"Griechische Tragödie"
Geschrieben am 24.02.2022 2022-02-24 | Aktualisiert am 24.02.2022
"Und zweimal krähete der Gockel"
Geschrieben am 23.12.2021 2021-12-23 | Aktualisiert am 23.12.2021
"Plan B, Note A"
Geschrieben am 24.11.2021 2021-11-24 | Aktualisiert am 24.11.2021
"Ein Vergnügen, wenn auch kein schnelles und kein billiges"
Geschrieben am 15.11.2021 2021-11-15 | Aktualisiert am 15.11.2021
"Schöne Aussicht, schöne Aussichten"
Geschrieben am 04.11.2021 2021-11-04 | Aktualisiert am 05.11.2021
"Hopp Härealb!"
Geschrieben am 26.10.2021 2021-10-26 | Aktualisiert am 26.10.2021
Und über Menschenrechtsverletzungen darf man nicht schweigen.
Überhaupt, so richtig neu ist das Aroma ja gar nicht. Schon als wir vor 12 Jahren nach Bad Herrenalb zogen, befand sich in diesem Haus ein griechisches Restaurant, das auf den verheißungsvollen Namen Dionysos hörte. Nach zwei oder drei Besuchen hatten wir damals beschlossen, dort nicht mehr einzukehren, aus Gründen, die auszuführen heute nicht mehr lohnt. Umso größer war also unsere Freude, als wir kürzlich feststellten, dass hier die Betreiber gewechselt hatten.
Und die neuen Pächter sind schon länger in Bad Herrenalb aktiv, indem sie einige Jahre ein Restaurant namens Aroma betrieben hatten, etwas abgelegen am Ortsrand in einem ehemaligen Hotel und heutigen Monteursilo. Das hatte uns aber nie so angezogen, und dann kam sowieso Corona.
Mit dem Wechsel war also für uns der Moment für einen neuen Versuch gekommen. Dies aber nur als Take-out, denn bevor wir uns wieder mit rundum gutem Gefühl in ein Restaurant setzen, muss es mit der Inzidenz noch ein gutes Stück bergab gehen. So rief ich vor knapp zwei Wochen gegen 11 Uhr frohgemut an, um uns für 12 ein Mittagessen zu organisieren. Und da wir am nächsten Tag keine Zeit zum Kochen hatten, bestellte ich gleich noch ein paar Gerichte mehr. Bei der Personenzahl habe ich deshalb 4 eingesetzt, damit die Relation zum Preis stimmt. In die Beurteilung ist natürlich nur der Eindruck vom ersten Tag eingeflossen.
Für uns kam nur der Sonntag in Frage, da unter der Woche das Restaurant mittags geschlossen ist. Auf der Website des Aromas findet man zwar eine Wochenmittagskarte, die scheint sich aber auf dem Sommer zu beziehen; wie die jetzt schon dahin kommt, ließ sich das am Telefon nicht richtig klären. Ansonsten ist der Internetauftritt aber aktuell und ansprechend gestaltet.
Als ich pünktlich um 12 das Restaurant betrat, warteten auf der Theke schon zwei große Tüten mit Styoporschachteln auf mich. Das fand ich nicht ideal, denn wenn bei Take-out jemand warten sollte, dann der Kunde auf das Essen und nicht das Essen auf den Kunden - kein Gericht profitiert davon, in Styropor eingesperrt irgendwo rumzustehen.
Aus diesem Grund hatte ich am Telefon auch darum gebeten, die Pikilia (eine Auswahl warmer und kalter Vorspeisen, 10,80) getrennt zu verpacken, ein Wunsch, dem gerne entsprochen wurde. Das änderte aber nichts daran, dass uns mit den ersten Bissen erste Zweifel an der Idee beschlichen, uns gleich für zwei Tage einzudecken. Während die Teigtaschen, wie eigentlich alles, was hier aus der Fritteuse kam, recht gut schmeckten, waren die drei Cremes eine im wahrsten Sinn des Wortes milde Enttäuschung: Die Chtipiti beileibe nicht so pikant, wie auf der Website angekündigt, von frischen Chilis keine Spur, die feine Zitronennote im Taramas unterhalb der Wahrnehmbarkeitsgrenze, und das Tsatsiki nahezu knoblauchfrei.
Eine insgesamt sehr mutlose Angelegenheit, allerdings eine wahre Delikatesse verglichen mit dem Oktopus: Je nach Kochkunst wird dieser beim Kochen ja entweder schön mürbe oder unangenehm zäh, aber ein solch wabbeliges und geschmackloses Zeug wie hier war uns im Leben noch nicht untergekommen; beim Draufbeißen trat tatsächlich Wasser aus. Nachgerade unheimlich und ein Fall für die Biotonne. Leider nicht der einzige.
Etwas besser schnitten die frittierten Sardellenfilets mit Taramas, Rosmarinkartoffeln und Salat ab (13,80). Die Panade war gut, und die Sardellen hatten keinen fischigen Beigeschmack. Der Salat bestand aus grob geschnittener Rohkost mit ein paar Tropfen Öl und Zitronensaft, Dressing konnte man das nicht nennen.
Leider, leider waren die Sardellen schon lau, denn hier hatte man den heißen Fisch und den kalten Salat dann doch zusammengepackt, hier und bei allen anderen Hauptgerichten auch. Mit der Konsequenz, dass sich die Temperaturen einander angenähert hatten, verfluchte Thermodynamik... Und das in einer Zeit, wo Take-out eine so große Rolle spielt.
Den Sardellen war es allerdings noch gut ergangen im Vergleich zu den gegrillten Doradenfilets (17,80). Keine Ahnung, wie und wann sie gegrillt worden waren, jedenfalls waren sie so zäh und geschmacklos, als wären sie schon ein paarmal aufgewärmt worden. Wir können uns beide nicht erinnern, jemals einen derart misshandelten Fisch vorgesetzt bekommen zu haben. Meine Frau hat sich größte Mühe gegeben, was auch damit zusammenhängt, dass wir beide so erzogen wurden, dass man Essen nicht wegschmeißt, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, aber nach einem Filet ging nichts mehr. Dass die Kartoffeln von der Karte aus irgendeinem Grund durch Ofengemüse ersetzt waren, war an sich kein Problem, allerdings war es im Gargrad ziemlich uneinheitlich, teils sehr knackig, teils sehr weich.
In der gleichen untersten Liga spielte auch das Gyros mit Kalamares, Salat und Pommes (15,80). Das Fleisch war hart und zäh, aber nicht knusprig, als wären Reste vom Vortag wieder aufgewärmt worden. Dass sie auf den Pommes lagen, war denen natürlich auch nicht gut bekommen, sie waren komplett weich, wozu sicher auch die Wartezeit auf der Theke das Ihrige beigetragen hatte. Zum Tsatsiki und der kalt-warmen Combo in der Schachtel ist schon alles gesagt. Nach der Hälfte musste ich passen, und Oktopus und Dorade in der Tonne bekam weitere Gesellschaft. Einziger Lichtblick des Desasters waren die frittierten Kalamares, die obenauf lagen.
Sieger dieses zweitägigen Marathons, knapp vor den Sardellen, war schließlich die Lammkeule mit den dicken Bohnen (15,80). Natürlich geht das noch zarter, und mit Knoblauch gespickt war sie auch nicht, aber dicke Bohnen kann man kaum ruinieren, und ich hatte hier nicht das Gefühl, als wollte uns jemand veräppeln. Da ich mir die Keule fast vollständig für den Montag aufgehoben hatte, war sie ein vergleichsweise erfreulicher Abschluss. Leider war ich der einzige Nutznießer, weil meine Frau kein Lamm isst.
Es ist sicher nicht zu 100% fair, ein Restaurant nur auf Basis eines einmaligen Take-outs zu beurteilen. Das eine oder andere hätte bestimmt besser geschmeckt, wenn wir es vor Ort verzehrt hätten, vor allem, weil die Küche offenbar viel zu früh fertig geworden war. Aber was man zum Beispiel dem Gyros, der Dorade oder dem Oktopus angetan hatte, war einfach unverzeihlich, die wären auch im Restaurant eine Katastrophe gewesen. Mit solchen Küchenleistungen wird man es schwer haben, selbst mit den vielen Einmal-und-nie-wieder-Gästen, die ein Touristenort wie Bad Herrenalb einem vor der Haustür abliefert.
Ich will aber auch nicht verschweigen, dass eine Nachbarin uns später von einem Lammkarree erzählte, dass sie dort mit großem Genuss verspeist hatte. Es ist also nicht ganz ausgeschlossen, dass wir noch mal einen Anlauf unternehmen – ich liebe nämlich Lammkarree. Das bedeutet allerdings, dass die mir angetraute Lammverächterin überzeugt oder zumindest überredet werden muss. Und dieser Weg wird kein leichter sein.