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Wieder einmal war es die wöchentliche Restaurantkolumne unseres heimischen Weser-Kuriers, die mich auf das Bandonion aufmerksam machte, das versteckt in einer kleinen Seitenstraße des Bremer Ostertorviertels liegt, eine innenstadtnahe Szenegegend mit vielen typischen Bremer Häuserzeilen. Als ich meine Neugierde auf das Bandonion gegenüber zwei Partnerkollegen der Kanzlei äußerte, rieten sie von einem Besuch eher ab; die Küche habe nachgelassen und beim letzten Besuch sei die Musikbeschallung zu laut gewesen. Aber ich hatte mich schon auf das Bandonion kapriziert, denn im Weser-Kurier war zu lesen, dass es im Bandonion Coq au Vin gäbe. Vermutlich das einzige Restaurant Bremens, in dem dieser Klassiker der französischen Küche angeboten wird. Wie überhaupt Schmorgerichte wie Ossobuco oder Ochsenschwanzragout in der Gastronomie Seltenheitswert haben.
Meine kleine Hartnäckigkeit zahlte sich aus und so traf ich mich an einem Donnerstagabend mit einem der beiden Partnerkollegen im Bandonion. Wie in der Adventszeit erwartbar, füllte sich das Bandonion gut mit einem gemischten, zwanglosen Publikum.
Insgesamt waren wir mit dem Besuch im Bandonion gut zufrieden und den Coq au Vin empfehle ich gerne.
Das Bandonion gibt es seit 40 Jahren und soll früher eine Institution für Studenten gewesen sein. Seit 2016 ist Cyrill Plötz der Wirt und Studenten müssen für einen Besuch im Bandonion schon ansparen. Die Speisenbepreisung finde ich aber angemessen angesichts der Qualität und Portionierung. Bei den Bieren wird der Gast schon happig zur Kasse gebeten, aber ansonsten bewegen sich auch die Getränkepreise im Rahmen und deswegen knappe 4 Sterne für das Preis-Leistungsverhältnis.
Die Homepage https://bandonion-bremen.de/ zeigt die Karte einschließlich der Getränke und eine gute Fotogalerie des sehenswerten Interieurs.
Service:
Im Service sind junge Männer und Frauen tätig, in schlichtem schwarz gewandet. Wir wurden konsequent geduzt, obwohl uns fast zwei Generationen von den Bedienern getrennt haben dürfte, wohl noch eine Reminiszenz an Studentenkultur. Aber es ging freundlich zu und die Getränke ließen nach der Order nicht lange auf sich warten. Zum Abschied gab es gar einen Grappa aufs Haus, was im gehobenen Preissegment leider selten vorkommt.
Für den Service solide 3,5 Sterne.
Im Bandonion erwartet den Gast eine große Getränkeauswahl in allen Kategorien. Beim Bierpreis habe ich erst einmal geschluckt, denn das lokale Haake-Beck-Pils kommt für 0,3 l auf sehr stolze 4,20 €, da muss man aus Sparsamkeit immer 0,5 l für nur einen Euro mehr ordern. Das Wasser liegt bei 5,90 € für 0,7 l und die vielen offenen, klassifizierten Weine beginnen bei 5,90 € für weiß und 6,50 € für rot. Alle offenen Weine bekommt man auch als 0,1 l. Sympathisch für mich, dass auch Retsina angeboten wird (0,2 l für 4,90 €), was Weinsnobisten wohl mit einem Naserümpfen quittieren.
Mein weinaffiner Mittrinker (kein Snob!) war von dem Weißen von Mas Janeil aus dem Roussilon (Grenache/Sauvignon Blanc 2021, 0,1 l 4,90 €) angetan und mein Tempranillo Rosé aus dem Rioja (8,50 €) und der rote Grenache/Syrah von Mas Janeil (8,50 €) warn für mich auch überzeugend. Unisono waren uns der Weiße und der Rosé nicht kalt genug.
Essen:
Außer der Standardkarte auf der Homepage wurde uns eine Tafel mit immerhin zehn zusätzlichen Hauptspeisen an den Nachbartisch gestellt. Ein Potpourri aus winterlicher Küche (Ente, Hirsch) über Klassiker wie Rumpsteak oder Schnitzel, lokalem Knipp bis hin zu Spaghetti. Das liegt in der Preisspanne von 15,90 bis 35,90 €.
Einen Küchengruß gibt es im Bandonion nicht. Aber unsere Fischsuppen (10,90 €) ließen nicht lange auf sich warten. Heiß serviert mit guter Einlage grätenfreier Fischstücke (Lachs, Seelachs), Gambas ohne Schale und stiftigem Gemüse. Am wichtigsten aber der mediterran abgeschmeckte kräftige Sud. Ich meine mich an Anis zu erinnern (vielleicht Pastis und ein paar Samen). In der Liga der von mir bislang genossenen Fischsuppen ist die des Bandonion im oberen Tabellenviertel anzusiedeln.
Was übel auffiel war, dass ein Brotkorb erst auf Nachfrage gebracht wurde. Die Scheiben vom Stangenweißbrot zwar frisch und warm, aber nur mittelmäßig. Da sollte sich Herr Plötz einen Bäcker suchen, der ein gutes Ciabatta zu backen versteht.
Mein Coq au Vin (19,90 €) war ein Volltreffer! In einer ovalen Auflaufform wurden drei Schenkelteile mit reichlich buntem Gemüse im Rotweinsud serviert. Das Fleisch lange mariniert und gabelzart geschmort und der nicht gebundene Sud zum Löffeln lecker. Ungewöhnlich sicherlich das Kartoffelgratin dazu, das als Solist überzeugte, aber für eine Sudaufnahme ungeeignet ist.
Mein Begleiter hatte sich für das Schnitzel mit Bratkartoffeln und Beilagensalat (17,50 €) entschieden und war ebenfalls zufrieden. Insbesondere die Panade, selbst zitroniert, wurde gelobt.
Sehr solide vier Sterne ist mir das Essen wert.
Ambiente:
Das Bandonion ist in einem alten Bremer Haus der mittleren Größe untergebracht. Die geringe Breite wird durch eine schlauchartige Tiefe des Restaurants ausgeglichen. Am Ende sieht man die Küche.
Das Bandonion ist ein Gesamtkunstwerk mit rustikalem Charme. Man sitzt auf dunklen Holzstühlen oder Lederbänken an blanken Tischen auf einem hellen Fliesenboden. Die Wände sehen so aus, als ob viele Putzgenerationen unterschiedlicher Farben freigelegt wurden, teils Sichtmauerwerk. Vom Grundton her gelb bis zart orange. An den Wänden wechselnde Ausstellungen von Künstlern, deren Werke auch erworben werden können.
Unser Tisch war für uns zwei ausreichend dimensioniert und die Abstände zwischen den Tischen und die Laufwege gehen in Ordnung.
Wie im Weser-Kurier zu lesen ist, haben sich die Toiletten früher im hinteren Bereich des Erdgeschosses befunden. Sie wurden ins Obergeschoss verlegt und sind, wie auch der sich dort befindende Gesellschaftsraum, über eine alte, recht steile Holztreppe zu erreichen. Wer gar nicht oder schlecht zu Fuß ist, sollte das vor einem Besuch des Bandonion bedenken.
Die Musikbeschallung störte nicht, die Musikfarbe ohne Genreschwerpunkt.
Sauberkeit:
Alles gepflegt. Die Toilette für den Herren im Obergeschoss hell, sauber und erstaunlich groß.