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Die Haynaer „Krone“ ist ein echter Familienbetrieb. Ihre Wurzeln gehen zurück auf das Jahr 1908, als die Großeltern Augustin und Katharina Kuntz eine Dorfwirtschaft und den größten Bauernhof von Hayna betrieben. Nachdem Wiederaufbau 1960 (ein Brand hatte das Anwesen heimgesucht) übernahmen die Eltern von Karl-Emil Kuntz den Betrieb und setzten immer mehr auf Gastronomie. Als 1982 Sohn Karl-Emil nach mit Bravour bestandener Kochausbildung zusammen mit seiner Frau Martina, die selbst gelernte Hotelfachfrau ist, im elterlichen Betrieb einstieg, kam es zu einer Zweiteilung: mit dem Gourmetrestaurant und der „Pfälzer Stube“ waren von nun an zwei Lokale unter einem Dach untergebracht. Im Jahr 1986 kam dann auch der ersehnte Michelin-Stern, dem viele weitere Auszeichnungen und der Ausbau der „Krone“ zu einem beeindruckenden Anwesen mit mittlerweile 66 Zimmern und allem Komfort folgten.
Wir waren die ersten an diesem Donnerstagabend und wurden von der Service-Brigade sehr herzlich in Empfang genommen. Der Gastraum für die Besucher des Gourmetrestaurants wirkt wie ein nobles Separée, das einem schon beim Betreten den Stress und die Hektik des Alltagslebens sofort vergessen lässt. Der Schwerpunkt liegt ganz klar auf dem Ankommen und Wohlfühlen der Gäste. Seichte Musik aus den Lautsprechern, warmes Kerzenlicht gepaart mit wohliger indirekter Beleuchtung. Dezente Kunst an den Wänden, eine klassisch elegante Eindeckung der Tische (selbstverständlich mit Stoffservietten und silbern glänzenden Untersetzern) sowie bequem gepolsterte Armlehnstühle in barocker Optik. Die ganze Einrichtung strahlte eine wunderbar gediegene Atmosphäre aus, derer wir uns nicht entziehen konnten. Wir waren gespannt wie ausgehungerte Michelin-Tester, welche Leckereien uns Marathon-Mann Kuntz heute auf die Teller zaubern würde.
Aus fahrtechnischen Gründen und in Anbetracht der Tatsache, dass wir zu diesem besonderen Essen sicherlich eine gute Flasche Rotwein zum Menü genießen werden, übte ich mich im Hinblick auf einen Aperitif in Verzicht. Die alkoholfreien Aperos sind ehrlich gesagt nicht so mein Ding. Um einen guten Einblick in die Kuntz’sche Kulinarik zu erlangen, bestellte mein Kollege das große Degustationsmenü (8 Gänge plus eine ganze Reihe kulinarischer „Gaumenkitzler“ als Amuse, plus süße Naschereien hinterher für 124 Euro), während ich mich mit dem kleinen „begnügte“ (für 116 Euro). Was heißt eigentlich „klein“? Gerade mal einen Gang weniger zählte die „Lightversion“ und hatte die gleichen Preziosen vorneweg in Form zahlreicher (es waren ca. 8, wenn ich mich recht entsinne!!!) Amuse-Happen, die auf kleinen Tellerchen nach und nach serviert wurden.
Ein wahrer Genuss-Reigen, der sich da noch vor der ersten Vorspeise über uns ergoss. Das Kurkumahörnchen mit Avocado und Curry-Gamberoni machte den Anfang. Es folgten ein Mini-Nordseekrabbenburger, ein Chorizo-Muffin mit Paprikafrischkäse und ein kleines Stück gebeizter Rinderrücken mit Pumpernickel und Rotweinschalotten. Die aromatische Würze des Räucheraals ging mit der säuerlichen Gurke und dem salzigen Fliegenfischkaviar eine spannende Aromenkomposition ein. Das Nori-Lachs-Sushi mit Tapioka-Vinaigrette sorgte dagegen für frische Geschmacksakzente. Neben einem Gläschen mit fein abgeschmecktem Cappuccino von der Petersilienwurzel lag ein Mini-Saumagen auf cremigem Rahmsauerkraut, ein absoluter Amuse-Klassiker von „Krone“-Wirt Kuntz. Hier merkt man, dass der Maestro mit Pfälzer Gerichten aufgewachsen zu sein scheint, denn er kennt die traditionelle Würze und behält bei aller Verfeinerung deren Grundstruktur bei.
Wohlgemerkt, das waren bisher alles Grüße aus der Küche und jede einzelne Kleinigkeit stimulierte unsere Geschmackspapillen auf wunderbare Weise. „Let the menu begin!“ Den Anfang machte ein perfekt angerichteter Teller mit Allerlei von der Wachtel. Kross-gebratene Wachtelbrust, eine kleine Keule in knuspriger Panade, eine Rolle mit Wachtelleber, die zu einer Art Farce verarbeitet wurde, eine Mini-Brioche gefüllt mit delikat gewürztem „Wachtelklein“, sowie ein Wachtelspiegelei wurden von Walldorfsalat und Mandarine-Tupfern kongenial begleitet. Ein erster Gang, bei dem einfach alles stimmte. Ein Gericht, das zweifellos als deutsche Adaption der Nouvelle Cuisine verstanden werden kann und bei dem aus einem Grundprodukt (Wachtel), das in verschiedenen Texturen auf dem Teller lag, ein komplexes Geschmacksgebilde, dessen Einzelteile in einer Beziehung zueinander standen, kreiert wurde. Warum solch eine avancierte Küche „nur“ einen Stern verdient, wissen wahrscheinlich nur die Michelin-Tester.
Gang 2 nahte. Ein in Pankomehl gewälzter Kaisergranat, der wirklich „granatenmäßg“ schmeckte, thronte auf einer abgefahrenen Vitello-tonnato-Variante, einer Art Tunfischcreme im Kalbfleischmantel und einem säuerlich-fruchtigen Tomatengelee, das wiederum auf knackigem Thai-Spargel lag. Wow!
Nun musste ich einen Gang pausieren, da mein Kollege ja einen mehr hatte aufgrund seines großen Degustationshungers. Ich blickte schon etwas neidisch auf seine rosa gebratene Taube, die mit Trompetenpilzen, Vadouvan (Pfeffersack) Sauce und Crème de Cassis ein echter Hingucker war. Mein dritter „Streich“ war ein perfekt auf der Haut gebratenes Stück Skrei (Winterkabeljau), der auf geräuchertem Apfelmark lag und zusammen mit dem Blutwurstgeröstel und dem Lauchgemüse eine feine Liaison einging. Auch dieses Gericht war extrem gut gelungen. Apfel und Blutwurst sind ja immer eine gute Kombi. Und der Fisch war von geradezu sensationeller Produktqualität.
Es ging in Runde 4, die den Hauptgang einläutete. Ein im Brotteig à point gebackener Lammrücken, bei dem der klare Fleischgeschmack im Vordergrund stand, lag auf einem orientalisch-mediterran angehauchten Bett aus Couscous, Ofenpaprika und Poweraden (Artischockenart). Dazu gesellte sich ein mit Kaffirblättern verfeinertes Schmorsößchen, dessen Aroma an die Küche allerbester Mütter und Großmütter erinnerte. Hier hat Kuntz wirklich allerbestes Material verwendet und so den Hauptgang zum würdigen Gipfel des Menüs erhoben.
Zeit zum kulinarischen Durchschnaufen schaffte ein Glas Champagnerbowle, die mit Sanddorn-Sorbet und Buttermilch für Erfrischung sorgte. Gelee und Mousse von Apfel, Minze und Koriander kam als Pré-Dessert und stimmte gekonnt auf den dekonstruierten Caipirinha à la Karl-Emil Kuntz ein, der das eigentliche Dessert des Menüs darstellte. Von der Anrichtung her war dieses Dessert – genau wie die Rhabarber-Butterkeks-Landschaft, die mein Kollege hatte – eine echte Augenweide. Eine herrliche Limettenfrische prägte diese aufwendige Dessertkomposition, die aus einer Kuchenschnitte, einem Sorbet, einer Trüffelpraline, einem Schaum sowie einem Gläschen Caipirinha-Cocktail bestand. Kurzum: ein Frühlingsdessert, das Gefühle weckte. Die süßen Naschereien (hausgemachte Trüffel) zum Abschluss beendeten unsere Marathon-Menüs und ließen uns pappsatt und hochzufrieden von dannen ziehen.
Noch ein paar Worte zum Service. Der ist einem Sternelokal entsprechend aufmerksam, jedoch nie aufdringlich. Wir fühlten uns total wohl und rundum sehr gut bedient und beraten. Die freundliche Sommelière brachte uns die 5cm dicke Weinbibel, in der wirklich das ganze Pfälzer Who-is-who vertreten war. Alle namhaften Weingüter sowie einige Underdogs tummeln sich in dieser Enzyklopädie. Daneben gibt es jede Menge französischer, italienischer und spanischer Tropfen zu entdecken. Wir entschieden uns an diesem Abend für einen Rotwein aus der Pfalz, nämlich den 2009er Cabernet Sauvignon „Kirchenstück“ vom Weingut Stachel aus Maikammer (48 Euro die Flasche). Ein Traum von einem Cabernet mit herrlich eingebundener Holznote und ordentlich Volumen dahinter. Dennoch nicht plump oder marmeladig, sondern samtig und finessenreich. Gerade zu meinem Lamm-Hauptgang machte dieser „Super-Pfälzer“ eine formidable Figur.
Abschließend sei bemerkt, dass beide Menüs ihr Geld wirklich wert waren. Da war kein einziger kleiner Schwachpunkt dabei. Diese derart perfekt zubereitete Menüfolge verschlug mir glatt die Sprache. Wohl so sehr, dass ich über dieses kulinarische Erlebnis im Anschluss noch nicht einmal schreiben konnte. Als ich letztens mit meinem GG-Kollegen, den man hier unter dem Namen „Daueresser“ kennt, bei Sternekoch Norbert Dobler saß und ihm von meinem Gastro-Highlight 2015 in der Krone berichtete, keimte in mir der Wunsch, diese Rezension nun doch noch (ein gutes halbes Jahr später) zu verfassen. Sie ist etwas länger ausgefallen und man braucht schon ein wenig mehr Zeit zum Lesen. Aber das passt ja dann wieder zum Menü von Karl-Emil Kuntz und seinem eingespielten Team, das wir an jenem Aprilabend sehr genossen haben.