"Kulinarische Neuigkeiten aus der Nachbarschaft - Teil 2: GUTbürgerlicher geht’s ja kaum"
Geschrieben am 24.06.2017 2017-06-24
"Wochenend-Weinwirtschaft mit verlässlicher Küchenleistung und leckeren gutseigenen Weinen"
Geschrieben am 11.08.2016 2016-08-11
Ähnlich dem liebevoll wiederhergerichteten Originalschild, sind es die kleinen Details, die das seit Dezember 2016 von Familie Werle betriebene Gasthaus Lamm im Billigheimer Ortskern so besonders machen und es vom üblichen Einheitsbrei gutbürgerlicher Gastwirtschaften doch ein ganzes Stück weit abheben. Man hat sich zum Beispiel die Mühe gemacht, die gut 300 jährige Geschichte des Hauses auf den ersten beiden Seiten der Speisenkarte chronologisch zu skizzieren. Ein erster Hinweis darauf, dass man sich um die historische Bedeutung des Gasthauses für die Ortschaft Billigheim im Klaren ist.
Etliche Renovierungen und unterschiedlichste Nutzungen haben seit dem Bau im Jahre 1708 in der Hauptstraße Nr. 33 stattgefunden, bevor das Gebäude Ende letzten Jahres seine ursprüngliche Bestimmung als Gasthaus wiedererlangte. Eine Färberei für Textilien, ein Fensterbaubetrieb und zum Schluss ein Friseurladen brachten das „Lamm“ - aus gastronomischer Sicht - jahrzehntelang zum Schweigen. Friedel Werle erkannte das Potenzial des in bester Lage vor sich hin dümpelnden Fachwerkhauses und wollte es auf seine alten Tage nochmal so richtig wissen. Mit Hilfe seiner Familie erfüllte sich der ehemalige Eventorganisator und Büffetkoch im Nebenberuf den Traum einer eigenen Gastwirtschaft und hat sehr viel Mühe und Herzblut in dieses Projekt gesteckt.
Die Renovierungsarbeiten dauerten eineinhalb Jahre und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Wände und Decken in schlichtem Grau und Weiß, unverputzte Sandsteinwände, rustikal gefliester Boden, hohe Fenster und viel helles Holz beim Mobiliar machen dem Gast das Ankommen leicht. Ein paar auf Leinwand gezogene Schwarzweißfotos früherer Tage von Billigheimer Personen und Traditionen (Purzelmarkt) künden von einem gesunden Maß an heimatlicher Verbundenheit. Lokalkolorit mit Herz, der ganz ohne die falsche Folklore einer touristisch mittlerweile fast übererschlossen wirkenden Pfalz auskommt.
Keine „Elwetritsche“ (Pfälzer Fabelwesen), keine Weindevotionalien im derben Halb-Liter-Maß und auch keine dialektgefärbten Sinnsprüche an der Wand. Stattdessen eine stattliche Sammlung gerahmter Bilder, die teilweise von Ortsansässigen gespendet wurden und die Gäste Anteil an der Ortsgeschichte Billigheims haben lassen. All diese historischen Fotos sind mit einer kleinen Geschichte verbunden, die der Küchenchef bereitwillig zum Besten gibt, wenn der Ansturm vorbei ist und er am Tisch das Gespräch mit seinen Gästen pflegt.
Friedel Werle ist ein Pfälzer Original. Einer, der sein Herz auf der Zunge trägt und gern über Zubereitung und Herkunft der von ihm verwendeten Produkte spricht. Seine Rumpsteaks stammen mittlerweile aus Paraquay, da er mit den Leistungen seines Schlachters aus der Region unzufrieden war und er durch die vorgeschnittenen Tranchen weniger wegwerfen muss. Die Portion des Gastes vom Nachbartisch sah nach imposanten 300 Gramm aus und war mit einer ansehnlichen Menge Schmorzwiebeln ausgestattet. Die Schnitzel kommen bei ihm direkt aus der Pfanne, genau wie die knusprigen Bratkartoffeln.
Die Auswahl an Speisen beschränkt sich im Lamm auf die üblichen Klassiker der Pfälzer Leib- und Seelenküche (Leberknödel, Bratwurst und Co.), typisch deutsche Hausmannskost (Wurstsalat, Winzersteak, Schnitzel und Rumpsteak), ein paar vegetarische Gerichte (Schafskäse, Weißer Käse mit Pellkartoffeln und verlorene Eier) sowie eine nette Auswahl an herzhaften Vespereien für den kleineren Hunger. Insgesamt ein recht überschaubares Angebot mit einigen Varianten bei den Fleischgerichten und einer gästefreundlichen Preispolitik, bei der das Rumpsteak à la Chef (mit Zwiebel und Sauce béarnaise) mit Pommes/Bratkartoffeln und Salat das teuerste Gericht auf der Karte markiert (18,70 Euro). Auf den ersten Blick also nichts Ungewöhnliches, aber der Teufel steckt ja häufig im Zubereitungsdetail.
Auch bei den Getränken wird hier weniger hingelangt als das in vergleichbaren Häusern der Fall ist. Die 2,50 Euro für eine große Flasche Mineralwasser gehen da genauso in Ordnung wie das Viertel Riesling für 2,70 Euro. Dafür bekommt man im benachbarten Elsass nicht einmal einen 0,1l-Fingerhut voll. Die Weine stammen allesamt vom Weingut Bangerth-Rinck aus dem Ortsteil Mühlhofen, also auch kein Bahndammriesling aus der Massenweinhaltung.
Die Entscheidung bzgl. dem Essen fiel mir einfach. Das panierte Schweineschnitzel mit Pilzrahmsauce, Bratkartoffeln und Salat (12,80 Euro) sollte es sein. Während meine Begleitung auf die Suche nach den „verlorenen Eiern“ in Senfsauce ging und sich diesen Uraltklassiker deutscher Hausmannskost mit Salzkartoffeln und Salat (7,40 Euro) schmecken ließ. Die Klopfzeichen in der Küche infolge meiner Schnitzelbestellung verhießen schon einmal gutes. Da sich Meister Werle an jenem Abend die Finger verbrüht hatte, musste sein Küchenkomplize die Sache wuppen.
Zwei schmackig angemachte Beilagensalate später kamen die knusprig in Butterschmalz angebratenen, fein gewürzten „Wiener-Art-Genossen“ an den Tisch. Unter der hervorragenden Pilzsauce, die meiner Beobachtung nach à la minute zubereitet wurde und ein äußerst delikates Pilzaroma verströmte (definitiv keine Fertigsauce aus dem Warmhaltebecken!), versteckten sich gleich zwei Vertreter aus der Gattung der panierten Flachfleischfetzen aus der Oberschale. Diese teilten sich den Teller mit einer ansehnlichen Portion beherzt gewürzter Bratkartoffeln, deren zarte Majoran-Note mir in die Nase stieg. Sicherlich kein Essen für Cholesterin-Asketen. Da wurde ganz schön reingebuttert und dem nicht gerade gesundheitsförderlichen Geschmacksträger Fett gehuldigt. Sei es drum, solche Leib- und Seelengerichte müssen eben auch mal sein. Und wenn sie handwerklich so gut gemacht sind, dann bedeutet das gutbürgerlicher Genuss vom Feinsten. Die Senfsauce, in der die beiden Eier ganz schön verloren wirkten, hatte eine angenehme Säure vom Essig. Die dazu gereichten Salzkartoffeln hatten perfekten Biss und fielen unter die Kategorie „allererste Beilagenwahl“.
Nach einem kleinen Plausch mit Küchenchef Werle, der uns noch auf ein paar anstehende Events, wie beispielsweise das Spare-Ribs-Special und den Smokerfleisch-Abend (vom Schweinenacken), aufmerksam machte, verließen wir das Gasthaus mit dem Gefühl der Zufriedenheit und der Freude über eine neue gute Adresse in unserer Nachbarschaft. Denn, wenn gutbürgerlich, dann bitte so wie im Lamm zu Billigheim, wo gute Qualität auf faire Preise trifft.