanne, sauber entdarmt und hinten im „Butterfly“-Stil aufgeschnitten, er war auf den Punkt gegart. Ich trennte Fleisch und Schale, tunkte es ein wenig in Olivenöl, platzierte es auf der kleinen, angerösteten und mit Petersilie bestreuten Scheibe Brot, das man auf dem Foto links erkennt.
Hochgenuss! Punkt. Dazu ein kühler Schluck Chardonnay und ich war mit der Welt im Reinen.
Mittig platziert mild hausgebeizter Wildlachs und Thunfisch in Sashimi Qualität. Sehr aromatische Ware deren guter Eigengeschmack nicht mit einer hysterisch überwürzten Beize zertrümmert wurde, solides Handwerk auf hohem Niveau.
Das wiederum kann man auch zu den hausgemachten Frutti di Mare resümieren, die Frische und die ideale Konsistenz aller Komponenten wusste zu begeistern, auch hier wieder puristische, typisch italienische Zurückhaltung beim Würzen: das Produkt ist der Held - und das ist gut so.
Auch die vegetarische Variante wurde mit großer Zufriedenheit verspeist, mein Gegenüber probierte den Lachs und war ebenfalls sehr angetan.
Nach angenehmer Wartezeit – das Lokal hatte sich zwischenzeitlich bis auf den letzten Platz gefüllt, trotzdem blieb es angenehm ruhig – dann die Secondi.
Zur Kulturgeschichte von Spaghetti Bolognese und dem hervorragenden Ragù bei Russo habe ich mich ja im August bereits in einer fünfseitigen Abhandlung ausgelassen, auch heute war das Geburtstagskind maximal beglückt.
SPAGHETTI AL RAGÙ
Ich war nach der fischigen Vorspeise auf klassischen Carne-Pfaden unterwegs, Saltimbocca, nicht ganz klassisch mit einer fein abgeschmeckten, überhaupt nicht schweren Mozzarella-Sahnesauce und frischem Blattspinat. Auf zusätzlich bei der Bestellung angebotene Gnocchi verzichtete ich in Anbetracht der durchaus üppigen Portionen und tat gut daran.
SALTIMBOCCA
Das zarte Kalbsfleisch war aromatisch und trug ideale Röstaromen, Parma und Salbei steuerten ihren Teil bei und obwohl ich kurz davor war, die Sauce umzubestellen und der klassischen Variante aus dem Bratensatz gezogen und mit Butter montiert den Vorzug zu geben, war auch diese einfach nur köstlich und stimmig.
Der Blattspinat ohne Experimente, frische Ware beherzt gewürzt und mit feiner Knoblauch-Note, auch dieser mit der Sauce eine Wucht, dazu schmeckte ein zweites, großzügig eingeschenktes 0,2l Glas des durchaus brauchbaren Chardonnay.
Danach ging bei mir nicht mehr viel, ich nötigte aber Madame noch ein Dessert zu nehmen, die Wahl zwischen süßen „Spekulatius Ravioli“, Mandelparfait und Panna Cotta sollte auf letzteres fallen.
PANNA COTTA
Mir gefiel das Tellerbild sehr, ich liebe puristische, appetitliche kleine Gerichte in dieser Form, der Hüftgold-Garant wurde mit einer hausgemachten Karamell-Soße serviert.
Ich probierte und war insbesondere von der Soße sehr angetan, mit Panna Cotta hingegen kann ich mich wegen der Textur wenig anfreunden, was aber nur persönlichen Vorlieben geschuldet ist, auch das Dessert wurde von meiner Begleitung in den höchsten Themen gelobt.
Danach bot man einen Digestif auf Kosten des Hauses, was ich aber zunächst akustisch nicht verstand, es als normales Anbieten sah und demnach pragmatisch nach einem „guten“ Grappa nach Wahl des Hauses verlangte, ich erhielt einen wirklich „guten“ mit schöner Barrique-Note, Madame einen schönen Espresso.
Das war mir im Nachhinein unfassbar peinlich und ich gab großzügig Trinkgeld, man stelle sich das vor da bekommt man etwas ausgegeben und der Gast erwidert „OK aber bitte den Guten!“. Ich krümme mich immer noch vor Scham während ich das hier schreibe. :-))
Die Verabschiedung von den lieben Russos an Liebenswürdigkeit nicht zu überbieten, ein Taxi rief man uns noch sehr gern, ciao ciao ragazzi, der Wagen kam gottlob schnell.
Schön war’s, Geburtstagskind vollumfänglich glücklich, primary mission objective accomplished sozusagen.
Und auch der Schreiber dieser Zeilen war sich angeduselt und beglückt gesättigt im Taxi sicher, dass er bei einer Vervielfachung des Rechnungsbetrages wohl kaum eine proportionale Vervielfachung von Genuss und Beglückung erlebt hätte, manchmal ist weniger eben in der Tat mehr…