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Allgemein
Zwei Monate lang hat es keinen einzigen Tropfen Regen in unserem Ort gegeben. Ausgerechnet am Donnerstag, als wieder mal ein Klassentreffen unseres Schuljahrgangs organisiert wurde, kam dann das lang ersehnte Nass vom Himmel. Dies tat der guten Laune aber keinen Abbruch.
Mit Bahn und Bus begaben wir uns nach Aschaffenburg zum Schloss Johannisburg. Hier wartete schon ein Führer auf uns, der mal wieder unseren Geschichtsunterricht von damals in Bezug auf die Stadt Aschaffenburg und ihre jahrhundertelange Zugehörigkeit zum Bistum Mainz gehörig auffrischte. Anschließend begaben wir uns auf einen Altstadtspaziergang, bei dem er uns die Lebensweise in den vergangenen Jahrhunderten nochmals an diversen Bauwerken erläuterte und auch auf das gesellschaftliche und bäuerliche Leben in dieser Zeit näher einging.
Nicht nur gespannt auf seine Ausführungen, sondern auch mit aufgespannten Regenschirmen folgten wir ihm. Dass sich dann nach fast 2 Stunden Hunger und Durst einstellte war die logische Konsequenz. Die Organisatoren unseres Klassentreffens hatten wohlweislich vorgesorgt und in den Schlossweinstuben für 23 Personen reserviert.
Ursprünglich war ja die schöne Terrasse mit der tollen Aussicht auf den Main und die nähere Umgebung vorgesehen, da uns aber der Wettergott einen Strich durch die Rechnung machte, mussten wir im Inneren Platz nehmen. Dies war so kurz nach 12 Uhr der Fall.
In einem der größeren Räume war eine Tafel aus mehreren schmalen, aneinandergestellten Tischen direkt an der Wand für uns vorbereitet. An der Wand saß man auf Bänken, gegenüber auf Stühlen. Ein paar Vierecktischdecken auf jedem Tisch, Bestecke und Papierservietten an jedem Platz, obligatorisch auch Pfeffer- und Salzstreuer. Auch die Tageskarte lag schon an jedem Platz bereit, dazu ein paar Speisekarten mit den Standard-Angeboten, falls jemand auf der Tageskarte nicht fündig wurde.
Service
Während so langsam ein jeder seinen ihm genehmen Platz eingenommen hatte, kamen zwei junge Bedienungen ins Spiel, die uns herzlich und freundlich begrüßten und schon mal nach den Getränken fragten. Wer schon wusste, auf was er Durst hatte, bestellte gleich, wer erst mal in die Karte schauen wollte, etwas später nach dem Lesen der Speisekarten.
Bei der zügigen Getränkelieferung war schon das erste Manko zu erkennen, die Bedienung hatte nicht ansatzweise im Kopf, wer was zu trinken bestellt hatte. Die Getränke wurden ausgerufen und wie früher in der Schule musste man seinen Finger heben, um an sein bestelltes Getränk zu kommen. Und wenn drei Mann beim alkoholfreiem Weizen den Finger hoben, musste nach dem ersten, der sein Glas vor sich hatte nochmal nachgefragt werden, wer die anderen beiden Weizen bekommt.
Da erkennt man doch sofort, aus welcher „Gastronomie-Fachschule“ :-) das Bedienungspersonal kommt. Na ja, groß gestört hat das von uns keinen, mich auch nicht, ich hatte es eh nicht anders erwartet, da ich von früheren Besuchen her wusste, wie es dort um den Service bestellt ist, und bei 23 Gästen auf einmal drücke ich schon mal ein Auge zu.
Bei den Essensbestellungen wurde dann der Reihe nach abgefragt und auf einem Block notiert. Leider waren außer uns noch etliche andere Gäste zugegen, so dass sich die Wartezeit auf das Essen ganz schön in die Länge zog. Als dann nach ca. einer Stunde die erste ihr Essen serviert bekam, sollte man meinen jetzt geht es Schlag auf Schlag. Dass man bei 23 Leuten nicht alle Gerichte gleichzeitig auftragen kann, ist ja einleuchtend, dass aber zwischen der ersten Person, die sich ihr Essen schmecken lassen konnte und der letzten Person nochmal eine dreiviertel Stunde verging, war teilweise schon nervig. Gott sei Dank wurde die Wartezeit vom Service damit überbrückt, dass bei einem leeren Glas gleich der mögliche Nachschub erfragt wurde und dann auch zügig geliefert wurde. In diesem Fall auch ohne auszurufen, direkt an den Besteller. Wow! Fünf Nachzügler, die erst später zu unserer Gruppe stießen hatten da mehr Glück, deren Speisen wurden nach deutlich kürzerer Wartezeit serviert. Und in der Tat wurde nicht ein Essen vergessen. Das war ja auch was Positives.
An der Freundlichkeit der Mädels gab es nichts auszusetzen. Zum Beispiel machte eine von Ihnen nach dem Essen noch ein paar schöne Gruppenfotos mit diversen Smartphones von uns. Sie umsorgten uns eigentlich so, dass man ihnen die Freude an der Arbeit anmerkte. Ich drücke es mal so aus: Sie waren stets bemüht. Leider auch manchmal recht umständlich, besonders beim Bezahlvorgang. Das reicht für die Betreuung einer Gruppe, z. B. ein Klassentreffen wie wir gestern, oder aber auch zum Schoppen, aber für die individuellen Gäste, die in den Schlossweinstuben einen schönen Abend oder Nachmittag dort verleben möchten, muss deutlich mehr kommen. Vor allem die Organisation untereinander.
Essen
Ich für meinen Teil hatte den Spessartsaibling „Müllerin Art“ mit zerlassener Meerrettichbutter, frischem Blattspinat und Kartoffeln (14,20 €) bestellt. Dieses Gericht kam für mich und drei weitere nach ca. 75 Minuten Wartezeit. Vor lauter Freude, endlich was zwischen die Zähne zu bekommen, ist mir doch tatsächlich das Foto wohl etwas verwackelt.
Wie dem auch sei, auf einem quadratischen, schweren Porzellanteller lag der Saibling fast diagonal drauf. Die Beilagen drängten sich in der Ecke hinter dem Fisch. Drei kleine Kartoffelstücke, völlig geschmacksneutral, ein kleines Häuflein Blattspinat, ebenfalls geschmacksneutral, wohl völlig ohne Würzung. In einem kleinen Porzellantässchen die zerlassene Meerrettichbutter mit dem geriebenen Meerrettich drin, den man leider auch nicht herausschmeckte. Zu dem ganzen Ensemble gehört noch eine halbe Kirschtomate und ein paar sich wie Pergament anfühlende Blätter, die sich als Rucola herausstellten und zum Zerbröseln, aber wohl nicht zum Essen eigneten.
Der Saibling dagegen war sehr gut gebraten, die Haut war zum Mitessen geeignet, das Fleisch hatte einen guten Biss, war fest, aber zart. Das dazugehörige Zitronenachtel habe ich dann zum Nachwürzen des Fisches eingesetzt, indem ich es zwischen Daumen und Zeigefinger zerdrückte und die Zitrone über den Fisch träufelte. Nach dem Entfernen von Kopf und Schwanz konnte man das Oberteil schön Stück für Stück auf den Teller schieben und mit der Gabel gut aufnehmen, die Gräten ließen sich daraufhin mit einem Griff von hinten nach vorne langsam hochziehen und einwandfrei entfernen, so dass man keinerlei Gräten mehr beim Essen zu befürchten hatte. Im Gegensatz zu den Beilagen, die irgendwie lieblos zubereitet wirkten, war ich mit dem Saibling zufrieden, ohne jetzt in Lobeshymnen zu verfallen. Da der Saibling doch einigermaßen groß war, wurde ich auch trotz der ungenügenden Beilagen satt.
Getrunken habe ich dazu alkoholfreies Weizenbier (Bavaria, 0,5 l, 3,50 €). Nicht unbedingt mein Favorit und auch nicht gerade preiswert für unsere Gegend. Das mit Alkohol, ebenfalls Bavaria nach dem Essen schmeckte auf alle Fälle etwas besser.
Ambiente
Aus meiner Sicht nicht berauschend. Mehrere Räume hintereinander. Alle sehr hoch, Mobiliar rustikal, das Ganze wirkt etwas kahl und kalt. Altes Gemäuer eben. Es gibt ein paar Stufen, auf die man unbedingt achten sollte. Das geht schon am Eingang los und setzt sich bis in die hinteren Räume fort. Auch der Gang zur Toilette bedarf der Überwindung von etlichen Stufen nach unten und anschließend wieder zurück. Ich denke mal für Rollis ungeeignet. Bei schönem Wetter ist deshalb unbedingt die Terrasse mit Blickrichtung Main zu empfehlen.
Sauberkeit
Hier gibt es nichts zu bemängeln. Weder auf dem Steinfußboden noch auf den gefliesten Toiletten.
Lobenswert auch, dass genügend Garderobehaken zur Verfügung stehen, unter denen sich auch an der Wand angebrachte Schirmständer befinden, was dafür sorgt, dass bei Regenwetter auch nicht so viel Dreck von außen reingetragen werden kann.
Fazit:
Eigentlich war der Aufenthalt dort essensmäßig und bedienungstechnisch genauso, wie ich es schon aus eigenen Erfahrungen sowie vom Hörensagen aus meiner RK-Zeit erwartet hatte. Die Schlossweinstuben haben eine exzellente Lage, auch die Weine dort sind gut. Das Essen ist allerdings höchstens Durchschnitt und der Service hat Luft nach oben. Eine typische Weinstube, bei der sich die Geister scheiden. Für mich gibt es in der näheren und weiteren Umgebung deutlich bessere Einkehrmöglichkeiten.
Gesamteindruck:
2,5 – wenn es sich ergibt, wieder, aber nur in größerer Geselligkeit, wenn es sich nicht vermeiden lässt.
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt, wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)