"Gutbürgerlicher Ritt auf dem Schaukelpferd"
Geschrieben am 24.06.2020 2020-06-24 | Aktualisiert am 17.02.2021
"Kulinarische Heimspiele im sympathischen Familienbetrieb"
Geschrieben am 26.10.2018 2018-10-26
"Tolles Weinangebot und ambitionierte Gerichte weit über dem Durchschnittsweinstubenniveau in einem urgemütlichen Winzerhof"
Geschrieben am 24.04.2016 2016-04-24
"Herzlich geführter Familienbetrieb mit Hang zu italienischer Frischeküche in romantischer Umgebung"
Geschrieben am 19.08.2015 2015-08-19
"Schöner Hof"
Geschrieben am 13.04.2015 2015-04-13
"Sehr nette Bedienung, gute Einricht..."
Geschrieben am 27.11.2013 2013-11-27
"herausragender Service, hervorragen..."
Geschrieben am 07.07.2013 2013-07-07
Der Vierte im Bunde musste coronabedingt das Risiko meiden. Aber wir sind guter Dinge, dass wir auch ihn bald wieder in unserem kollegialen Gaumenzirkel begrüßen dürfen.
Den Schoggelgaul (=pfälzisch für Schaukelpferd) in Pleisweiler gibt es schon seit 30 Jahren. Es ist ein alteingesessenes Familienlokal, an dem ich bestimmt schon gefühlte 1000mal vorbeigefahren bin. Doch erst eine Radtour während des Lockdowns, die einen Blick auf das gutbürgerliche Speiseangebot im Schaukasten erlaubte, ließ das Vorhaben dort einzukehren an Kontur gewinnen.
Ein Tisch für drei Personen wurde telefonisch klar gemacht. Pünktlich um 19 Uhr trafen wir an einem Donnerstagabend in dem ehemaligen, aus Sandstein und Fachwerk errichteten Küferhaus ein.
Außenansicht 1
Außenansicht 2
Man hatte unter Berücksichtigung der Hygienevorgaben den Gastraum etwas „ausgedünnt“. Die Zahl der Gäste blieb so auf überschaubarem Niveau.
Die nicht selten sehr lebhafte (und auch lautstarke) Pfälzer Geselligkeit, die auch vom spontanen „Dazusetzen“ fremder Tischparteien lebt, war einer etwas gedämpfteren Stimmung im Gastraum gewichen. Typisch für die noch recht unsichere Zeit so kurz nach der Wiedereröffnung.
In der abwechselnd von weißgetünchten Wänden und freiliegendem Mauerwerk aus Sandstein eingefassten Stube fühlten wir uns gleich gut aufgehoben.
Gastraumansicht 1
Ländlichen Charme versprühten die derben Holzbalken an der Decke.
Gastraumansicht 3
Zusammen mit dem zünftig gefliesten Boden, der wohltuenden Beleuchtung und dem rustikalen Holzmobiliar ergab das ein durchaus stimmiges Gesamtbild, das von bodenständiger Gastfreundschaft zeugte.
Gastraumansicht 4
Ein bisschen weniger „Deko-Nippes“ auf den Fensterbänken, dem Kamin und rund um den Thekenbereich hätte dem heimeligen Interieur bestimmt nicht geschadet.
Gastraumansicht 2
Aber warum über Geschmäcker streiten, wenn man doch froh sein kann, endlich mal wieder in gemütlicher Runde zusammensitzen zu dürfen.
Unser Platz
Und die bemerkenswerte Sammlung antiker Wanduhren war allemal ein Hingucker.
Die Nähe zum benachbarten Elsass machte sich auch auf dem Speisezettel bemerkbar. Französische Zwiebelsuppe, Weinbergschnecken, ein mit Münsterkäse gefülltes Cordon Bleu oder das mit Schmand, Zwiebeln und Speck versehene „Flammkuchenschnitzel“ würden sicher auch jenseits der Grenze die Liebhaber deftiger Regionalkost erfreuen.
Dass man im Schoggelgaul schon vor vielen Jahren den kulinarischen Brückenschlag zum Nachbarn vollzog, wundert nicht, stammte doch der im April dieses Jahres verstorbene Inhaber und Patron Jules Vincent aus dem benachbarten Wissembourg. Zusammen mit seiner Frau Gisela führte er seit 1990 den Schoggelgaul und machte ihn zu einer beliebten Adresse rechtschaffener Sättigung.
Doris Laveuve, die nun die Verantwortung für das Traditionslokal übernommen hat, begrüßte uns an diesem Abend sehr herzlich. Auf Rückfragen und Sonderwünsche ging sie gerne ein. Eine rundum sympathische Wirtin, die gut mit ihren Gästen konnte und mit der man leicht ins Gespräch kam.
Speisen- und Getränkekarten waren nach den derzeit geltenden Desinfektionsvorgaben vorbildlich laminiert. Neben einem frisch gezapften Hacker-Pschorr (Pils, Export, Hefeweizen) vom Fass und einer Reihe gängiger „Anstubser“ zum Aperitif (Campari, Martini, Sherry, Kir und Co.) waren es vor allem die offen ausgeschenkten Weine, die hier zu günstigen Viertelpreisen – zwischen 3,50 Euro und 4,30 Euro – ausgeschenkt wurden.
Mit den Weingütern Wilker, Leonhardt und Ullrich hat man schließlich eine respektable Winzerschaft gleich um die Ecke wohnen. Klar, dass man deren Tropfen auf der Weinkarte wiederfand. Auch wenn sie eher das Standardrepertoire in Sachen Rebsorten repräsentierten.
Da ich solch rote Recken wie Dornfelder, Spätburgunder und Portugieser nicht unbedingt zu meinen Lieblingsweinen zähle und sich auch meine Weißweinlaune in Grenzen hielt, griff ich bereitwillig zum Fassbier. Ein frisches Pils von Hacker-Pschorr (0,5l für 4 Euro) sollte mich nach einem Ricard (5cl für 4 Euro) zum Auftakt wohlgehopft durch den Abend führen.
Erst mal nen Apero...
Meine Kollegen hielten sich dagegen lieber an Wasser (Tönissteiner Classic) und Weißwein. Der doppelseitig bedruckte Speisezettel war schnell studiert. Er offenbarte sieben Vorspeisen, drei Nudelgerichte, ein Sextett vom Schwein – es schnitzelte gewaltig – sowie jeweils dreimal Fleischiges vom Rind (Rump- bzw. Hüftsteak) und Kalb (Wiener / Cordon Bleu).
Vegetarier durften kulinarisch in der zweiten Reihe parken und mussten sich mit Champignon-Bandnudeln, Käsesalat sowie der bereits erwähnten „Zwiwwelsupp“ zufriedengeben. Selbst beim Salatprogramm tummelten sich Fleisch (gegrillte Putenstreifen) und Wurst (gekochter Schinken) zwischen den grünen Blättern. „Ohne“ war jedoch bestimmt verhandel- bzw. machbar.
Außer der Reihe wurde uns eine weitere Deftspeise, die das Rinderhüftsteak „Café de Paris“ und die Schweinemedaillons in Senfsahnesauce auf einem Teller vereinigte, empfohlen. Einer der Kollegen griff da beherzt zu. Inklusive Beilagensalat und Fritten wurden ihm hierfür 21,50 Euro in Rechnung gestellt.
Außerdem wurden noch ein kleiner Italienischer Salat (7,50 Euro), die Schweinelende „Café de Paris“ mit Kroketten (17,50 Euro) und das Cordon Bleu vom Kalb mit klassischer „Po-Sa-Garnitur“ (21,50 Euro) als Essensaufträge in Richtung Küche geschickt. Für Letzteres hatte ich mich entschieden. Mit etwas Champignonrahmsauce veredelt, wollte ich mir daraus – wahrscheinlich in „elsassinatorischer“ Verbundenheit zur noch nicht wieder besuchbaren Nachbarregion – ein saftiges Cordon Bleu à la crème basteln.
Der kleine Italo-Salat war mit einem Allerweltsdressing auf Joghurtbasis angemacht.
Der Italienische Salat vom Kollegen
Da hielt sich die Freude bei seinem Besteller natürlich in Grenzen. Denn auch optisch machte der Salatteller nicht viel her. Dass er dennoch komplett vertilgt wurde, lag in erster Linie am Bärenhunger meines Gegenübers. Gut, die verwendeten Zutaten machten ebenfalls einen frischen Eindruck. Meins wäre das trotzdem nicht gewesen.
Ich war gespannt, ob sich der Dressing-Overkill auch bei den Beilagensalaten fortsetzen sollte. Das tat er Essig und Öl sei Dank nicht.
Beilagensalat
„Geht doch!“ hörte ich meinen Pommes-Partner erleichtert raunen. Apropos frittierte Kartoffelstäbchen. Diese wurden auf einem Metall-Oval für uns beide serviert. Ein ansehnlicher Frittenhügel, der appetitlich aussah und nach frischem Fett duftete.
Pommes für Zwei (...Haushalte ;-) )
Zu diesem Zeitpunkt sahen wir uns bereits vor den Karnivoren-Kadi gezerrt und spachtelten um unser Leben.
Die Portionen fielen - wie zu erwarten – üppig bemessen aus. Auch lebte der Küchenchef seinen unverkennbaren Hang zu sahnigen Saucen gnadenlos aus. Unter der Café-de-Paris-Variante drohten die saftigen Schweinemedaillons meines Kollegen zu ertrinken.
Lende Café de Paris
Auch beim Doppel-Fleisch-Agenten daneben sah es nicht besser aus. Zwar hochzufrieden mit den Gargraden seines Rinderhüftsteaks und seiner Lendenfetzen, meldete auch der Saucenpegel seines Tellers „fleischunter“.
Schweinemedaillons und Rinderhüftsteak unter zwei Soßen versteckt
Die Senfsahnesoße schien der dem Namen nach aus Pariser Kaffeehäusern stammenden Tunke geschmacklich den Schneid abzukaufen. Die Lende, sicherlich kein „Prime Swine“, war jedoch von ordentlicher Qualität und zudem auf den Punkt gebraten.
Mein Cordon Bleu kam höchstwahrscheinlich direkt aus der Fritteuse (oder Pfanne), da seine Panade noch recht fettig vor sich hin glänzte.
Das Cordon Bleu
Gut, man hätte dieses nach dem Brutzeln mit etwas Küchenpapier noch aufsaugen können, aber das ist Jammern auf fettarmem Niveau. Das Kalbfleisch war indes herrlich zart geraten und auch mit der Schinken-Käse-Füllung konnte ich gut leben. Natürlich stellte dieses Rustikalgericht gewisse Anforderungen an den zivilisationsmüden Magen-Darm-Trakt. Da war die verdauungsfördernde Wirkung meiner Hopfenkaltschale gefragt.
Positiv empfand ich die Tatsache, dass man mir die Extrasoße separat in einem Schälchen reichte.
Champignonrahmsoße
Manche schwören ja auf diese knapp an der vertretbaren Salzobergrenze befindlichen, mit ordentlich Speisestärke eingedickten Würztunken und können selbst der maggi-esken Form des Abschmeckens noch positiven Gaumenbitzel abgewinnen. Vor allem Freunde der gekörnten Brühe erweisen sich gerne als aufrechte Pulver-Patrioten. Ich zähle da nicht dazu und allein schon deshalb war es mir sehr recht, dass der latent überwürzte Beiguss à part serviert wurde. Als Dip für die Pommes erfüllte er nämlich seinen Zweck, da man sich erstaunlicherweise mit dem Salzen der Fritten vornehm zurückgehalten hatte.
Dass die von mir georderte Zusatzsoße gar nicht auf der Rechnung erschien, merkte ich erst beim Schreiben dieser Zeilen. Wahrscheinlich wurde sie einfach vergessen.
Nach unserem herzhaften Hausmannsschmaus, dessen Portionsgrößen einen süßen Abschluss obsolet machten, sollten 2cl von der 40%-igen Mirabelle (3,50 Euro) den aufrechten Gang nach vollzogener Sättigung garantieren.
Mirabelle liquide
Die fast schon obligatorische Tasse Kaffee (2,50 Euro) meines Kollegen durfte da natürlich nicht fehlen.
Schade, dass ich den Schoggelgaul nie zu Zeiten des früheren Küchenchefs Jules Vincent besucht habe. Von daher kann ich auch keinen Qualitätsvergleich ziehen. Aber wer auf handfeste Speisung aus ist und kein Problem mit voluminösen Saucen hat, der wird sich hier wohlfühlen. Zumal der sehr herzlich agierende Service und das heimelige Ambiente des Gasthauses, das mit seinem lauschigen Biergarten besonders im Sommer zum Verweilen einlädt, kleinere Unwägbarkeiten bei der Küche kompensieren.