"Versteckt liegendes Traditionslokal, das konzeptionell auf Regionalität und Nachhaltigkeit setzt"
Geschrieben am 19.06.2016 2016-06-19
"Gemütliche Weinstube mit aufmerksamem Service und erstklassigem Essen"
Geschrieben am 08.09.2015 2015-09-08 | Aktualisiert am 09.09.2015
"Wandern macht hungrig!"
Geschrieben am 31.10.2014 2014-10-31 | Aktualisiert am 09.03.2018
Wenig deutet auf die kulinarischen Genüsse im Inneren des weiß gestrichenen Gebäudes hin. Lediglich das in die Jahre gekommene Wirtshausschild prangt über dem aus Sandstein gemauerten Torbogen, an dessen Eingangstür eine umfunktionierte Planke eines Fassbodens (inkl. Spundloch) als Willkommensschild dient.
Man betritt das Restaurant durch den idyllisch angelegten Innenhof über eine kleine Treppe und steht sogleich im Inneren eines sehr gemütlichen, von freiliegenden Balken untergliederten Gastraumes. In dieser rustikal anmutenden Umgebung sorgen seit nunmehr sechseinhalb Jahren drei junge Gastronomen kulinarisch für Furore. Denn im Januar 2010 begann für die altehrwürdige Weinstube, deren Wurzeln bis in die Mitte der 70er Jahre zurückreichen, ein neuer Zeitabschnitt. Auf der Grundlage eines zeitgemäßen Konzeptes, das von Beginn an auf Nachhaltigkeit und den Einsatz regionaler Produkte setzte, gelang es dem jungen Gastro-Trio, ihre modern-kreative Herangehensweise gekonnt auf die traditionelle Umgebung zu übertragen.
Aus dem kernsanierten Bauernhaus mit heimeliger Fachwerk-Atmosphäre, einer gemütlichen Hofterrasse und lediglich sechs Tischen ist heute ein ambitioniertes Weinrestaurant, das besonders bei Freunden des „Langsam-Essens“, Pfalzweinenthusiasten und Weinstraßentouristen sehr beliebt zu sein scheint. Auch viele Riesling-Fans aus der Kurpfalz (RP, MA, HD) finden den Autoschildern zufolge den Weg ins nicht allzu weit entfernte Wachenheim in die nach einer renommierten Weinlage („Gerümpel“) benannte Weinstube. Ob der daueressende Monnemer aus der GG-Community hier schon aufschlug, entzieht sich jedoch meiner Kenntnis.
Gerade hatten wir unseren Platz im beschaulichen Weingarten in direkter Teichnähe eingenommen, machten wir die Bekanntschaft mit der gut gelaunten männlichen Servicehälfte. Damit unsere Nahrungsaufnahme an diesem warmen Mai-Abend nicht zur staubtrockenen Angelegenheit werden würde, beriet uns Sommelier Kay Winkler äußerst charmant bei der Auswahl der Getränke. Und so bestellten wir unsere Aperos (Sherry, Rieslingsekt und Pernod).
Zusammen mit Verena Springer sorgte Herr Winkler mit deutlich wahrnehmbarer Kompetenz und Herzlichkeit für einen sehr entspannten Abend. So fühlten wir uns in der Gerümpelstube gleichermaßen gut aufgehoben und fachkundig beraten. Dass man hier leicht zum „Gerümpelstubenhocker“ mutiert, liegt jedoch auch an den liebevoll gestalteten Gasträumen.
Dekorative Fachwerkbalken, rustikale Tische, die aus alten Essigfässern gezimmert wurden und kleine Accessoires – wahrscheinlich aus der familiären Erbmasse – statten das Innere des Weinlokals mit ganz viel Atmosphäre aus. Vielleicht war es ja gerade der spannende Gegensatz von zeitgemäßer Küche und nostalgischem Interieur, der uns an diesem Weinlokal so gefiel.
„Kombiniert man Leidenschaft mit den richtigen Zutaten, so kann das nur zu einer guten Mahlzeit führen!“ lautet das durchaus nachvollziehbare Credo von Küchenchef Markus Springer, das er uns im Gespräch nach Küchenschluss bereitwillig mitteilte. Dabei erfuhren wir auch einige wichtige Aspekte zur Entstehung der „Gerümpelstube 2.0“.
Während ihrer gemeinsamen Arbeit im Wormser Parkhotel Prinz Carl lernte sich das Betreibertrio kennen. Man merkte schnell, dass man gastronomisch auf einer Wellenlänge war und so entstand der Wunsch nach einer gemeinsamen Selbständigkeit. Ein zufälliger Besuch der „Ur-Gerümpelstube“ bot ihnen im Jahr 2009 die Gelegenheit, auf die sie schon lange gewartet hatten. Die Vorbesitzer (das Ehepaar Biermann), die schon über 30 Jahre lang die Weinstube betrieben, sehnten ihren hochverdienten Ruhestand herbei. Die Chance, ein etabliertes Traditionslokal zu übernehmen, ließen sich die drei nicht entgehen und erwarben das komplette Anwesen (inkl. Nachbarhaus zum Wohnen). Nach umfangreicher Sanierung erlebte das Lokal unter seinen neuen Eigentümern eine Art Renaissance, die vom Herd aus ihren Anfang nahm.
So wird heute bei den dargebotenen Speisen kompromisslos auf Hochwertiges gesetzt. Das Schweinefleisch für die Schnitzel stammt beispielsweise von der bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall, deren Qualitätsmaßstäbe noch über den heute üblichen Biostandard hinausgehen, da die Tiere nur selbst angebautes, genfreies Futter erhalten. Das Rindfleisch stammt vom Freesisch Rind, das auf den Weiden Norddeutschlands aufwächst und seinen unverwechselbaren Charakter durch die einzigartige Marmorierung erhält. Und das schmeckte man auch!
Ob Geflügel vom Züchter Ochsenschläger aus Biblis-Wattenheim, Käse von der Demeter-Dorfkäserei aus Geifertshofen oder Apfelspezialitäten vom Apfelgut Zimmermann aus der Wachenheimer Nachbarschaft, hier landen fast ausschließlich Kostbarkeiten aus nachhaltiger Produktion auf den stilvoll eingedeckten Tischen. Und das ganz ohne marktschreierische „Brutal-lokal-Attitüde“.
Das ist selbstverständlich beim Wein nicht anders. Bis auf ein paar Ausnahmen befinden sich nur Weine von Winzern, die in maximal zehn Kilometern Entfernung von der Gerümpelstube beheimatet sind, auf der von Kay Winkler mit Bedacht zusammengestellten Karte. Schön, dass neben einigen bekannten VDP-Größen, wie etwa Bassermann-Jordan oder Karl Schäfer, auch der Winzernachwuchs aus der Mittelhaardt nicht zu kurz kommt. Mit Jürgen Krebs (Freinsheim), Mario Zelt (Laumersheim) und Uli Karst (Bad Dürkheim) sind gleich drei innovative Jungwinzer auf der Karte vertreten. Die fair kalkulierten Viertelpreise (von 3,20 Euro bis 6,70 Euro) und die ebenso gastfreundlich angebotenen Flaschenweine (z.B. der Weißburgunder vom VDP Weingut Bürklin-Wolf für 19,50 Euro) zeigen, dass guter Wein auch im Restaurant erschwinglich sein kann.
So vielfältig die Auswahl bei den guten Tropfen, so übersichtlich gestaltet sich hingegen das Speisenangebot. Jeweils ein halbes Dutzend Vor- und Hauptspeisen listet die reduziert wirkende Karte. Wir werteten das als eindeutiges Indiz für Produktfrische. Dazu deftiges Pfälzer Soulfood in Form von eingelegtem Handkäse aus der Molkerei Bender-Geib (8,50 Euro) oder Sülze vom Landschweinbäckchen mit Tatarensoße, Bratkartoffeln und Salat (14,50 Euro). Passend zum südlichen Lebensgefühl der lauschigen Hofterrasse fließen in der warmen Jahreszeit auch mediterrane Akzente ein. Mit dem in Limette und Koriander marinierten Oktopus-Salat (10,50 Euro) oder dem im Knusperblatt gebackenen französischen Schafskäse (6 Euro) befinden sich einige leichte Sommergerichte als Vorspeisen auf der Karte.
Vorweg entschied ich mich für die wunderbar aromatische toskanische Tomatensuppe mit Ricotta (7,50 Euro), in der auch eine dünne Scheibe Weißbrot schwamm. Da passte wirklich alles. Perfekt abgeschmeckt, nach frischen Tomaten, Basilikum und Olivenöl duftend, betörte sie meine Sinne. Mental, saß ich wieder in Montegrosso (Apulien) im Antichi Sapori und hörte Maestro Zito aus der Küche italienische Anweisungen an sein Personal geben…herrlich. Ich habe sehr selten solch eine gute Zuppa Pomodoro gegessen – und schon gar nicht bei einem Italiener in Deutschland (Sorry, Rocco, aber das hier war eine andere Liga!).
Meine Kollegin wählte die Spargelcremesuppe mit Schinkenkrapfen (7 Euro) von der Empfehlungstafel, die neben uns an der Wand hing. Auch sie war begeistert. Der dritte im Bunde orderte den eingelegten Handkäse, dessen musikalische Begleitung natürlich nicht fehlen durfte. Nach diesem Vorspeisenreigen gingen wir offensiv mit unserem Fleischhunger um und orderten drei unterschiedliche Hauptgänge nach Carnivoren-Art. Unser Handkäs-Musikus am Tisch schnappte mir doch tatsächlich das wirklich phänomenal aussehende Rinderrückensteak vom freesisch Ochs (21,50 Euro) weg. Es kam mit knusprigen Bratkartoffeln und einer hausgemachten Pariser Pfeffersauce perfekt medium gebraten auf den Teller und sorgte bei ihm für pures Fleischvergnügen.
Klar, hätte ich dasselbe auch bestellen können, aber meine Neugier auf ein anderes, wesentlich seltener anzutreffendes Gericht erlaubte es mir nicht. Kaninchenkarrée aus dem Ofen mit Ratatouille-Gemüse und Mole-Kartoffeln (19,50 Euro) klang einfach unwiderstehlich. Und schmeckte auch mindestens genauso gut wie es sich anhörte. Kaninchenfleisch hat ja fast kein Fett, weshalb der perfekte Garpunkt obligat ist. Dazu war das Karrée im Inneren fein gewürzt, was dem weißen Karnickel-Fleisch zusätzliches Aroma verlieh. Die Kartoffeln (Drillinge) waren nach mexikanischer Art mit dieser schwarzen, süßlich-scharf schmeckenden Soße (Mole) bedeckt – ein aromatisch-würziger Genuss. Und zum Ausgleich diente das fruchtige Ratatouille. Geht eigentlich nicht besser, da nahezu alle Geschmackskomponenten in harmonischem Zusammenspiel auf dem Teller vertreten waren. Da störte mich auch nicht, dass das Kaninchen ordentlich Rückgrat bewies und mir das Lösen des Fleisches vom Selbigen nicht leicht machte.
Leichter zu essen war sicherlich der marinierte Stangenspargel an Kartoffeldressing mit Rucolapesto und gebratener Perlhuhnbrust (18,50 Euro) meiner Kollegin. Auch dieser Teller sah sehr delikat angerichtet aus. Besonders das Perlhuhn schien sehr saftig geraten zu sein, was den Verdacht nahelegte, dass wir in Chefkoch Markus Springer unseren Brat- bzw. Grillmeister gefunden hatten. Drei so unterschiedliche Fleischsorten zeitgleich so auf den Punkt zu servieren, dass sie allesamt als perfekt gebraten durchgehen, das hat schon richtig Klasse.
Zum Kaninchen genoss ich übrigens die Cuvée „Les Tentes“ von Mario Zelt aus Laumersheim (5,90 für das Viertel). Diese stimmte mich auch sehr gut auf das Dessert, die gebrannte Karamellschnitte mit Rhabarberkompott und Erdbeersorbet (7,50 Euro), ein. Da es uns draußen langsam fröstelte, zogen wir es vor, dieses in der urigen Gaststube einzunehmen. So kamen wir gegen Ende unseres Besuches auch in den Genuss der „wahren Gerümpelstube“ aus früheren Zeiten. Wir waren so ziemlich die letzten Gäste und bekamen noch ein Schnäpschen aufs Haus gereicht. Zudem hatten wir die Gelegenheit, mit Verena Springer ein wenig über die Philosophie und die Geschichte des Lokals zu plaudern, was wirklich sehr unterhaltsam war.
Zusammenfassend mussten wir drei Feinschmecker aus der Südpfalz feststellen, dass die Wachenheimer Gerümpelstube einen äußerst aufgeräumten, in sich stimmigen Gesamteindruck machte. Dass wir uns hier so wohlfühlten, mag an der außergewöhnlichen Mischung aus malerischer Umgebung, sympathischem Service und einfallsreicher Küche gelegen haben. Mit ihrem zeitgemäßen Konzept zeigen hier drei junge Gastronomen, dass sich Genuss und Nachhaltigkeit nicht ausschließen müssen. Das hat Potenzial und tut der Pfälzer Weinstubenlandschaft unheimlich gut.