Kochen ist für mich eine Freude. Essengehen eine Leidenschaft. Das muss nicht immer auf höchstem Niveau sein. Auch ehrliche Hausmannskost oder kleinere Leckereien aus aller Welt können kulinarisch den Tag erhellen. Bei Restaurant-Kritik habe ich dann auch am "Darüber-Schreiben" gefallen gefunden. Der Wechsel zu GastroGuide eine logische Folge nach all der negativen Entwicklung dort. Als Südpfälzer kenne ich mich in der dortigen Gastrolandschaft auch ein wenig aus, bin aber immer froh, wenn ich über regionale Tellerränder schauen kann. Die asiatische Küche hat es mir dabei besonders angetan.
Kochen ist für mich eine Freude. Essengehen eine Leidenschaft. Das muss nicht immer auf höchstem Niveau sein. Auch ehrliche Hausmannskost oder kleinere Leckereien aus aller Welt können kulinarisch den Tag erhellen. Bei Restaurant-Kritik habe ich dann auch am "Darüber-Schreiben" gefallen gefunden. Der Wechsel zu GastroGuide eine logische Folge nach all... mehr lesen
Bewertungs-Statistik
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Geschrieben am 01.04.2020 2020-04-01| Aktualisiert am
27.02.2021
Besucht am 31.01.2020Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 61 EUR
Time flies! Fast 5 Jahre ist es her, dass wir im Rahmen eines Europa-Park-Wochenendes – inklusive Übernachtung im Leuchtturm des Hotels Bell Rock – einen Abstecher in die Perle des Breisgaus unternahmen. Damals war es ein lauer Abend im August, der uns ein paar Freiluft-Tapas in der altehrwürdigen Casa Española bescherte. Den Bericht dazu habe ich selbstverständlich auf diesem Portal schriftlich hinterlegt.
Nun verschlug es uns Ende Januar mal wieder für zwei Tage in die südlichste Großstadt Deutschlands, deren Klimagunst die Menschen selbst in den Wintermonaten zum Draußen sitzen animiert. Von Kontaktverbot und anderen Beschränkungen des öffentlichen Lebens war da noch keine Spur. Wie sich die Lage in nicht einmal zwei Monaten doch ändern kann…
Doch wie kam es zur Stippvisite übers Wochenende? Ein Weihnachtsgeschenk meiner Liebsten beinhaltete zwei Übernachtungen in einer Ferienwohnung, die fußläufig zur Freiburger Altstadt lag. Münster, Bächle und Studentenkneipen in Reichweite. Januar-Tristesse adé! Wir freuten uns über die kleine Alltagsflucht und natürlich hatte ich mich vorab ein wenig mit der kulinarischen Situation vor Ort vertraut gemacht.
Die Idee, am ersten Abend in einem afghanischen Lokal aufzuschlagen, stammte jedoch von meiner Gattin, die Informationen aus erster Kollegenhand hatte und das Magellan als Insider-Tipp empfohlen bekam. Gute Mundpropaganda war übrigens auch der Grund für den geplanten Besuch des „Kartoffelhauses“ am Folgeabend. Ein Mitglied unserer Wörther Schlemmertruppe schwärmte schon etliche Jahre von dieser Freiburger Institution für gutbürgerliche Knollengenüsse.
Die beiden, für Freitag- und Samstagabend anvisierten Einkehradressen hatte ich im Vorfeld schon telefonisch kontaktiert und dort jeweils einen Tisch für Zwei reserviert. Von der Zollhallenstraße, wo sich unsere hübsche Bleibe befand, bis zur Sundgauallee 110 nach Betzenhausen war es ein knapp einstündiger Fußmarsch, der uns so richtig ausgehungert am Restaurant Magellan ankommen ließ. Beste Voraussetzungen also für eine kulinarische Entdeckungstour durchs aromatische Afghanistan.
Kaum hatten wir die von außen recht unauffällig wirkende, latent an die Bausünden der 70er Jahre gemahnende Lokalität betreten, war ich froh, um die Tage im Voraus getätigte Reservierung. Der Laden brummte an diesem Freitagabend und nach freundlichem Empfang am Tresen führte man uns in den hinteren Teil des Gastraums, wo tatsächlich noch ein Zweiertisch unbesetzt geblieben war.
Dem Andrang entsprechend ging es recht lebhaft zu - ohne jedoch die Kommunikation am Tisch zu erschweren. Ein angenehmer Geräuschpegel, der auf munterem Austausch und appetitanregendem Geschirrgeklapper basierte. Am Nachbartisch hatten es sich derweil ein paar Studentinnen bequem gemacht. Dahinter ein älteres Ehepaar aus der Schweiz – Stammgäste, wie mir der redselige Servicechef und Betreiber des Ladens, Herr Nazari, später beim Plausch verriet.
Warmes Licht durchflutete das zurückhaltend dekorierte, überraschend zeitgemäß eingerichtete Innere des Restaurants. Im Hintergrund waren traditionelle Klänge – wahrscheinlich aus dem Heimatland der Betreiber – zu vernehmen. Dunkelrote Teppiche und kleine, kunstvoll gefertigte Stickereien an den Wänden setzten – wenn auch eher subtil – ein paar orientalische Akzente.
Seit Juli 2015 bringt die Familie Nazari ihre Auffassung afghanischer Esskultur unter ein aufgeschlossenes, sich durch sämtliche Altersschichten ziehendes Publikum. Auf volkstümlichen Deko-Kitsch wird dabei weitgehend verzichtet. In dem mit Geschmack und Sinn für Details gestalteten Gastraum kamen sich Tradition und Moderne nicht ins Gehege, sondern harmonierten außerordentlich gut miteinander.
Dem interessierten Gast wurde eine Sammlung verschiedenster Gewürze und Gewürzmischungen (z.B. Char) auf der langen Ausschanktheke präsentiert. Gleich daneben befand sich ein kleines Separee mit persischer Sitzecke, einem niedrigen Holztisch und jeder Menge orientalisch gemusterter Kissen und Teppichen. Der grob geschätzt für ein Dutzend Personen ausgelegte Raum kam mir mit seiner authentischen Einrichtung (Bilder, Wandornamente, Laternenlampe) wie ein eigenständiger, morgenländischer Mikrokosmos vor. Das orientalische Herz des Magellan hatte nicht viel mit dem übrigen, eher zweckmäßig ausgestalteten Gastraum gemein. Innenansicht
Dieser war in Sachen Einrichtung recht nüchtern gehalten. Man setzte auf schlichte Bistrotische mit heller Holzplatte und nicht minder funktionale Holzstühle, wie sie in vielen Verzehrstuben zu finden sind. Letztere waren mit gepolsterten Unterlagen versehen, was für den Sitzkomfort definitiv kein Nachteil war. An der Längsseite des Gastraumes reihten sich hohe Fenster aneinander. Durch eine eingelassene Glastür ging es nach draußen zur komplett verwaisten Sommerterrasse. Mögen wieder wärmere Zeiten das gesellige Beisammensein unter freiem Himmel ermöglichen…
Nun, auch im Inneren des Magellan ging es recht vergnüglich zu. Wir akklimatisierten uns schnell und hielten alsbald die in rotem Einband steckende Speise- und Getränkelektüre in Händen. Das Programm gegen den Hunger erinnerte mich an wenig an die Köstlichkeiten, die in indischen Lokalitäten auf der Speisetafel stehen. Das wunderte mich nicht, wurde doch die Landesküche Afghanistans maßgeblich von seiner geographischen Lage an der Seidenstraße bestimmt und so von der persischen und indischen Esskultur stark beeinflusst.
Das Angebot beinhaltete eine Handvoll Vorspeisen (Teigtaschen, Schafskäse, frittiertes Gemüse im Kichererbsenmantel), ein paar Suppen (Linsen-Dahl und Tomatencreme), ein knappes Dutzend Salate und eine ausgewogene Palette an vegetarischen Speisen sowie Fleischgerichten (mit klarem Bekenntnis zu Huhn und Lamm). Zusätzlich standen noch sechs verschiedene Grillgerichte und drei Menüs zur Wahl.
Letztere entpuppten sich als dreigängige Speisefolgen, deren Vor- und Nachspeisen aus dem À-la-Carte-Angebot entnommen waren. Bei den Hauptgängen fuhr man allerdings die „Politik der gemischten Platte“. Für die Erstsemester im Fachbereich „Afghan-Cuisine“ eine willkommene Gelegenheit um sich erste Basics „reinzuziehen“. Zumal die Menüs auch preislich (24 / 28 / 33 Euro) interessant erschienen.
Auch dem kleineren Hunger wurde mit ein paar Gerichten entsprochen. Genau wie den kleineren Gästen. Ach, wie hätte ich mich als Kind bei gedämpftem Basmatireis (das Wort „Basmati“ hätten meine Eltern natürlich vorsichtshalber weggelassen…) und Hackfleischsoße vom Rind hier wohlgefühlt.
Ganz abgesehen von den süßen Versuchungen, die in Form von Halwa (Grießschnitte), Schir Berendj (afghanischer Milchreis), Firni (orientalische Panna Cotta) und Shir Yach (Fruchtcocktail auf Vanille-Eis mit Rosenwasser und Kardamom) den Speisezettel landestypisch abrundeten. Gut, es gab auch Coupe Dänemark, Schwarzwaldbecher und Apfelstrudel für weniger experimentierfreudige Schleckermäuler.
Die Getränkekollektion offenbarte zwar keine veritablen Rebsaftraketen, aber durchaus ordentlichen QbA-Standard. Markgräfler Gutedel und Herxheimer Honigsack Rieslingaus der Pfalz waren viertelweise zu manierlichen Preisen (4,10 bzw. 5,10 Euro) erhältlich. Fürstenberg Pils und Paulaner Hefeweizen gab es vom Fass. Das trübe Waldhaus-Bier („Ohne Filter“) aus dem südlichen Schwarzwald kam für 3,30 Euro aus der 0,33l-Flasche. Da griff ich doch gerne zur Pulle. Für den halben Liter Schwarzwaldsprudel „classic“ wurden wir um 3,80 Euro erleichtert. Preislich bewegten sich unsere Durstlöscher allesamt im fair kalkulierten, sprich grünen Bereich. Das passte farblich zum Pastis mit Eiswasser (3,90 Euro), den ich mir vorweg als Apero gönnte.
Unser erster Hunger sollte vegetarisch gestillt werden. Wir wählten Pakaura (4,20 Euro) und Sambosa (5,90 Euro) aus der Liste warmer Kleinigkeiten zum Vorwegverzehr. Bei Ersteren handelte es sich um drei frittierte Gemüsebratlinge, die hauptsächlich aus Kartoffelmasse bestanden. Zusammen mit Zwiebeln, Zucchini und Auberginenstreifen wurden die knusprigen Pakaura einmal durch den Kichererbsenteig gezogen, bevor sie in die Fritteuse getaucht wurden. Dazu wurde ein scharfes Chutney auf Tomatenbasis gereicht. Das passte ganz prima und sorgte für wohliges Brennen auf der Zunge. Pakaura
Als Sambosa wurden zwei hausgemachte, mit Kichererbsen, Kartoffeln, Tomaten, frischem Koriander und normal gelaunten Erbsen gefüllte Teigtaschen bezeichnet. Scheinbar eine typisch afghanische Vorspeise, die sich bestimmt auch gut als Resteessen eignet. Kulinarisch beheimatet zwischen indischen Samosas und chinesischen Frühlingsrollen, waren diese aromatisch duftenden (Koriander!), Frittierpakete ein genussvoller Auftakt. Zumal auch hier der scharfe Chutney-Dip selbst auf die hintersten Geschmacksknospen stimulierend wirkte. Sambosa
Meiner Frau empfahl der gesprächige Servicechef das afghanische Festtagsgericht namens Kabuli Palau, was sich wahrscheinlich mit „Reis nach Kabuler Art“ übersetzen ließe. Sie entschied sich allerdings für die vegetarische Version (14,40 Euro), die mit gebratenen Auberginen serviert wurde. Das einem usbekischen Pilaw nicht unähnliche, afghanischste aller Reisgerichte wurde ganz traditionell mit gedämpftem Basmatireis, geschmorten Karotten, Mandelstiften und natürlich Rosinen serviert. Kabuli Palau vegetarisch
Der Reis kam direkt aus dem Aroma-Abteil des Orient-Express, denn er wurde mit einer speziellen Gewürzmischung aus Kardamom, Nelken, Zimt, Koriander und Pfeffer verfeinert. Dazu wurde noch à part eine Schale mit Dahl – gestampften gelben Linsen mit geröstetem Knoblauch und Ingwer – gereicht. Dahl als Beilage
Der Reis fiel fantastisch locker aus. Zusammen mit der leichten Süße von Rosinen und Karotten, dem nussigen Mandelcrunch, sowie der wohlriechenden Garam-Masala-Würze, welche mutmaßlich von den mit Tomatensauce bedeckten Aubergine-Scheiben herrührte, war das ein vorzüglicher Veggie-Teller, den sich da meine Frau einverleibte.
Ich tat mich währenddessen an zwei saftigen Hackfleischspießen gütlich. Kababe Kobida nannten sich die beiden wohlgeformten Spießgesellen aus Rinderhack (15,90 Euro). Auch bei ihnen hatte man nicht mit orientalischer Würze gespart. In den fachmännisch gegrillten Hindukusch-Köfte, die ja eigentlich persischen Ursprungs sind – im Iran nennt man sie Kabab Koobideh –, war eine ordentliche Menge an gehackter Zwiebel und frischer Petersilie versteckt, was den beiden Protagonisten auf dem Teller sehr gut bekam. Kababe Kobida
Als Beilage fungierte auch hier Basmati-Reis, der bei genauer Betrachtung unterschiedlich gefärbt war. Wie man mir erklärte entsteht die Farbe beim Anbraten im Topf und ist typisch für die afghanische Art der Reiszubereitung, bei der wohl auch ein wenig karamellisierter Zucker zugegeben wird. Die separat im Glasschälchen dazu gereichte Knoblauchsauce war hausgemacht und schmeckte auch so. Das war keine Convencience-Mayo-Plempe aus dem Regal, sondern eine mit angenehmer Knoblauchfrische daherkommende Dip-Sauce, die für etwas süffigere Verhältnisse auf dem Teller sorgte.
Von der Portion her war das sicherlich keine Fastenspeise, aber dank des lockeren Reisreigens und der gut bemessenen Hackfleischdosis auch kein monströses Quantum wie man es von dem ein oder anderen Helenengrill her kennt. Maßlose Bifteki-Bestien sind die Afghanen nun wahrlich keine. Gut so. Außerdem beinhaltete der Grillteller ja noch einen herrlich sauer angemachten Beilagensalat. Was kann man da mehr wollen?
Gut, vielleicht etwas gegen die Diabetes-Profilaxe. Denn selbstverständlich wollten wir das Ende des feinen Mahls mit zwei orientalischen Süßspeisen einläuten, was sich in einer zimtigen Grießschnitte namens Halwa Halwa
und einem nach Rosenwasser und Kardamom schmeckenden afghanischen Milchreis (mit dem wohlklingenden Namen Shir Berenj) manifestierte (beide jeweils 4,90 Euro). Shir Berenj
Beim Milchreis meiner Frau zeigte sich Mango-Püree für den fruchtigen Akzent des Nachtisches verantwortlich. Meine gar nicht mal so süßen Grießschnitte wurde von hochgezuckerter Karotten-Mandel-Marmelade flankiert. Wie bei der persischen Variante (Moraba Havij) wurde auch hier nicht mit Kardamom und Rosenwasser gegeizt. Solche Aromen sind für den europäischen Gaumen sicherlich etwas ungewohnt, da diese Süßspeisen immer etwas parfümiert wirken. Geschmacklich waren sie jedoch genau wie das vorher Genossene eine durchweg positive Erfahrung für uns.
Nach unserem Abendessen stiegen wir auf der Sundgauallee in die stadteinwärts fahrende Straßenbahn. Für ein paar Bierchen im Schwarzen Kater, einer gemütlichen Studentenkneipe in der Altstadt, war ja noch Zeit. Dass dort juvenile Ü-Sechziger auch beherzt den ein oder anderen Flammkuchen verdrückten, machte das Ganze umso sympathischer.
Bleibt nur zu hoffen, dass das Magellan die Krise übersteht und wir bei einem zukünftigen Freiburgbesuch wieder in den Genuss der afghanischen Leckereien kommen. Aschak, Bolani und Mantu wollen schließlich auch noch probiert werden.
„Mo’afagh bashed!“ liebe Familie Nazari.
Time flies! Fast 5 Jahre ist es her, dass wir im Rahmen eines Europa-Park-Wochenendes – inklusive Übernachtung im Leuchtturm des Hotels Bell Rock – einen Abstecher in die Perle des Breisgaus unternahmen. Damals war es ein lauer Abend im August, der uns ein paar Freiluft-Tapas in der altehrwürdigen Casa Española bescherte. Den Bericht dazu habe ich selbstverständlich auf diesem Portal schriftlich hinterlegt.
Nun verschlug es uns Ende Januar mal wieder für zwei Tage in die südlichste Großstadt Deutschlands, deren Klimagunst... mehr lesen
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"Man muss kein Weltumsegler sein, um diese afghanische Gewürzinsel zu entdecken" marcO74Time flies! Fast 5 Jahre ist es her, dass wir im Rahmen eines Europa-Park-Wochenendes – inklusive Übernachtung im Leuchtturm des Hotels Bell Rock – einen Abstecher in die Perle des Breisgaus unternahmen. Damals war es ein lauer Abend im August, der uns ein paar Freiluft-Tapas in der altehrwürdigen Casa Española bescherte. Den Bericht dazu habe ich selbstverständlich auf diesem Portal schriftlich hinterlegt.
Nun verschlug es uns Ende Januar mal wieder für zwei Tage in die südlichste Großstadt Deutschlands, deren Klimagunst
Geschrieben am 24.03.2020 2020-03-24| Aktualisiert am
27.02.2021
Besucht am 20.01.2020Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 130 EUR
Da musste ich doch glatt mal mein Privatarchiv durchforsten, um mich an meine letzte Rezension aus der wohl bekanntesten Kur- und Casinostadt Südwestdeutschlands zu erinnern. Damals, Mitte Dezember 2011, war es die heute noch sehr beliebte Osteria Stromboli, über die Kollege Oparazzo vor ein paar Monaten berichtete und die mir in puncto Pasta noch in guter Erinnerung war.
Und in der Tat hatte ich seine von Grinseköchen, Stiefelnippes und Hartgummi-Schwertfisch handelnden Worte noch im Hinterkopf, als ich nach einem geeigneten Lokal für unser Pre-Concert-Menu an einem Montagabend Ende Januar suchte. Nick Cave, einer der letzten großen musikalischen Untergangspropheten lud zu einem Abend des kommunikativen Austauschs ins Festpielhaus. Der Australier kam allein nach Baden-Baden. Seine „Bad Seeds“, die ihn normalerweise musikalisch begleiten, hatte er zu Hause gelassen und lediglich seinen schwarzen Flügel eingepackt.
Die von spontan performten Songs unterbrochene Fragestunde mit Herrn Cave war ein eher ungewöhnliches Konzerterlebnis, das allein schon wegen des ständigen Dialogs zwischen Künstler und Publikum einen ungeahnt intimen Rahmen hatte. Davor wollten wir uns jedoch ein wenig stärken, um dann gesättigt und entspannt dem charismatischen Singer/Songwriter zu lauschen.
Unweit des Festspielhauses befindet sich im Parterre des von der Gekko Group betriebenen Luxus-Designhotels Roomers das pan-asiatische Restaurant moriki (mit kleinem m…), das wie sein Frankfurter Pendant zum Gastro-Imperium des vietnamesischen Tausendsassas The Duc Ngo zählt. Der mit dem Innovationspreis der Gastronomie im Jahre 2017 ausgezeichnete Sushi-Koch besitzt mittlerweile 11 Restaurants, die meisten davon in Berlin. Außenansicht
Über das Frankfurter moriki an der Taunusanlage, das mit seiner kreativen, japanisch inspirierten Fusionsküche schon länger für Aufsehen sorgt, habe ich schon viel Gutes gehört bzw. gelesen. Zu einem Besuch ist es leider noch nicht gekommen. Umso erfreuter war ich, als ich von der Dependance in Baden-Baden erfuhr. Unsere Freunde aus der Gastro haben diese schon öfter besucht und ihr Urteil fiel stets positiv aus.
Auch der Umstand, dass wir aufgrund des Konzerts schon recht früh am Abend einkehren wollten, war ausschlaggebend für die Reservierung im moriki, die ich online über OpenTable tätigte. So fanden wir uns um 17 Uhr in der genauso spärlich beleuchteten, wie zu dem frühen Zeitpunkt besuchten Adresse für roh zubereitetes Fischvergnügen ein.
Schauspieler Richy Müller saß in der Nähe des Eingangs, gleich links neben der langgezogenen Sushi- bzw. Ausschanktheke und amüsierte sich prächtig. Wir warteten ganz brav am Eingangsbereich in der Nähe des Empfangspults bis wir abgeholt und ge“seated“ wurden. Ein Servicemitarbeiter, der auch auf jeder Luxusyacht den Chefsteward hätte mimen können, begrüßte uns in jovialer Freundlichkeit und führte uns einmal quer durch den stilvoll eingerichteten, von weißen Säulen, einer komplett vergitterten Fensterfront und hellem Parkettboden geprägten, L-förmigen Gastraum, der quasi eine nahtlose Fortsetzung der eindrucksvoll designten Lobby des Roomers darstellte.
Der Juncker der Provinz staunte nicht schlecht über den urban-schicken Overkill, der ihn da gerade umgab. Ob das die anwesenden Schauspieler, Oligarchen-Witwen und Zarentöchter auch so wahrnahmen? Keine Ahnung, auf mich wirkte das alles ein wenig aus der Retorte – wenn auch aus einer sehr niveauvoll arrangierten. So richtig wohl fühlte sich ich mich beim Gang durch die schummrig beleuchtete Räumlichkeit nicht.
Das änderte sich aber spätestens beim Erreichen unseres Tisches, der etwas abseits des Hauptgeschehens, in Verlängerung des Tresens lag. Innenansicht 1
Von meinem Platz aus hatte ich deshalb einen guten Blick auf das Treiben hinter der Thekenkulisse. Blick hinter den Tresen
Wir saßen auf bequemen, von Hussen überzogenen Sesseln. Zwischen uns ein schlichter Bistrotisch mit dunkler Holzplatte, die dem lässigen Ambiente leinenlos beipflichtete. Grablicht, Ess-Stäbchen, Sojasauce von Kikkoman (inklusive Schälchen), weiße Stoffservietten und polierte Wasser- bzw. Weingläser gehörten zur Grundausstattung jedes Tisches.
Ich schlug die erste Seite der Speisenkarte auf. „If you pick fruits, think of those who planted the tree“ schlug es mir da in großen Lettern entgegen. Als vietnamesisches Sprichwort deklariert, sollte es wohl den Nachhaltigkeitsgedanken der moriki-Küche hervorheben und gleichzeitig auf den respektvollen Umgang mit den Erzeugern der hier verwendeten Zutaten hinweisen. Bewusste Ernährung wurde hier im ganzheitlichen Kontext, also auf Genuss und Gesundheit basierend, propagiert.
Ein Schelm, wer hinter dieser „Gastrosophie“ lediglich ein zeitgemäßes Konzept wittert. Schließlich weisen ja schon die beiden Silben im Namen des Lokals – „mori“ (Wald) und „ki“ (universelle Lebensenergie) – auf Naturverbundenheit und das große kulinarische Ganze hin. Mir persönlich erschien das alles ein wenig aufgesetzt. Ist halt jetzt total im Trend und wenn man schon für die präzise erzeugten Rohfischminiaturen so viel Schotter hinblättern darf, soll man das wenigstens reinen Gewissens erledigen. Frei nach den Sportfreunden, um die es mittlerweile etwas „stiller“ geworden ist: „du und ich und sonst noch’n paar Leute…wir sind auf der guten Seite…“.
Unseren trockenen Kehlen wurde mit einer Flasche Aqua Monaco – angeblich Münchens klimaneutralstes Mineralwasser – entsprochen. 8,50 Euro für den Dreiviertelliter des aus den Tiefen der Münchner Schotterebene gewonnenen, ehemaligen Gletscherwassers waren natürlich preislich eine Ansage. Aber hey, man weilt ja schließlich nicht jeden Tag in einem solch mondänen Schuppen! Also wurde gleich noch eine alkoholfreie Saigon Lemonade (0,5l für 7 Euro) dazu bestellt. Die hausgemachte Limo hatte eine leicht minzige Note. Frische Zitrone und Orange wirkten auf den mit Ginger Ale aufgegossenen Drink belebend. Dadurch hielt sich auch seine Süße in Grenzen. Freshness by glass.
Einen Blick in die wirklich hervorragend sortierte Weinkarte konnte ich mir natürlich nicht verkneifen. Neben ein paar glasweise offerierten Kreszenzen, machte vor allem die Flaschenweinauswahl richtig was her. Preislich checkte man bei etwa 35 Euro (Pfalz-Riesling „win win“ vom Weingut von Winning) ein. Nach oben hin erklommen die Preise für hochwertige Bordeaux und Burgunder luftige Höhen. Der 2014er Barbaresco von der Winzerlegende Angelo Gaja – also im Grunde DER Barbaresco schlechthin – stand mit 300 Euro gar nicht mal so überteuert im Kellerkompendium des moriki gelistet. Denn schon beim online-Handel werden für dieses erlesene Kult-Tröpfchen geschmeidige 200 Euro abgerufen.
Soweit – so flüssig. Nun zu den Essbarkeiten, die man sich im Parterre des Roomers zwischen die Stäbchen klemmen konnte. Neben einer Vielzahl an kalten und warmen Vorspeisen, Suppen, Salaten und gegrillten/glasierten/frittierten Hauptgängen mit Rind, Ente, Tofu und Meeresgetier standen auch zwei Menüs zur Auswahl, die nach dem schwer angesagten Sharing-Prinzip am Tisch geteilt werden sollten und deshalb erst ab vier Personen serviert wurden.
Besonders das 893 Ryotei Menü (99 Euro) bot einen appetitanregenden Mix aus fernöstlichen Standards (Miso, Ponzu, Unagi, Tuna-Tataki und Co.) und europäischen Gourmandisen (Foie gras, Trüffel, Kaviar, Rinderfilet). Man kann sein Geld sicher schlechter investieren, so mein Gedanke beim Überfliegen des aus sechs Vorspeisen, viermal Sushi, zwei Hauptgängen und einer Dessert-Variation bestehenden kulinarischen Rundumschlags der gehobenen pan-asiatischen Fusionsküche.
Nun, wir hatten für einen solchen Genussreigen eh nicht die Zeit. Aber für eine schöne Sushi-Platte sollte sie locker reichen. Vorneweg durfte das „Gyu tataki“ (19 Euro) als „fancy starter“ fungieren. Hierzu badeten dünne, kurzgegrillte Rinderfiletscheiben in aromatischer Wafu-Sauce. Das fast rohe, leicht marmorierte Fine-Beef wurde lediglich von ein paar Frühlingszwiebelstreifen und etwas frischer Chili getoppt. Fleischgewordene Glückseligkeit in reduziert japanischem Stil. Und das mit einem hochklassigen Produkt, welches am Gaumen für Furore sorgte. Was willste mehr? Gyu tataki
Die Dame gegenüber hielt sich dagegen an Fermentiertes. Selbst eine große Verehrerin des milchsäurevergärten Kohls, musste sie natürlich das Kim Chi (6 Euro) probieren. Sie war begeistert von ihrem scharf-säuerlichen Korea-Kraut und auch ich musste nach einem Probierlöffel meine anfängliche Skepsis revidieren. Der Vitamin-C-Speicher aus Fernost hatte ordentlich Wumms und brachte die Papillen in Wallung. Kimchi
Natürlich befanden sich im opulent bestückten Speisenangebot des moriki auch jede Menge bewährte Sushi-Klassiker. Maki, inside out, nigiri, gunkan und Co. wurden hier noch ergänzt durch spezielle „extreme rolls“. „Alles kann – nichts muss!“ So lautete wohl die Devise der kreativen Frischfisch-Veredler hinter dem Tresen. Für entscheidungsschwache Gemüter war das wahrlich kein „gefundenes Fressen“. Allein bei den Spezialrollen zählte ich 13 verschiedene Varianten.
Vielleicht würden uns ja die angebotenen Sushi- und Sashimi-Sets aus der misslichen Beschlusslage helfen. Soll doch der Küchenchef entscheiden, was auf dem Teller landet. Er hat es ja schließlich zusammen mit seinen Komplizen erschaffen. Also gaben wir der Küche Carte blanche oder wie es auf „morikisch“ in der Karte stand: Chef’s Choice for Two (68 Euro). Diese Auswahl beinhaltete neben den üblichen Rohfischverdächtigen (sashimi, nigiri, maki) auch eine „Extreme Roll“ sowie vorweg eine Miso-Suppe.
Letztere servierte man uns nach den Vorspeisen quasi als Zwischengang im Ausschlürfbecher. Duft und Geschmack ließen mich zu dem Urteil gelangen, hier eine ganz vorzügliche Vertreterin ihrer Art aus der schwarzen Trinkschale zu schlabbern. Auf kräftiger Dashi-Basis geköchelt, fiel die mit weißer Miso-Paste zubereitete und mit eingeweichten Wakame-Algen, dünnen Tofustreifen und Frühlingszwiebeln verfeinerte Umami-Brühe nicht übermäßig salzig aus. Ein mundfüllender Genuss, der das Herz erwärmte und unsere Freude auf den bald folgenden Rohfischreigen noch zu steigern vermochte. Miso-Suppe
Jener wurde in einer großen Keramikschale serviert. Kein effektheischender Trockeneis-Nebel und auch keine geschmacksverfälschenden Saucen-Exzesse aus der Quetschflasche waren auszumachen. Stattdessen war das ansehnliche Rohfischpotpourri mit etwas Daikon-Rettich-Stroh, einem grünen Häufchen Knetmasse zum Würzen (Wasabi) sowie hauchdünn geschnittenen, süß-sauer eingelegten Ingwerscheiben (Gari) garniert. ...where Sashimi meets Nigiri
Das Sashimi bestand aus jeweils drei dick geschnittenen Tranchen Butterfisch, Lachs, Yellow fin Thunfisch und Makrele. Diese vier Fischsorten fanden sich auch auf Reis gebettet, also in Nigiri-Form, wieder. Verschiedene Inside-outs (Lachs, Tempuragarnele) sowie Mr. Duc’s „best friend‘s roll“ komplettierten die vor Produktfrische strotzende Auswahl. some say it's inside - same say it's out!
Besonders die in acht Teile geschnittene, von Lachs getoppte und mit Kresse, Miso-Sauce und Sesam verfeinerte Extreme Roll, die Herr Duc gerne seinen besten Freunden empfiehlt, und die seit 1999 in seinem Berliner Kultladen Kuchi auf der Karte steht, hatte es uns angetan. Diese mit frittiertem Tempura-Gemüse gefüllten und mit rotem Lachskäppi geschmückten Inside-Outs waren eindeutig unser Favorit an diesem Abend. Mr. Duc's Freunde sind auch unsere Freunde
Klar bedeuten knapp 70 Euro für eine Platte mit rohem Fisch eine preisliche Ansage der sportlicheren Art. Nicht jeder ist bereit für „Ungekochtes“ so viel hinzulegen. Bedenkt man aber den Standort des Lokals („Roomers“), die außerordentliche Qualität und Frische des verwendeten Materials, die großzügig bemessene Menge an Sashimi und rechnet den Baden-Baden-Zuschlag noch hinzu, dann geht das im Großen und Ganzen auch in Ordnung. Feiner Fisch hat nun mal seinen Preis - erst recht in der mondänen Bäderstadt.
Abschließend sei noch der Verzehr zweier Desserts erwähnt. Meine Frau hatte sich für Mango & Cocos (6 Euro) entschieden, während mich die Kollegen Matcha & Mochi (7 Euro) heimsuchten. Unter der mit Tapioka-Perlen ausgestatteten Kokossauce versteckte sich eine zarte Mango-Crème, welche die Dame am Tisch jedoch nicht so ganz überzeugte. Mango & Kokos
Meinem Matcha-Eis konnte sie dagegen wesentlich mehr abgewinnen, denn es war in der Tat von außergewöhnlich cremiger Konsistenz. Aber auch ihre leicht herbe Süße machten die sahnig-grüne Nocke zu einem eindrucksvollen Geschmackserlebnis. Da störte selbst der mit roter Bohnenpaste gefüllte, in zwei Hälften geteilte japanische Reiskuchen (Mochi), der dem Matcha-Eishügel eine wachsweiche Krone aufsetzte, nicht wirklich. Matcha-Eis mit Mochi
Angenehm gesättigt ging es nach vollzogenem Rohfischverzehr ins Festspielhaus, wo der „mercy seat“ bereits auf uns wartete. Gute japanische Küche kann, ja sollte nie ganz billig sein. Und so richtiges Geldbeutelächzen hat sie auch im moriki nicht hervorgerufen. Mit insgesamt 130 Euro war der Abend solide finanziert. Klar geht das günstiger (vor allem beim Wasser), aber für Sushi in dieser Qualität und Umgebung war das noch im grünen Bereich – zumal die verzehrten Preziosen ohne Schnörkel und Übertreibung zu Porzellan gebracht wurden. Puristisch, perfekt und ohne überflüssigen Protz. Fast so wie Baden-Baden selbst…
Da musste ich doch glatt mal mein Privatarchiv durchforsten, um mich an meine letzte Rezension aus der wohl bekanntesten Kur- und Casinostadt Südwestdeutschlands zu erinnern. Damals, Mitte Dezember 2011, war es die heute noch sehr beliebte Osteria Stromboli, über die Kollege Oparazzo vor ein paar Monaten berichtete und die mir in puncto Pasta noch in guter Erinnerung war.
Und in der Tat hatte ich seine von Grinseköchen, Stiefelnippes und Hartgummi-Schwertfisch handelnden Worte noch im Hinterkopf, als ich nach einem geeigneten... mehr lesen
Restaurant Moriki
Restaurant Moriki€-€€€Restaurant, Take Away0722190193901Lange Straße 100, 76530 Baden-Baden
4.0 stars -
"Gehobene Raw-Fishability in trendig-urbaner Umgebung – und das zu Preisen, die einen wissen lassen, wo man is(s)t" marcO74Da musste ich doch glatt mal mein Privatarchiv durchforsten, um mich an meine letzte Rezension aus der wohl bekanntesten Kur- und Casinostadt Südwestdeutschlands zu erinnern. Damals, Mitte Dezember 2011, war es die heute noch sehr beliebte Osteria Stromboli, über die Kollege Oparazzo vor ein paar Monaten berichtete und die mir in puncto Pasta noch in guter Erinnerung war.
Und in der Tat hatte ich seine von Grinseköchen, Stiefelnippes und Hartgummi-Schwertfisch handelnden Worte noch im Hinterkopf, als ich nach einem geeigneten
Geschrieben am 13.03.2020 2020-03-13| Aktualisiert am
27.02.2021
Besucht am 02.01.2020Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 137 EUR
Am 02.Januar hatten wir zusammen mit ungefähr 6000 anderen Gipfelstürmern und Schönwetterwanderern die Idee, den Nanga Parbat des Harzes, der unter dem geradezu mächtig daherkommenden Namen „Brocken“ firmiert, zu erklimmen. Die äußeren Umstände hätten nicht besser sein können. Die Sonne schien den ganzen Tag und lediglich der eisige Wind verschob die Gipfelregion gefühlt in Richtung Polarkreis.
Das hielt die träge Masse an Aspiranten nicht davon ab, mit der Brockenbahn den langen, aber harmlosen Aufstieg zu umgehen. Wir machten uns selbstverständlich „by fair means“ von Schierke aus auf den Weg zum Schicksalsberg der Anhalter-Sachsen. Der Volksfeststimmung auf der Eiskuppe konnten wir jedoch nur mit einem schnellen Abstieg entgehen. Trotzdem war es ein eindrucksvolles Erlebnis, das von der Freude auf das geplante Abendessen in der Weinstube am Brühl zusätzlich befeuert wurde.
Nach diversen Besuchen in Etablissements mit eher gutbürgerlicher Kulinarik sollte es am letzten Abend in das gastronomische Aushängeschild der Welterbestadt Quedlinburg gehen. Die Weinstube am Brühl ist das einzige Restaurant, das im heiligen Guide-Rouge eine Erwähnung in Form einer „Assiette“ findet. Auch die Flachzangen aus dem Hause G&M haben die im Romantik Hotel „Am Brühl“ untergebrachte Genießeradresse mit einer ordentlichen Punktzahl ausgestattet.
Ausgezeichnete Vorzeichen also, um mit einer gewissen Erwartungshaltung in der von Küchenchef Sebastian Lorenz und Restaurantleiterin Peggy Wölfer betriebenen „schönsten Stallung Quedlinburgs“ in der Billungstraße aufzuschlagen. Auf dem hoteleigenen Parkplatz wurde des Volkes Wagen ordentlich verwahrt. Ein freundliches „Guten Abend“ erreichte uns beim Passieren der Hotellobby, von der aus wir über einen stimmungsvoll beleuchteten Innenhof die in einem separaten Gebäude untergebrachte Weinstube erreichten. Über den Hof geht's zur Weinstube
Beim Eintritt: „Wow!“. Wir tauchten ein in die gediegene Atmosphäre eines stimmig ausgeleuchteten Gastraums, der mit preußischer Kappendecke und gusseisernen Säulen den Charme der damaligen Architektur selbstbewusst zur Schau stellte. Innenansicht 4
Trotz modernem Mobiliar und gehobener Landhausoptik kann man sich noch gut vorstellen, wie es wohl früher hier zuging, als sich in der ehemaligen Stallung noch sieben Kühe gegenüberstanden.
Eine gut geschulte, in klassisch weißem Hemd agierende männliche Servicekraft, die frappierende Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Edward Norton hatte, nahm uns freundlich in Empfang. Von seinem entspannten Humor profitierte an diesem Abend nicht nur unser Tisch. Er trug deshalb in sehr positivem Sinne zur lockeren Atmosphäre in der Weinstube bei. Apropos Weinstube. Natürlich versteht man in meiner Heimat unter diesem Begriff etwas völlig anderes.
Hier erinnerten lediglich der mit reichlich Flaschenware gefüllte, in die Wand eingelassene Weinschrank sowie eine aus diversen, mit entsprechenden Brandings versehenen Weinkistenfronten zusammengepuzzelte Wandcollage an den namensgebenden Rebsaft – wenn auch auf eher auf elegant-subtile Art und Weise. Innenansicht 2
Rustikal wirkte hier nur die bereits erwähnte Backsteindecke, die schmiedeeiserne Deckenleuchte und der mit Terrakottafliesen ausgelegte Boden. Auf den in weißes Leinen gehüllten Tischen herrschte dagegen auf Hochglanz polierte Eleganz. Gefaltete Stoffservietten in Form von Bischofsmützen und vornehm wirkende Teelichthalter aus Glas inklusive. Innenansicht 3
Vereinzelte, auf die Tische ausgerichtete Spots ließen die weiße Tischkultur erstrahlen. Die ausgesparten, weniger illuminierten Zwischenräume trugen zur äußerst gemütlich wirkenden Genussumgebung bei. Intime Tischverhältnisse also, und das nicht nur für „GastRomantiker“. Strahlend weiße Tischkultur
Fast alle Tische waren an diesem Donnerstagabend belegt. Der Altersschwerpunkt des Publikums lag zwischen 30 und 50 Jahren. Ich fühlte mich also in bester Gesellschaft. Keine grau melierten Einzelesser, die nichts Besseres zu tun haben, als ihr Handy mit Beobachtungen bezüglich des Interieurs und des Publikums zu füttern. Kurzum: ein wunderbarer Rahmen für einen genussvollen Abschluss unseres Harz-Trips.
Optimal gepolstert saß es sich auf komfortablen Wandbänken und nicht minder bequemen Stühlen. Speisen- und Weinkarte ließen auch nicht lange auf sich warten und so genossen wir die Einlesezeit in das klassisch-regional anmutende Kochrepertoire von Sebastian Lorenz. Ein Blick in die Karte
Zwei Suppen – Kerbelknolle und Wildconsommé – bildeten zusammen mit der Wild-Rotwurst und der Königskrabbe die kulinarische Vorhut, ehe es mit Entenbrust, Hirschrücken und dem „Besten vom Aubrac-Rind“ zu den fleischlichen Genüssen überging. Ikejime Bachsaibling und Filet vom weißen Heilbutt warteten hingegen auf potenzielle Fischvertilger. Zusätzlich zum À-la-Carte-Angebot wurde nach ein aus fünf Gängen bestehendes „Weinstuben Menü“ offeriert (Komplettpreis 70 Euro, mit Weinbegleitung 90 Euro). Aus diesem ließen sich auch einzelne Gerichte ordern.
Bei der reich bestückten Flaschenweinkarte war man meines Erachtens etwas zu oberflächlich aufgestellt. Da versuchte man jeder deutschen Weißweinregion mit ein paar Flaschen gerecht zu werden, anstatt sich schwerpunktmäßig auf wenige signifikante Gegenden zu konzentrieren. Nicht anders bei den roten Kreszenzen. Tedeschi (Venetien) und Fontanafredda (Piemont) für den italien-affinen Etikettensäufer versprachen da noch den meisten Spaß im Glas.
Warum man seine kostbaren Kellerkapazitäten mit spanischer, südafrikanischer, südfranzösischer und sizilianischer Durchschnittsware vergeudet, war mir allerdings schleierhaft. Die drei Vertreter aus Pfälzer Landen, darunter die Ursprung-Cuvée vom Blockbuster Schneider aus Ellerstadt und der Mainstream Spätburgunder vom Weingut Knipser aus Laumersheim, standen sinnbildlich für den fehlenden Tiefgang der Weinkarte.
Da lobte ich mir doch eher das Angebot an offen ausgeschenkten Weinen. Zwischen 14 verschiedenen Rebsäften (siebenmal weiß, sechsmal rot und einmal rosé) konnte man da glas- oder karaffenweise wählen. Das jedoch zu durchaus stolzen Preisen. Natürlich waren es keine Spitzengewächse, die da der durstigen Kundschaft ins Glas gegossen wurden, aber in dem solide wirkenden Querschnitt würde sich bestimmt die ein oder andere Entdeckung machen lassen, so meine zugegeben etwas naive Herangehensweise in Sachen Weinbegleitung.
Ich wollte auf Nummer sicher gehen und ließ einen halben Liter Condado de la Vega aus dem Rioja (Avelino Vegas) für gerade noch erträgliche 15 Euro kommen. Ein klassisch trockener 3,50-Euro-Tempranillo (die Flasche), der zwar keine besonders eindrucksvollen Gaumeninformationen bereithielt, aber eben auch nicht komplett versagte. Positiv formuliert, war das ein samtig runder Essensbegleiter, der den Preziosen auf dem Teller keinesfalls die Schau stehlen sollte. Dazu fiel der „Condado de harmlos“ einfach zu glattgebügelt aus.
Mit ein paar Scheiben Brot (Weiß/Roggen/Körner) Gemischte Brotauswahl
und einem geschmacklich unauffälligen Kräuterschmand Kräuterschmand vorweg
richtete der Service einen ersten Gruß aus der Küche bei uns aus.
Als „echtes“ Amuse schickte sie ein schaumig geschlagenes Süßkartoffelsüppchen im Kleinformat, das prima mit der geräucherten Makrele an Romanasalat und Gurken-Brunoise harmonierte. Süßkartoffelschaumsüppchen mit geräucherter Makrele als Amuse
Die Süße der Kartoffel band die säuerlichen Noten vom Salat gut ein. Der salzigen Würze der Makrele begegnete man mit subtiler Gurkenfrische. Geräucherte Makrele an Romanasalat und Gurken-Brunoise
Ein gelungener Auftakt, der unsere Freude auf die Vorspeisensuppen noch anheizte.
Meine Frau hatte sich für die Crèmesuppe aus der Kerbelknolle (7 Euro) entschieden, die mit ihrem hübsch verzierten Tellerrand zunächst für Aufsehen sorgte. Auf einem halbkreisförmigen Band aus Walnusskrokant hatten es sich ein paar Tupfer Kerbelknollenpüree bequem gemacht. Dazwischen sorgte Pomelo-Fruchtfleisch häufchenweise für angenehmen Säureschub. Mit ein paar Blättern von der Zorri-Kresse wurde dem Arrangement auf dem Tellerrand noch ein wenig Würze verliehen. Crèmesuppe aus der Kerbelknolle
Die ging dem eigentlichen Protagonisten im Souterrain des Porzellans leider völlig ab. Ein Probierlöffel von dem gustatorisch recht blassen Knollensüppchen brachte zwar den typisch nussig-süßlichen Geschmack des gesunden, aber eher seltenen Wurzelgemüses zu Tage, aber irgendwie fehlte mir der „Knefler’sche Würz-Wumms“ (Weinstube Brand, Frankweiler, Anm.), den ich bei solch cremigen Winterterrinen besonders schätze. Wer schon einmal eine geschmacksneutrale Kastaniensuppe ausgelöffelt hat, kann sich dieses Kerbelknollenerlebnis ganz gut vorstellen. Meine Frau konnte sich schon am Tag darauf nicht mehr an den Geschmack ihrer Suppe erinnern. Sie hatte wohl keinen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen.
Ganz anders sah es bei mir aus. Ich hatte die aus pürierter Steckrübe, Dashi, Jakobsmuschel und Waldpilzen bestehende, am Tisch angegossene Suppe aus dem Weinstuben Menü geordert. Die 10 Euro waren gut investiert. Ein erdig-sämiges Umami-Erlebnis, dessen profunde Dashi-Basis am Gaumen ordentlich Eindruck machte. Die kurz angebratene Jakobsmuschel bestach durch eine hervorragende Qualität. Noch glasig beim Anschnitt zog sie in der heißen Brühe perfekt gar. Zusammen mit den Pilzen und dem pürierten Wintergemüse war das eine aromatisch duftende, stimmig ausbalancierte Liaison von Wald, Erde und Meer. Ich war begeistert. Suppeneinlage: Jakobsmuschel, Steckrübenpüree, Waldpilze Die Dashi wird angegossen
Mein Zwischengang, der in der Karte mit den schlichten, aber appetitanregenden Wörtern Wild-Rotwurst / Kartoffelbrot / Schalotte / Nashi (14 Euro) bewusst spärlich umschrieben wurde, entpuppte sich als eigenwillige, gefällig arrangierte Interpretation des Klassikers „Himmel un Ääd“. Himmel unn Ääd modern interpretiert
Anstelle von Apfel fungierte kleingehäckselte Nashi-Birne, die mit Röstzwiebeln etwas aufgepeppt wurde, als süßliches Pendant zur erdig-würzigen Blutwurst. Wild-Rotwurst / Kartoffelbrot / Schalotte / Nashi
Diese lag als saftiges, von einer knusprigen Kartoffel-Panko-Hülle eingefasstes Blunzkissen vor mir. Der Zusatz „Wild“ spiegelte sich einerseits in der etwas diffusen Optik des Gerichts wider, erklärte jedoch primär die wildschweinische Herkunft der verwendeten Blutwurst. Das Blutwurstkissen
Und wo war die Erde? Die steckte natürlich im sogenannten „Kartoffelbrot“, das als recht trockene, geschmacklich eher unscheinbare Kartoffel-Blutwurst-Schnitte den Mittelpunkt des Gerichts ausmachte. Kartoffel-Blutwurst-Schnitte
Ein paar Tupfer Nashi-Gel und einige ganz dezent nach Meerrettich schmeckende Saucenkleckse rundeten diese harmonische Kreation angemessen ab. Die Blunzpraline stahl der etwas langweiligen Schnitte in geschmacklicher Hinsicht eindeutig die Schau. Das Blutwurstkissen im Anschnitt
Und doch fehlte mir bei diesem Teller das gewisse Etwas. Der letzte Kick am Gaumen blieb leider aus.
Wir hatten uns im Hauptprogramm auf Fisch und Fleisch festgelegt. Meiner Frau kam der nach Ikejime-Methode zur Strecke gebrachte Bachsaibling mit Fregola, Pecorino und Rettich (25 Euro) gerade recht. Dem Besten vom Aubrac-Rind (38 Euro) konnte ich nicht widerstehen.
Natürlich war meine Gattin als treue Sardinien-Verehrerin gespannt, was der mit Kugelpasta und dem Lieblingskäse der Sarden veredelte Saibling so konnte. Auch der optische Eindruck, des mit reichlich Schaum auf der Mütze servierten Lachsfisches aus dem Süßwasser war durchaus anständig. Bachsaibling (Ikejime-Methode), Fregola, Pecorino und Rettich
Jedoch, der geneigte Leser wird es ahnen, auch hier fehlte ein wenig die klare Geschmackskante. Das war hübsch anzusehen und durchaus auch angenehm zu essen. Nur das Aha-Erlebnis auf der Zunge blieb ihr auch diesmal verwehrt. Zu „brav“ abgeschmeckt und deshalb latent langweilig, so fiel ihr etwas enttäuscht klingendes Fazit aus.
Mich hatte da schon die heilige Dreifleischigkeit gepackt. Herrlich mürbes Rindergulasch bedeckte zwei saftige Tranchen von der sous-vide gegarten Rinderschulter. Das Beste vom Aubrac-Rind
Um diese zwei Fleischpreziosen schloss sich ein Kranz aus wunderbar seidigem Pastinakenpüree, perfekt auf Biss gegartem Wild-Brokkoli (=Stängelkohl), butterweichen Scheiben vom Tafelspitz sowie ein paar Pastinakenchips fürs krachende Mundgefühl. Die heilige Dreifleischigkeit
Den Job als Saucenspiegel erledigte eine zum Tellerablecken feine Portwein-Reduktion. Für Fleischfreunde war das ein Winterteller par excellence. Die Qualität des Rindfleisches war hier der große Pluspunkt. Durch seine unterschiedlichen Zubereitungsarten ließ das Dreierlei vom Aubrac-Rind keine texturelle Langeweile zu. Ach, wie sehr wünschte ich mir dazu einen leckeren Tropfen aus der Chateauneuf-Abteilung meines Weinkellers.
Die Pâti-Abteilung zeigte sich beim süßen Finale auf der Höhe der Zeit. „Ruby“ nennt sich die rosarote Schokolade, welche seit ca. zwei Jahren die aus drei Sorten (weiß, dunkel, Vollmilch) bestehende „Tafelrunde“ um eine fruchtig-beerig schmeckende Variante erweitert hat. Beim Dessert vom Weinstuben Menü – schlicht mit „Ruby Schokolade“ (10 Euro) betitelt – kam die Schoko-Innovation aus dem Hause Barry Callebaut als Überzug einer mit Tonkabohnen-Mousse und Bergamotte-Gel gefüllten Süßspeise, die etwas die Größe eines handelsüblichen Eclairs aufwies. Ruby-Schokoladen-Riegel
Eine Knusperschicht aus Amaranth verlieh dem fluffigen Schokoriegel etwas mehr Biss. Begleitet von einer Nocke zitrisch-saurem Bergamotte-Sorbet, einer Tonkabohnen-Crème aus der Spritztüte sowie ein paar Tupfern Yuzu-Gel war das ein süß-saurer Schlussakt ganz nach meinem Gusto. Nicht zu süß, dafür aber umso spritzig-herber. Bergamotte-Sorbet / Tonkabohnencrème
Ein von meiner Frau initiierter Käseteller (13 Euro) soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Drei Sorten des mit Trauben, Johannisbeeren, Walnusshälften sowie ein paar Balsamicotupfen garnierten Ensembles waren aus Kuhmilch erzeugt. Einer stammte von der Ziege. Das Quartett bestand aus drei mehr oder minder würzigen Sorten Hartkäse, die mich zwar nicht vom Polster hauten, aber auch keine unaffinierten Rohrkrepierer in Sachen Geschmack darstellten. Der etwas weichere Vertreter kam im aromatisch duftenden Kräutermantel daher. Er war mein Favorit. Wir teilten uns diese üppige Portion, die sich als „kleine Käsespezialität“ auf der Rechnung wiederfand. Käseteller Knusper zum Käse
Mit gutem Bauchgefühl verließen wir Quedlinburgs erstes Haus am Platz. Der humorvoll-kompetent vorgetragene Service, das behagliche Ambiente und die mit Ambition zu Porzellan gebrachte Frischeküche von Sebastian Lorenz haben uns überzeugt. Ein wenig mehr Mut zu überraschenden Geschmacksbildern hätten wir uns dennoch gewünscht. Denn die hervorragende Qualität der hier verwendeten Produkte wäre mit dem ein oder anderen Aromaakzent sicher noch spannender am Gaumen. Aber das ist Kritik auf richtig hohem Niveau. In der Summe war es ein durchaus gelungenes „Fressfinale“ unseres Harztrips. Und herzlich war er definitiv…der Harz.
Am 02.Januar hatten wir zusammen mit ungefähr 6000 anderen Gipfelstürmern und Schönwetterwanderern die Idee, den Nanga Parbat des Harzes, der unter dem geradezu mächtig daherkommenden Namen „Brocken“ firmiert, zu erklimmen. Die äußeren Umstände hätten nicht besser sein können. Die Sonne schien den ganzen Tag und lediglich der eisige Wind verschob die Gipfelregion gefühlt in Richtung Polarkreis.
Das hielt die träge Masse an Aspiranten nicht davon ab, mit der Brockenbahn den langen, aber harmlosen Aufstieg zu umgehen. Wir machten uns selbstverständlich... mehr lesen
Weinstube am Brühl im Romantik Hotel am Brühl
Weinstube am Brühl im Romantik Hotel am Brühl€-€€€Restaurant, Weinstube, Hotel0394696180Billungstr. 11, 06484 Quedlinburg
4.5 stars -
"Ambitioniert vorgetragene, kreativ ausgerichtete Frischeküche mit klarem Saisonbezug, die uns insgesamt ein wenig zu „brav“ erschien" marcO74Am 02.Januar hatten wir zusammen mit ungefähr 6000 anderen Gipfelstürmern und Schönwetterwanderern die Idee, den Nanga Parbat des Harzes, der unter dem geradezu mächtig daherkommenden Namen „Brocken“ firmiert, zu erklimmen. Die äußeren Umstände hätten nicht besser sein können. Die Sonne schien den ganzen Tag und lediglich der eisige Wind verschob die Gipfelregion gefühlt in Richtung Polarkreis.
Das hielt die träge Masse an Aspiranten nicht davon ab, mit der Brockenbahn den langen, aber harmlosen Aufstieg zu umgehen. Wir machten uns selbstverständlich
Geschrieben am 07.03.2020 2020-03-07| Aktualisiert am
27.02.2021
Besucht am 01.01.2020Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 55 EUR
Am ersten Tag des Jahres führte uns eine Winterwanderung bei strahlendem Sonnenschein und eisigen Temperaturen durch das idyllische Selketal zur gut erhaltenen Burg Falkenstein, einer hochmittelalterlichen Höhenburg mit genialem Blick bis zum Brocken. Die Burggaststätte „Krummes Tor“ war nicht so ganz unser Ding und das historische „Gartenhaus“, was früher zur Gärtnerei der Burg Falkenstein gehörte und heute eine Einkehrmöglichkeit bietet, hatte am Neujahrstag geschlossen.
Auf dem Rückweg nach Quedlinburg legten wir nach kurzer Recherche bei TA einen Zwischenstopp in der ca. 3500 Einwohner zählenden Kleinstadt Gernrode ein. Dieser Ortsteil von Quedlinburg liegt am Nordrand des Ostharzes, knapp 6,5 km südlich der Welterbestadt an der Bode.
Die Bückemühle, die als eine von vielen an den Wasserläufen des Vorharzes vorkommenden Schrot- und Mehlmühlen bis 1930 betrieben wurde, ist heute ein reizvoll gelegenes Ausflugslokal mit Teichanlage und ganz viel Historie im Gebälk. Zum Anwesen gehört auch ein hübsch angelegter Garten, in dem antike Geräte aus dem Bereich Landwirtschaft zu bestaunen sind. Auch verfügt das Haus über mehrere Zimmer, Apartments sowie eine Ferienwohnung für Gäste, die übernachten wollen. Die Bückemühle
Die im Jahre 1700 erbaute Mühle war zu DDR-Zeiten ein HO-Kreisbetrieb. Im November 1997 erwarb Rüdiger Karger zusammen mit seiner Frau Kornelia das historische Kleinod am Fuße des Bückebergs. Der gelernte Instandhaltungsmechaniker, der mit 23 Jahren zum Koch umschulte, bietet mit seinem Mühlenteam eine gutbürgerlich geprägte Küche, die ihr Augenmerk speziell auf die Zubereitung von Fischgerichten legt. So wird beispielsweise der hier angebotene Räucherfisch im eigenen Räucherofen veredelt. Wir waren gespannt, was man uns in diesem rustikalen Grätentempel so auftischen würde.
Grobes Mauerwerk zierte im Parterre den verklinkerten, wuchtig wirkenden Fachwerkbau. Außenansicht
Durch eine mit nostalgischer Butzenscheibe verglaste, leicht knorrige Holztür ging es ins Innere der ehemaligen Mühle. Eingang
Wir bewegten uns auf gewollt betagtem, schon recht abgewetztem Dielenboden und dachten zuerst wir wären in einem charmant angegammelten Heimatmuseum gelandet. Ein solch kulissiges Ambiente hätten wir dann doch nicht erwartet. Innenansicht 1
Niedrige, von groben Holzbalken durchzogene Decken – für großgewachsene Gäste ist der Name der Lokalität tatsächlich Programm – und jede Menge kerniges Holzmobiliar vermittelten neben der etwas zu dick aufgetragenen, allgegenwärtigen Mühlenfolklore dennoch genügend Wohlfühlatmosphäre. Innenansicht 5
Schade, denn einige wirklich sehenswerte Schmuckstücke, wie beispielsweise der alte Kachelofen, waren von inflationär viel Deko-Plunder umzingelt. Innenansicht 4
Einrichtungsideen gut und schön, aber den Nachbau eines Mühlrads samt rührseliger Wandbemalung braucht es nun wirklich nicht, um auf die frühere Nutzung des Gebäudes hinzuweisen. Innenansicht 2
Egal, vielleicht kommen ja viele Gäste genau wegen dieses Folklore-Overkills in die Bückemühle und erfreuen sich an den antiken Fischerei- und Agrardevotionalien, die hier an den Wänden hängen. Wir saßen mittlerweile auf spärlich gepolsterten Holzstühlen und ließen das nicht unbehagliche, aber doch etwas gewöhnungsbedürftige Ambiente auf uns wirken. Innenansicht 3
Es war noch recht früh am Abend. In einem einsehbaren Nebenraum hatte es sich eine Gesellschaft bei Kaffee und Kuchen bequem gemacht. Die flinken und sehr freundlichen Servicemädels hatten uns da schon mit den Speisenkarten versorgt.
Auch auf der ersten Seite des Karger’schen Köchelkompendiums wurde auf die Historie der Örtlichkeit eingegangen. Die Worte „Liebe“ und „Sorgfalt“ wurden im Zusammenhang mit der frischen Zubereitung der Speisen genannt. Dass so etwas eine gewisse Vorbereitungszeit in Anspruch nimmt, sollte auch dem gutbürgerlichsten Kostgänger klar sein. Aber man kann den Gast ja schon im Vorfeld auf etwas längere Wartezeiten hinweisen. Warum nicht.
Maitre Karger fischt scheinbar gerne im Frischen, denn der Schwerpunkt seines Speisenangebots lag eindeutig auf regionaler Flossenware, die laut Karte aus Harzer Gewässern stammte. Allein sechs verschiedene Forellenvariationen waren gelistet. Aber auch ein paar „Zand-er-scheinungen“ – Zanderfilet au four (mit Würzfleisch und Käse überbacken) – waren darin auszumachen. Für Fischenthusiasten wurde eine Platte für zwei Personen als Spezialität des Hauses angepriesen. Für 52,50 Euro war das ein aus diversen Bratfischvarianten und Beilagen bestehendes Überraschungspaket, das wohl eher für die ganz Hungrigen gedacht war.
Die Fraktion der „Eingefleischten“ musste sich indes mit einer kleineren Auswahl begnügen. Man bewegte sich nämlich fernab von saucengeschwängerten Rind-Kalb-Schmurgeleien und fuhr in karnivorischer Zurückhaltung ein dreigliedriges Schnitzelsystem, das in den Ausstattungen „Au Four“, „Thüringer Art“ und „an Steinpilzrahm“ erhältlich war. Für Veggies hatte man immerhin ein paar Tagliatelle mit Rahmspinat in der Hinterhand. Aber uns war ja sowieso nach Fisch zumute.
Da es besonders nach anstrengenden Wanderungen gerne etwas deftiger zugehen darf, fiel uns die Entscheidung nicht allzu schwer. Vorneweg teilten wir uns eine Portion Würzfleisch (6,80 Euro), um dann aus dem Fischangebot das Forellenfilet an Senfsoße mit gebutterten Möhrchen und hausgemachtem Kartoffelpüree (18,90 Euro) sowie das Rotbarschfilet „Holzfäller Art“ (17,50 Euro) von der Wochenkarte zu ordern. Eine Flasche Mineralwasser für recht sportliche 5,50 Euro und eine Himbeerbrause vom Fass (0,4l für 3,80 Euro) komplettierten unseren Bestellvorgang.
Das Würzfleisch wurde ohne Blätterteigpastete in einem kleinen Schälchen serviert. Ein Schnitz Zitrone im Presswerkzeug, etwas Toastbrot und ein Fläschchen Worcestersauce (Lea & Perrins) gabs als Beigaben gratis dazu. Würzfleisch mit Extras
Eine nette Geste, denn „sauer“ macht ja bekanntlich „lustsch“. Wäre jedoch aus meiner Sicht nicht unbedingt notwendig gewesen.
Das mit Käse überbackene und mit einem famos abgeschmeckten Champignon-Rahmsößchen verfeinerte Jungschwein-Ragout konnte man guten Gewissens als herzhaftes Bekenntnis zur hausmannsköstlichen Landhausküche betrachten. Würzfleisch ganz nah
Es hat mir hier sogar noch besser gemundet, als ein paar Tage zuvor im Gasthaus Forelle. Ein wirklich feiner Einstieg, der dem ersten Hunger deftig die Stirn bot. So konnte es weitergehen.
Und es ging auch so weiter, denn unsere beiden recht üppig beladenen Fischteller kamen wie gerufen. Mein Rotbarschwagnis, das den Holzfäller in mir zu sättigen vermochte, kam ganz undogmatisch in ansprechender Panade und einer fast schon verwegen wirkenden Champignon-Zwiebel-Sauce daher. Rotbarsch für den Holzfäller vom Selketal
Aber Schmorzwiebeln gehören nun mal zur Waldarbeitergarnitur. Das war keine Überraschung. Die zweite Tellerhälfte wurde von einem stattlichen Hügel Kartoffelpüree eingenommen. Für den gemeinen Flachland-Weseraner wäre das schon ein schwer zu bezwingender Kalorien-3000er gewesen (Mount „KaPü“, 3149 Kalorien über dem Saucenspiegel). Mount „KaPü“, knapp 3149 Kalorien über dem Saucenspiegel
Aber wer ist schon immer um leichtfüßige Sättigung bemüht. Manchmal braucht es diese herzerwärmenden Deftspeisen, die ohne viel Tralala auskommen und nach ehrlichem Küchenhandwerk schmecken. So auch die Senfsauce, die man großzügig über die beiden der Bratpfanne enthobenen Forellenfilets meiner Gattin gegossen hatte. Forelle satt...
Sie war begeistert. Und zwar sowohl vom saftig gebratenen Teichgezücht, dem herzhaften, mit ordentlich Senfkörnern ausgestatteten Beiguss, als auch vom generös gebutterten Püree.
Dass sie danach noch einen Schierker Feuerstein (2,60 Euro) zur Prä-Verdauung hinterherschickte, war nicht nur ihrem opulenten Fischmahl geschuldet. Für sie gehört dieser vor über 100 Jahren vom Apotheker Willy Drube kreierte Kräuterlikör einfach zum Harz wie die Gelbschmiere an den Roller.
Nach einem kleinen Plausch über einen Harzer Brotaufstrich namens „Pottsuse“ – einer aus Schweinefleisch, Schmalz und Gewürzen hergestellten „Zonen-Rillettes“, die man in der Bückemühle selbst herstellt – verließen wir die historische Schänke. Sollten wir mal wieder in der Nähe sein, hier würden wir sofort wieder einkehren. Und dann natürlich auch den legendären „Müller-Schluck“, einen regionalen Kräuterlikör aus Bad Lauterberg, genießen.
Am ersten Tag des Jahres führte uns eine Winterwanderung bei strahlendem Sonnenschein und eisigen Temperaturen durch das idyllische Selketal zur gut erhaltenen Burg Falkenstein, einer hochmittelalterlichen Höhenburg mit genialem Blick bis zum Brocken. Die Burggaststätte „Krummes Tor“ war nicht so ganz unser Ding und das historische „Gartenhaus“, was früher zur Gärtnerei der Burg Falkenstein gehörte und heute eine Einkehrmöglichkeit bietet, hatte am Neujahrstag geschlossen.
Auf dem Rückweg nach Quedlinburg legten wir nach kurzer Recherche bei TA einen Zwischenstopp in der... mehr lesen
4.0 stars -
"Rustikales Fischvergnügen in historisch-folkloristischer Umgebung" marcO74Am ersten Tag des Jahres führte uns eine Winterwanderung bei strahlendem Sonnenschein und eisigen Temperaturen durch das idyllische Selketal zur gut erhaltenen Burg Falkenstein, einer hochmittelalterlichen Höhenburg mit genialem Blick bis zum Brocken. Die Burggaststätte „Krummes Tor“ war nicht so ganz unser Ding und das historische „Gartenhaus“, was früher zur Gärtnerei der Burg Falkenstein gehörte und heute eine Einkehrmöglichkeit bietet, hatte am Neujahrstag geschlossen.
Auf dem Rückweg nach Quedlinburg legten wir nach kurzer Recherche bei TA einen Zwischenstopp in der
Geschrieben am 01.03.2020 2020-03-01| Aktualisiert am
27.02.2021
Besucht am 29.12.2019Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 42 EUR
Nach der panierten Ernüchterung in Thale beim Mittagessen sollte es am ersten Abend in Quedlinburg kulinarisch wieder etwas aufwärts gehen. Ein Spaziergang durch die pittoreske, mittelalterlich geprägte Altstadt führte uns zu Mom’s Burger. Ein Laden, der angeblich seine Buns selber backt und auf regionales Fleisch von einem Landgut aus der Umgebung setzt. Obwohl wir noch gut innerhalb der Öffnungszeiten lagen, hatten wir kein Glück. Aufgrund des ruhigen Abends hatte man in dem Burger-Bistro schon vorzeitig den Grill ausgeschaltet. Shit happens! Die Einburgerung musste verschoben werden.
Dann eben ein paar Schritte weiter zum Brauhaus Lüdde, das bei TA sogar noch einen Rang höher gelistet stand. Doch dort tanzte der Bär. Nachdem uns sämtliche, schwer beschäftigten Bedienungen geflissentlich ignorierten und uns die vom bierseligen Treiben geschwängerte Luft arg stickig vorkam, verließen wir auch diese Quedlinburger Einkehrmöglichkeit unverrichteter Dinge.
Schon auf dem Weg dorthin, wies uns ein Schild den Weg durch eine kleine Gasse zu einem Tapas-Lokal namens „Del Quixote“. Aller guten Dinge wären ja bekanntlich drei. Also starteten wir einen erneuten Versuch. Wir liefen die Wordgasse entlang und bogen in den Bunten Hof am Ständerbau, einem denkmalgeschützten Fachwerkhaus, in dem das Fachwerkmuseum Quedlinburg untergebracht ist, ein. Eingangstor zum Innenhof
Die auffällig illuminierte, vom Quedlinburger Figurenkünstler Jochen Müller gefertigte Skulptur des „Ritters von der traurigen Gestalt“ saß in Lebensgröße auf einem Radabweiser (Prellstein) vor dem Tor und deutete uns unmissverständlich an, wohin unsere kulinarische Reise an diesem Abend gehen sollte, nämlich in den Innenhof des schmucken Anwesens. Die Don Quixote-Skulptur von Jochen Müller
Dort befand sich auf der rechten Seite im Erdgeschoss des hübsch sanierten Hauses das andalusische Restaurant. Die Reste eines Weihnachtsausschanks waren samt Pavillon und Lichterketten noch vorhanden. Unter der Bezeichnung „Spanischer Hof Nr. 11“ wurden hier am ersten, zweiten und dritten Adventswochenende im Rahmen der Aktion „Advent in den Höfen“ heißer Sangria zu spanischen Köstlichkeiten ausgeschenkt. Die Reste der Vorweihnachtszeit...
Wir blickten von außen durch die Fenster in den heimelig wirkenden Gastraum und waren enttäuscht, denn es waren alle Plätze belegt. Nun, reingehen und fragen kostet ja bekanntlich nichts, also wagten wir einen letzten Anlauf. Just in dem Moment, als wir die Tür hinter uns schlossen, erhob sich ein älteres Ehepaar hinten im Eck, um das Lokal nach bereits vollzogenem Abendmahl zu verlassen. Da war schnelles Nachfragen und Hinsetzen angesagt.
Die Hausherrin und Servicechefin Ulrike Lavilla Muriel, deren sympathische Art uns gleich herzlich willkommen hieß, sorgte prompt für aufgeräumte Tischverhältnisse. Seit Mai 2016 führt sie nun schon zusammen mit ihrem Mann Manuel das kleine, etwas versteckt liegende Lokal in der Quedlinburger Altstadt. Der gelernte Hotelfachwirt Manuel kümmert sich in der Küche um die Zubereitung der Speisen. Seine Küche ist klar an seinen andalusischen Wurzeln orientiert. Laut Homepage waren es die traditionellen Gerichte seiner beiden Großmütter, die ihn an den Herd lockten.
Nun hat sich mein Verhältnis zu den spanischen Petitessen in den letzten Jahren etwas abgekühlt. Früher war ich deutlich öfter im Restaurant „Las Tapas“ in Germersheim zugange. Nach diversen Besuchen in Spanien und Mallorca, verloren die dort angebotenen, eingedeutschten Preziosen aus den kleinen Tonschälchen deutlich an Anziehungskraft. Wer sich einmal im „El Tapas de Flanigan“ in Palma de Mallorca ein paar Tapas oder Raciones geteilt hat, weiß wovon ich spreche.
Ich saß direkt vor dem üppig gefüllten Weinregal und blickte auf eine große Auswahl an Reservas und Gran Reservas verschiedener spanischer Anbaugebiete (Navarra, Valdepeñas, etc.). Teil des Weinregals zu meiner Linken
Der schätzungsweise um die dreißig Personen fassende Gastraum wirkte von der Einrichtung her etwas zusammengewürfelt, hatte aber durchaus seinen Charme. Helles Holz fand sich nicht nur bei den blanken Tischplatten, sondern auch an der Wandverkleidung, raumteilenden Balken und dem Boden wieder. Innenansicht 2
Über ein paar Stufen erreichte man an der Stirnseite einen etwas erhöhten Teil des Gastraumes, der teilweise von einer derben mit Holzplanken verkleideten Brüstung abgegrenzt war. Von der Decke baumelten improvisiert anmutende Hängeleuchten, die ihre Umgebung in recht angenehmes Licht rückten. Ich starrte hingegen auf ein großformatiges Wandplakat, das mir sie spanische Genusskultur in Wort und Bild näherbringen wollte. Innenansicht 1
Die kleine, mit hübschen Illustrationen von Jochen Müller, seines Zeichens Diplom-Metallgestalter und bekannter Quedlinburger Figuren- und Skulpturenkünstler, versehene Tapaskarte zum Aufklappen listete gerade einmal vier kalte und neun warme Kleingerichte andalusischer Provenienz. Eine gemischte Tapasplatte für zwei Personen (32,50 Euro) wurde auch in einer rein vegetarischen Variante angeboten. Zusätzlich wurden ein paar Klassiker aus dem südlichen Teil Spaniens offeriert. Alboronia, ein vegetarisches Eintopfgericht aus Andalusien, geschmorte Kaninchenkeule und im Ofen geschmorter Schweinenacken in PX-Sauce waren für knapp unter 20 Euro zu haben.
Ein überschaubares und deshalb umso sympathischer wirkendes Angebot an Leckereien, das uns trotzdem vor Entscheidungsnöte stellte. Ein frisch gezapftes San Miguel vom Fass (0,4 l für 3,90 Euro) und eine Flasche Mineralwasser (4,90 Euro) bereiteten dem abendlichen Durst ein jähes Ende. Dem heiligen Michael zu Ehren
Mir hatte es das Carne al Diablo (6,90 Euro), im Ofen gegarte Stücke vom Schweinenacken mit scharfer Sauce und Runzelkartoffeln angetan. Auch dem in Essig, Kümmel und Lorbeer marinierten Hähnchenbrustfilet (5,90 Euro), das in Olivenöl kross frittiert und mit roter Mojo Picón-Sauce serviert wurde, konnte ich nicht widerstehen.
Meine Frau dagegen entschied sich für die mit Sherry abgelöschten Schmor-Champignons (4,90 Euro) und die besagte Alboronia, allerdings in der Tapas-Version für 5,90 Euro. Ein halbes Ciabatta-Brot (1,90 Euro) zum Saucetunken wurde vorsorglich gleich mitbestellt.
Den in dunklen Schälchen gleichzeitig servierten Kleingerichten sah man den Verzicht auf Fertigware gleich an. Ein Umstand, der mich über die zuletzt gemachten Convenience-Erfahrungen im früheren Germersheimer Stamm-Tapa-Lokal etwas hinwegtröstete. Die Saucen schmeckten nach fachkundigem Handwerk, was sich besonders gut bei meinem herrlich mürben Schweinenacken bemerkbar machte. Zusammen mit den in Salzwasser gekochten Kartoffeln war das ein extrem schmackiges Gericht, das mediterrane Gefühle mitten im kalten Quedlinburger Winter zu wecken vermochte. Das Carne al Diablo
Meine Frau war ganz hin und weg von den Champignons, die sie als bekennende Sherrytante in vollen Zügen genoss. Kein Tröpfchen, des mit Knoblauch und Chili verfeinerten Pilz-Suds wurde – Ciabatta sei Dank – übriggelassen. Die Sherry-Champignons
Auch der aus Zucchini, Auberginen, Kürbis, Kichererbsen und Tomaten bestehende Veggie-Eintopf mundete hervorragend. Kein Wunder bei den Zutaten! Der andalusische Veggie-Eintopf
Das säuerliche, knusprig frittierte Hähnchenbrustfilet – eine Art andalusischer „Chicken Nuggets“ – passte ganz ausgezeichnet zur separat im Schälchen mitgelieferten, scharfen Mojo-Sauce. Vom Geschmack her ließen die saftigen Hühnerteile durchaus den Vergleich mit dem asiatischen Tamarinden-Aroma zu. In Kombi mit der Mojo Picón war das im Ergebnis eine pikant-säuerliche Gaumenaufgabe, der ich mich mit Inbrunst stellte. Die spanischen Chicken Nuggets
Zum Dessert gönnten wir uns noch zwei Sherrys aus der Weißweinsorte Pedro Ximenez. Dass sich mit einem „Peter Siemens“ ein Tapas-Mahl zum würdigen Abschluss bringen lässt, weiß man eben nicht nur an der Weser. So hatte der anfangs in gastronomischer Hinsicht etwas holprig begonnene erste Abend in Quedlinburg ein durchaus köstliches Ende gefunden. Fortsetzung folgt…
Nach der panierten Ernüchterung in Thale beim Mittagessen sollte es am ersten Abend in Quedlinburg kulinarisch wieder etwas aufwärts gehen. Ein Spaziergang durch die pittoreske, mittelalterlich geprägte Altstadt führte uns zu Mom’s Burger. Ein Laden, der angeblich seine Buns selber backt und auf regionales Fleisch von einem Landgut aus der Umgebung setzt. Obwohl wir noch gut innerhalb der Öffnungszeiten lagen, hatten wir kein Glück. Aufgrund des ruhigen Abends hatte man in dem Burger-Bistro schon vorzeitig den Grill ausgeschaltet. Shit happens!... mehr lesen
Del Quixote
Del Quixote€-€€€Restaurant03946 5197481Blasiistraße 7, 06484 Quedlinburg
4.0 stars -
"Spanisch ging das Gastrojahr zu Ende oder: statt kulinarischer Windmühlenkämpfe gab es feine, hausgemachte Tapas, die auch dem heiligen Michael („San Miguel“) und seinem Komplizen Peter Siemens („Pedro Ximenez“) ein breites Mojo-Grinsen bereitet hätten" marcO74Nach der panierten Ernüchterung in Thale beim Mittagessen sollte es am ersten Abend in Quedlinburg kulinarisch wieder etwas aufwärts gehen. Ein Spaziergang durch die pittoreske, mittelalterlich geprägte Altstadt führte uns zu Mom’s Burger. Ein Laden, der angeblich seine Buns selber backt und auf regionales Fleisch von einem Landgut aus der Umgebung setzt. Obwohl wir noch gut innerhalb der Öffnungszeiten lagen, hatten wir kein Glück. Aufgrund des ruhigen Abends hatte man in dem Burger-Bistro schon vorzeitig den Grill ausgeschaltet. Shit happens!
Geschrieben am 24.02.2020 2020-02-24| Aktualisiert am
01.03.2021
Besucht am 29.12.2019Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 37 EUR
„Harz aber herzlich!“ – so unser Motto, als wir zum Jahresausklang ein paar Tage in Quedlinburg verbrachten. Bodetal, Hexentanzplatz, Teufelsmauer, Selketal und natürlich Sachsen-Anhalts Berg der Berge, der Brocken, waren in Reichweite und wollten von uns erkundet werden. Kurz vor unserem Ziel machten wir in der Kleinstadt Thale halt, einem staatlich anerkannten Erholungsort, der bekannt ist für seine beeindruckenden Naturdenkmäler.
Der Hunger und die strategisch günstige Randlage des Gasthauses Forelle – wir mussten nicht erst in den Ort hineinfahren – nahmen uns die Entscheidung bezüglich der Einnahme unseres Mittagessens ab. Außenansicht 1
Gutbürgerlich sollte es hier zugehen und die Gerichte rund um die namensgebende Forelle wären auch nicht zu verachten, war gleich mehreren TA-Bewertungen zu entnehmen. Die Webseite des Lokals versprach gediegene Hausmannskost in rustikalem Ambiente. Außenansicht 2
Also wurde kurzerhand das Gefährt auf dem hauseigenen Parkplatz abgestellt und zielgerichtet die Eingangstür anvisiert. Drinnen war einiges los. Wir hatten Glück in dem herrlich anachronistisch wirkenden Gastraum noch einen freien Tisch zu bekommen. Der helle Linoleum-Boden und der etwas erhöhte, mit dunklem Holz verkleidete Tresen versprühten noch ehrliche „Ostalgie“. Innenansicht 1
Das archaisch anmutende Flair früherer HO-Gaststätten suchte man jedoch vergeblich. Zwei ältere Damen führten auf freundliche Art und Weise das Servierregiment und statteten uns zeitnah mit der opulent bebilderten Speisenkarte aus.
Das Frische-Credo des Küchenchefs Frank Teller zierte dann auch gleich die erste Seite seines Köchelverzeichnisses. Kein Geringerer als die französische Kochlegende schlechthin, Paul Bocuse, wurde da zitiert. Für ein Gasthaus, das sich komplett den Deftigkeiten gutbürgerlicher, deutscher Hausmannskost verschrieben hatte, klang das zwar ein wenig unpassend, aber nun gut. Wir saßen ja bereits und gönnten uns mittlerweile einen halben Liter Selters für erträgliche 3,50 Euro. So schlimm wird das schon nicht werden, sagte mir mein Bauchgefühl.
Und es hatte recht. Das süffig-pikante Würzfleisch (5,50 Euro), welches wir uns als Vorspeise teilten, wurde klassisch in einer staubtrockenen Blätterteigpastete geliefert. Die schmackhafte Sauce hatte nicht nur ordentlich Bumms, sondern war auch von einer angenehmen, für dieses nostalgische Ostgericht typischen Säure geprägt. Ein Schelm, der „Worcester“ dabei denkt. Würzfleisch, das Ragout fin des Ostens
Wahrscheinlich hatte man der ostdeutschen Abwandlung des Ragout fin mit etwas Cayenne-Pfeffer auf die Sprünge äh Schärfe geholfen. Das kleingewürfelte, vermutlich aus der Schulter stammende Schweinefleisch war schön mürbe gegart und fiel erfreulicherweise nicht zu trocken aus. Aus kulinarischer Sicht war das ein durchaus gelungener, da authentischer Einstieg in den Urlaub im Ostharz.
Die Tatsache, dass man im Gasthaus Forelle kein überbordendes Speiseprogramm fährt, war mir von Anfang an sympathisch. Lediglich vier Vorspeisen (Tomaten-Paprika-Süppchen, Möhren-Kokos-Suppe, Würzfleisch und ein kleiner gemischter Salat) standen zur Wahl. Und auch bei den Hauptgerichten aus Topf und Pfanne zählte ich lediglich sechs Positionen. Harzer Rostbrätel, Schweinesteak „au four“ (mit Würzfleisch und Käse überbacken) und Hirschrückensteak an Kartoffelrösti (mit knapp 23 Euro das teuerste Gericht auf der Karte) standen für Fleischgesinnte gelistet.
Zu den drei gebratenen Forellen-Variationen, die sich nur marginal in ihrer Garnitur unterschieden und mit den Beinamen „Müllerin“, „Feinschmecker“ und „Gärtnerin“ das Bilderbuch zierten, gesellten sich noch Fisch-Curry, gebratenes Zanderfilet sowie eine „Troika“ aus Fluss und Meer, bei der sich Forelle, Zander und Lachs zusammen auf dem Teller versammelten. So weit, so fleisch- bzw. fischlastig. Kein Veggie-Gericht fand sich auf dem Speisezettel wieder. In der heutigen Zeit in so mancher Hinsicht bemerkenswert.
Für meine Frau war das nicht weiter tragisch, denn sie war ja schon aufgrund des Namens der Lokalität auf Schuppentierverzehr programmiert. Da kam ihr die „Müllerin“ (14,50 Euro) gerade recht. Meinereiner entpuppte sich ganz überraschend als gutbürgerlicher Redundanzesser und wählte das panierte Schweineschnitzel mit „frischen“ Rahmchampignons und Bratkartoffeln. So stand das jedenfalls für 13,90 Euro in der Speisefibel.
Die kulinarische Wirklichkeit sah dann auf meinem Teller etwas anders aus. Die Pilze waren aus dem Glas, was die Sauce nicht besser machte. Dann kann man sich auch den Frische-Vermerk auf der Karte sparen. Außerdem lagen anstelle der erhofften Bratkartoffeln vier frisch frittierte TK-Röstitaler neben dem schweinernen Panierstück, das wohl etwas zu lange den Kontakt zum Pfannenboden genossen hatte. Knusprig hin oder her, es „escalopierte“ an den Rändern doch stark in Richtung Trockenverzehr. Von gleichmäßig gebräunter Ummantelung keine Spur – das also war des Schnitzels (heller) Kern! Der Schnitzelteller Schnitzel im Detail
Insgesamt war das sicher keine Bravourleistung deutscher Hausmannskost, denn auch der Sauce fehlte es an Substanz. Von geschmacklicher Tiefe ganz zu schweigen. Neidisch musste ich anerkennen, dass Frau Müllerin, die mit Zitrone im Maul, Salzkartoffeln und Meerrettichcreme serviert wurde, deutlich mehr hermachte. Das Filetieren ging meiner Frau flott von der Hand und sie zeigte sich begeistert vom perfekten Gargrad ihres Fangs. Der von zerlassener Butter benetzten Forelle mangelte es auch nicht an Würze. Vielleicht hätten die Kartoffeln etwas mehr Biss haben können, aber der etwas älteren Klientel des Hauses dürfte die etwas weichere Konsistenz wohl eher zusagen. Die gebratene Müllerin
So durften wir zwar gut gesättigt, aber nur teilweise zufrieden das Gasthaus zu Thale verlassen und die letzten Kilometer in Richtung Quedlinburg zurücklegen. Erfreulicherweise konnten wir uns dort noch am selben Abend kulinarisch etwas rehabilitieren. Dass dies ausgerechnet beim Spanier passierte, war dann eher Zufall. Fortsetzung folgt…
„Harz aber herzlich!“ – so unser Motto, als wir zum Jahresausklang ein paar Tage in Quedlinburg verbrachten. Bodetal, Hexentanzplatz, Teufelsmauer, Selketal und natürlich Sachsen-Anhalts Berg der Berge, der Brocken, waren in Reichweite und wollten von uns erkundet werden. Kurz vor unserem Ziel machten wir in der Kleinstadt Thale halt, einem staatlich anerkannten Erholungsort, der bekannt ist für seine beeindruckenden Naturdenkmäler.
Der Hunger und die strategisch günstige Randlage des Gasthauses Forelle – wir mussten nicht erst in den Ort hineinfahren – nahmen... mehr lesen
3.0 stars -
"In Thale grüßt die Müllerin" marcO74„Harz aber herzlich!“ – so unser Motto, als wir zum Jahresausklang ein paar Tage in Quedlinburg verbrachten. Bodetal, Hexentanzplatz, Teufelsmauer, Selketal und natürlich Sachsen-Anhalts Berg der Berge, der Brocken, waren in Reichweite und wollten von uns erkundet werden. Kurz vor unserem Ziel machten wir in der Kleinstadt Thale halt, einem staatlich anerkannten Erholungsort, der bekannt ist für seine beeindruckenden Naturdenkmäler.
Der Hunger und die strategisch günstige Randlage des Gasthauses Forelle – wir mussten nicht erst in den Ort hineinfahren – nahmen
Geschrieben am 23.02.2020 2020-02-23| Aktualisiert am
01.03.2021
Besucht am 28.12.2019Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 20 EUR
Es war Tag 1 nach Grashoff. Der stand natürlich primär im Zeichen der Ausnüchterung und Erholung von der Nacht zuvor. Entsprechend spät am Mittag fuhren meine Frau und ich in Richtung Lehester Deich, um uns entlang der Wümme ein wenig die Beine zu vertreten. Ein wenig Oberblockländer Luft konnte ja nicht schaden.
Das kulinarische Ziel des Abends stand zu dem Zeitpunkt schon fest. Wie im letzten Jahr sollte es im familiären Kreis zum griechischen Gotterböten der Neuen Vahr Nord, den von mir bereits rezensierten Hellenentempel Hermes, gehen.
Wie hungrig der Körper doch immer wieder auf die Kombination aus frischer Luft und Bewegung reagiert. Dieses mir nicht gänzlich unsympathische Phänomen brachte eine Spontaneinkehr im direkt am Wümmedeich gelegenen Landhaus Kuhsiel mit sich. Außenansicht
Meine Frau war von dieser Idee weitaus weniger begeistert, da sie sich noch genügend Hunger für die Vorspeisenplatte beim Griechen aufheben wollte. Auch auf die Gefahr hin, dass ich wohl der einzige am Tisch mit Essenswunsch sein würde, betraten wir das vor knapp drei Jahren komplett renovierte Traditionslokal, das schon von außen einen sehr gepflegten Eindruck machte.
Das für seine Kohlfahrten bekannte Ausflugslokal wird seit dem Frühjahr 2017 von der Gastronomin Galyna Bielefeld geführt. Diese hatte schon vorher Erfahrungen in verschiedenen Bremer Lokalitäten gesammelt (zum Beispiel im Restaurant „Zum Platzhirsch“ in Bremen-Lehe), ehe sie sich dazu entschloss, aus der „alten Muffbude“ einen mit wertigen Materialien ausgestatteten, äußerst ansprechend wirkenden Landgasthof zu machen.
Und so staunten wir nicht schlecht, was sich hinter der schmucken, von dunklen Holzbalken und hellem Klinker gesäumten Fassade befand. Beim zeitgemäßen Bistromobiliar dominierte helles Holz, das sich nicht nur in Form der blanken Tischplatten wiederfand, sondern auch als freiliegende Deckenbalken und raumteilende Säulen zugegen war. Neben einfachen Sitzgelegenheiten aus dunkel lackiertem Holz, waren auch ein paar wesentlich bequemere Schalensessel auszumachen. Diese allerdings nur vereinzelt. Innenansicht 3
Spots von der Decke, Vintage-Lampen und indirekte Decken- und Wandfluter sorgten in der Summe für angenehme Lichtverhältnisse. Der in der Mitte des Gastraums platzierte Kamin bildete dabei sozusagen das lauschige Epizentrum des Landhauses. Um ihn herum gruppierten sich ein paar gepolsterte Sessel. Es gibt sicher schlechtere Orte, um sich nach einem Winterspaziergang aufzuwärmen. Innenansicht 1
Mit den ausliegenden Kuhfellen holte man ein wenig Alpenflair an den Wümmedeich. Sicher wollte man auch bei der Einrichtung dem Namen des Gasthofs ein wenig Rechnung tragen. Damit erklärte sich auch das überdimensionale Porträt einer Kuh, das den gegenüberliegenden Wandbereich zierte. Zu unserer Linken befand sich der hell erleuchtete Ausschankbereich, der von inflationär vielen frei herabhängenden Glühbirnen ge“vintaged“ wurde. Rechts von uns prangte eine riesige Schiefertafel mit den Empfehlungen der Küche sowie ein paar Infos zum Mittagstisch und dem Frühstücksangebot. Innenansicht 2
Man reichte uns die Speisenkarten, die ein breit aufgestelltes Programm an regionalen (Labskaus, Bremer Knipp, Sauerfleisch, etc.) und gutbürgerlichen (Puten Cordon Bleu, Boeuf Stroganoff, gebratene Kalbsleber) Gerichten listete. Mit der Wümmeplatte kultivierte man die norddeutsche Brotzeit, mit den hausgemachten Teigtaschen (Quark-Kartoffel-Füllung) wurde Fleischverzichtern eine vegetarische Alternative geboten.
Ein paar Pastagerichte, diverse Salate und der leider nicht mehr wegzudenkende Flammkuchen (hier in vier verschiedenen Ausführungen) komplettierten den reichhaltigen Speisezettel des Landhauses.
Mir persönlich wäre weniger natürlich lieber gewesen. Denn eine derart große Palette an Gerichten geht zwangsläufig auf Kosten der Produktfrische. Aber gut, es sollte ja auch nur eine Kleinigkeit sein, die mir die Zeit bis zur abendlichen Hellenenkost verkürzen sollte. Da musste ich mich nun entscheiden und das fiel mir bei der opulenten Auswahl gar nicht leicht. Das Kräuterrahmsüppchen mit Stremellachs (6,50 Euro) lockte. Die mediterranen Weinbergschnecken mit Baguette (8,20 Euro) dagegen weniger.
Flammkuchen kam gar nicht in Frage. Das wäre einem Verrat am eigenen Alter Ego („Elsassinator“) gleichgekommen. Nein, es sollte etwas Deftiges aus der Region sein. Und da hier schon vor Urzeiten Torfkähne durch das benachbarte Siel schipperten, fiel meine Wahl auf die „Torf Schnitte“ (10,80 Euro) – einem hausgemachten Hackbraten im Bacon-Mantel mit dunkler Bratensauce, geschmortem Spitzkohl und Kartoffelstampf – genau die richtige „Kleinigkeit“, um gut gesättigt dem kalten Bremer Deichwind zu trotzen.
Noch heute hört man in diesem idyllisch-ländlichen Teil der Hansestadt an der Weser Teilnehmer von Kohlfahrten den alten Klassiker der Gruppe Torfrock grölen: „Unser Boss is’n Torfstechermeister, der zählt den Torf und Borgi heißt er…“. So weit, so nostalgisch.
Inzwischen hatte uns der freundliche Kellner eine Flasche Vilsa Mineralwasser gebracht (0,75l für 5,90 Euro). Der Alkoholentzug infolge des Vorabends war bitter nötig und in vollem Gange. Meine Frau erwärmte sich indessen an einem Latte Macchiato (3,70 Euro) und war genauso gespannt wie ich, was man dem Adular Zech aus der Pfalz da wohl auftischen würde.
Den üppig bestückten Teller für hungrige Torfstecher zierten zwei ordentliche Scheiben besagten Hackbratens. Der Adular-Zech-Gedächtnisteller (aka Torf Schnitte)
Auch mit der Beigabe von Spitzkohl wurde nicht geknausert. Ebenso verhielt es sich mit dem anständig gebutterten Kartoffelpüree, das seiner Form nach mit Hilfe einer Spritztüte den Weg auf den Teller fand. Gut, dass mich meine Frau in Sachen Spitzkohl ein wenig unterstützte. ...eigentlich zwei Torf Schnitten...
Das Püree war ohne Fehl und Tadel. Die beiden Hackfleischscheiben geizten nicht mit pikanter Würze. Dem nicht gerade homöopathischen Einsatz von Salz verdankte ich übrigens das problemlose Leeren der Mineralwasserflasche.
Trotzdem war es in der Summe ein positives Sättigungserlebnis im hübsch renovierten Landhaus am Wümmedeich. In Borgis Jugendrevier wildert man schließlich nicht alle Tage. Und wer die mehrgängigen Gaumenorgien des Bremer Vorzeigekritikers kennt, weiß auch, dass sein gut gedehnter Magen nicht von irgendwoher stammt. Denn auf dem Wümmedeich ist sicherlich noch kein Borgfelder verhungert.
Es war Tag 1 nach Grashoff. Der stand natürlich primär im Zeichen der Ausnüchterung und Erholung von der Nacht zuvor. Entsprechend spät am Mittag fuhren meine Frau und ich in Richtung Lehester Deich, um uns entlang der Wümme ein wenig die Beine zu vertreten. Ein wenig Oberblockländer Luft konnte ja nicht schaden.
Das kulinarische Ziel des Abends stand zu dem Zeitpunkt schon fest. Wie im letzten Jahr sollte es im familiären Kreis zum griechischen Gotterböten der Neuen Vahr Nord, den... mehr lesen
4.0 stars -
"Auf dem Wümmedeich ist noch keiner verhungert!" marcO74Es war Tag 1 nach Grashoff. Der stand natürlich primär im Zeichen der Ausnüchterung und Erholung von der Nacht zuvor. Entsprechend spät am Mittag fuhren meine Frau und ich in Richtung Lehester Deich, um uns entlang der Wümme ein wenig die Beine zu vertreten. Ein wenig Oberblockländer Luft konnte ja nicht schaden.
Das kulinarische Ziel des Abends stand zu dem Zeitpunkt schon fest. Wie im letzten Jahr sollte es im familiären Kreis zum griechischen Gotterböten der Neuen Vahr Nord, den
Geschrieben am 13.02.2020 2020-02-13| Aktualisiert am
01.03.2021
Besucht am 27.12.2019Besuchszeit: Abendessen 6 Personen
Rechnungsbetrag: 787 EUR
Ende des Jahres war es dann endlich soweit. Drei „guides culinaires“ fanden sich inklusive ihrer charmanten Gattinnen beim Tabellenführer ein. Nein, die Rede ist nicht vom Arena Bistro in München Fröttmaning. Der aufmerksame Leser dieses Portals weiß natürlich, wo der Bremer Lokalmatador seine GG-Schäfchen ins Trockene brachte. Einer der Teilnehmer des illustren Hedonistenzirkels, Carsten1972, hat ja bereits sehr zeitnah davon berichtet. Und für die Rezension des Schirmherrn der Veranstaltung werden wir wohl noch ein wenig Geduld aufbringen müssen…
Zur Überbrückung nun also die Sichtweise eines Auswärtigen, der sich unbeeindruckt von der Völlerei an den Festtagen und den vorweihnachtlichen Rippenbekenntnissen im Bergischen Land auf diese Oldschool-Schlemmerei mit Gleichgesinnten im „Kleinfrankreich an der Weser“ – von einheimischen Gourmets kurz und knapp „das Grashoff“ genannt – freute.
Vorweg möchte ich jedoch erstmal ein paar Dankesworte an den Organisator dieses Abends entrichten. Mit passionierter Hingabe hatte sich dieser schon im Vorfeld durch den privaten Weinkeller von Chefin und Sommelière de Rang Elke Schmidt gesoffen, nur um den geladenen Riesling- und Tannin-Banausen die volle Silex-Ladung vor ihr altsteinzeitliches Weinverständnis zu knallen. Mein guter Borgi, das hast du wirklich gut hingekriegt. Und noch besser bezahlt (siehe Überschrift).
Über den ganz besonderen Zauber dieser zum kulinarischen Kulturgut der Hansestadt zählenden Enklave des guten Geschmacks hat sich der freundliche, quasi ums Eck residierende GG-Genosse schon in aller Ausführlichkeit ausgelassen. Das war im Herbst 2018 im Zuge seiner Streifzüge durch die Bremer Top-Gastronomie. Deshalb spare ich mir die Anmerkungen zur interessanten Gastrohistorie des Grashoff, die sich auch beim Gang zur Toilette anhand mehrerer gerahmter Info-Collagen gut nachverfolgen ließ.
Auch das Innenleben des mit reichlich französischem Flair ausgestatteten Bistrobereichs wurde von der wortgewandten Weserfeder gewohnt präzise dargelegt. Von der dreiseitig durchlaufenden, knallroten Wandbank mit Lederüberzug, den dicht an dicht stehenden, mit Leinen überzogenen Tischen, dem Sammelsurium gerahmter Fotomotive an den Wänden bis hin zur zweckmäßigen Anrichte im Zentrum des Geschehens hat er kein Detail ausgelassen. Bistro-Impression 1 Bistro-Impression 2
Die Betreiber des Grashoffschen Bistros dagegen schon. Der fehlende Gourmetlöffel brachte das Genussgemüt des skrupellosen Soßenauslöfflers scheinbar mehrfach ins Wanken.
Solche „Peanuts“ fielen der versammelten Hedonistenfraktion an jenem Freitagabend kurz nach Weihnachten jedoch nicht auf. Bei so viel Kommunikation – ja es war laut im Grashoff und wir trugen massiv dazu bei – am Tisch treten manche Dinge automatisch in den Hintergrund.
Zur Einstimmung nahmen wir den Aperitif, einen von der Hausherrin spendierten, wunderbar moussierenden Flaschengärer namens „Extra Brut Reserve“ vom Weingut Loimer aus dem Kamptal (Niederösterreich) mehr oder minder im Stehen am Ausschanktresen ein. Dieser riegelt quasi den wesentlich geräumigeren Feinkostbereich des Lokals von der auf den ersten Blick recht unscheinbar anmutenden Bistro-Abteilung ab.
Ein hoher Kuschelfaktor – lediglich 22 Plätze stehen hier den Gästen zur Verfügung – war von Anfang an garantiert. Das ältere Pärchen am Nachbartisch tat mir da schon fast leid, mussten sie doch die Verbal-Eskapaden von drei mehr (…der gewohnt maßlose Norddeutsche) oder weniger (…der bekanntermaßen asketische Südländer) angetrunkenen Rezensenten ertragen. Gut, dass wenigstens unsere Mädels nicht noch dicker auftrugen, indem sie noch mehr „Geselligkeits-Öl“ in unser ohnehin schon recht mitteilungsfreudiges Tischfeuer gossen. Die Mischung macht’s halt und die war natürlich an diesem Abend vom Feinsten.
Großen Anteil an unserer ausgelassenen Stimmung hatte auch die Gastgeberin Elke Schmidt, die uns auf ausdrücklichen Wunsch unseres Häuptlings „Schluckender Specht“ umsorgte. Sie meisterte den Spagat zwischen Lockerheit und Seriosität auf ganz hohem Niveau. Ihre sehr persönliche, alles andere als dogmatische Weinberatung („wir hätten da noch einen illegalen Roten aus Italien…“), war mir sofort sympathisch. Ob gereifte Spitzengewächse für das Weißweinduo aus dem Norden oder etwas ganz Individuelles jenseits ausgetrampelter Pfade für das Pfälzer Rotweinkehlchen, sie bewies auf jedem Terrain ein sicheres Händchen.
Ich klappte die in apartem Rot gewandete Speisenkarte auf und gleich auf der ersten Seite wimmelte es nur so vor appetitanregenden, französischen Vorspeiseklassikern. Ich zählte acht kalte und neun warme Vorweggerichte, die von der Verarbeitung qualitativ hochwertiger Produkte kündeten. Kein Wunder, ist man doch schon aus feinköstlichen Gründen hier mit sehr guten regionalen und internationalen Viktualien bestückt. Dass sich dieser Umstand in den gehobenen Preisen wiederspiegelte, war dann auch nicht wirklich eine Überraschung.
Alles war in Bewegung, der Gesprächsfluss lief wie „geölter Sauternes“. Frau Schmidt wurde mehrfach vertröstet, da sich einzelne Mitglieder der Tischgruppe lieber mit Bagatellen wie beispielsweise der Weinbeschaffung in der Pfalz oder dem letzten Berlin-Trip des Borgmeisters, auseinandersetzten als mal einen ernsthaften Blick in die Karte zu werfen.
Plötzlich eröffnete jemand den fast nicht enden wollenden Bestellreigen. Keine Ahnung, warum die meisten am Tisch nur Vorspeisen orderten. Vielleicht lag es an der gerade mal drei Fleisch- und drei Fischgänge zählenden Auswahl an Hauptgerichten (von denen der Steinbutt auch nur noch einmal da war…). Oder an der Tatsache, dass man sich hier – ähnlich wie in Spanien – im Tapas-Stil durch das Kompendium an Schmidtschen Köstlichkeiten futtert.
Egal, zu meiner Linken wurden im Stakkato Vorspeisenwünsche abgesetzt. Viermal allein wurde der in Sternanis gebeizte Ikarimi-Lachs mit Papaya und Passionsfrucht (22,50 Euro) geordert. Die Rote-Beete-Apfel-Wildkräuter-Kombi (15,50 Euro) fand auch zwei Abnehmer. Welcher Genussfürst sich die gefüllten Wachtelbrüstchen mit Portweinsauce (18,50 Euro) einzuverleiben gedachte, kann sich wohl jeder denken.
Es ging munter weiter. Dreimal sollte die Küchenbrigade um Chefkoch Oliver Schmidt den frischen Hummer auf hausgemachte Spaghetti (28,50 Euro) legen. Und selbst vor zwei Portionen mit kross gebratenem Kalbbries (22,50 Euro) in Madeira-Sauce (was sonst?) zeigte man keine Scheu. Ach, und wenn man schon mal dabei war, warum nicht gleich zweimal die „getrüffelte Sieglinde“ (29,50 Euro), die namentlich für Kartoffelpüree mit Trüffelfrisur (der Atze-Schröder-Teller schlechthin…) stand.
Doch das war den Anhängern unterirdisch wachsender Knollenpilze noch nicht genug. Als wären wir auf einem Tuber-Ware-Abend wurde noch eine Portion Spaghetti Chitarre (29,50 Euro) mit der frisch darüber gehobelten Winterdelikatesse der Hausherrin ins Notizbuch diktiert. Die Jakobsmuscheln mit grünem Spargel und Basilikumpesto (21,50 Euro) fielen da gar nicht mehr ins Gewicht. Dagegen wurde über meinen geradezu spartanisch klingenden Wunsch nach einem Salat von Flußkrebsschwänzen mit grünem Spargel (17,50 Euro) nur milde gelächelt.
Aber Vorspeisenfreunde, aufgepasst! Ich hatte noch ein kulinarisches Ass im Ärmel. Und das waren die Rinderfiletwürfel in Pfefferrahmsauce, die hier mit grünen Bohnen und Gratin Dauphinoise (32,50 Euro) serviert wurden. Ich war übrigens nicht der einzige am Tisch, der sich an einen Grashoffschen Hauptgang wagte. Meine Liebste zeigte sich mit ihrem Wildragout mit Waldpilzen in Wacholderrahmsauce (34,50 Euro) solidarisch. Letzteres wurde von Rahmwirsing und Spätzle begleitet.
Nachdem wir diesen mehr oder minder langwierigen Bestellprozess abgeschlossenen hatten, begann die Bremer Weinreise. Der Pouilly Fumé Enthusiast von der Weser hatte da schon längst den „Silex“ aufziehen lassen. Dieser Referenz-Sauvignon-Blanc vom Hohepriester weißer Loire-Weine, Louis-Benjamin Dagueneau, war an Mineralität schwer zu überbieten. Nicht nur Borgi hörte am Tisch den Silex singen. Auch ich musste zugeben, dass ich einen solchen Terroirbezug noch nie zuvor im Glas hatte. Chapeau, Monsieur, dass du solch einen Kultwein mit dem Weißwein-Judas aus der Pfalz geteilt hast!
Um es gleich vorweg zu nehmen, der Silex war nur der Auftakt einer ganzen Reihe hochwertiger Kreszenzen in Weiß, die sich vornehmlich die beiden Nordmänner am Tisch gönnten. Der trocken ausgebaute 2015er Riesling Geheimrat „J“ von Wegeler gilt ja nicht nur im Rheingau als absoluter Klassiker.
Apropos Wegeler: den 2013er Rothenberg Riesling GG trocken hatte man auch im Grashoffschen Keller liegen. Der Kollege aus Rheine konnte dieser Versuchung nicht widerstehen. Und so hatte ich es dann eben auch mal im Glas, das Rothenberg-Feeling. Zeitlupen-Kirchenfenster am Rand, mineralischer Druck am Gaumen und ewig frischer Nachhall inklusive. Neben mir raunte der Rieslingversteher aus Rheine etwas von „Mörderpotential“. Ich pflichtete ihm bei. We got the Rothenberg-Feeling!
Irgendwann im Laufe des Abends – Raum und Zeit hatten sich mittlerweile zu einem vergnüglichen Wohlfühl-Konglomerat verdichtet, war dann die Zeit gekommen, um die nächste Trouvaille aus Elke Schmidts Schatzkammer zu heben. Borgi befand sich bereits im Betriebsmodus „Burgund“. Er hatte einen Meursault 1er Cru Charmes von Philippe Pacalet auserkoren, den er – natürlich nicht alleine, aber doch als einer der führenden Chardonnay-Vernichter am Tisch – in vollen Zügen genoss.
Seinem Gesichtsausdruck nach wollte er seinem Pfälzer Weinnovizen wohl mitteilen: „Junker der Provinz, in diesem Bistro-Bunker bin ich der Meursault-Prinz!“ Wie Recht er damit hatte. Da half auch mein gut gemeinter Versuch nichts, den Weißweinaficionado mit einem wirklich sensationell fruchtreifen Roten aus Apulien und Kalabrien (kein Witz!) in süditalienisches Fahrwasser zu lotsen.
Da hatte ich nämlich ganz der Rotweinempfehlung von Elke Schmidt vertraut und eine schwere Coniqueflasche der Dueterre Cuvée (29,50 Euro) von Weinmacher Benedetto Lorusso geordert. Mein Rotwein-Favorit
Hätte ich von diesem Weingut schon im Mai 2016 gewusst, als ich zusammen mit meinem Vater Apulien bereiste und in Locorotondo Station machte, hätte ich der dort ansässigen Masseria Tagaro sicher einen Besuch abgestattet. Die Trauben für den Dueterre stammten, wie schon erwähnt, aus Apulien und Kalabrien, wo Lorusso seit Jahren als Winemaker bei Odoardi tätig ist. Daher auch der Name.
Für mich war dieser samtig weiche Rotwein aus Italiens Süden eine echte Entdeckung. Über ein Jahr im Barrique und eine halbjährige Flaschenreife machten ihn zu einem rundgeschliffenen Verführer, dessen Kombination aus Wärme und Frische für reichlich Spannung im Glas sorgte. Parker würde sagen: „ein Weinwert zum kistenweise kaufen!“ Aber davon wollten die beiden Weißweinzombies neben mir ja nichts wissen.
Dass sie mich gegen Ende des Mahls noch zwangen, einen 2008er Banyuls von der Domaine de la Rectorie sowie eine pappsüße Beerenauslese (Weingut Keller, Flörsheim-Dalsheim) zu probieren, zeigt die niedere Moral dieser zwei Süßweinfetischisten, die eine etwaige Diabetes-Erkrankung meinerseits damit billigend in Kauf nahmen. Pittoreske Altglassammlung
So weit, so flüssig. Ein paar Worte zum Essen sind in dieser Stelle – bei aller Ausmalung unseres Trinkgelages – dennoch angebracht.
Während der Mann aus Rheine zu meiner Linken seinen Ikarimi-Lachs in den höchsten Tönen lobte, Ikarimi-Lachs
machte ich mich über einen Hausklassiker des Grashoff, den Salat Flusskrebsschwänzen mit grünem Spargel, her. Salat von Flusskrebsschwänzen mit grünem Spargel
Zugegeben hat mich sein Preis schon ein wenig erstaunt. Doch sowohl die an zarter Textur kaum zu überbietenden Flussbettbewohner als auch die perfekt abgeschmeckte, aromatische Safransauce, der man anscheinend jegliche Schwere nahm, ließen mich die ambitionierte Preispolitik vergessen. Zusammen mit den leicht bissfesten Spargelstücken, der nicht übertriebenen Dillwürze und dem homöopathisch darüber geriebenen frischen Meerrettich ergab das einen äußerst stimmigen Teller, von dem ich locker noch eine Portion geschafft hätte. Nochmal der Flusskrebssalat, weil er so verdammt lecker war!
Mein Tischnachbar sah mittlerweile rot, jedoch auf äußerst delikate Art und Weise. Sein mit karamellisierten Mandelstiften verfeinerter Rote-Beete-Salat mit Apfel machte schon rein optisch mächtig was her. Rote-Beete mit Apfel
Spätestens bei seiner „getrüffelten Sieglinde“, einem herzerwärmenden Püree-Igel mit krausem Trüffeltoupet, streifte mich ein klitzekleiner Anflug von Neid. Getrüffelte Sieglinde
Das muss der Horsd’œuvre-Vernichter am anderen Ende des Tisches irgendwie mitbekommen haben. Er reichte mir einen Happen von seinen gefüllten Wachtelbrüstchen, deren Portweinreduktion diesen unnachahmlichen Säure-Touch der Cuisine française innehatte. Große Klassik kann nur schmecken.
Auch von seiner feinen Hummersauce ließ mich der kulinarische Sankt Martin aus Borgfeld naschen. Pasta mit Hummer
Es muss in etwa zeitgleich mit der 4.Vorspeise meines Nebenmannes – ich meine es war das Kalbsbries – gewesen sein, Kross gebratenes Kalbsbries
dass man mir die Rinderfiletwürfel in einer sündhaft leckeren Pfefferrahmsauce an den Tisch brachte. Rinderfilet in Pfefferrahm
Auch das à part gelieferte Kartoffelgratin war über alle lukullischen Zweifel erhaben. Die Rinderbrocken waren perfekt mürbe gebraten. Selbst die grünen Böhnchen hatten etwas Schmackes. So etwas bekomme ich im Elsass auch nicht besser serviert. Gut, vielleicht einen Tick günstiger. Der Nachschlagsteller!
Als ich bei Fr. Schmidt höflich nach einem kleinen Nachschlag in Sachen Kartoffelgratin bat, um den Rest der delikaten Pfeffertunke nicht zurückgehen lassen zu müssen, erwärmte sie mir diese auf einem neuen Teller – natürlich mit einer stattlichen Portion frischem Gratin darauf. Was ein Service! Ich war beeindruckt. Rinderfilet mit Beilagen
Meine Frau war dagegen mit ihrer Wacholderrahmsauce, in der das mit Waldpilzen veredelte Wildfleisch schwamm, weniger d’accord. Wildragout mit Waldpilzen
Sie erschien ihr etwas zu unausgewogen im Verhältnis von Süße und Säure. Auch über die etwas zu trockenen Spätzle und das recht unauffällige Wirsinggemüse vernahm ich kritische Töne von der Frau gegenüber. Spätzle und Wirsinggemüse (Beilagen zum Wild)
Somit setzte ich alle Hoffnung auf den Käsegang, der sie hoffentlich besänftigen würde.
Die Idee mit dem gratinierten Picandou (11,50 Euro) auf geröstetem Münsterländer Landbrot erwies sich als voller Erfolg. Gratinierter Picandou
Die Kombination aus geschmolzenem Ziegenkäse, knusprigem Parmaschinken, aromatischem Olivenöl und ein wenig Thymian ließ mich gedanklich in Richtung Périgord abdriften, ehe mich eine reich bestückte Käseplatte auf den Boden der Molkereierzeugnisse zurückbrachte.
Fourme D’Ambert, Brie de Meaux, Comté – alles gute alte Bekannte des chronischen Dessertverzichters am Tisch. Ich war da bereits so pappsatt, dass ich dem wohl affinierten Treiben auf der ovalen Porzellanplatte nur mit selbstauferlegter „Askäse“ begegnen konnte. Schön, dass sich Borgis Busenfreund Rainer – kam mir seltsam bekannt vor, der Typ – noch von uns verabschiedete. Seinen neidvollen Blick auf unser Käsegeschwader konnte ich da schon nicht mehr nachvollziehen. Borgfelders "Dessert"-Platte
Ich glaube sogar, dass sich irgendjemand am Tisch noch einen englischen Bread & Butter – Pudding einverleibte. Der fiel nach diesem Bistroküchenmarathon dann auch nicht weiter ins Gewicht. Ein Plausch mit den beiden sehr sympathischen Gastgebern beendete einen wirklich legendären Abend. Mit einem kleinen Abschiedsgeschenk ausgestattet – die hausgemachte „Nutella“ gab’s quasi „to go“ mit dazu – stürzten wir uns ins Bremer Nachtleben, das nach kurzem Boxenstopp in der Villa Borgfelder noch jede Menge elektronische Beats bereit hielt.
Danke lieber Borgi für diesen denkwürdigen Abend! Er findet Platz in meiner persönlichen Best-of-Bremen-Liste. Gleich neben Due Fratelli und Canova.
Ende des Jahres war es dann endlich soweit. Drei „guides culinaires“ fanden sich inklusive ihrer charmanten Gattinnen beim Tabellenführer ein. Nein, die Rede ist nicht vom Arena Bistro in München Fröttmaning. Der aufmerksame Leser dieses Portals weiß natürlich, wo der Bremer Lokalmatador seine GG-Schäfchen ins Trockene brachte. Einer der Teilnehmer des illustren Hedonistenzirkels, Carsten1972, hat ja bereits sehr zeitnah davon berichtet. Und für die Rezension des Schirmherrn der Veranstaltung werden wir wohl noch ein wenig Geduld aufbringen müssen…
Zur Überbrückung... mehr lesen
Grashoff´s Bistro
Grashoff´s Bistro€-€€€Restaurant, Bistro, Bar, Sternerestaurant042114749Contrescarpe 80, 28195 Bremen
4.5 stars -
"Spendabel geht die Welt zugrunde oder: weinseliger Genuss-Gipfel im trubeligen Bremer Vorzeige-Bistrot mit ganz viel Charme und fantastischen Gastgebern" marcO74Ende des Jahres war es dann endlich soweit. Drei „guides culinaires“ fanden sich inklusive ihrer charmanten Gattinnen beim Tabellenführer ein. Nein, die Rede ist nicht vom Arena Bistro in München Fröttmaning. Der aufmerksame Leser dieses Portals weiß natürlich, wo der Bremer Lokalmatador seine GG-Schäfchen ins Trockene brachte. Einer der Teilnehmer des illustren Hedonistenzirkels, Carsten1972, hat ja bereits sehr zeitnah davon berichtet. Und für die Rezension des Schirmherrn der Veranstaltung werden wir wohl noch ein wenig Geduld aufbringen müssen…
Zur Überbrückung
Geschrieben am 10.02.2020 2020-02-10| Aktualisiert am
02.03.2021
Besucht am 22.12.2019Besuchszeit: Abendessen 3 Personen
Rechnungsbetrag: 73 EUR
…haben wir uns kurz vor Heiligabend einmal quer durchs panasiatische Streetfood-Angebot gefuttert!
Aber immer schön der Reihe nach. Ich war noch nie in Oldenburg und so unternahmen wir zwei Tage vor Weihnachten einen Ausflug in die beschauliche Universitätsstadt an der Hunte. Nachdem wir uns mit Kaffee und Kuchen „auf Saltkrokan“ erstversorgt hatten, schlenderten wir über den Weihnachtsmarkt („Poffertjes!“) und besuchten das im Schloss untergebrachte Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte.
Nach dem Gang durch die Oldenburger Geschichte, bei der mir Graf Anton Günther als besonders honoriger Repräsentant im Gedächtnis geblieben ist, nahmen wir Kurs in Richtung Waffenplatz, an dem sich das Asialokal befand.
Natürlich hatte ich mich im Vorfeld auf diversen Gastroportalen über die kulinarische Situation der Stadt informiert. Das einzige Etablissement, dass mir dort sympathisch erschien, nannte sich „Kleine Burg“. Doch die Legende besagte, dass sich dort ein von mir sehr geschätzter Weserrezensent dermaßen kritisch über das Gebotene geäußert haben soll, dass er forthin als geächteter Schreiberling galt und mit mehrjährigem Hausverbot belegt wurde.
Also „Kleine Burg“, sorry, aber dich zu besuchen wäre vermutlich Gift für mein Rezensentenkarma. Da muss die Community schon zusammenhalten. Das DIN-A3-Plakat mit dem satirisch überzeichneten Kritikerkollegen („Wir müssen draußen bleiben“) könnte man allerdings wieder von der Eingangstür nehmen.
Na dann mal schnell beim Falstaff meines Vertrauens reingeschaut und die Liste der Oldenburger Genussbuden abgecheckt. Und da meine beiden weiblichen Begleitungen gewisse Affinitäten zur Asiaküche nie leugnen würden und das Royals & Rice dort gelistet war, ging es an jenem vorweihnachtlichen Sonntagabend in die Oldenburger „Saigon Street“.
So jedenfalls stand es auf der grell beleuchteten Neonreklame, die über der Glasfront an der Stirnseite prangte. Außenansicht
Vielleicht ein absichtlicher Schachzug, nachdem man gemerkt hatte, dass der etwas holprige Namen – sorry, aber unter dem Motto „Royals & Rice“ stellen sich wohl die allerwenigsten vietnamesisches Street Food vor – nicht so recht zum Speisenangebot passen wollte.
Wir traten in das von außen sehr einladend wirkende, da stimmig illuminierte Restaurant ein, wurden direkt an der Fensterfront platziert und von einem hippen jungen Mann mit Bart und Strickkäppi in die Gepflogenheiten des Konzeptlokals eingeführt. Wer heute noch hinter (pan)asiatischen Läden gastronomische Einzeltäter vermutet, glaubt auch, dass die hier verwendeten Produkte aus regionalem Anbau stammen.
Und tatsächlich findet man unter Zuhilfenahme der allwissenden Suchmaschine mit dem großen „G“ auch ein „R & R“ in der Berliner Torstraße und – wesentlich weniger erstaunlich – in der westdeutschen Gastrometropole schlechthin, in Münster. Kein Wunder also, dass da unser Fachmann fürs Lokalisieren hipper Ess-Umgebungen aus Rheine schon mit Udon-Nudeln und Sommerrollen hantierte. Sein lesenswerter Kurzbericht auf GG ließ mich jedoch mit gemischten Gefühlen in der Saigon-Klause Platz nehmen.
Neben der Standardkarte wurde uns zusätzlich eine in Klarsichtfolie gepackte Wochenkarte mit ein paar Specials gereicht. In Tischmitte lag ein Block, um die Anzahl der gewünschten Gerichte einzutragen. So weit, so effizient. Der Bestellblock
Bei einer „lauten“ Flasche Mineralwasser (Viva con agua) für städtische 5,60 Euro, einem Tegernseer Hellen vom Fass (0,5l für 5 Euro) und einer hausgemachten Limonade (3,50 Euro) verschafften wir uns zunächst einen Überblick über das panasiatische Sammelsurium an klassischen und veganen Street-Food-Gerichten.
Ein paar gängige Sushi-Rollen hatte man auch noch am Start. Ebenso vietnamesische Pho, hawaiianische Bowls, chinesische Wok-Nudeln, thailändische Curries. Warum also um die halbe Welt reisen, wenn am Oldenburger Waffenplatz das kulinarische Erbe des Fernen Ostens (inkl. Teile des Pazifikraums) in eingedeutschtem Gaumenformat – und dazu noch in Probierportionsgröße – angeboten wird?
Na dann mal munter drauflos geordert! So lautete jedenfalls die Devise der Stunde. Die Preispolitik war bei den kleinen Straßenmahlzeiten und den Sushitellern einheitlich gestaltet. Jedes Gericht kostete 4,50 Euro. Kleinere Aufpreise standen in Klammern angegeben dabei. Die Hauptspeisen oszillierten preislich um die 10-Euro-Marke.
Der „Mana grilled Salmon“, eine hawaiianische Bowl mit flambierten Lachs, Tempura-Shrimps, Edamame, Guacamole, Masago (Fischrogen), Gurke, Soja-Sesam-Sauce und Reis, war mit 14,50 Euro das teuerste Gericht auf der Karte. Das war mir aber dann doch des Gemischten etwas zu viel. Da konnte ich mit der reichhaltigen Auswahl an Asia-Petitessen schon mehr anfangen.
Und so orderten wir in erster Linie eine Reihe kleiner, appetitlich klingender Tellergerichte. Welcher Fleischfreund kann schon kulinarischen Kuriositäten wie zum Beispiel „Duc’s favourite Chili Chicken“ oder „Crackling Roast Pork“ widerstehen? Ein paar Dim Sum mussten natürlich auch sein. Mit „Crispy Honey Siracha Tofu“ wagte ich sogar den Ausflug ins vegane Neuland. Nur um dann mit einer „Crispy Salmon Roll“ ganz weltmännisch auch die „Sushi-Side-of-Life“ abzudecken.
Meiner Frau war das alles eine Spur zu „crispy“, weshalb sie mit einer Portion Kimchi und einem Glasnudel-Salat (9 Euro) von der Empfehlungskarte gegensteuerte. Meine Schwägerin sprang indes auf den transasiatischen Probierexpress auf und bescheinigte mir eine hohe Street-(Food)-Credibility. Beim Hauptgang griff sie dann aber doch auf Bewährtes zurück. Ein Thai-Curry (Farbe stand nicht dabei…) mit Hähnchenfleisch, Bohnen, Kirschtomaten, Kartoffeln, Erdnüssen, Thai-Basilikum etc. für 9,50 Euro wurde auf dem Bestellzettel notiert.
Ich hängte an den aus sechs Positionen bestehenden Street-Food-Reigen noch eine wärmende Schüssel Pho (8,90 Euro) dran. Auf diese heiße, mit gewoktem Rindfleisch, Rindfleischbällchen, Reisbandnudeln, Limetten, Chili und Ingwer verfeinerte Brühe freute ich mich ganz besonders, da sie der kalten Jahreszeit ein genüssliches Schlürfen entgegenzusetzen hatte.
Wir hatten nun ein wenig Zeit, uns die Räumlichkeiten etwas genauer anzusehen. Es regierte trendiger Industriechic, dessen kühles Betonambiente durch die teilweise holzverkleideten Wände und dem ebenfalls aus hellem Holz „geschnitzten“ Mobiliar etwas an Behaglichkeit gewann.
Der häufig anzutreffenden Dekorations- und Verzierungswut asiatischer Läden hatte man hier einen Riegel vorgeschoben.
Wer auf Betonpfeiler, freiliegende Lüftungsrohroptik an Decke und Wänden sowie weiß gekachelte Ausschanktresen steht, wird sich im Royals & Rice sicher wohlfühlen. Innenansicht 1 Innenansicht 2
Zumal die Lichtverhältnisse, die von den recht tiefhängenden Pendelleuchten erzeugt wurden, ganz angenehm waren. Irgendwie erinnerten mich einige der Zellophan-Lampenschirme an Tropenhelme. Oldenburg lag scheinbar doch näher am Äquator als mir vorher bewusst war. Innenansicht 3
Es dauerte nicht lange, da wurde unser Essen geliefert. Scheinbar hatte man unseren Tisch für eine spätere Uhrzeit schon vergeben. Der Service brachte es jedenfalls fertig, alle zehn Gerichte gleichzeitig zu servieren. Was logistisch lobenswert erscheint, war natürlich so von uns nicht geplant und brachte ein schnelleres Verputzen der langsam erkaltenden Speisen mit sich. Wir gingen davon aus, dass die kleinen Street-Food-Happen vorweg geliefert würden. Naja, war nicht so. Dann halt mit allem und scharf.
Nun hatte unsere Tischplatte fast schon Büffetcharakter und es wurde eifrig kreuz und quer probiert. Den Anfang machten die passablen Crispy Rolls, die man vielleicht etwas gefälliger fürs Auge hätte anrichten können. Aber da bin ich eben ein verwöhnter „Koza(r)“. Crispy Salmon Roll
Die knusprig frittierten, mit Kimchi und Gemüse gefüllten Teigtaschen badeten in einer leichten Soja-Sesam-Sauce und waren mit etwas Koriander aufgegrünt. Crispy Korean Dumplings
Das ebenfalls recht krosse Chili Chicken, das angeblich mit vier Chilisorten abgeschmeckt wurde, war kein Scoville-Missbrauch. Die kleinen Hähnchenstücke lagen auf einem Salatbett. Rote Zwiebel, Sesam und Erdnüsse peppten das eher brave Chili Huhn noch etwas auf. Duc's Favourite Chili Chicken
Der knusprige Krustenbraten nach vietnamesischer Art kam mit einer süßlich-pikanten Pflaumen-Hoisin-Sauce in den Napf. Die passte ganz hervorragend zur röschen Schweinerei. Auch hier gaben sich wieder Korianderklein, Erdnüsse, Rettich und Salat die Garniturklinke in die Hand. Crackling Roast Pork
Die panierten Tofuwürfel aus der Vegan-Abteilung waren zwar schmackiger als vermutet, Crispy Honey Siracha Tofu
an die gedämpften, mit Garnelen und Hackfleisch gefüllten Teigtaschen kamen sie aber nicht ran. Schuld war daran in erster Linie die Zitronengras-Chili-Soya-Sauce, in der sie ihre letzten Minuten verbrachten. Gedämpfte Teigtaschen
Der Glasnudelsalat sah recht unspektakulär aus. Meiner Frau hat er jedoch zugesagt. Glasnudelsalat
Das farblose Curry wurde von mir getestet und für weitgehend harmlos eingestuft. Etwas mehr Bumms hätte es schon haben können, aber ein kulinarischer Griff ins kalte Klo war es auch nicht. Dafür waren die verwendeten Zutaten einfach zu frisch. Die Unsitte, den Salat in die gleiche Schüssel wie den Reis und die Sauce zu packen, finde ich auch bei anderen Panasiaten nicht so prickelnd, aber meine Schwägerin hat das scheinbar weniger gestört. Das Curry Curry
Das Beste kommt ja bekanntlich zum Schluss. Hier kam es zeitgleich mit den anderen Speisen, was dem vollmundigen Pho-Genuss keinen Abbruch tat. Eine heiße Schüssel Pho rettet ja bekanntlich jeden kalten Winterabend. Zumal diese hier mit ordentlich Einlage punktete. Thai-Basilikum, Koriander, Limetten und Chili verliehen der an sich schon intensiv schmeckenden Rinderbrühe noch zusätzliche Frische und aromatische Fülle. Pho (am Anfang) Pho (später)
In der Summe war es ein entspannter Abend in der Oldenburger Saigon Street. Das verzehrte Potpourri aus diversen kleinen Gerichten panasiatischer Provenienz fiel bei aller Hippness nicht in den Verdacht der Gaumenwischerei. New York – Rio – Tokio war gestern. Berlin – Münster – Oldenburg dahin zieht es den Instagram-Esser mit Vorliebe für Kreuzüberfernöstliches.
Uns zog es dann wieder zurück ins Bremer Heimatprovisorium. Der Heiligabend stand vor der Tür und das Treffen mit renommierten GG-Mitglieder in einem bescheidenen Bremer Bistro kurz danach auf dem Plan. Darüber berichte ich zu gegebener Zeit…
…haben wir uns kurz vor Heiligabend einmal quer durchs panasiatische Streetfood-Angebot gefuttert!
Aber immer schön der Reihe nach. Ich war noch nie in Oldenburg und so unternahmen wir zwei Tage vor Weihnachten einen Ausflug in die beschauliche Universitätsstadt an der Hunte. Nachdem wir uns mit Kaffee und Kuchen „auf Saltkrokan“ erstversorgt hatten, schlenderten wir über den Weihnachtsmarkt („Poffertjes!“) und besuchten das im Schloss untergebrachte Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte.
Nach dem Gang durch die Oldenburger Geschichte, bei der mir Graf Anton Günther... mehr lesen
4.0 stars -
"Wo die Oldenburger Royals ihren Reis essen…" marcO74…haben wir uns kurz vor Heiligabend einmal quer durchs panasiatische Streetfood-Angebot gefuttert!
Aber immer schön der Reihe nach. Ich war noch nie in Oldenburg und so unternahmen wir zwei Tage vor Weihnachten einen Ausflug in die beschauliche Universitätsstadt an der Hunte. Nachdem wir uns mit Kaffee und Kuchen „auf Saltkrokan“ erstversorgt hatten, schlenderten wir über den Weihnachtsmarkt („Poffertjes!“) und besuchten das im Schloss untergebrachte Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte.
Nach dem Gang durch die Oldenburger Geschichte, bei der mir Graf Anton Günther
Geschrieben am 28.01.2020 2020-01-28| Aktualisiert am
02.03.2021
Besucht am 20.12.2019Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
Ein paar Tage vor Weihnachten war es endlich soweit. Das lang ersehnte Treffen mit meinem Solinger Genussbuddy und seiner Madame wurde kulinarische Realität. Wir legten auf unserem alljährlichen Weg nach Bremen einen geplanten Stopp im Bergischen ein, wohlwissend dass uns der Soulfood-Aficionado aus dem Stadtteil Höhscheid in einen adäquaten Wonneschuppen führen würde.
Nach dessen fulminanter Rezi über das „Charly’s“ vom letzten Sommer, als er mit abgesenktem Blutzuckerspiegel seine BBQ-Shoes schnürte und eine monströse Platte mit low & slow gesmoked-ten Fleischpreziosen in Gegenwart seiner ehemaligen Arbeitskollegen verputzte, war ein Besuch in dem von Dirk Vieth geführten Fine-Diner in den Solinger Südstaaten allererste GG-Pflicht.
Er reservierte für vier und meine Vorfreude auf dieses Rippen-Rendezvous stieg von Tag zu Tag. Unsere im Vintage-Stil eingerichtete Wohnung lag fußläufig nur wenige Minuten vom Diner entfernt. Auch zur Villa Shaneymac war es nicht allzu weit. Unsere frühe Ankunft erlaubte ein kleines Warm-up in der Wohnung des Lokalmatadors. Eine gute Gelegenheit, um sich ein wenig zu beschnuppern und gleich mit einem Gläschen Sekt (oder wer es Secco?) für entspannte Verhältnisse zu sorgen.
Nach dem Austausch alkoholhaltiger (Gast)-Geschenke, dem Kennenlernen der Dame des Hauses und der Begegnung mit den beiden pelzigen Mitbewohnern, ging es in den wohl berühmtesten Feinkostladen der Messermetropole („Casa Luz“), der von einem Freund des Solinger Erfolgshedonisten betrieben wurde (wahrscheinlich hat dieser selbst jede Menge Aktien in dem Schuppen…) und mit italienischen und spanischen Leckereien aufwartete. Ein paar Köstlichkeiten für die kommenden Tage in Bremen bei den Schwiegereltern konnten ja nicht schaden.
Nach kurzem Zwischenstopp in unserer geschmackvoll eingerichteten Unterkunft, die sich im Erdgeschoss eines denkmalgeschützten Gebäudes aus dem Jahr 1912 befand, marschierten wir zu viert in Richtung Katternberger Straße, wo sich der nach dem Vater des Besitzers benannte Diner befand.
Im Inneren des zunächst recht unspektakulär anmutenden BBQ-Ladens hieß man uns freundlich willkommen. Unser Tisch befand sich im linken Gastraum, der mit seinen Dinerbooths (Sitzbänke mit Kunstlederüberzug und einem Tisch in der Mitte), den von Countrysänger-Auftritten und Rockabilly-Events kündenden Wandplakaten sowie den im Old-Warehouse-Look von der Decke baumelnden Hängelampen jede Menge American-Retro versprühte. Innenansicht 1 Innenansicht 2
Der optische Eindruck war schon mal sehr positiv. Wir waren gespannt, wie der kulinarische wohl ausfallen würde.
Bevor wir uns mit den Speiseplänen, die schon als Platzsets auf dem Tisch bereit lagen, beschäftigten, stand natürlich der verbale Austausch des neu gegründeten Futtervierers im Vordergrund. Dass dabei die beiden Foodmates auf einer Wellenlänge lagen, war wenig verwunderlich. Umso erfreulicher jedoch, dass auch unsere beiden besseren Hälften von Beginn an gut miteinander konnten. Die lebhafte Kommunikation ließ die geplante Nutrition in den Hintergrund rücken. Insofern hätten wir auch in jeder x-beliebigen Frittenbude unseren Spaß gehabt. Denn wenn die Gesellschaft derart passt, spielt die Kulinarik nicht die Hauptrolle.
Der stetige Blick auf die bedruckten Platzsets und das Knurren meines Magens zwangen uns dann doch den Bestellvorgang selbst in die Hand zu nehmen. Der gute Shaneymac hatte schon im Vorfeld mit dem Pitmaster konspiriert und sich auf die Beef Short Ribs eingeschossen. Auch die sagenhafte, 10 kleine Schälchen beinhaltende Dip-Line, bei der Dirk Vieth sein komplettes Saucenprogramm auf einer Holzleiste präsentiert, war gesetzt. Auch an der „Mixed Plate“ (9,50 Euro), einem wohlfrittierten Sortiment aus Appetizern, bestehend aus Chicken Wings, Mozzarella Sticks, Onion Rings etc., kamen wir nicht vorbei. Beide Parteien schienen ordentlich Hunger mitgebracht zu haben, was die zweifache Bestellung dieser Fingerfood-Palette vorweg bedeutete.
Aus dem Burger-Baukasten auf der Rückseite des Speisenzettels stellte sich meine Herzensdame einen vegetarischen Vertreter zusammen. Aus der Tabelle zum Ankreuzen entschied sie sich für ein „Multigrain-Bun“, ein paniertes Feta-Patty, irgendeine der hausgemachten Saucen sowie ein paar Jalapeños in moderatem Scharf-Grün. In der Summe lag ihr Baukasten-Burger bei knapp unter 10 Euro. Auch die sympathische Madame Shaneymac startete eine Burgerinitiative.
Die Entscheidung fiel mir ehrlich gesagt nicht leicht. Allein die BBQ-Specials aus dem hauseigenen Smoker offenbarten eine temporäre Entschlussschwäche. Bacon Bomb, Beef Brisket und Babyback Ribs gibt es bei uns ja schließlich nicht in jeder Grillbude. Gut, dass ich da einen Fachmann neben mir sitzen hatte, auf dessen kundige Beratung Verlass war. Eine Portion Spareribs aus dem Smoker (800 Gramm für 16,50 Euro) sollten es schließlich für mich werden. Passend zur schweinernen Gaumenorgie bestellte ich ein süffiges Keiler Kellerbier. Der Freund liquider Agrarprodukte zu meiner Rechten entschied sich indes für das Keiler Weizen.
Bestellt wurde übrigens an der Theke, die sich im rechten Gastraum befand. Dieser strotzte nur so vor fast schon vergessen geglaubter Imbiss-Nostalgie. Rechter Gastraum - Imbissnostalgie pur!
Er war die Wirkungsstätte des Küchenchefs und Inhabers Dirk Vieth. Als ausgebildeter Fleischer weiß Dirk natürlich genau, welche Stücke vom Tier seinen BBQ-Ansprüchen am ehesten genügen. Blick von außen durch die Fensterfront
Bei einem sehr netten Plausch nach dem Essen wurde der hohe Qualitätsanspruch des Überzeugungssmokers deutlich. Auch erklärte er uns, warum er derzeit auf hochwertige, amerikanische Convenience-Produkte (Mozzarella Sticks, Onion Rings) bei der Appetizer-Platte zurückgreifen müsse. Seinem Bestreben nach komplett hausgemachtem Fingerfood konnte er zu dieser Zeit aufgrund der angespannten Personalsituation – heute ja eher die Regel als die Ausnahme – leider nicht nachkommen.
Egal, wir freuten uns auf die nicht komplett fettfreien Teilchen, die in einem mit Papier ausgelegten Plastikkorb zusammen mit ein paar Saucen und jeder Menge Nachos serviert wurden. Zeitgleich wurde die farbenfrohe, 10 Saucen umfassende Dipline (6,50 Euro) des „Macsters“ in der Mitte unseres Tisches platziert. The legendary Dip-Line
Die hausgemachten Tunken waren nach ihrem Schärfegrad angeordnet. Das heißt von Ketchup-mild bis Habanero-scharf. Dazwischen lagen so wohltuende Dips wie Smoked BBQ oder Honey Chipotle. Strawberry BBQ Sauce Honey Mustard Sauce
Aber auch Gewöhnungsbedürftiges wie etwa die Alabama white, eine helle Pfeffersauce, mit der wir so gar nicht warm wurden.
Von den vorweg gereichten Kleinigkeiten sagten mir die herzhaft marinierten, knusprig gegrillten Hühnerflügel am meisten zu. Dicht gefolgt von den Chicken-Nuggets, die mit saftigem Inneren und krosser Cornflakes-Hülle punkten konnten. Meine Frau hielt sich dagegen mehr an die cremig-scharfen Chili-Cheese-Nuggets und die panierten „Zwiebel-Calamaris“. Frittiertes Glück im Korb
Mit Hilfe der Nachos tunkten wir uns durch die Saucen-Avenue unseres Gönners und tauschten uns über geschmackliche Nuancen und verwendete Zutaten aus. Ein unverhoffter Sensorik-Kurs, der unsere Geschmackspapillen für die kommenden Aufgaben schärfte und auch wieder beruhigte. Chipotle Raspberry Sauce Hot Chili BBQ Sauce (...a hellfire!)
Ich gebe ja zu, dass mein heimischer Holzkohlegrill trotz seiner südseitigen Lage auf unserem Balkon in den letzten Jahren eher ein Schattendasein fristet. Aber wenn ich den ollen Säulengrill mal anwerfe, dann dürfen die Spareribs von der Metzgerei meines Vertrauens aus Herxheim nicht fehlen. Zusammen mit meiner Frau und meiner Mutter machen sich dann drei gierige Nagetiere über die bei schwacher Glut immer knuspriger werdenden Köstlichkeiten her. Steaks, Würste und Spieße sind da nur sättigendes Vorgeplänkel. Der wahre Genuss kommt bei unseren seltenen Grillaktionen immer zum Schluss.
Warum erzähle ich das? Weil mir als bekennendem Ribster genau das in den Sinn kam, als uns die sanft geräucherten Leckerbissen vorgesetzt wurden. Nur waren diese in puncto Saftigkeit den heimischen Balkongenüssen um mehrere Schweinsdicken voraus. Schön, wenn es einem „December-Dish“ gelingt, den vergangenen Sommer nochmal für kurze Zeit ins kulinarische Gedächtnis zu rufen.
Noch bemerkenswerter, wenn man ein simples, schon so oft genossenes Mahl plötzlich in einer so außergewöhnlichen Qualität vorgesetzt bekommt, dass es den eigenen Geschmackshorizont erweitert. Die Rippenbekenntnisse des Überzeugungssmokers von Solingen hatten das Zeug dazu. Selbst meine Frau, die normalerweise keine Affinität für etwas fettigere Fleischgenüsse hat, war begeistert. Und wie leicht sich das herrlich mürbe, delikat „gerubte“ und nachträglich mit leicht süßlicher BBQ-Sauce bepinselte Fleisch vom Knochen löste! Zweifellos war hier ein Könner am Werk bzw. am Grill, der seine Rauchaufgaben (im Vorfeld) erledigt hatte. DIE Spareribs aus dem Smoker
Auch der „Macster“ genoss seine „Chuck Short-Ribs“ vom Rind als würde er gerade in einem alteingesessenen Roadside-Diner zwischen Birmingham und Tuscaloosa auf dem Alabama BBQ Trail in Rippenhaft sitzen – natürlich lebenslänglich und mit täglicher Bewährung. Seinen Pfälzer Beef-Buddy ließ er selbstverständlich von seinen Rinder-Querrippen mit hohem Fleischanteil kosten. Beef Short-Rips
Unsere beiden Burger-Bunnies hatten zwar so ihre Problemchen mit dem stattlichen Höhenmaß ihrer mehrgeschossigen „Bauten“, aber auch sie lobten die Vieth’schen Grillerzeugnisse in hohen Tönen. Der Feta-Burger
Bezahlt wurde ebenfalls an der Theke. Die Fachsimpelei zweier fleischverrückter So(u)linger war natürlich im absolut fairen Preis mit inbegriffen. Ein Schnappschuss für die Titelstory der neuen „BEEF“ musste noch sein. Dafür posierte die „Holy Trinity“ des Abends in herzlich fraternisierender Art und Weise vor dem Eingang des Diners.
Auf dem Fußweg zu unserer Unterkunft kam mir ganz überraschend der 2013er Ethos Cabernet Sauvignon Reserve vom Chateau Ste. Michelle (Eastern Washington) in den Sinn. Dieser 14,5%-ige Rotwein-Riese wartete nur darauf von uns entkorkt zu werden. Mit ihm im Glas ließen wir vier den Abend gemütlich ausklingen und waren uns einig, dass diese denkwürdige Zusammenkunft nach einer baldigen Wiederholung verlangte.
Lieber Shaneymac, es wäre schön, wenn ihr das kulinarische „Rückspiel“ in der Pfalz noch in diesem Jahr antreten könntet. You’re always welcome!
Ein paar Tage vor Weihnachten war es endlich soweit. Das lang ersehnte Treffen mit meinem Solinger Genussbuddy und seiner Madame wurde kulinarische Realität. Wir legten auf unserem alljährlichen Weg nach Bremen einen geplanten Stopp im Bergischen ein, wohlwissend dass uns der Soulfood-Aficionado aus dem Stadtteil Höhscheid in einen adäquaten Wonneschuppen führen würde.
Nach dessen fulminanter Rezi über das „Charly’s“ vom letzten Sommer, als er mit abgesenktem Blutzuckerspiegel seine BBQ-Shoes schnürte und eine monströse Platte mit low & slow gesmoked-ten Fleischpreziosen... mehr lesen
Charly's Diner
Charly's Diner€-€€€Imbiss01729303800Katternberger Str. 122, 42655 Solingen
4.5 stars -
"Where some foodmates share the dip-line! – Rippenbekenntnisse eines Überzeugungssmokers" marcO74Ein paar Tage vor Weihnachten war es endlich soweit. Das lang ersehnte Treffen mit meinem Solinger Genussbuddy und seiner Madame wurde kulinarische Realität. Wir legten auf unserem alljährlichen Weg nach Bremen einen geplanten Stopp im Bergischen ein, wohlwissend dass uns der Soulfood-Aficionado aus dem Stadtteil Höhscheid in einen adäquaten Wonneschuppen führen würde.
Nach dessen fulminanter Rezi über das „Charly’s“ vom letzten Sommer, als er mit abgesenktem Blutzuckerspiegel seine BBQ-Shoes schnürte und eine monströse Platte mit low & slow gesmoked-ten Fleischpreziosen
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Nun verschlug es uns Ende Januar mal wieder für zwei Tage in die südlichste Großstadt Deutschlands, deren Klimagunst die Menschen selbst in den Wintermonaten zum Draußen sitzen animiert. Von Kontaktverbot und anderen Beschränkungen des öffentlichen Lebens war da noch keine Spur. Wie sich die Lage in nicht einmal zwei Monaten doch ändern kann…
Doch wie kam es zur Stippvisite übers Wochenende? Ein Weihnachtsgeschenk meiner Liebsten beinhaltete zwei Übernachtungen in einer Ferienwohnung, die fußläufig zur Freiburger Altstadt lag. Münster, Bächle und Studentenkneipen in Reichweite. Januar-Tristesse adé! Wir freuten uns über die kleine Alltagsflucht und natürlich hatte ich mich vorab ein wenig mit der kulinarischen Situation vor Ort vertraut gemacht.
Die Idee, am ersten Abend in einem afghanischen Lokal aufzuschlagen, stammte jedoch von meiner Gattin, die Informationen aus erster Kollegenhand hatte und das Magellan als Insider-Tipp empfohlen bekam. Gute Mundpropaganda war übrigens auch der Grund für den geplanten Besuch des „Kartoffelhauses“ am Folgeabend. Ein Mitglied unserer Wörther Schlemmertruppe schwärmte schon etliche Jahre von dieser Freiburger Institution für gutbürgerliche Knollengenüsse.
Die beiden, für Freitag- und Samstagabend anvisierten Einkehradressen hatte ich im Vorfeld schon telefonisch kontaktiert und dort jeweils einen Tisch für Zwei reserviert. Von der Zollhallenstraße, wo sich unsere hübsche Bleibe befand, bis zur Sundgauallee 110 nach Betzenhausen war es ein knapp einstündiger Fußmarsch, der uns so richtig ausgehungert am Restaurant Magellan ankommen ließ. Beste Voraussetzungen also für eine kulinarische Entdeckungstour durchs aromatische Afghanistan.
Kaum hatten wir die von außen recht unauffällig wirkende, latent an die Bausünden der 70er Jahre gemahnende Lokalität betreten, war ich froh, um die Tage im Voraus getätigte Reservierung. Der Laden brummte an diesem Freitagabend und nach freundlichem Empfang am Tresen führte man uns in den hinteren Teil des Gastraums, wo tatsächlich noch ein Zweiertisch unbesetzt geblieben war.
Dem Andrang entsprechend ging es recht lebhaft zu - ohne jedoch die Kommunikation am Tisch zu erschweren. Ein angenehmer Geräuschpegel, der auf munterem Austausch und appetitanregendem Geschirrgeklapper basierte. Am Nachbartisch hatten es sich derweil ein paar Studentinnen bequem gemacht. Dahinter ein älteres Ehepaar aus der Schweiz – Stammgäste, wie mir der redselige Servicechef und Betreiber des Ladens, Herr Nazari, später beim Plausch verriet.
Warmes Licht durchflutete das zurückhaltend dekorierte, überraschend zeitgemäß eingerichtete Innere des Restaurants. Im Hintergrund waren traditionelle Klänge – wahrscheinlich aus dem Heimatland der Betreiber – zu vernehmen. Dunkelrote Teppiche und kleine, kunstvoll gefertigte Stickereien an den Wänden setzten – wenn auch eher subtil – ein paar orientalische Akzente.
Seit Juli 2015 bringt die Familie Nazari ihre Auffassung afghanischer Esskultur unter ein aufgeschlossenes, sich durch sämtliche Altersschichten ziehendes Publikum. Auf volkstümlichen Deko-Kitsch wird dabei weitgehend verzichtet. In dem mit Geschmack und Sinn für Details gestalteten Gastraum kamen sich Tradition und Moderne nicht ins Gehege, sondern harmonierten außerordentlich gut miteinander.
Dem interessierten Gast wurde eine Sammlung verschiedenster Gewürze und Gewürzmischungen (z.B. Char) auf der langen Ausschanktheke präsentiert. Gleich daneben befand sich ein kleines Separee mit persischer Sitzecke, einem niedrigen Holztisch und jeder Menge orientalisch gemusterter Kissen und Teppichen. Der grob geschätzt für ein Dutzend Personen ausgelegte Raum kam mir mit seiner authentischen Einrichtung (Bilder, Wandornamente, Laternenlampe) wie ein eigenständiger, morgenländischer Mikrokosmos vor. Das orientalische Herz des Magellan hatte nicht viel mit dem übrigen, eher zweckmäßig ausgestalteten Gastraum gemein.
Innenansicht
Dieser war in Sachen Einrichtung recht nüchtern gehalten. Man setzte auf schlichte Bistrotische mit heller Holzplatte und nicht minder funktionale Holzstühle, wie sie in vielen Verzehrstuben zu finden sind. Letztere waren mit gepolsterten Unterlagen versehen, was für den Sitzkomfort definitiv kein Nachteil war. An der Längsseite des Gastraumes reihten sich hohe Fenster aneinander. Durch eine eingelassene Glastür ging es nach draußen zur komplett verwaisten Sommerterrasse. Mögen wieder wärmere Zeiten das gesellige Beisammensein unter freiem Himmel ermöglichen…
Nun, auch im Inneren des Magellan ging es recht vergnüglich zu. Wir akklimatisierten uns schnell und hielten alsbald die in rotem Einband steckende Speise- und Getränkelektüre in Händen. Das Programm gegen den Hunger erinnerte mich an wenig an die Köstlichkeiten, die in indischen Lokalitäten auf der Speisetafel stehen. Das wunderte mich nicht, wurde doch die Landesküche Afghanistans maßgeblich von seiner geographischen Lage an der Seidenstraße bestimmt und so von der persischen und indischen Esskultur stark beeinflusst.
Das Angebot beinhaltete eine Handvoll Vorspeisen (Teigtaschen, Schafskäse, frittiertes Gemüse im Kichererbsenmantel), ein paar Suppen (Linsen-Dahl und Tomatencreme), ein knappes Dutzend Salate und eine ausgewogene Palette an vegetarischen Speisen sowie Fleischgerichten (mit klarem Bekenntnis zu Huhn und Lamm). Zusätzlich standen noch sechs verschiedene Grillgerichte und drei Menüs zur Wahl.
Letztere entpuppten sich als dreigängige Speisefolgen, deren Vor- und Nachspeisen aus dem À-la-Carte-Angebot entnommen waren. Bei den Hauptgängen fuhr man allerdings die „Politik der gemischten Platte“. Für die Erstsemester im Fachbereich „Afghan-Cuisine“ eine willkommene Gelegenheit um sich erste Basics „reinzuziehen“. Zumal die Menüs auch preislich (24 / 28 / 33 Euro) interessant erschienen.
Auch dem kleineren Hunger wurde mit ein paar Gerichten entsprochen. Genau wie den kleineren Gästen. Ach, wie hätte ich mich als Kind bei gedämpftem Basmatireis (das Wort „Basmati“ hätten meine Eltern natürlich vorsichtshalber weggelassen…) und Hackfleischsoße vom Rind hier wohlgefühlt.
Ganz abgesehen von den süßen Versuchungen, die in Form von Halwa (Grießschnitte), Schir Berendj (afghanischer Milchreis), Firni (orientalische Panna Cotta) und Shir Yach (Fruchtcocktail auf Vanille-Eis mit Rosenwasser und Kardamom) den Speisezettel landestypisch abrundeten. Gut, es gab auch Coupe Dänemark, Schwarzwaldbecher und Apfelstrudel für weniger experimentierfreudige Schleckermäuler.
Die Getränkekollektion offenbarte zwar keine veritablen Rebsaftraketen, aber durchaus ordentlichen QbA-Standard. Markgräfler Gutedel und Herxheimer Honigsack Rieslingaus der Pfalz waren viertelweise zu manierlichen Preisen (4,10 bzw. 5,10 Euro) erhältlich. Fürstenberg Pils und Paulaner Hefeweizen gab es vom Fass. Das trübe Waldhaus-Bier („Ohne Filter“) aus dem südlichen Schwarzwald kam für 3,30 Euro aus der 0,33l-Flasche. Da griff ich doch gerne zur Pulle. Für den halben Liter Schwarzwaldsprudel „classic“ wurden wir um 3,80 Euro erleichtert. Preislich bewegten sich unsere Durstlöscher allesamt im fair kalkulierten, sprich grünen Bereich. Das passte farblich zum Pastis mit Eiswasser (3,90 Euro), den ich mir vorweg als Apero gönnte.
Unser erster Hunger sollte vegetarisch gestillt werden. Wir wählten Pakaura (4,20 Euro) und Sambosa (5,90 Euro) aus der Liste warmer Kleinigkeiten zum Vorwegverzehr. Bei Ersteren handelte es sich um drei frittierte Gemüsebratlinge, die hauptsächlich aus Kartoffelmasse bestanden. Zusammen mit Zwiebeln, Zucchini und Auberginenstreifen wurden die knusprigen Pakaura einmal durch den Kichererbsenteig gezogen, bevor sie in die Fritteuse getaucht wurden. Dazu wurde ein scharfes Chutney auf Tomatenbasis gereicht. Das passte ganz prima und sorgte für wohliges Brennen auf der Zunge.
Pakaura
Als Sambosa wurden zwei hausgemachte, mit Kichererbsen, Kartoffeln, Tomaten, frischem Koriander und normal gelaunten Erbsen gefüllte Teigtaschen bezeichnet. Scheinbar eine typisch afghanische Vorspeise, die sich bestimmt auch gut als Resteessen eignet. Kulinarisch beheimatet zwischen indischen Samosas und chinesischen Frühlingsrollen, waren diese aromatisch duftenden (Koriander!), Frittierpakete ein genussvoller Auftakt. Zumal auch hier der scharfe Chutney-Dip selbst auf die hintersten Geschmacksknospen stimulierend wirkte.
Sambosa
Meiner Frau empfahl der gesprächige Servicechef das afghanische Festtagsgericht namens Kabuli Palau, was sich wahrscheinlich mit „Reis nach Kabuler Art“ übersetzen ließe. Sie entschied sich allerdings für die vegetarische Version (14,40 Euro), die mit gebratenen Auberginen serviert wurde. Das einem usbekischen Pilaw nicht unähnliche, afghanischste aller Reisgerichte wurde ganz traditionell mit gedämpftem Basmatireis, geschmorten Karotten, Mandelstiften und natürlich Rosinen serviert.
Kabuli Palau vegetarisch
Der Reis kam direkt aus dem Aroma-Abteil des Orient-Express, denn er wurde mit einer speziellen Gewürzmischung aus Kardamom, Nelken, Zimt, Koriander und Pfeffer verfeinert. Dazu wurde noch à part eine Schale mit Dahl – gestampften gelben Linsen mit geröstetem Knoblauch und Ingwer – gereicht.
Dahl als Beilage
Der Reis fiel fantastisch locker aus. Zusammen mit der leichten Süße von Rosinen und Karotten, dem nussigen Mandelcrunch, sowie der wohlriechenden Garam-Masala-Würze, welche mutmaßlich von den mit Tomatensauce bedeckten Aubergine-Scheiben herrührte, war das ein vorzüglicher Veggie-Teller, den sich da meine Frau einverleibte.
Ich tat mich währenddessen an zwei saftigen Hackfleischspießen gütlich. Kababe Kobida nannten sich die beiden wohlgeformten Spießgesellen aus Rinderhack (15,90 Euro). Auch bei ihnen hatte man nicht mit orientalischer Würze gespart. In den fachmännisch gegrillten Hindukusch-Köfte, die ja eigentlich persischen Ursprungs sind – im Iran nennt man sie Kabab Koobideh –, war eine ordentliche Menge an gehackter Zwiebel und frischer Petersilie versteckt, was den beiden Protagonisten auf dem Teller sehr gut bekam.
Kababe Kobida
Als Beilage fungierte auch hier Basmati-Reis, der bei genauer Betrachtung unterschiedlich gefärbt war. Wie man mir erklärte entsteht die Farbe beim Anbraten im Topf und ist typisch für die afghanische Art der Reiszubereitung, bei der wohl auch ein wenig karamellisierter Zucker zugegeben wird. Die separat im Glasschälchen dazu gereichte Knoblauchsauce war hausgemacht und schmeckte auch so. Das war keine Convencience-Mayo-Plempe aus dem Regal, sondern eine mit angenehmer Knoblauchfrische daherkommende Dip-Sauce, die für etwas süffigere Verhältnisse auf dem Teller sorgte.
Von der Portion her war das sicherlich keine Fastenspeise, aber dank des lockeren Reisreigens und der gut bemessenen Hackfleischdosis auch kein monströses Quantum wie man es von dem ein oder anderen Helenengrill her kennt. Maßlose Bifteki-Bestien sind die Afghanen nun wahrlich keine. Gut so. Außerdem beinhaltete der Grillteller ja noch einen herrlich sauer angemachten Beilagensalat. Was kann man da mehr wollen?
Gut, vielleicht etwas gegen die Diabetes-Profilaxe. Denn selbstverständlich wollten wir das Ende des feinen Mahls mit zwei orientalischen Süßspeisen einläuten, was sich in einer zimtigen Grießschnitte namens Halwa
Halwa
und einem nach Rosenwasser und Kardamom schmeckenden afghanischen Milchreis (mit dem wohlklingenden Namen Shir Berenj) manifestierte (beide jeweils 4,90 Euro).
Shir Berenj
Beim Milchreis meiner Frau zeigte sich Mango-Püree für den fruchtigen Akzent des Nachtisches verantwortlich. Meine gar nicht mal so süßen Grießschnitte wurde von hochgezuckerter Karotten-Mandel-Marmelade flankiert. Wie bei der persischen Variante (Moraba Havij) wurde auch hier nicht mit Kardamom und Rosenwasser gegeizt. Solche Aromen sind für den europäischen Gaumen sicherlich etwas ungewohnt, da diese Süßspeisen immer etwas parfümiert wirken. Geschmacklich waren sie jedoch genau wie das vorher Genossene eine durchweg positive Erfahrung für uns.
Nach unserem Abendessen stiegen wir auf der Sundgauallee in die stadteinwärts fahrende Straßenbahn. Für ein paar Bierchen im Schwarzen Kater, einer gemütlichen Studentenkneipe in der Altstadt, war ja noch Zeit. Dass dort juvenile Ü-Sechziger auch beherzt den ein oder anderen Flammkuchen verdrückten, machte das Ganze umso sympathischer.
Bleibt nur zu hoffen, dass das Magellan die Krise übersteht und wir bei einem zukünftigen Freiburgbesuch wieder in den Genuss der afghanischen Leckereien kommen. Aschak, Bolani und Mantu wollen schließlich auch noch probiert werden.
„Mo’afagh bashed!“ liebe Familie Nazari.