"EIn wahres Mekka für entscheidungsfreudige Asien-Fans"
Geschrieben am 05.05.2017 2017-05-05 | Aktualisiert am 07.05.2017
"Neuer Asiate in Haan"
Geschrieben am 10.04.2017 2017-04-10
"Tapas in einem vietnamesischen Restaurant?"
Geschrieben am 05.11.2016 2016-11-05 | Aktualisiert am 05.11.2016
"Altbacken, gemütlich - gute Küche"
Geschrieben am 29.04.2016 2016-04-29 | Aktualisiert am 29.04.2016
"Abermals zwei gelungene Menüs im Fritz - ein Lagebericht aus Haan"
Geschrieben am 28.03.2016 2016-03-28 | Aktualisiert am 29.03.2016
"Ein kleines Juwel, nach dem ganz Haan krähen sollte…"
Geschrieben am 10.01.2016 2016-01-10 | Aktualisiert am 10.01.2016
Lange ist sie her, die letzte Bewertung. Und ich will auch gar nicht lange rumjammern, nur so viel sei gesagt: Ihr lieben Pensionäre in der Community, seid Euch Eures Glückes bewusst, Zeit zu haben ist ein kostbares Gut, vielleicht sogar das kostbarste im Leben.
Bevor ich aber jetzt in die Schusslinie von Jan Böhmermann gerate, für zu viel Pseudo-Tiefgang und Allgemeinplätze im Sinne seines zum Schreien witzigen und entlarvenden Meisterwerkes „Menschen, Leben, Tanzen, Welt“, möchte ich schnell wieder zum Thema kommen - zurück also zu „Essen, Trinken, Freude, Schreiben“. :-)
Gute asiatische Restaurants sind rar in der Gegend (sieht man von den hochklassigen japanischen Tempeln in der verbotenen Stadt am Rhein ab), umso mehr war ich interessiert an diesem Ableger des von mir schon besuchten „Anh & Em“, seines Zeichens ebenfalls in Haan gelegen und vom Bruder des hiesigen Betreibers bewirtschaftet.
Die Vorzeichen waren positiv, aus der Familie meines Weindealer-Kumpels waren hymnische Töne zu vernehmen, der erfahrene Asien-Fan Bobby war dort und schrieb eine sehr zufrieden klingende Kritik und last not least hat mich das „Anh & Em“ immer schon sehr überzeugt.
Einige freie Tage nach Ostern ergaben Möglichkeiten für lang ersehnte mittägliche Ausflüge in bislang nicht besuchte regionale Gastronomie, dies als Ausgleich zum von Madame selbstredend in solchen Zeiten stets verlässlich verordneten Do-It-Yourself-Alles-Muss-Schöner-Werden-Baumarkt-Marathon.........
Kritik
Auf nach Haan also an diesem sonnigen Mittwoch, die Chau Resto Bar liegt unweit des kleinen Stadtkerns, das Haus liegt etwas zurückgesetzt von der Hauptstraße und da Parkraumsuche in dieser Ecke schwierig ist, war ich hocherfreut über einen – moderat kostenpflichtigen – Parkplatz in unmittelbarer Nähe.
Die Außenansicht gibt sich unscheinbar, eine leicht in die Jahre gekommene Fassade, ein Haus aus der Gründerzeit, erst auf den zweiten Blick erhaschte ich die Embleme des Restaurants, ein etwas generischer Eindruck, hier könnte auch eine Pizzeria oder sonst etwas zu finden sein.
Das Thema Asien findet dort nicht statt, es sei denn man assoziiert die Logos von Bitburger, Gerolsteiner und „Pimm´s“ (!) seit jeher mit fernöstlicher Exotik.
Wir treten ein, eine freundliche junge Dame mit genrekompatibler DNA begrüßt uns in perfektem Hochdeutsch, wir haben die freie Auswahl, es ist kurz vor 14 Uhr und nur wenige Tische belegt.
Der Innenraum präsentiert sich frisch renoviert und gepflegt, schöne Hölzer an der Bar zur Linken, Steh-Tische an der dortigen Fensterfront mit bequem aussehenden Hochstühlen machen den Cocktail-Genuss dort sicher zu einer auch sitztechnisch eher angenehmen Übung.
Für das Auge angenehm auch der sich zur Rechten öffnende Gastraum: belederte Hochlehner, klare Linien, dezentes Dekor, stilvolle Strukturtapete und Holzvertäfelung an der Wand. Lediglich die nicht gedeckten Tische in einfachem hellen Holz, das Besteck griffbereit in einem kleinen Kübel aufgestellt, stören zumindest das Auge des in dieser Beziehung nun wirklich nicht überkandidelten Schreiberlings.
Die akzentuierende, lilafarbene LED-Beleuchtung an der Decke ist bei weitem nicht so grell, wie es das Foto vermuten lässt, die Lichtstimmung im hinteren Bereich des Raumes ist angenehm, beinahe heimelig aber auch alles andere als schummrig.
Die Karten werden gereicht, freundlich Getränkewünsche erfragt, wir widmen uns der Speisenauswahl.
Ein Albtraum für Entscheidungs-Neurotiker, die Karten haben Verwirrungspotential, es gibt jeweils eine:
· Mittagskarte
· Abendkarte
· Oster-Spezial-Karte
· Dim-Sum Karte
· Dessertkarte
· Dessert-Spezial-Karte
· Tapaskarte
…und wem das nicht reicht, just for good measure, lacht den geneigten Gast noch ein hipstertauglich abgelichteter „Bao Burger“ von einem Sonderangebots-Spezial-Angebots-Flyer auf dem Tisch an.
Menu Mayhem
Die Mittags- und Abendkarte flankieren mit einer eher reduzierten Auswahl an europäisierten Klassikern wie „Entencurry in Kokosmilch mit Ananas und Wok Gemüse“ oder erfrischend innovativ klingenden Dingen wie „kross-frittierte Nudeln mit Hähnchen-Garnelen Topping in süß-saurem Tomatensud“.
Die Tapaskarte ist das Kernstück und war für mich Anlass des Besuches, weil dieses Konzept meinen persönlichen Vorlieben sehr entgegenkommt.
Statt Albondigas und Pimientos de Padrón finden sich hier, betitelt in einer wüsten Mischung aus authentischem O-Ton, anscheinend unvermeidlichen englischen Versatzstücken und Hipsterdeutsch, ca. 30 unfassbar appetitanregend klingende Häppchen zu je vier Euro; auch Vegetarier werden an dieser Karte ihre helle Freude haben.
Ein paar schöne Beispiele:
Chao Tom - Gegrillte Garnelenhackbällchen auf Zuckerrohr
Delta Sun - Sommerrolle mit Reisnudeln, Salat, Minze und Hähnchen gerollt in Reispapier
Feuriger Erdapfel - Hähnchen Curry mit Süßkartoffel
White Monk Soup - Vegetarische Kokosmilch Suppe mit Gemüse
Ich war überfordert weil ich Hunger hatte, Madame haderte auch, ich murmelte mehrfach in kindisch gespielter Apathie Dinge wie „Ich will alles, kann nicht entscheiden, Essen, schnell…röchel…es geht zu Ende…“
Ich erntete keinen schnellen Bissen auf dem Tisch, sondern nur mahnende strenge Blicke von dessen anderer Seite, bemühte mich also um „höchschte“ Konzentration im Löw´schen Sinne und schritt zur Tat.
Die flinke Lotusblüte im Service wurde mit raumgreifender Geste gerufen, mit letzter Kraft wollte ich meine Bestellung aufgeben aber nein, letzte Hürde: Tapas werden hier vom Gast auf einem vorgedruckten Bestellzettel vermerkt und dem Service mitgegeben, was bei einem vollen Laden sicher den Ablauf beschleunigt.
Mit zitternden Händen wurde auch das erledigt, die aparte Lotusblüte bugsierte den Zettel Richtung Küche, zwischenzeitlich erschienen bereits unsere Getränke, ein Bitter Lemon (0,2l zu 2,60€) und eine Holunder-Schorle (0,3l zu 3€), beides gut gekühlt, mein Bitter Lemon mit Eis und Zitronen-Achtel, sehr schön.
Man konnte die Küche werkeln hören, die Vorfreude stieg, und nach ca. höchstens 10 Minuten kamen unsere Speisen, der Duft war himmlisch, ich war kurz davor Sterne zu sehen vor Unterzuckerung erfreute mich aber dennoch an der farbenfrohen Darbietung der Gerichte.
Es folgten Fotos für eben diesen Bericht, deren Aufnahme mir die größte Disziplin abverlangte, die ich in solchen Momenten aufzubringen in der Lage bin….nun denn, wir hatten zu je 4 Euro:
Tom Kha Gai
Die Wahl von Madame (die umrührte, bevor ich fotografieren konnte, ich war höchst empört!). Appetitlicher Duft, frischer Koriander obenauf, etwas Hähnchen lugte hervor, cremig, leicht sämig in der Konsistenz.
Tom Kha Gai
Ich probierte und war begeistert, keine laffe Kokosmilch Lumumpe wie so oft, kein Chili Overkill um die womöglich schmale Suppenbasis zu kaschieren, sondern eine absolute runde Melange von Kokos, Ingwer und dezenten Aromen von Soja- und Fischsauce.
Eine der besten, die ich je probieren durfte, köstlich.
Glückliche Ente
Tranchen einer knusprig grillierten Entenbrust auf Ingwer-Tomaten Chutney. Obenauf etwas Lauchzwiebel und etwas grob zerkleinerte, leicht gesalzene Erdnuss für die Textur.
Glückliche Ente
Das Fleisch heiß und von bestechender Zartheit, das Fett schmolz im Mund wie jenes in einem hochwertigen Ribeye Steak, ein kleiner Hochgenuss.
Das Chutney wurde geschmacklich seiner Bezeichnung gerecht, etwas mehr Tiefe wäre schön gewesen, aber das ist Jammern an der Grenze zum Haar in der Suppe suchen.
Der / die übellaunige Hobbykoch / -köchin könnte vielleicht noch bemängeln, dass es eher eine dickflüssige Sauce als ein Chutney war, aber siehe letzter Absatz.
Ich tunkte zufrieden die als Beilage bestellten Reisnudeln in die Sauce und genoss mit halb geschlossenen Augen die intensiven, aber nicht unangenehm überbordenden geschmacklichen Eindrücke.
Der Spießer
Ein klassischer Rind Saté Spieße, aufgespießt auf Zitronengras und gegrillt. Das Fleisch mit Grillaromen versehen und noch medium gegrillt, auch ohne die Saté Sauce für sich sehr schmackhaft oder in die gute Soja Sauce getunkt, die auf den Tischen bereit steht.
Der Spießer
(Soja Sauce hat für sich genommen eine riesige Kulturgeschichte, wenn man so möchte der "Wein Asiens" wie es Helmut Gote mal ausdrückte. Interessierte in der Region sollten sich auf den Weg nach Düsseldorf machen und in einen der japanischen Märkte gehen, wer probiert hat, was dort angeboten wird, wird die Plörre aus unseren Supermärkten nicht mehr mit dem ****** angucken und sich fragen, was in aller Welt man da sein Leben lang über sein Wokgemüse geschüttet hat.)
Die Saté Sauce entpuppte sich beim ersten Probieren als hausgemachte kleine Köstlichkeit, intensive Erdnuss, ausgewogen gewürzt, einfach nur gut und das der Spieß auf der Sauce lag ließ einem die Chance, das Fleisch nach eigenem Gusto zu saucieren.
Teriyaki Chicken
Eine gegrillte Hähnchenbrust auf Pak Choi Beet, obenauf eine Garnitur von Lauchzwiebel und weißem Sesam.
Teriyaki Chicken
Das Fleisch wurde imho vorab mariniert, gegrillt, tranchiert und hernach nochmals mit Teriyaki Sauce nappiert.
Auch hier wieder eine wunderbare Symbiose der Aromen, das Spiel von süß und salzig, bitter und purem Umami, das Sauce, Fleisch und nicht zuletzt der perfekt gegarte Pak Choi ablieferten war wieder Anlass zu innerer kulinarischer Freude.
Bun – 2 Euro
Als Beilage bestellte ich Reisnudeln, in Vietnam unterscheidet man diese in Pho (breite Variante, kennt man aus der Suppe) und eben Bun, die etwas dünner sind.
Bun
Man kennt das Bild der Nudel-Suppe schlürfenden Asiaten und wenn man diese Nudeln kennt, weiß man, dass das Sinn macht und keine landestypische Marotte ist, man tut sich schwer mit Messer und Gabel, die widerspenstigen Dinger rutschen nur allzu gerne wieder vom Besteck.
Portion ausreichend bemessen, würde ich wieder bestellen, ansonsten gibt es hier wenig zu vermelden, wer Nudeln nur al dente mag sollte diese Varianten besser meiden.
Steamed Banana – 2,50 Euro
Für einen Nachtisch war noch Platz, zudem lockte die Aussicht, Kollegin Obacht! mit einem schönen Dessert einen langen Hals zu machen, womöglich bis hinter Stuttgart je nach Optik.
Steamed Banana
Das Gericht klang gut, gedämpfte Banane, ich war gespannt. Was ich dann erhielt war eine Art Kokosreiskuchen mit einer Art Kochbanane, das Ganze in einem Bananenblatt gedämpt, gekrönt von einem dickflüssigen Kokosmilch Topping und einem Mix aus angeröstetem Sesam und wiederum Erdnuss-Crunch.
Der Service erwähnte noch etwas von ominösen „schwarzen Bohnen“, die Teil des Gerichtes waren und sich tatsächlich auch darin fanden, geschmacklich waren diese komplett unauffällig.
Leider muss ich sagen, das für den Plan, Obacht! neidisch zu machen, die Optik nicht ganz hinreichend war - wenig wohlwollende böse Zungen könnten nicht ganz zu Unrecht Parallelen zu einer hemmungslos ejakulierenden Seegurke ziehen.
Geschmacklich aber durchaus interessant, und das meine ich nicht im Sinne Bioleks, sondern durchaus positiv. Zurückhaltende Süße der Banane, der Reis hielt sich in dieser Beziehung auch zurück, es dominierte die Kokosmilch, alle Komponenten geschmacklich erlebbar, sogar der Sesam.
Es war gut, aber nicht mein Nachtisch für die Ewigkeit, aber spätestens jetzt war ich pappsatt.
Wir zahlten am Tisch mit der EC Karte, plauderten noch ein wenig mit Saigons schöner Tochter und verließen hochzufrieden das Restaurant gegen viertel vor drei, die Sonne lachte, ein schöner Tag!
Fazit
Die Küche hat mich voll überzeugt, mit Herz, Hand und Verstand gekochte pan-asiatische Köstlichkeiten, das Konzept mit der Tapaskarte eine Wonne für probierfreudige Genussmenschen.
Auf höherem Preisniveau 4 Sterne wegen kleiner Kritikpunkte, bei diesen Preisen komme ich trotzdem auf 4,5 Sterne.
Der Service gut, die junge Dame war flott unterwegs, hätte sich aber öfter blicken lassen können, aber sie war auch komplett alleine, musste alles im Blick haben und der Laden ist etwas verwinkelt.
Das Ambiente gefiel mir recht gut, im Zusammenspiel von Lage, Innen- und Außeneindruck komme ich auf 3,5 Sterne – Sauberkeit tadellos 5 Sterne.
Das PLV sehe ich bei 4,5 Sternen, wie auch die Küche, hier wird mit guten Zutaten frisch gekocht und das ist ja heute schon eine Erwähnung wert.
Ich werde gerne wiederkommen, so lasse ich mir asiatische Gaumenfreuden fernab von „Einmal Ente süß sauel – Nummel dleiunddleißig“ gerne gefallen!