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Bis 12.00 Uhr werden wir uns wohl gedulden müssen, befürchtete ich, befragte aber vorsorglich den Netzauftritt eines sardischen Restaurants, das uns bei der Hinfahrt aufgefallen war. Und siehe da, schon ab 11.30 Uhr werden die Pforten geöffnet. Nach Erreichen des „Hauses der Bäckerinnung“ staunten wir zunächst über die große, witterungsbedingt aber nicht eingedeckte Terrasse. Und auch der Innenraum der ehemaligen Gildenstube überraschte nicht nur durch seine Größe, sondern auch durch die mit weißer Decke versehenen Tische, die u.a. mit Wasser- und Weingläsern, Brotteller und Buttermesser ganz klassisch vorbereitet waren. Dazu passend wurden wir von einem einem jungen Mann in schwarzer Hose und weißem Hemd freundlich begrüßt, der uns als erste Gäste die Platzwahl ließ und dabei ausdrücklich auch Vierertische am Fenster anbot. Sehr zugewandt und höflich, ebenso wie ein jüngerer Kollege und der (vermutliche) Chef Francesco La Pietra. Die lingua franca des Teams war italienisch. Auf unsere Wünsche wurde flexibel und rasch eingegangen. Wir fühlten uns als geschätzte Gäste, sehr angenehm und daher die volle Punktzahl.
Im Sardegna wird ein zweigängiger Mittagstisch angeboten, der preislich mit 16,5€ beginnt und sich dann je nach ausgewählter Variante steigert. Eine Schokomousse konnte für 6,5€ dazu geordert werden. Sicherlich keine günstigen Preise, aber für das dann Gebotene doch noch angemessen. Zumal, da es sich um (verkleinerte?) Gerichte der Hauptkarte handelte und etliche Nudeln und auch das Dessert selbst gemacht waren. Außerdem gefällt mir dieses Konzept, bei dem der Gast entscheidet, ob ihm auch zum Mittag nach hochwertigeren Zutaten für einen entsprechenden Preis ist. Finde ich allemal besser, als „jedes“ Mittags-Gericht 11,9€. Ansichtssache.
Trotz des Herbstwetters bestellte ich aber erst einmal einen Limoncello Spritz (8,5€), um den Sommer wenigstens im Glas zu verlängern. Sehr angenehm übrigens, wenn „beim Italiener“ nicht erst nachgefragt wird, was das denn sei… Das kleine Wasserfläschen schlug mit je 2,9€ zu Buche. Irritiert nahm ich zur Kenntnis, dass die Dame an meiner Seite aus den offenen Weinen ein Glas Lugana bestellte. Das hätte zu Docs Zeiten aber einen Kommentar aus Hannover gegeben! Zum Glück konnte ich wenig später in der Weinkarte eine Flasche Sauvignon Bianco aus dem Friaul (Collio Orientali, 39€) entdecken und mit einem Satz an die Theke den Lugana verhindern! Den Vorwurf der Übergriffigkeit musste ich in Kauf nehmen. Wobei nicht nur mir am Abend auf dem Hotelzimmer der restliche Wein noch sehr gut schmeckte…
Nun denn, die Mittagsangebote (16,5 bzw. 17,5€) waren gerade richtig für uns: Meine Frau wählte die hausgemachten Tagliolini in Trüffelsauce und vorher einen gemischten Salat „Italia“ (Mit gekochtem Ei, aber unter Verzicht auf den Hinterschinken. Trotzdem ein Lob für die seltene, ehrliche Deklaration auf der Karte „Hinterschinken in Salzlake, Fleischanteil 85%“.)
Vollste Zufriedenheit. Schon das „Grünzeug“ frisch und knackig, sogar die Tomate mit Geschmack, bereits mit nicht zu viel leichter Vinaigrette angemacht. Hat ihr sichtlich geschmeckt. Keine kleine Beilage, sondern eine ordentliche Vorspeise. Mit etwas Sorge sah sie der Pasta entgegen.
Zu Recht, denn die Portion war für mittags schon recht mächtig. Aber es geht ja vieles (rein), wenn die Pasta angenehmen Biss hat und eine raue Oberfläche, die die flüssige Trüffel-Sauce so gut aufnahm. Und bei der endlich mal der Duft der gehobelten Ware auch noch im Mund seine Fortsetzung fand. Respekt, da war nicht mit billigem Öl gearbeitet worden.
Ich vergnügte mich derweil mit ebenfalls selbst gemachten Ravioli, die mit einer eher unauffälligen Steinpilzfüllung daher kamen. Trotzdem sehr lecker, denn die angenehm dünn gearbeiteten Nudeltaschen wurden von Butter und Salbei (burro e salvia) umschmeichelt - aber eben nicht ersäuft!
Vorher hatte mir bereits das Vitello tonnato gut gefallen, obwohl die Bratenscheiben völlig unter der Thunfischsauce versteckt lagen. Aber keine bösen Überraschungen; das Fleisch außen mürbe und im Kern noch leicht rosa. Die Sauce deutlich erkennbar, nicht zu sahnig oder zu salzig, alles paletti.
Ein Dessert passte beim besten Willen nicht mehr, und der Espresso scheiterte zeitlich an der dringend benötigten Mittagsruhe im Hotel.
Wir empfehlen das Sardegna ohne Einschränkung, denn wir waren sehr zufrieden. Bei der Recherche im Netz fiel auf, dass es dem einen oder anderen Prominenten auch so gegangen ist.
Wie in ganz alten Zeiten, mal wieder eine Kritik ohne Fotos. Im Urlaub kommen eben die Routinen durcheinander!