Kochen ist für mich eine Freude. Essengehen eine Leidenschaft. Das muss nicht immer auf höchstem Niveau sein. Auch ehrliche Hausmannskost oder kleinere Leckereien aus aller Welt können kulinarisch den Tag erhellen. Bei Restaurant-Kritik habe ich dann auch am "Darüber-Schreiben" gefallen gefunden. Der Wechsel zu GastroGuide eine logische Folge nach all der negativen Entwicklung dort. Als Südpfälzer kenne ich mich in der dortigen Gastrolandschaft auch ein wenig aus, bin aber immer froh, wenn ich über regionale Tellerränder schauen kann. Die asiatische Küche hat es mir dabei besonders angetan.
Kochen ist für mich eine Freude. Essengehen eine Leidenschaft. Das muss nicht immer auf höchstem Niveau sein. Auch ehrliche Hausmannskost oder kleinere Leckereien aus aller Welt können kulinarisch den Tag erhellen. Bei Restaurant-Kritik habe ich dann auch am "Darüber-Schreiben" gefallen gefunden. Der Wechsel zu GastroGuide eine logische Folge nach all... mehr lesen
Bewertungs-Statistik
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Geschrieben am 15.12.2020 2020-12-15| Aktualisiert am
10.02.2021
Besucht am 06.10.2020Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
Rechnungsbetrag: 241 EUR
„Ich will zurück auf die Straße – will wieder singen – nicht schön, sondern geil und laut!“
Ach was habe ich früher die Textzeilen dieses bekannten deutschen Rockbarden geträllert. Nie hätte ich gedacht (nicht einmal „Mit 18“…), dass einmal eine Zeit kommen würde, in der eben jener Satz mein Verlangen nach der Rückkehr zur alten, so schmerzlich vermissten „Normalität“ am ehesten ausdrückt. Und das nicht nur in Bezug auf das gemeinsame Musizieren mit guten Kollegen.
Die meisten Dinge, die uns als soziale Wesen mit Sinn erfüllen, sind derzeit – wenn überhaupt – nur als gedrosselte, oft rein mediale „Light-Produkte“ (passend zum misslungenen Lockdown der letzten Wochen) verfügbar. Da wirkte die Zeit zwischen den Einschränkungen wie ein kleiner Lichtstreifen am Horizont.
Wohl dem, der diese Zeit zum Auftanken nutzte. Er wird seinen aufgeladenen Erlebnis-Akku sicherlich in den kommenden Wochen und Monaten gut gebrauchen können. Denn ein Ende der Durststrecke ist ja nach wie vor nicht in Sicht. Genauso wie die Anzahl an Insolvenzen im Gast- und Hotelgewerbe derzeit nicht abschätzbar ist.
Was bleibt mir anderes übrig, als ein wenig zurückzuschauen. Nicht auf unbeschwerte Tage, aber im Vergleich zur heutigen Situation auf allemal bessere. Sorry, meine lieben Stammleser, die ihr den kulinarischen Herrenwitz genauso schätzt wie ich. Solch ernste Worte sind normalerweise nicht das Terrain, auf dem sich mein „launiger“ Schreibstil bewegt.
Aber alles Lamentieren hilft ja nichts. Schauen wir nach vorne. Lasst uns zusammen diesen pandemischen Hades durchqueren. Denn selbst Currywurst-Gröni sang einst von der Hoffnung als Gegengewicht. Na dann, auf nach Speyer! Nicht zum Goldenen Hirschen, sondern in den wiederbelebten Alten Engel.
In dieser alteingesessenen Speyerer Adresse hat seit Mitte Juli dieses Jahres der Küchenchef Sven Niederbremer (ehemals „Zwockelsbrück“ in Neustadt, „Moro“ in Neustadt-Gimmeldingen usw.) zusammen mit seiner Frau Priscilla das Sagen. Zum Traditionslokal im romantischen Gewölbekeller gehört eine Etage höher die angegliederte Weinbar, die sich „Zwischen den Engeln“ nennt. Zwischen deshalb, weil gleich nebenan das seit 1857 (nicht 1890!!) im Schaefer’schen Familienbesitz befindliche Hotel „Goldener Engel“ zugegen ist.
Bei so vielen Engeln sollte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn sich da nicht kulinarische Höhen erklimmen ließen. Aber da waren wir unbesorgt, kannten wir doch die Küche des Mannes aus Bremen-Walle noch aus seinen Neustädter Tagen. Was für ein schöner Zufall, dass es den werten Herrn Borgfelder zusammen mit seiner charmanten Gemahlin für eine Nacht in die sympathische Domstadt am Rhein verschlug.
Er, der Gordon Schaumwein der Bremer Sektklasse hatte höchstselbst einen Vierertisch im Alten Engel reserviert. Seine knapp gehaltene Buchungsanfrage enthielt neben den üblichen Nettigkeiten auch die Bitte, ob denn Herr Niederbremer nach vollzogener Gaumenorgie noch kurz zur Feedbackrunde an unseren Tisch kommen würde. Er kam – so viel sei vorweg bemerkt – und zwar trotz des lebhaften Abendgeschäfts, das der Chefkoch und sein Team an diesem Dienstag zu wuppen hatten.
Ja, es war ein ganz gewöhnlicher Dienstagabend, an dem sich das Pfalz-Bremen-Quartett zum Abendessen traf. Dieser Umstand erlaubte keinen allzu tiefen Blick ins Weinglas meinerseits, denn am nächsten Tag hieß es wieder früh aufstehen und ab ans pädagogische Fließband. So war von vornherein klar, dass sich unser Rendezvous mit den beiden Bremer Engeln gelagetechnisch in Grenzen halten würde. Gut, der Schampus-Schamane von der Weser konnte am nächsten Tag auspennen, was ihm zwar einen kleinen Vorteil verschaffte, den er aber keineswegs auszunutzen trachtete. Von der alten Grashoff’schen Trinkform war auch er um ein paar Flascheninhalte entfernt. Aber das wird bei ihm wiederkommen. Da bin ich mir zu 12,5% sicher…
Der Alte Engel befindet sich in der Mühlturmstraße, etwas westlich des Altpörtels, einem historischen Stadttor, das mit seiner Höhe von 55 Metern zu den höchsten und bedeutendsten der Republik zählt. Für Leute wie uns, die mit dem Auto anreisen, ist dieser Umstand recht bequem, da keine 100 Meter vom Genussgewölbe entfernt das Postgalerie Parkhaus mit hochanständiger Preispolitik (wir sind ja hier nicht in den Mannheimer Raubritterquadraten!) und ausreichenden Möglichkeiten der zeitweiligen KFZ-Beherbergung lockt. Dadurch war uns kein nerviges „Lückenbüßen“, sondern eine durchweg entspannte Anreise garantiert.
Ein paar Worte möchte ich noch zur jüngeren Historie dieser beliebten Speyerer Nostalgieschenke verlieren. Der Alte Engel wurde bis Ende April dieses Jahres von Gastronom Philipp Rumpf betrieben. Er hatte das Lokal von seinem Vater Eberhard übernommen, der den Alten Engel schon vor über 40 Jahren gepachtet hatte und ihn zu einer überregional bekannten Adresse für Freunde deftiger Hausmannskost machte.
Vater Eberhard verstarb leider viel zu früh und so führte Sohn Philipp die kulinarische Tradition im „Engel“ fort. Mittlerweile hat er das ehemalige „Klosterstübchen“ in der Korngasse bezogen und es zur „Sux – Restobar“ modernisiert. Der ungewöhnlich klingende Name „Sux“ geht übrigens auf den Vater von Philipp Rumpf zurück. Eine wirklich tolle Geste vom Junior, die neue Gastronomie nach dem Spitznamen des Herrn Papas zu benennen.
Warum erzähl ich das? Naja, nach dem Essen schaute ich zusammen mit dem Wesermann noch kurz dort rein. Der gastronomisch mit allen Blubberwassern gewaschene Spürhund aus der Hansestadt hatte den Laden anscheinend schon mittags erkundet und wollte mir nach unserem Abendmahl noch seine neue Entdeckung zeigen. Die Mädels blieben vorsichtshalber draußen, denn sie wussten um die Absackerneigung ihrer Gatten nur zu gut.
Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Sollte die „Sux-Weinbar“ den Lockdown überstehen, dann werden wir sie beim nächsten Speyer-Besuch definitiv aufsuchen. Allein ihr stilvoll eingerichtetes, wertig-schickes Inneres versprühte derart viel Flair, dass es Borgi und mir echt schwerfiel, den lauschigen Schuppen gleich wieder zu verlassen. Aber Frauen lässt man nun mal nicht warten – schon gar nicht draußen!
So, genug ausgeholt und vorgespult! Jetzt aber schnurstracks ins neue Reich des Niederbremers.
Nachdem wir die unscheinbare Pforte des Alten Engel passiert hatten, wurden wir im Vorraum (der Weinbar) von einer Servicedame in Empfang genommen. Man fragte freundlich nach unserer Reservierung. Nach der Nennung des Buchungswunders von der Weser öffnete sich das Sesam bzw. wir wurden zum Schlemmen in den Keller geschickt. Die Krypta des Speyerer Doms wirkt gegen das schummrige Backsteingewölbe wie eine gut ausgeleuchtete Bahnhofshalle. Aber nur auf den ersten Metern. Dann wurde es Licht… Ein lauschiges Eck...
Auf echte Engel ist eben Verlass und gleich zwei von dieser seltenen Spezies warteten bereits an einem rustikalen Holztisch sitzend auf uns. Die Wiedersehensfreude war groß, hatten wir uns doch seit der nachweihnachtlichen Zusammenkunft bei Grashoff (in Bremen) nicht mehr gesehen. Wie gern hätte man sich mal wieder freundschaftlich in den Arm genommen. Aber darauf mussten wir leider pandemiebedingt verzichten.
Nun denn, auch so genossen wir die neue deutsche Nähe am Tisch und fühlten uns im Höhlenhalbdunkel des Gewölbekellers gut aufgehoben. Unsere Wirkungsstätte
Zünftiger Holzdielenboden, altertümlich von der Backsteindecke baumelnde Deckenlampen und antik wirkendes, vornehmlich aus dunklem Holz geschnitztes Mobiliar schufen ein zeitlos-warmes Ambiente, das vom Teelichtgeflacker auf den Tischen und der indirekten Wandbeleuchtung noch stimmungsvoll befeuert wurde. An den Wänden jede Menge Gemälde und Drucke mit Speyerer Motiven (Brezelfest, Dom, Rheinaue, etc.) aus vergangenen Tagen. Das wirkte manchmal etwas museal, aber definitiv nicht unsympathisch. ...Engel-Atmo!
Beim Aushändigen der Speisenkarten traf ich auf ein bekanntes Gesicht. Thomas Fischer, eine mir wegen zahlreicher, tadelloser Leistungen bei Gehrleins Hardtwald und der Krone in Neupotz noch sehr gut in Erinnerung gebliebene Servicekraft, arbeitete nach einem Abstecher im Badischen wieder auf der linken Seite des Rheins. Echte Wiedersehensfreude, die später noch in ein sehr herzliches Gespräch münden sollte. Was konnte jetzt noch schiefgehen?
Okay, die Auswahl des Weines. Bei dem Bremer Weißweinzombie ist das ja prinzipiell kein Selbstläufer. Doch war mir beim Durchstöbern des Engel‘schen Kellerkompendiums schon klar, dass auch Borgi hier fündig werden würde.
Die Erstentscheidung bei der Flaschenwahl wurde ganz gönnerhaft mir überlassen. Ein perfider Taschenspielertrick meines Schräg-Gegenübers, den ich natürlich gleich durchschaute. Es folgte das, was kommen musste: eine vinophile Trotzreaktion meinerseits.
Da wurden die wirklich hervorragenden Pfälzer Kreszenzen des respektablen Weinsortiments – sowohl offen als auch in der Flasche – geflissentlich überlesen und Südafrika als Weinland mit guter Hoffnung (passend zum Kap) zum flüssigen Begleitprogramm des Abends erhoben.
Über die dortige, 850 km lange Route 62, der angeblich längsten Weinstraße der Welt, sowie die vorherrschenden Qualitäts- und Nachhaltigkeitsbestrebungen der Kap-Winzer informierte uns die Weinkarte. Sven Niederbremer kennt sich in dieser Region gut aus, denn er hat selbst einige Jahre dort verbracht. Schade nur, dass er das Südafrika-Menü bereits aus seinem kulinarischen Programm gestrichen hatte. Wir hätten uns nur zu gern Bobotie und Co. an diesem Abend schmecken lassen.
Eine Karaffe Tafelwasser (Literpreis: 3,90 Euro) sowie diverse Aperos später - den furztrockenen Riesling-Sekt vom Birkweiler Weingut Siener (0,1l für 5,90 Euro) und den angenehm säuerlichen Lillet mit Hibiskus on the Rocks (6,50 Euro) möchte ich an dieser Stelle nicht verschweigen – hatte ich dann auch meine Entscheidung in Sachen Rebsaftwahl getroffen.
Wir eröffneten mit einer Flasche Doringbay Sauvignon Blanc (31 Euro) vom südafrikanischen Weingut Fryer‘s Cove, dem angeblich „kältesten“ des ganzen Landes. Als Zusatzbeschreibung las ich in der Karte nur ein Wort: Aromenbombe. Dies genügte mir, um die Order zu vollstrecken. Ein Wein, der allen am Tisch Laune machte und mit superfrischem „Cool climate“ für ordentlich Spaß im Glas sorgte. Der Sauvignon Blanc aus Südafrika
Zu der Zeit hatten wir die Speiseliteratur schon ausgiebig durchstöbert und – wie es so unsere Art ist – mit viermal Schnitzel „Wiener Art“ (inklusive Salatbeilage vorweg) die kulinarische Marschrichtung des Abends abgesteckt. Das nur als kleiner Prank am Rande.
Natürlich schöpfte der Ehrenmann aus Bremen-Borgfeld – in Köln würden sie ihn glatt als „Ehrenfelder“ durchgehen lassen – ganz unasketisch aus dem Vollen. Er hatte sich für das viergängige Menü „Alter Engel“ (42 Euro) entschieden, wobei er der Pfifferlingsuppe aus dem Standard-Programm eine Absage erteilte und sie ganz ungeniert gegen eine Schaumsuppe vom Kürbis mit gebackenen Parmesankugeln eintauschte. Für die Engelsküche kein Problem. Die Bremer „Haute-Velouté“ galt bei Suppen seit jeher als recht heikel.
Dem nicht genug, machte eben jener auch beim Dessert von seinem freundlich, aber bestimmt vorgetragenen Umtauschrecht Gebrauch. Auf die rhetorische Frage in der Speisenkarte „Gibt es zu viel Schokolade?“, die der Schoko-Variation ihren Namen gab, antwortete der notorische Vierkäsehoch nicht etwa mit einer Platte gereifter Molkereierzeugnisse, sondern erklärte sein Dessert kurzerhand zur „Tea-Time“ – nur eben „mal anders“. Diese bescherte ihm später eine Zitronentarte mit weißer Schoko-Mousse.
Die Frau des berühmt-berüchtigten Schikanen-Schwelgers beschied sich mit einem kurz unter Rauch gesetzten Linsensalat (9 Euro), der mit Forelle, Zwiebelaroma und Brunnenkresse-„Tee“ veredelt wurde und später im Niederbremer’schen Einweckglas-Format als wohlduftende Vorspeise seinen appetitlichen Dampf abließ. Als Hauptgang sollten gebackener Zander (the one and only) auf Kartoffel-Erbsen-Püree (18 Euro) folgen. Eine schaumige Beurre blanc unterfütterte dabei ihren Backfischgang aufs Süffigste.
Die Dame an meiner Seite, die der Tischälteste wie gewohnt in eine auf ihr Bundesland bezogene Konversation einband, hatte sich vorweg für den „Alten-Engel-Salat“ ohne Garnele (9 Euro) entschieden. Sie untermauerte ihr vegetarisches Ansinnen mit Kürbisgnocchi und jungem Spinat (15 Euro). Einem Gericht, das auch mit gegrillter Perlhuhnbrust „in lecker“ angeboten wurde und das beim 4-Gang-Menü des Gourmandkollegen aus dem Norden den Hauptgang bildete.
Meine Wenigkeit begnügte sich mit dem saisonalen Pfifferlingsüppchen (7 Euro) als Appetizer, um dann den „Alten-Engel-Salat“ (mit gebratener Riesengarnele für 12 Euro) noch nachzuschieben. Natürlich hätte ich mich auch mit dem gegrillten Kabeljau an Rote-Beete-Risotto und Meerrettich-Schaum (18 Euro) oder mit den Tagliatelle, die mit einem Ragout von gezupfter Entenkeule, Shiitake-Pilzen und Radicchio (17 Euro) kombiniert wurden, anfreunden können. Aber an jenem Abend war mir eher nach seichter Kost zumute. Kein Wunder bei meinem hochtrabenden Geschwätz zu Tisch.
Aber was half die beste Wasserpredigt, wenn diametral der Weißwein aus vollem Glas genossen wurde. Da hieß es: Rotweinverstand ausschalten und die gute Weißweinmiene zum südafrikanischen Sauvignon Blanc aufsetzen. Dieser wurde übrigens in der Halbzeitpause des Flaschenweinkonsums von einem 2018er Chardonnay Chavant (52 Euro) vom Weingut Louisvale (Stellenbosch, Südafrika) abgelöst. Ein cremig-fruchtiger Vertreter seiner Art, dessen 4-monatiger Aufenthalt im Barrique-Fass definitiv kein Fehler war. Schluck für Schluck wurde da der eigene Weißweinkosmos ein wenig in Richtung Süden erweitert. Warum auch nicht?
Die Zeit bis zum ersten „echten“ Leckerbissen vertrieb man uns mit gutem Sauerteigbrot und einem Dip, den ich an diesem Abend dankend ablehnte. Keine Ahnung, was das für eine Crème war, die uns die Küche als Vorabgruß reichte. Den anderen drei Herrschaften am Tisch schien sie aber gemundet zu haben.
Der Mann mit dem kulinarischen Viergang-Getriebe bekam zeitnah seinen ersten Teller, der schlicht mit Lachs und Artischocke tituliert war. Ein leichter, von asiatischen Aromen geprägter Aufgalopp, dessen Basis ein respektabler Glasnudelsalat bildete. Der mild marinierte Lachs ließ laut seinem Verputzer qualitativ nichts zu wünschen übrig. Eine erste Hürde, die er auch ohne Anlauf locker übersprang.
Die Zeit verging genauso schnell, wie es sich für eine intakte Tischgesellschaft auch gehört. Man hatte sich ja lange nicht gesehen und dementsprechend viel zu berichten. Unsere Konversation wurde lediglich durch das Auftragen der Vorspeisen kurz unterbrochen. In schlichter, aber geschmackssicher ausgewählter Keramik wurden uns die beiden Suppen, der Alte Engel in Grün und der eingedampfte Linsensalat serviert.
Meine Pfifferlingsterrine war Liebe auf den ersten Löffel. Wie mir Chefkoch Niederbremer später versicherte, wurde da kein Fond – weder Rind noch Gemüse – verwendet. Die geschmackliche Tiefe erzielte man durch das lange Einkochen, das schon am Tag zuvor begann. Das Einziehen über Nacht hatte der gänzlich ohne Sahne auskommenden Brühe eine zusätzlichen Portion Umami beschert. Einfach, ohne Schnickschnack, aber mit ordentlich Rückgrat. Solche Süppchen brock ich mir gerne ein.
Der Kürbissuppenlöffler moserte auf ganz knusprigem Niveau. Seine gebackenen Parmesankugeln waren aufgrund ihres Härtegrads schwer zu zerteilen und gleichzeitig doch ein wenig zu voluminös, um sie komplett vom feinen Mahlwerk ihres Vertilgers kleinzubekommen. Über die Suppe an sich äußerte er sich dagegen wohlwollend.
Gegenüber von mir ließ es Frau Borgfelder ordentlich dampfen, indem sie das Einmachglas mit der Forelle auf Linsensalat öffnete. Auch sie lobte ihr „Viel-Rauch-um-Wenig-Fisch-Gericht“, dessen wohliger Duft selbst mich als Linsenkritiker überzeugte. In dieser Form hätte ich mir die Hülsenfruchtkombi auch gefallen lassen.
Schließlich erinnerte mich der Anblick dieser „Rauchbombe“ an einen Besuch der Zwockelsbrück (Neustadt) vor rund vier Jahren. Damals war es ein Onsen-Ei, das Herr Niederbremer nach seinem einstündigen Aufenthalt im Konvektomaten (bei 64 Grad) auf einer eingekochten Haferflocken-Waldpilz-Jus ins Einmachglas sperrte und be(weih)räucherte. Vielleicht packt er ja sein früheres „Unterschrifts-Gericht“ auch an seiner neuen Wirkungsstätte auf den Speiseplan.
Meine Frau war ganz begeistert von ihrem „Crispy Salat“ mit Fetakäse, Kürbis-Chutney und karamellisiertem Speck. Letzterer sorgte zusammen mit dem Schafskäse für recht pikante Momente, während sich das Chutney und der sehr gute Balsamico für ein fruchtbetontes Säurelevel verantwortlich zeigten. Damit die Kauwerkzeuge auch ja nicht zu kurz kamen, bediente man sich gerösteter Kürbiskerne. Der Rest bestand aus einem mit schmackigem Essig-Öl-Dressing angemachten Hügel aus diversen Pflücksalatblättern. Schön, wenn sich auf einem Teller Würze, Säure und Frische ein so kongeniales Stelldichein geben.
Dann endlich wurde es ernst, denn die Hauptspeisung wurde von der gut aufgelegten Servicetruppe um Thomas Fischer eingeläutet. Einige „Hmmmms“ meiner Frau ernteten die putzigen Kürbisgnocchi mit Jungspinat, die von einem schaumig geschlagenen Soßensaum eingefasst waren. Gleiches Bild beim Mann gegenüber, der sich zusätzlich mit dem Besten vom Perlhuhn (Supreme) zufriedengab. Und noch mal Perlhuhn, weil's so schön perlt...
Mit stolz gegrillter Perlhuhnbrust ließ er sich den süffigen Herbstteller munden. „Hauptsache es perlt!“ – da machte er beim Huhn keine Ausnahme. Gegrillte Perlhuhnbrust auf Kürbisgnocchi und jungem Spinat
Die Dame, die mir gegenübersaß, machte mir mit ihren gebackenen Zanderfilets auf Kartoffel-Erbsen-Püree den Mund wässrig, während sich der süßliche Duft einer gerösteten Riesengarnele (im Panzer) über meinem Engels-Salat ausbreitete. Mein Alter-Engel-Salat mit Garnele fristete nur auf dem Bild ein Schattendasein ;-)
Gut, dass noch etwas Chardonnay da war. Ich hätte mir keine bessere Begleitung zum Krustentier vorstellen können.
Feta, Karamellspeck & Co. wussten meine Geschmacksnerven aufs Würzigste zu überzeugen und über das himmlische Balsamico-Dressing habe ich mich beim Salat meiner Liebsten ja schon lobend ausgelassen. The Salad of Darkness
Unsere Hauptgerichtsurteile fielen einstimmig positiv aus. Nur die Desserts wurden uns später noch auf Bewährung aus- bzw. vorgesetzt. Meine Frau und ich beantworteten die Frage, ob es zu viel Schokolade geben könne mit einem überzeugten „Niemals!“ und orderten die Schoko-Variation „Alter Engel“ (9 Euro). Gibt es zuviel Schokolade? (Schoko-Variation "Alter Engel")
Der süße Fan tat sich derweil an Pfälzer Zwetschge mit Käsekuchencreme und Mandel gütlich (7 Euro), während sich wiederum ihr größter Fan die Zitronentarte schmecken ließ. Von diversen Geltupfern, Knuspercrumble und weißem Schokomousse flankiert, waren es bei Borgis „Tea-Time“ die Nebendarsteller, die der etwas lahmen Zitrusschnitte auf die Sprünge halfen. Dennoch ein süßer Schlussakkord in gefälligem Dur. Tea-Time mal anders (mit Zitronentarte)
Der Abend mit unseren beiden verlässlichen Bremer Engeln ging natürlich viel zu schnell über die Bühne. Damals planten wir noch ganz naiv unser jährliches Weihnachtstreffen in Bremen. Wie gerne hätten wir das mit den Borgfelders in Stefan Schröders neuer Location namens L’Orangerie abgehalten. Naja, hoffentlich dann eben im nächsten Jahr. Planbar ist ja in diesen Zeiten kaum noch was.
Ach so ja, fast hätte ich es vergessen. Herr Niederbremer stellte sich nach getaner Küchenarbeit noch den Fragen der beiden Rezensenten am Tisch. Das tat er ganz unaufgeregt, sympathisch und grundehrlich. Nordisch by nature halt und Werderaner durch und durch, der Gute. Dass Borgi den zum Blumentopf umfunktionierten SV Werder Bremen-Kaffeebecher von seinem Gang zur Toilette mitbrachte, lasse ich an dieser Stelle unkommentiert.
Nach einem sehr herzlichen Plausch mit meinem „LieblingsFischer“ vom Service und den besten Wünschen für die Zukunft ging es eine Etage höher und wir waren wieder „zurück auf der Straße“…
Anmerkung:
Die wenigen brauchbaren Essensbilder bekam ich dankenswerter Weise von meinem Bremer Kollegen zur Verfügung gestellt. Für die Kamera meines Billig-Handys war es im Alten Engel einfach zu duster. Sorry folks…
„Ich will zurück auf die Straße – will wieder singen – nicht schön, sondern geil und laut!“
Ach was habe ich früher die Textzeilen dieses bekannten deutschen Rockbarden geträllert. Nie hätte ich gedacht (nicht einmal „Mit 18“…), dass einmal eine Zeit kommen würde, in der eben jener Satz mein Verlangen nach der Rückkehr zur alten, so schmerzlich vermissten „Normalität“ am ehesten ausdrückt. Und das nicht nur in Bezug auf das gemeinsame Musizieren mit guten Kollegen.
Die meisten Dinge, die uns als soziale... mehr lesen
Zum Alten Engel
Zum Alten Engel€-€€€Restaurant0623270914Mühlturmstraße 7, 67346 Speyer
4.5 stars -
"Auf „alte“ Engel ist Verlass! Oder: wo der Niederbremer kocht, ist ein „Oberbremer“ nicht weit…" marcO74„Ich will zurück auf die Straße – will wieder singen – nicht schön, sondern geil und laut!“
Ach was habe ich früher die Textzeilen dieses bekannten deutschen Rockbarden geträllert. Nie hätte ich gedacht (nicht einmal „Mit 18“…), dass einmal eine Zeit kommen würde, in der eben jener Satz mein Verlangen nach der Rückkehr zur alten, so schmerzlich vermissten „Normalität“ am ehesten ausdrückt. Und das nicht nur in Bezug auf das gemeinsame Musizieren mit guten Kollegen.
Die meisten Dinge, die uns als soziale
Geschrieben am 05.12.2020 2020-12-05| Aktualisiert am
09.02.2021
Besucht am 19.09.2020Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 42 EUR
Sommer, Sonne, Schnitzel unter freiem Himmel! Davon sind wir derzeit etwa so weit entfernt wie von einer bemannten Marsmission. Aber drehen wir die Zeit um ein paar Monate zurück und blicken auf den in vielerlei Hinsicht herrlichen September. Der Sommer ging locker über den August hinaus und wurde nicht müde, uns seine täglichen Zugaben auch im sogenannten „Herbstmonat“ zu bescheren.
Da gehörte das Radfahren zum Wochenende wie das Weizenbier zum Daueresser oder der Meursault zum Rezensionsliteraten von der Weser. Und so kam es, dass ein guter Kollege, der als Präsident dem wohl berühmtesten Schlemmerclub von ganz Wörth vorsteht, zusammen mit mir eine Radtour nach Speyer unternahm. Es war Samstag, das Wetter traumhaft und mit dem Regio-Express ging es zunächst vom heimischen Steinweiler in nördlicher Richtung nach Maikammer, dem Startpunkt für unserer Unternehmung.
Dank topfebenem Gelände und unterstützt von leichtem Rückenwind ließ sich die geschichtsträchtige Domstadt am Rhein in angenehm leichter Radelei erreichen. Ein kleiner Rundgang im Kaiserdom wurde gleich nach der Ankunft getätigt. Dann ging es über die Flaniermeile in Richtung Altpörtel, wohlwissend, dass sich gerade hier auch das kulinarische Epizentrum der ehemaligen freien Reichsstadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation befindet.
Über 100 gastronomische Einrichtungen sollen laut einem bekannten Online-Reiseratgeber in dem ca. 50 000 Einwohner zählenden, zu den ältesten Städten Deutschlands gehörenden Mittelzentrum beheimatet sein. Das da was dran ist, merkt man bereits nach ein paar Metern auf der von Touristen, Kaufwütigen und sonstigen Flaneuren reich bevölkerten Maximilianstraße, der legendären „Via Triumphalis“.
Um uns den Slalom durch die Menschenmengen zu ersparen, schlossen wir unsere Räder in der Nähe des Kaiserdoms ab und schlenderten den Rest ganz gemütlich zu Fuß. Mein Kollege hatte das Restaurant „Zur alten Münz“ im Visier, das wir das letzte Mal vor gut drei Jahren mit unserem Wörther Futterverein besucht hatten. Doch dort war der komplette Außenbereich mit Freunden der besserbürgerlichen Hausmannskost besetzt. Und einen Tisch im Inneren wollten wir bei dem schönen Wetter eigentlich nicht in Betracht ziehen. Aber letztlich mussten wir nehmen was kommt, denn wir hatten nicht im Vorfeld reserviert.
Beim Blick hinüber in Richtung St. Georgs-Brunnen trauten ich meinen Adleraugen kaum. Ein Tisch war auf der wesentlich kleineren Terrasse des Goldenen Hirschen gerade frei geworden. Da hieß die Devise: schnell handeln. Kurz darauf – wir konnten unser Glück immer noch nicht so recht fassen – saßen wir am ersten Platz direkt vor der Fassade des historischen Wirtshauses, in dem schon seit 1890 (Sachen gibt’s…) ausgeschenkt und aufgetischt wird.
Mittlerweile haben hier – genau wie in der benachbarten „Alten Münz“ – ungarische Betreiber das Sagen. Diese scheinen einen richtig guten Job zu erledigen, mag man den vielen sehr guten Bewertungen auf Tripadvisor Glauben schenken. Knapp 200 Mal wurde auf diesem Portal das Prädikät „ausgezeichnet“ vergeben. Das hat dem Lokal im Herzen von Speyer die Pole Position eingebracht, noch vor der Weinstube Rabennest und dem Le Cyclo (vietnamesischer Laden, die ich auch schon bei GG rezensiert habe, Anm.).
Auf dem Tisch lag eine vorbildlich laminierte Extrakarte mit den Wochenempfehlungen, die den kulinarischen Herbst einläuteten. Kastaniensaumagen, Herbstsalat (mit gegrillter Entenbrust) und Hirschgulasch mit Kürbiskartoffelpüree – da klang ja ein Teller saisonaler als der andere. Auch eine Weinempfehlung wurde darauf ausgesprochen. Ein trockener Sauvignon Blanc vom Weingut Mussler aus Bissersheim, das mit seiner lauschigen Vinothek im Grünen für entspannte - sorry „gechillte“ muss es ja heißen - Sommerweinerlebnisse sorgt, wurde offen ausgeschenkt.
Direkt neben mir hing eine Schiefertafel mit weiteren Anregungen für den stabilen Esser an der Hauswand. Der klassische Pfalzteller mit dem schweinernen „Trio Rustico“ (Saumagen, Bratwurst und Leberknödel) wurde hier althergebracht mit Riesling-Sauerkraut, Bratkartoffeln und Bratensoße serviert. Auch mit einem Cordon Bleu mit Pfannengemüse, Pommes und Beilagensalat wurde geworben.
Die Servierbrigade hatte zwar auch im Gastraum einiges zu tun – dort ließ es sich eine größere Gesellschaft an einer langen Tafel so richtig feierlich gehen –, war jedoch keineswegs mit dem Andrang auf der komplett besetzten Terrasse überfordert, sondern wirkte sehr präsent und bei all dem Betrieb nicht gehetzt oder genervt.
Schön, wenn Bedienungen trotz der Hektik des Tagesgeschäfts noch Zeit für ein Lächeln oder ein paar nette Worte finden. Das wirkt professionell und nimmt dem Ganzen auch den Anschein jeglicher Abfertigungsgastronomie, wie man sie in touristischen Hotspots leider nur allzu häufig vorfindet. In der Speyerer Maximilianstraße gibt es bestimmt solche Adressen. Der Goldene Hirsch gehört da definitiv nicht dazu.
Zuerst musste der akute Verdurstungsprozess unterbrochen werden. Für einen der Radler gab’s dann auch einen Radler. Und zwar einen wohlgezapften Schoppen für kleinstädtische 4,20 Euro. Für das gleiche Geld ließ sich mein Kollege, der seit ich ihn kenne eine wenig nachvollziehbare Alkoholimmunität vorweist, einen halben Liter Johannisbeerschorle kommen. Die erfrischenden Durstlöscher wurden flott serviert. Mit der Essensentscheidung dauerte es bei uns ein wenig länger.
Schuld daran war das übersichtlich gestaltete, aber dennoch völlig ausreichende Angebot an zumeist fleischlastigen Gerichten gutbürgerlicher Prägung. Für Freunde des argentinischen Rinds wurden ein 300 Gramm schweres Rumpsteak sowie Ochsenfetzen nach Stroganoff-Art offeriert. Schweinefilet-Filous und Schnitzelschergen kamen selbstverständlich auch auf ihre Kosten. Auch waren in der Karte erfreulich viele Salatvariationen gelistet. Die Speyerer Flaneure mögen es halt gerne leicht.
Die offen ausgeschenkten Weine bezieht man hier primär vom bereits erwähnten Weingut Mussler aus Bissersheim. Bei den Weißweinen aus der Flasche darf es dann auch mal ein guter Tropfen von Bassermann-Jordan aus Deidesheim sein. Mit einem Rioja von Ugarte (25 Euro die Flasche) war auch ein preisgünstiger „Exot“ (bezieht sich nur auf die dortige Weinauswahl) vertreten.
Für mich als bekennenden „Wein-Paten“ mit jeder Menge Tinto im Blut natürlich ein Angebot, was ich kaum ablehnen konnte. Aber leider musste. Denn die Heimreise auf dem Drahtesel stand mir ja noch bevor. Naja, vielleicht beim nächsten Besuch, wenn die liebe Gattin den Wagen nach Hause lenkt.
Ach ja, gegessen haben wir dort natürlich auch. Beide entschieden wir uns für fleischliches Bratwerk fritteuser Prägung. Mein Kollege orderte frohgemut das Cordon Bleu von der Schiefertafel (15,90 Euro), das laut Speisenkarte aus Hähnchenbrustfilet zubereitet wurde. Auf der Tafel stand davon nichts geschrieben und das Kleingedruckte aus der vorschriftsmäßig laminierten Speisefibel hatte er wohl überlesen. Um es gleich vorweg zu nehmen: es blieb das einzige kleine kulinarische Manko unseres Mittagsmahls.
Ich hatte mich für das Schnitzel „Wiener Art“ (14,80 Euro) erwärmt, welches mit einer Champignonrahmsauce, einer überschaubaren Menge an Pommes frites sowie einem frischen Beilagensalat aus der Küche getragen wurde. Beim Kollegen kamen noch Pfannengemüse und ein Knoblauch-Dip hinzu. Pommes und Salat waren auch bei seinem Hähnchen-Cordon-Bleu im Preis inkludiert.
Das knackige, mit ordentlich Rohkost verfeinerte Blattgrün machte wie üblich den Anfang. Dem Hausdressing fehlte es nicht an zupackender Essigsäure, was mir bei einem Salatteller eigentlich immer gut gefällt. „Da machste nix falsch!“, würde ein dalai-lamaesker Genussgeselle aus Bremen an dieser Stelle anmerken. Genauso sah ich das auch. Beilagensalat
Nach der üblichen, einem durch das Hungergefühl immer etwas länger vorkommenden Wartezeit, wurden uns die stattlichen Prachtexemplare serviert. Mein Schweineschnitzel gefiel mir in seiner Panaderolle ausgesprochen gut. Sein zart geklopftes Inneres war von einer knusprigen Brösel-Hülle eingefasst. Zwischen der leicht soufflierten „Wiener-Haut“ wartete ein gut gewürztes, ehrliches Folklorestück, das von seiner Größe her schon eher an den guten Esser adressiert war. Kalorien, die ich für den heimwärts führenden Rheinradweg gut gebrauchen konnte.
Die auffallend helle Champignonsauce hatte sichtlich viel Rahm abbekommen, was sie jedoch nicht per se unter den Verdacht des „Totsahnens“ stellte. Scheinbar entstammte die Basis einer kräftigen Jus, bei der zumindest keine offensichtlichen Hilfspülverchen zum Einsatz kamen. Sie war harmonisch abgeschmeckt – der etwas abgedroschene Ausdruck „rund“ trifft es wohl am Ehesten – und allein schon wegen ihres Sahnegehalts ein handfester Beiguss. Ins kulinarische Langzeitgedächtnis brannte er sich dennoch nicht ein. Das schweinerne Stück vom Glück
Mein Tischkumpan lobte das auf Biss gebratene, mediterrane Pfannengemüse. Sein Knobi-Dip kam aus dem Spritzbeutel und zierte in generöser Portionierung ein Chicorée-Blatt. Don't judge a Cordon Bleu by its Panade...
Den Hähnchen-Fauxpas bemerkte er erst beim Anschnitt. Nun gut, wenigstens die saftige Schinken-Käse-Füllung rettete ihm die gutbürgerliche Laune. Die Pommes waren guter Standard und kamen mit ausreichender Salzwürze auf den Teller. Ja gut äh...Hähnchenbrust...wer hätt denn des wissen solln?
Summa summarum waren das zwei ordentliche Hausmannsgerichte, die unserem Hunger deftig die Stirn boten. Keine lieblose Husch-Husch-Küche, wie man sie in so mancher Touri-Klause gerne vorgesetzt bekommt, sondern eine schnörkellos gekochte, äußerst sättigende Herdleistung der liebenswerteren Art.
Das gutgelaunte Speyerer Bürgertum hat den Goldenen Hirsch auf den ersten Platz „getripadvisort“, sicher nicht ahnend, dass ihre Domstadt noch ganz andere gastronomische Schätze versteckt hält. Aber „Clyne“, „AvantGarthe“ oder der „Alte Engel“ sind eben auch keine Restaurants auf der touristischen Prachtmeile, sondern etwas abseits des Mainstreams beheimatete Genusstempel, die den ambitionierteren Kostgänger ansprechen wollen.
Einen solchen traf ich übrigens ein paar Wochen später im besagten „Alten Engel“. Aber das ist eine ganz andere Geschichte…vielleicht erzähl‘ ich sie euch mal ;-)
Sommer, Sonne, Schnitzel unter freiem Himmel! Davon sind wir derzeit etwa so weit entfernt wie von einer bemannten Marsmission. Aber drehen wir die Zeit um ein paar Monate zurück und blicken auf den in vielerlei Hinsicht herrlichen September. Der Sommer ging locker über den August hinaus und wurde nicht müde, uns seine täglichen Zugaben auch im sogenannten „Herbstmonat“ zu bescheren.
Da gehörte das Radfahren zum Wochenende wie das Weizenbier zum Daueresser oder der Meursault zum Rezensionsliteraten von der Weser. Und so... mehr lesen
Zum Goldenen Hirsch
Zum Goldenen Hirsch€-€€€Restaurant062 32/877 485 5Maximilianstraße 90 a, 67346 Speyer
4.0 stars -
"Mit dem Fahrrad nach Speyer – mit ‘nem Schnitzel im Bauch zurück!" marcO74Sommer, Sonne, Schnitzel unter freiem Himmel! Davon sind wir derzeit etwa so weit entfernt wie von einer bemannten Marsmission. Aber drehen wir die Zeit um ein paar Monate zurück und blicken auf den in vielerlei Hinsicht herrlichen September. Der Sommer ging locker über den August hinaus und wurde nicht müde, uns seine täglichen Zugaben auch im sogenannten „Herbstmonat“ zu bescheren.
Da gehörte das Radfahren zum Wochenende wie das Weizenbier zum Daueresser oder der Meursault zum Rezensionsliteraten von der Weser. Und so
Geschrieben am 24.11.2020 2020-11-24| Aktualisiert am
09.02.2021
Besucht am 15.09.2020Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 26 EUR
Ein dienstlicher Termin verschlug mich an einem Dienstagmittag Mitte September zusammen mit einem Kollegen nach Germersheim zur Kreisverwaltung, wo wir einer vom Ergebnis her recht bescheidenen Sitzung zum Schulbusbetrieb im Kontext der derzeitigen Pandemie beiwohnten.
Schon bei unserer Ankunft in der 17er-Straße stießen wir auf gastronomisches Neuland. Unten im Erdgeschoss des „Germersheimer Collini-Centers“ befindet sich quasi neben der KFZ-Zulassungsstelle seit März dieses Jahres ein neues Café, das allein vom äußeren Erscheinungsbild den ziemlich schmucklosen Verwaltungsbau etwas aufwertet.
Dem nicht genug. Durch die hohe Fensterfront erhaschten wir einen ersten Blick in das wertig eingerichtete Etablissement, das neben den üblichen Verdächtigen aus der heißen Koffein-Abteilung (Espresso, Latte und Co.) auch mit Baguettes, Burgern und Frühstück warb.
Für Letzteres war es an diesem Mittag natürlich schon zu spät. Aber so ein kleiner Imbiss sollte nach dem belanglosen Meeting schon drin sein. Mit einem bekennenden Buletten-Buddy im Gefolge, lag der Besuch im etwas ungewöhnlich klingenden Café Yuca quasi auf der Hand.
Wie schrieb einst ein auch auf diesem Portal nicht gänzlich unbekannter Ernährungsdemagoge aus dem Vorderen Orient in diversen Pfälzer Magazinen: „Nahrung ist Medizin, in allen Lebenslagen und Situationen…“ Da muss ich dem selbsternannten Mitbegründer des Terzismus (existiert bereits seit 1890!) nonchalant beipflichten. In genau solch einer nachmittäglichen Schieflage befanden wir uns nämlich, als uns verheißungsvoll klingende Burger-Versprechen den Weg ins Innere des neuen Lokals wiesen.
Dort angekommen, durften wir im noch nahezu leeren Gastraum einen Tisch an der Fensterfront okkupieren. Draußen auf der kleinen Außenterrasse waren leider alle Plätze belegt. Die freundliche junge Dame, die den Service managte, versorgte uns zeitnah mit dem Speise- und Getränkeprogramm. Mineralwasser und Cola light fanden sich kurz darauf glasweise ein. Die Wahl eines geeigneten Mittagssnacks fiel uns nicht schwer.
Neben einer übersichtlichen Auswahl an Appetizern (diverse Baguettes, Pommes, Nuggets, Wings, etc.) und kleineren Gerichten (Flammkuchen, Panini, Salat), war es vor allem das Burger-Angebot, das wir aufmerksam studierten. Ein halbes Dutzend Varianten des beliebten Globalsnacks standen zur Auswahl. Ergänzt um einen Monatsburger, über den ein Schiefertafelaufsteller auf dem Tisch informierte.
Dieser sogenannte „Texas Burger“ (10,00 Euro) hatte neben dem obligatorischen, 180g schweren Rindfleisch-Patty noch Bacon, Cheddar, Gurke, Tomaten, Röstzwiebeln, Salat und BBQ-Sauce zwischen seinen beiden Bun-Hälften versteckt. Keine Frage, da half nur zugreifen, denn auch die frittierten Kartoffelstäbchen waren im Preis inbegriffen. Baukästen gibt's bei Hornbach, Hagebau und Co genug. Im Café Yuca bekam ich das Komplettpaket.
Mein Kollege, selbst um keine Grillgelegenheit verlegen und seit Jahren unserem Wörther Schlemmerclub als Präsident vorsitzend, beschied sich mit dem „Classic Burger“ (7,80 Euro) von der Standardkarte. Er verzichtete auf die wohlfrittierten Kohlenhydratlinge und ergänzte sein burgerliches Mahl mit einem kleinen gemischten Salat (3,50 Euro), den er sich mit Joghurt-Dressing anmachen ließ.
In der Zwischenzeit begutachteten wir die Szenerie in und um das Café. Ich schoss ein paar Bilder und musste gleich meinen GG-Ausweis zücken, da es den Küchenchef, der nebenbei auch das Bargeschäft mitbetreute, doch stark wunderte, wieso einer der beiden Herren am Tisch seine Handykamera inflationär oft bediente. Vor allem das Abfotografieren der Speisenkarte – bei neuen Läden eine unangenehme Pflichtaufgabe, da sie meist noch keinen Speisenzettel online haben – machte ihn stutzig. Wir klärten die Sache dann im lockeren Plausch auf. Die Freude über einen Bericht war dem mit Kappe und Schürze ausgestatteten „Yuca-Mann“ anzusehen. Dass er über zwei Monate auf ihn würde warten müssen, war da noch nicht abzusehen.
Ich muss gestehen, dass mir das Interieur des Ladens ganz gut gefiel. Da wurde nicht mit zeitgemäßer Retro-Optik gegeizt. Allein die Kugelleuchten über dem Tresen und die freibaumelnden Pendelbirnen waren echte Hingucker. Die schwarzgeflieste Wand hinter dem Ausschankbereich brachte ein wenig Pariser Bistrot-Glanz in die ehemalige Garnisonsstadt am Rhein. Barbereich mit Bistro-Charme
Dem dunklen Grundton des Gastraumes passten sich auch die bequemen Vollpolsterstühle mit komfortabler Armlehne an. Für etwas mehr Kontrast sorgten da die hellen Tischplatten des übrigen Bistromobiliars. Die Verlängerung des Tresens entlang der Fensterfront war mit entsprechenden Barsesseln ausgestattet. Für einen Kaffee mit Ausblick sicherlich der erste Platz am Platz.
Insgesamt machte das Innere des Cafés einen äußerst aufgeräumten und sehr sauberen Eindruck. Innenansicht Gastraum
Dass man zum Erreichen der Toiletten an der Ausgabestelle der KFZ-Kennzeichen vorbeilaufen musste, empfand ich als nicht weiter schlimm. Man nutzt hier die Ressourcen des Gebäudes der Kreisverwaltung eben mit. Prinzipiell ja keine schlechte Idee.
Unsere Burger wurden serviert. Mein Kollege hatte sich für die durchgebratene Bulette entschieden, ich dagegen mochte sie lieber medium. Alles kein Problem im Café Yuca. Bei beiden Burgern wurde der Gargrad des Fleisches optimal getroffen. Die knusprigen Fritten lagen gut gewürzt auf der hübschen Keramik. Ein brauchbares Steakmesser steckte mit der Klinge nach unten im Bun, so dass nur noch sein Schaft herauslugte. Vorne Texas, hinten Classic!
Mein Kollege hatte sich ja statt der Pommes für die Salatbeilage entschieden. Er fand das frische Blattwerk samt Tomaten- bzw. Gurkenbeigabe in Ordnung. Mir wäre es etwas zu viel des guten Joghurt-Dressings gewesen, aber manche lieben’s süffig. Salat mit üppigem Dressing
Alter Helge, fiel mein Texas-Burger saftig aus (als hätte ihn Doc Snyder selbst gebraten…). Cremiger Cheddar, krosser Bacon und eine hausgemachte BBQ-Sauce vermochten das 180g schwere, medium gebratene Power-Patty in den kulinarischen Streetfood-Olymp zu hieven. Der Texas-Burger Der Texas-Burger im Anschnitt
Das kriegt man auch aus dem Foodtruck seines Vertrauens nicht besser zwischen die glutenfreien Buns geklemmt.
Apropos Buns: die waren fantastisch fluffig und scheinbar von einem Bäcker mit Brioche-Erfahrung aus dem Ofen geholt worden. Natürlich wurden diese vor Ort nur noch kurz aufgebacken. Aber auch gute Aufbackware kann schmecken. Dem stimmte mein Gegenüber anerkennend zu. Er lobte seine Classic-Version in höchsten Tönen und bereute den Spontanbesuch im Germersheimer Burgerbüro keine Sekunde lang.
Der Classic-Burger
Ohne Frage, diese wohlgeschichteten, von frischen Zutaten kündenden Saftpakete waren absolut unerwartete Volltreffer an diesem gebrauchten Dienstagnachmittag. Nach der wenig erhellenden Sitzung zuvor, retteten sie uns förmlich den selbigen. Das Café Yuca ist jedenfalls vorgemerkt, sollten wir mal wieder dienstlich in der mittlerweile recht schmucken Festungsstadt am Rhein – es wurde hier in den letzten Jahren sehr viel getan – weilen.
Ich hoffe, dass das engagierte Yuca-Team irgendwie durch diese Krise kommt. Eine solche Qualität sollte sich doch auch beim „take-away“ bzw. Lieferservice durchsetzen. Ich drück jedenfalls ganz fest die Daumen.
Ein dienstlicher Termin verschlug mich an einem Dienstagmittag Mitte September zusammen mit einem Kollegen nach Germersheim zur Kreisverwaltung, wo wir einer vom Ergebnis her recht bescheidenen Sitzung zum Schulbusbetrieb im Kontext der derzeitigen Pandemie beiwohnten.
Schon bei unserer Ankunft in der 17er-Straße stießen wir auf gastronomisches Neuland. Unten im Erdgeschoss des „Germersheimer Collini-Centers“ befindet sich quasi neben der KFZ-Zulassungsstelle seit März dieses Jahres ein neues Café, das allein vom äußeren Erscheinungsbild den ziemlich schmucklosen Verwaltungsbau etwas aufwertet.
Dem nicht genug. Durch... mehr lesen
4.5 stars -
"Ein guter Burger kann dir den Tag retten!" marcO74Ein dienstlicher Termin verschlug mich an einem Dienstagmittag Mitte September zusammen mit einem Kollegen nach Germersheim zur Kreisverwaltung, wo wir einer vom Ergebnis her recht bescheidenen Sitzung zum Schulbusbetrieb im Kontext der derzeitigen Pandemie beiwohnten.
Schon bei unserer Ankunft in der 17er-Straße stießen wir auf gastronomisches Neuland. Unten im Erdgeschoss des „Germersheimer Collini-Centers“ befindet sich quasi neben der KFZ-Zulassungsstelle seit März dieses Jahres ein neues Café, das allein vom äußeren Erscheinungsbild den ziemlich schmucklosen Verwaltungsbau etwas aufwertet.
Dem nicht genug. Durch
Geschrieben am 21.11.2020 2020-11-21| Aktualisiert am
09.02.2021
Besucht am 12.09.2020Besuchszeit: Abendessen 3 Personen
Rechnungsbetrag: 81 EUR
Nicht nur in Folge der Pandemie und den damit einhergehenden Schließungen ist eine gastronomische Spezies in Deutschland ganz besonders vom Aussterben bedroht: der gutbürgerlich aufgestellte Landgasthof.
In vielen ländlichen Gegenden ist schon vor der Corona-Krise die Zahl der Gastwirtschaften massiv geschrumpft. Die Gründe hierfür sind meist immer dieselben. Die Betreiber gehen in ihren wohlverdienten Ruhestand und finden keine Nachfolger. Bezahlung und Arbeitszeit gehören in der Gastrobranche bekanntlich nicht zu den Hauptargumenten, um Nachwuchs zu ködern.
Und die paar Idealisten, die es dann noch gibt, machen sich in den seltensten Fällen mit guter deutscher Hausmannskost einen Namen. Die Folge: die rustikalen Dorfbeizen verschwinden genau wie die einfachen Gasthöfe aus dem kulinarischen Ortsbild. Eine Entwicklung, die auch bei uns in der Pfalz seit Jahren zu beobachten ist.
Umso erfreulicher, wenn das Zepter erfolgreich an die jüngere Generation weitergegeben wird. Nach 26 Jahren Dienst am hungrigen Gast haben Julitta und Udo Mischler ihr Landhaus im staatlich anerkannten Erholungsort Schönau an ein junges Gastronomenpaar weitergegeben.
Saskia und Steven Brogdon, beide im Sauertal aufgewachsen und eng mit ihrer Heimat verbunden, haben im Mai 2020 das seit sechs Generationen von der Familie Mischler geführte Traditionslokal übernommen. Zwei vom Fach also, die ihre kulinarischen Vorstellungen von gepflegter deutscher Küche etwas abseits der üblichen Touristenpfade umsetzen wollen.
Frau Brogdon ist ausgebildete Restaurantfachfrau und ihr Mann Steven bringt genügend Berufserfahrung als gelernter Koch mit. Gute Voraussetzungen also für eine erfolgreiche Weiterführung des beliebten Familienbetriebs unweit der französischen Grenze.
Schönau, dessen Name sich von der „schönen Aue“ ableitet, befindet sich mitten im Wasgau (Pfälzerwald), fernab von städtischer Hektik und medialer Dauerberieselung. Der Ort ist ein wahres Wandereldorado und eigentlich ideal um dem Alltagsstress zu entfliehen. Etliche Ferienhäuser und -wohnungen können hier angemietet werden.
Bei Naturliebhabern, Motorradfahrern, Radtouristen und sonstigen Besuchern der an Burgen nicht armen Grenzregion steht das Landhaus Mischler seit Jahren hoch im Kurs. Denn allein mit dem Namen Mischler verbinden viele eine Küche auf gutem Niveau, wirkte doch im nicht weit entfernten Örtchen Lembach jahrelang der Sternekoch Fernand Mischler in der altehrwürdigen, mittlerweile mit zwei Macarons ausgezeichneten Gourmetadresse „Cheval Blanc“.
Nun, ganz so exquisit ging es im Landhaus von Küchenmeister Udo Mischler, der übrigens mit Fernand verwandt ist, nicht zu. Aber was wir schon bei unserem Besuch im Februar 2019 (Rezension ebenfalls auf diesem Kanal) schmecken konnten, war eine sorgfältig zubereitete Auswahl an klassischen Hausmannsköstlichkeiten, die auf qualitativ hochwertige Grundprodukte schließen ließ.
Nun hilft Udo Mischler in seinem (Un-)Ruhestand seinem Nachfolger am Herd ab und an noch ein wenig aus. Von dessen jahrelanger Erfahrung kann der junge Küchenchef Steven Brogdon nur profitieren. Dass dabei auch der Generationswechsel ohne größere kulinarische „Sollbruchstellen“ vollzogen wurde, ließ sich anhand der Speisenkarte ablesen.
Die war zwar keine 1:1-Kopie aus früheren Tagen, aber doch ein klares Bekenntnis zu Altbewährtem. Bei unserem Besuch im September wirkte das Speisenangebot sogar noch ein wenig ausgewogener als vorher. Das Veggie-Programm wurde etwas aufgewertet, bei den Wildgerichten wurde dagegen etwas zurückgefahren. Dies kann freilich auch saisonale Gründe gehabt haben.
Im Anschluss an eine Wanderung, die uns zusammen mit meiner Mutter von Nothweiler aus an vier Burgruinen (Wegelnburg, Hohenbourg, Löwenstein und Fleckenstein) vorbeiführte und uns dabei zweimal die „grüne Grenze“ zwischen Pfälzerwald und Nordvogesen (Elsass) passieren ließ, hatten wir zuerst an eine Einkehr im Landgasthaus „Zur Wegelnburg“ in Nothweiler (da stand ja praktischerweise unser Auto…) gedacht. Dort war leider schon alles ausreserviert, weshalb wir uns spontan in Richtung Schönau aufmachten.
Im Landhaus Mischler angekommen, hatten wir Glück, dass wir einen der letzten freien bzw. nicht reservierten Tische im großen Gastraum ergattern konnten. Innenansicht
Draußen auf der Terrasse war zu dieser Zeit schon alles belegt. Aber auch drinnen saß es sich ganz kommod auf bequemen Polsterstühlen an sauber eingedeckten Tischen. Da hatte sich im Vergleich zu früher, als Julitta Mischler noch den Service leitete, im Grunde nichts geändert. Gut so.
Da saßen wir nun. Drei hungrige „Grenzgänger“, die dem verdienten Kalorienausgleich nach getaner Outdooraktivität entgegensahen. Und die zunächst einmal ihren mitgebrachten Durst mit einer Flasche Mineralwasser der Marke Bellaris „Classic“ (für faire 3,90 Euro) sowie einer großen Holunderblütenschorle (0,5l für 3,60 Euro) stillten. Loblieder über mein Bellheimer Lieblingswasser habe ich auf diesem Sender schon viele gesungen. Deswegen nur fürs Protokoll: es perlte wie immer und erfrischte vortrefflich.
Die jungen Servicemädels hatten den Laden gut im Griff und dementsprechend flott wurden wir auch bedient. Beim Durchstöbern der Karte traf ich auf alte Bekannte. Zum Beispiel Udo Mischlers legendäre „Sauertaler“ (8,90 Euro). Diese ganz speziellen Kartoffel-Küchlein mit deftigem Räucherforellenanteil hatten wir schon beim letzten Besuch verkostet und waren begeistert. Umso erfreulicher, dass diese Landhaus-Spezialität den Betreiberwechsel genauso überlebt hatte wie die Pfälzer Wurstspezialitäten aus eigener Herstellung oder das Schweinefilet mit Waldpilzsoße, das ich mir hier auch schon einverleibte.
An den regionalen Reibeküchle kamen wir auch diesmal nicht vorbei, denn wir orderten die mit Meerrettichschmand und Salatbukett gelieferten Kartoffeltaler als gemeinsame Vorspeise. Sharing ist ja bekanntlich das beste Caring. Meine Mutter übte sich derweil im Verzicht auf jegliche Art von Vorwegspeisung. Sie hatte wohl schon den passenden Nachtisch im Hinterkopf. Dass man im Alter zu mehr Askese neigt, hat mir also nicht nur der berühmte (wohl eher berüchtigte…) Bremer Bettelmönch schon häufig vor Augen geführt…
Man kennt das ja. Da liest man sich durch das örtliche Köchelverzeichnis und die Gerichte sprechen gleichermaßen Leib und Seele an. Hier mal eine willkürlich vorgenommene Auflistung unterschiedlichster Assoziationen zu der ein oder anderen Landhaus-Leckerei:
Boeuf Bourgignon – her damit!
Flank Steak mit Kartoffelwedges – bitte medium rare!
Sauerbraten mit Klößen – wäre doch was für dich, Mutter!
Käsespätzle mit Schmelzzwiebeln – äußerst „symbadisch“!
Schweinefilet mit Waldpilzsoße, Spätzle und Salat – gerne wieder!
Wildschweinrücken mit Ginsoße und Kroketten – call me „Obelix“!
Das Rennen machten schließlich der Sauerbraten (tatsächlich für meine Mutter…), die Käsespätzle (für die Knöpfle-Enthusiastin am Tisch) sowie das Boeuf Bourgignon für den Verehrer klassisch französischer Schmorgerichte und Schreiber dieser Zeilen. Mit knapp 20 Euro war man beim Rindfleischtopf aus dem Burgund dabei, Kartoffelpüree und Beilagensalat inklusive. Da kannschd nid schelte!
An dieser Stelle möchte ich kurz die erfreulich moderate Preisgestaltung im Landhaus Mischler erwähnen. Diese hatte uns schon bei unserer letzten Einkehr sehr überzeugt. Dass mit den neuen Betreibern eine behutsame Anpassung stattgefunden hat, fiel eigentlich kaum auf. Bei manchen Gerichten blieben die zu entrichtenden Abgaben sogar auf Vorgängerniveau. Alle Achtung!
Plötzlich lagen sie köstlich duftend vor uns. Die beiden knusprig gebackenen „Sauertaler“ teilten sich mit einem Schälchen Beilagensalat und vier Spritzern Meerrettichschmand das rechteckige Porzellan. Die Mitstreiter der Sauertaler
Allein ihr Anblick löste am Tisch Entzückung aus. Die Idee, gewöhnliche Reibeküchlein mit geräucherter Forelle und etwas Magerquark zu veredeln, hatte Vorgänger Udo Mischler schon vor vielen Jahren gehabt. Ein klassisches Verwertungsessen, bei dem die gekochten Kartoffeln vom Vortag ihren zweiten großen Auftritt bekamen. Und was für einen! Die Sauertaler
Die Rundlinge versprühten eine feine Fischwürze, die sich ausgezeichnet mit der zarten Erdapfelmasse vertrug. Geschmacklich erinnerten sie ein wenig an deftige Schupfnudeln, die für mich – wenn selbst gemacht – mit zum Besten zählen, was sich aus Kartoffelteig formen lässt. Von der Portionierung her war das Gebotene „högschd vorspeisentauglich“. Ein Küchlein pro Esser plus x. So die einfache, aber äußerst schmackhafte Sättigungsformel.
Das „plus x“ bestand aus einem frischen, mit säuerlichem Essig-Öl-Dressing angemachten Salat, der primär von seiner gut abgeschmeckten Old-School-Essigwürze lebte. Die harmonierte mit den fluffigen Kartoffel-Räucherfisch-Puffern ganz wunderbar. Der separat dazu gereichte Meerrettich-Schmand kam mit angezogener Schärfebremse ums Eck. Der sollte wohl den delikaten Kartoffeltalern nicht die Schau stehlen und tat es auch nicht. Genau wie beim letzten Mal fiel uns das Urteil leicht: eine Vorspeise zum Zunge schnalzen!
Man sah uns den Hunger wahrscheinlich an und reagierte mit zeitnahem Servieren der Hauptspeisen. Die Käsespätzle (10,50 Euro) meiner Frau kamen mit der ganzen Macht des hierfür geschmolzenen Milcherzeugnisses aufs blanke Weiß und sorgten mit glänzendem Teint für ausreichend deutsch-österreichisches Fettgefühl (DÖF) – Sättigungsgarantie inklusive. Die Käsespätzle
Aber auch die beiden Zugeständnisse für Eingefleischte gerieten tadellos oder „comme il faut“, wie nicht nur der französische Nachbar zu sagen pflegt. Bei meinem mit angenehmer Weinnote ausgestatteten Boeuf Bourgignon konnte ich saucentechnisch aus dem Vollen löffeln. Die sanft geschmorten Rinderhappen fielen himmlisch mürbe aus und wurden ganz klassisch von angebratenen Champignons, Speckwürfeln und Frühlingszwiebeln umrahmt. Das Boeuf Bourgignon
Das à part vorgesetzte Kartoffelpüree glänzte gutgebuttert vor sich hin. Schon der erste Löffel kündete vom handwerklichen Können des Herdmeisters. Das Pü zum Böff
Zusammen mit der kräftigen Burgundersauce genossen ergab das einen herzerwärmenden Teller süffiger Glückseligkeit.
Auch der Sauerbraten mütterlicherseits geriet zum Appell an den gesunden Volkshunger und kam gänzlich ohne folkloristisches Blendwerk aus. Der Sauerbraten
Er zählte zwei stattliche Kartoffelklöße und einen kleinen Beilagensalat zu seinem Gefolge. Laut Aussage seiner Vertilgerin überzeugte er mit dem typischen, fein-säuerlichen Aroma. Da hatte sich das Bad in der Essig-Beize scheinbar gelohnt.
Wer jetzt denkt, dass die Drei von der Gourmandfraktion danach die weißen Segel der Sättigung hissten, der hat sich getäuscht. Meine Mutter bestand noch auf das Haselnussparfait (8,90 Euro). Meine Gattin wollte nicht ohne einen „Rostigen Ritter“ (7,50 Euro) das Chateau Mischler verlassen. Da hatten sich die beiden Damen etwas vorgenommen.
Neben den beiden Tranchen vom Nussparfait türmte sich ein stolzes Häuflein aufgespritzter Sahne. Dem nicht genug, zierte ein ofenwarmer Brownie die andere Seite der Porzellanplatte. Haselnussparfait mit Gefolge
Eine fundiert zubereitete, vielleicht etwas zu süß geratene Kadenz, deren Reiz vom Heiß-Kalt-Kontrast ausging. Ein paar fruchtig-säuerliche Akzente hätten den etwas eindimensional wirkenden Nachtisch sicherlich aufgewertet. Auch ein wenig Knusper hätte der Sache gutgetan, ohne gleich den kulinarischen Kosmos sprengen zu wollen.
Beim Rostigen Ritter, der andernorts auch „Armer Ritter“ oder „Semmelschnitte“ genannt wird, wurden Kindheitserinnerungen wach. So rostig muss ein Ritter sein!
Dieses 1A-Verwertungsessen für alte Brötchen durfte ich schon in jungen Jahren an traditionell fleischlos gehaltenen Freitagen bei meiner Oma genießen. Schon damals mochte ich den Zucker lieber als den Zimt. Und die Vanillesauce am allerliebsten. Schön, dass hier mit einem Obstschälchen für etwas Fruchtfrische gesorgt wurde.
Hier tut die junge Generation gut daran, die alten Traditionen zu bewahren. Dass sie dabei mit Leidenschaft und Herzlichkeit ans Werk geht, ist ein großer Pluspunkt dieses Lokals. Das Hausmannsköstliche war schon immer des Gutbürgerlichen Freund. Wie stand es einst in einem oberelsässischen Landhaus-Gästebuch geschrieben:
„…die wahrhaft guten Gaben
aus Urgroßmutters Hand
verkennt die Fortschrittswelt
mit ihrem Snobverstand…“
In diesem Sinne wünsche ich der Familie Brogdon alles Gute für ihre gastronomische Zukunft und viel Durchhaltevermögen in diesen schwierigen Zeiten.
Nicht nur in Folge der Pandemie und den damit einhergehenden Schließungen ist eine gastronomische Spezies in Deutschland ganz besonders vom Aussterben bedroht: der gutbürgerlich aufgestellte Landgasthof.
In vielen ländlichen Gegenden ist schon vor der Corona-Krise die Zahl der Gastwirtschaften massiv geschrumpft. Die Gründe hierfür sind meist immer dieselben. Die Betreiber gehen in ihren wohlverdienten Ruhestand und finden keine Nachfolger. Bezahlung und Arbeitszeit gehören in der Gastrobranche bekanntlich nicht zu den Hauptargumenten, um Nachwuchs zu ködern.
Und die paar Idealisten, die... mehr lesen
Restaurant Am Zundelsfelsen
Restaurant Am Zundelsfelsen€-€€€Restaurant063931425Gebüger Str. 2, 66996 Schönau
4.0 stars -
"Generationswechsel erfolgreich vollzogen! Das Landhaus im idyllischen Sauertal steht auch weiterhin für souverän vorgetragene Hausmannskost und herzlichen Service" marcO74Nicht nur in Folge der Pandemie und den damit einhergehenden Schließungen ist eine gastronomische Spezies in Deutschland ganz besonders vom Aussterben bedroht: der gutbürgerlich aufgestellte Landgasthof.
In vielen ländlichen Gegenden ist schon vor der Corona-Krise die Zahl der Gastwirtschaften massiv geschrumpft. Die Gründe hierfür sind meist immer dieselben. Die Betreiber gehen in ihren wohlverdienten Ruhestand und finden keine Nachfolger. Bezahlung und Arbeitszeit gehören in der Gastrobranche bekanntlich nicht zu den Hauptargumenten, um Nachwuchs zu ködern.
Und die paar Idealisten, die
Geschrieben am 10.11.2020 2020-11-10| Aktualisiert am
09.02.2021
Besucht am 11.09.2020Besuchszeit: Abendessen 5 Personen
Bei sommerlichen Temperaturen starteten wir unsere seit langem geplante Wanderung im engsten, ja man kann schon sagen vertrautesten Kollegenkreis an einem Freitagmittag nach dem üblichen pädagogischen Wochenwahnsinn von Maikammer aus. Bewaffnet mit deftiger Wurst und gut gekühltem Weißwein ging es nach einem stärkenden Picknick zum Zeter Berghaus, wo wir fröhlich die ein oder andere Pfälzer Rieslingschorle schoppenweise vernichteten.
Wir, das sind fünf Kollegen (vier Freunde und ein Präsident), die nicht nur seit mittlerweile 17 Jahren miteinander arbeiten, sondern auch auf einige gemeinsame Feierlichkeiten und erlebnisreiche Kollegiumsfahrten zurückblicken. Kurz gesagt: man kennt sich sehr gut und weiß, was man aneinander hat.
Doch nicht nur die Herren Riesling, Müller-Thurgau und Chardonnay sollten uns an diesem wunderbaren Septembertag durstlöschend begleiten. Auch der „Sohn vum Karlhoinz“ wurde in alkoholisierter Ausgelassenheit auf dem Diedesfelder Wetterkreuz zum Besten gegeben. So viel Pfälzer Lebensart macht auf Dauer natürlich hungrig. Und nicht nur unsere beiden Flachlandbadenser, die sich auf ihren Pfalz-Exkursionen gerne von Hütte zu Hütte futtern, sehnten den abendlichen Einkehrschwung herbei.
Dieser sollte uns ins Zentrum des Wein- und Erholungsortes Maikammer führen. Schon vorab hatten wir einen Fünfertisch im Restaurant Alt-Maikammer reserviert. Unser Präsident kannte den Wirt des zum Weingut Ökonomierat Ziegler gehörenden Restaurants noch aus es dessen Zeit im Landauer Grill-Tempel „Croatia“ und wusste um dessen neue Wirkungsstätte im ehemaligen Gutsausschank der Familie Ziegler. Außenansicht
Seit Sommer 2019 hat der Kroate Josip Tokic hier das Sagen. Zusammen mit seinem Team bietet er eine deutsch-kroatisch geprägte Küche, die primär aus deftigen Fleischgerichten vom Grill, gutbürgerlicher Hausmannskost, schweinerner Pfalzkulinarik und diversen Fischspezialitäten besteht.
Bevor sich der stets gut gelaunte Wirt mit den kroatischen Wurzeln hier niederließ, wurde das Restaurant von der Familie Simon betrieben. Auch sie fuhr ein gutbürgerliches Fleischprogramm, das mit den üblichen Pfalzschmankerln und Folkloreklassikern bestückt war. Tokic hat die traditionelle Speisenpalette um ein paar Balkanteller erweitert ohne dabei auf Altbewährtes zu verzichten.
Ein gutes Rumpsteak würde man hier zweifellos vorgesetzt bekommen, verkündete die präsidiale Karnivoren-Eminenz unseres Wanderquintetts im Vorfeld. Eine zugegeben recht konventionelle, aber an diesem Abend doch sehr willkommene Form der Sättigung. Denn Wandern macht ja bekanntlich hungrig. In Kombination mit Weißwein erst recht.
Folglich betraten fünf mehr oder minder ausgehungerte (und leicht angeschickerte) Hobbyhedonisten das altehrwürdige Gasthaus, dessen gastronomischer Ursprung bis in die frühen 80er Jahre zurückreicht. Auf zwei Schiefertafeln begrüßten uns Kalbsschnitzel, Bratwurst, Saumagen und Co. ganz unbürokr(o)atisch beim Durchschreiten des Torbogens, der uns direkt in die von Reben überwucherte Weinlaube führte. Eingangsbereich
Gegen ein Abendessen unter freiem Himmel war nichts einzuwenden. Die angenehme Temperatur rechtfertigte das Draußensitzen allemal. Der lauschige Innenhof
Auf Wein folgte Wein - was in der Pfalz ja bekanntlich keine Überraschung darstellt. Natürlich stammte jener vom Besitzer des Anwesens, dem Weingut Ziegler, und war gastfreundlich kalkuliert. Ein Viertel vom trockenen Merlot aus dem offenen Vollzug ließ ich mir später für faire 4,60 Euro einschenken. Aber auch die saure Rieslingschorle war mit 4,20 Euro für den Schoppen nicht unverschämt bepreist.
Die Lektüre des Speisenangebots zog sich ein wenig hin, was wohl der regen Kommunikation am Tisch geschuldet war. Vorweg teilte ich mir mit meinem Nebenmann eine Portion dalmatinischen Pršut (10,80 Euro), Dalmatinischer Pršut
während sich andere die gegrillten Peperoni (7,40 Euro) schmecken ließen. Gegrillte Peperoni
Die herrlich zarten Scheiben des luftgetrocknetes Rohschinkens wurden von etwas Schafskäse, gegrillten Peperoni und Kapernäpfeln flankiert. Beiwerk zum Pršut
Das dazu gereichte Weißbrot suggerierte ordentliche Aufbackware. Ein unkomplizierter, aber durchaus schmackiger Auftakt, der die Wartezeit aufs Rumpsteak angenehm verkürzte.
Die nach einem riesigen Inselstaat vor der afrikanischen Südostküste benannte „Garnitur“ meiner stattlichen Roastbeef-Scheibe aus argentinischen Landen wurde serienmäßig mit einer zupackenden Pfefferrahmsauce geliefert. Gutbürgerlicher Multikulinarismus im Saucenspiegel unserer Zeit. "Ich rumpte vor Madagaskar..."
Ein halbes Dutzend Kroketten und ein Beilagensalat komplettierten das auf den Punkt medium gebratene Stück Rindfleisch. Die hereingebrochene Dunkelheit sorgte leider für suboptimale Lichtverhältnisse, so dass ich diesmal kein Beweisfoto liefern konnte.
Die 22,80 Euro waren gut angelegt. Das Rumpsteak war nah dran an der heiligen Fleischsaftigkeit und auch die Sauce schmeckte weniger nach Hilfspulver als vorweg vermutet. Nein, da muss ich doch einmal eine Lanze für das Küchenteam im Alt-Maikammer brechen. Da schien eine durchaus passable Jus für diesen - Gott sei Dank - nicht totgesahnten Beiguss Pate gestanden zu haben.
Dass die sechs wohlfrittierten, in klassischer Zylinderform gereichten Kroketten vorher dem Tiefkühlfach entnommen wurden, hat mich nicht weiter gestört. Zum Aufsaugen der gefälligen Pfeffertunke dienten sie allemal. Lediglich das Joghurt-Dressing des Beilagensalats war nicht ganz mein Ding. Aber was die inkludierte Salatbeilage betrifft, so erwarte ich in Lokalen mit griechisch bzw. balkanisch geprägtem Speiseangebot auch keine kulinarischen Klimmzüge beim Grünfutter. Das nimmt man so mit. Oder lässt es – so geht es mir leider häufig – nach der Vertilgung der Lieblingsingredienzien wieder zurück gehen. Beilagensalat
Drei der Kollegen labten sich derweil am üppig bestückten Grill-Teller (19,90 Euro), der mit drei verschiedenen Steaks (einmal Rinderhüfte, einmal Schweinerücken und einmal Schweinefilet), einem ansehnlichen Djuvec-Reis-Hügel, einem frisch frittierten Häufchen kartoffelstabsgetreuer Beilagenredundanz sowie einem erklecklichen Quantum Ajvar auch den hungrigsten Wanderer ins wohlverdiente Sättigungsnirvana entließ. Grill-Teller (mit Magenfüll-Garantie)
Der nun einsetzenden Genussruhe zufolge, schien es den Herrschaften zu munden. Ihre leeren Teller behaupteten später zumindest nichts Gegenteiliges.
Unsere ewige Fleischverzichterin vernichtete in dieser Zeit schamlos ihren mit Schafskäse, Oliven, Zwiebelringen und Pinienkernen aufgemotzten Bauernsalat (10,40 Euro). Der sah gar nicht mal schlecht aus und sorgte bei der einzigen Dame am Tisch für vegetarische Zufriedenheit. Bauernsalat meiner Kollegin
Warum sie den armen Tieren schon seit vielen Jahren das lebensnotwendige Grünzeug wegfuttert, konnte sie mir auch an diesem Abend nicht beantworten. Nun, vielleicht wollte sie auch nicht.
Die guten Ohren der Anwohner verlangten später die Verlagerung unserer Trinkprozesse ins Innere des Restaurants. Innenansicht (so schief wie mein Gang nach draußen...)
Dort ließ es sich Patron Tokic nicht nehmen, uns Einblicke in das spirituelle Kroatien zu gewähren. Die Namen Kruškovac und Šlivovica sind mir noch im Gedächtnis geblieben.
Immer schön den Nachbrenner zünden!
Ob das nun aber bedeutende Flüsse oder Gebirge waren, konnte ich mir nach der genossenen Menge an Hausgeistern beileibe nicht mehr merken.
So fand ein gelungener Kollegen-Ausflug im Alt-Maikammer sein absehbar feuchtfröhliches Ende. Gut, dass wenigstens einer in unserer Runde als überzeugter Abstinenzler gilt. Sonst wären nicht nur die beiden Badenser mit dem Regio-Express in Richtung Heimat getuckert. Die schnörkellos vorgetragene Balkanküche hat uns gut gesättigt und darf getrost als solide bezeichnet werden. Der lauschige, von wildem Wein umrankte Innenhof ist mir besonders positiv in Erinnerung geblieben. Wir hätten draußen noch ewig sitzen können. Aber dann wäre am Ende nur noch einer aufgestanden...
Bei sommerlichen Temperaturen starteten wir unsere seit langem geplante Wanderung im engsten, ja man kann schon sagen vertrautesten Kollegenkreis an einem Freitagmittag nach dem üblichen pädagogischen Wochenwahnsinn von Maikammer aus. Bewaffnet mit deftiger Wurst und gut gekühltem Weißwein ging es nach einem stärkenden Picknick zum Zeter Berghaus, wo wir fröhlich die ein oder andere Pfälzer Rieslingschorle schoppenweise vernichteten.
Wir, das sind fünf Kollegen (vier Freunde und ein Präsident), die nicht nur seit mittlerweile 17 Jahren miteinander arbeiten, sondern auch auf... mehr lesen
Alt Maikammer
Alt Maikammer€-€€€Restaurant06321 9704558Weinstraße Nord 35, 67487 Maikammer
4.0 stars -
"Solide Kroatenkost in bester Gesellschaft" marcO74Bei sommerlichen Temperaturen starteten wir unsere seit langem geplante Wanderung im engsten, ja man kann schon sagen vertrautesten Kollegenkreis an einem Freitagmittag nach dem üblichen pädagogischen Wochenwahnsinn von Maikammer aus. Bewaffnet mit deftiger Wurst und gut gekühltem Weißwein ging es nach einem stärkenden Picknick zum Zeter Berghaus, wo wir fröhlich die ein oder andere Pfälzer Rieslingschorle schoppenweise vernichteten.
Wir, das sind fünf Kollegen (vier Freunde und ein Präsident), die nicht nur seit mittlerweile 17 Jahren miteinander arbeiten, sondern auch auf
Geschrieben am 22.10.2020 2020-10-22| Aktualisiert am
12.02.2021
Besucht am 06.09.2020Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 34 EUR
Sonntag war Rückreisetag. Wir hatten schon recht früh unsere Unterkunft in Völklingen verlassen, um uns am Morgen vor der Heimreise in die Pfalz noch ein Saarland-Event der besonderen Art zu gönnen. Die Rede ist vom Saarpolygon bei Ensdorf (in der Nähe von Saarlouis). Dieses ca. 30 m hohe Denkmal zur Erinnerung an den seit 2012 endgültig beendeten Steinkohlebergbau im Saarrevier thront auf einer Abraumhalde („Bergehalde“) rund 150 Meter über dem umliegenden Saartal und ermöglicht nicht nur tolle Fotos, sondern auch einen sagenhaften Rundblick.
Wir hatten aufgrund der frühen Stunde auf das Frühstück verzichtet und schon beim Verlassen des exponiert gelegenen, aus jeder Himmelsrichtung anders aussehenden Bauwerks meldete sich der erste Hunger des Tages. Es war mittlerweile 11 Uhr am Morgen und leider noch zu früh zum Mittagessen. Google-Maps und Tante Tripadvisor gaben jede Menge Tipps für kulinarische Rastmöglichkeiten am Wegesrand, sprich unweit der A8, auf der wir uns heimatlichen Gefilden näherten.
Die guten Bewertungen bei TA, die gelungenen Bilder bei Facebook und die Standortnähe unweit der Autobahn ließen mich zum Handy greifen und bei einer gutgelaunten Chefin spontan zwei Plätze zur Mittagszeit reservieren.
Seit März 2018 ist das nach den Vornamen seiner beiden Betreiber, Dimi und Maxi Kourdoglou, benannte griechische Restaurant in den Räumlichkeiten des ehemaligen Landgasthauses „Alt Ernschwiller“ im Zweibrücker Ortsteil Ernstweiler beheimatet. Schon vorher waren die beiden sympathischen Vollblutgastronomen in der Region tätig. Drei Jahre lang führten sie unter gleichem Namen ein griechisches Lokal in der keine 30 km weiter östlich gelegenen Stadt Rodalben (nahe Primasens).
Nach aufwendigen Um- und Ausbauten am Gebäude an der Homburgerstraße hat sich der liebenswerte Familienbetrieb anscheinend gut in Zweibrücken etabliert. Um die 70 Sitzplätze im Inneren und den angegliederten Biergarten kümmert sich ein junges Serviceteam, das unter den wachen Augen der Patronin Maxi gut funktioniert. Innenansicht
Für den Empfang der Gäste ist übrigens der Vater von Dimi, der rüstige Papa Kosta, zuständig. Seiner fachgerechten Einweisung hatten wir es letztlich zu verdanken, dass wir unseren Boliden perfekt auf dem hauseigenen Parkplatz zum Stehen brachten.
Das Wetter passte, also entschieden wir uns für ein Mittagessen unter freiem Himmel. Klar würden uns da die Wespen keine Ruhe lassen, aber das sonnige Plätzchen im hübsch angelegten Biergarten konnten wir nicht ausschlagen.
Die doppelseitige Speisenkarte wurde uns - wie mittlerweile ja schon gewohnt - in der „Corona-Version“ gereicht. Also laminiert und stark reduziert. Wobei Letzteres auch der Mittagszeit geschuldet sein konnte, denn das auf der Homepage nachlesbare Speisenprogramm war etwas umfangreicher.
Das gute halbe Dutzend gegrillter, gebackener bzw. frittierter Vorspeisen machte schonmal Appetit. Gegrillte Peperoni, Tsatsiki, Feta aus dem Backofen, Blätterteigröllchen mit Feta und frittierte Calamari hätte ich genau in der Reihenfolge verputzen können. Aber man gibt sich ja bescheiden und es waren letzten Endes die gegrillten Peperoni mit Olivenöl und Tsatsiki (4,50 Euro), die wir uns vorweg teilten.
Bei den Hauptspeisen bestimmten in erster Linie Schwein, Ochse und Lamm das Geschehen auf den Tellern. Im gängigen Carnivorenprogramm wurde Schweinefilet zum Lendenspieß geadelt oder mit Feta-Käse gefüllt und als Lendenröllchen vom Schwein feilgeboten. Mit Gyros, Lammkoteletts, Bifteki und Rinderleber wurde selbstverständlich auch den Redundanzessern in Sachen Griechenkost gehuldigt. Wer von allem etwas wollte, konnte mit dem Kreta-Teller gar eine fleischerne Viererbande aus Rumpsteak, Schweinelende, Lammkotelett und Gyros auf seinem Teller vereinigen.
Auberginenschnitzel warteten auf den gemeinen Fleischverzichter. Lachs- und Zanderfilet standen für Schuppentier-Interessierte zur Auswahl. Baklava mit Walnuss, Vanille-Eis und Sahne für angehende Diabetiker.
Ein kulinarisches Standardprogramm also, das man beim Besuch eines griechischen Restaurants hierzulande auch erwartet. Meine Frau übte sich wie so häufig in bewusstem Fleischverzicht und entschied sich für den gegrillten Fetakäse (7,50 Euro), den sie mit einem kleinen Beilagensalat (2,50 Euro) etwas „aufgrünte“.
Auf mich wartete nach getätigter Bestellung ein veritabler, nach dem Küchenchef benannter Dimitri-Mixteller (16,50 Euro), der mit Suflaki-Spieß, Schweine- und Hacksteak sowie einer Portion Gyros bestückt war und einem späten Frühstück allemal gerecht werden würde.
Schon die vorweg gereichten grünen Grillschoten wussten zu überzeugen. Keine Knoblauchhügel, mit denen man verkohlte Grillspuren kaschieren musste. Nein, das waren freundlich pikante Vertreter ihrer Art, die da unseren Kurzaufenthalt in Zweibrücken kulinarisch einläuteten. Etwas weniger Olivenöl hätte es meiner Ansicht nach auch getan, aber das ist Jammern auf nahezu olympisch-hohem Niveau. Das muss man auch mal den Berg Athos auf Chalkidiki lassen und die wohlgeratenen, grünen Grillfinger genüsslich in das Häuflein Tsatsiki tunken. Olivenöl hin oder her! Gegrillte Peperonen Mit Tsatsiki natürlich!
Das man das vom Aussterben bedrohte GMQ-Mineralwasser auch zu ordentlichen Preisen erstehen kann, stand für mich außer Zweifel. Hier wurden uns für die Dreiviertel-Liter-Flasche freundliche 3,60 Euro in Rechnung gestellt. In Saarbrooklyn zahlten wir da noch das Doppelte…
Weiter ging es mit den zügig servierten Hauptgängen. Was da in der weißen Auflaufschale appetitlichen Wohlgeruch verbreitete, kam einem mediterranen „Systementwurf“ schon recht nahe. Gastro-Philosophen würden glatt von „Feta-Physik“ sprechen. Knoblauch, Tomaten, Peperoni, Oliven und mediterrane Gewürze hatten aus dem bleichen Schafskäsequader ein schmackhaftes Ofengericht gezaubert. Eine äußerst gelungene „Fetamorphose“ sozusagen. Die Vertreterin der Käsefraktion war sichtlich zufrieden. Der gebackene Schafskäse
Auch das Dressing des Beilagensalats wurde mit lobenden Worten bedacht. Den grünen Hauptdarstellern hätte dagegen etwas mehr Frische gut zu Blatt gestanden. Sein Rohkostanteil blieb dabei weitgehend unauffällig. Wenn es denn Fertigware gewesen sein sollte, dann zumindest keine schlechte. Beilagensalat
Mein Dimitri-Mixteller machte eine richtig gute Figur. In der Mitte der stimmig arrangierten Fleischplatte trennte ein saftiger, nicht zu zaghaft gewürzter Suflaki-Spieß die mit ihrer Grillstreifenoptik um die Wette protzenden Schweinereien in Form von Bifteki und Rückensteak. Unter dem Spieß lauerte ein knusprig Hüglein feinstes Gyros. Ein Löffel voll Nudelsalat und ein ordentlicher Klacks Tsatsiki sorgten für etwas Abwechslung bei diesem Karnivorenidyll. Der Dimitri-Mixteller
Die dazu gereichten Fritten kamen aus frischem Fett, waren ausreichend gesalzen und kamen im klassischen 10mm Normalschnitt ins à part servierte Oval. Pommesbeilage
Auch das Schweinerückensteak hatte sich ein Extralob redlich verdient. Selten habe ich in einem griechischen Lokal ein saftigeres vorgelegt bekommen. Genauso zufrieden war ich mit der Würzung des Hacksteaks. Dieses hatte ordentlich Wumms ohne dass es einem gleich mit der Salzlauge die Papillen wegätzte. Endeffekt also ein überaus erfreulicher Mixteller, der den Namen des Küchenchefs zu Recht verdient.
Gut gesättigt und um eine empfehlenswerte Einkehradresse reicher machten wir uns auf den Heimweg. Ein Spieß, zwei Steaks – den Rest erledigt das Gyros. Manchmal kann handfeste Kulinarik so einfach sein.
Sonntag war Rückreisetag. Wir hatten schon recht früh unsere Unterkunft in Völklingen verlassen, um uns am Morgen vor der Heimreise in die Pfalz noch ein Saarland-Event der besonderen Art zu gönnen. Die Rede ist vom Saarpolygon bei Ensdorf (in der Nähe von Saarlouis). Dieses ca. 30 m hohe Denkmal zur Erinnerung an den seit 2012 endgültig beendeten Steinkohlebergbau im Saarrevier thront auf einer Abraumhalde („Bergehalde“) rund 150 Meter über dem umliegenden Saartal und ermöglicht nicht nur tolle Fotos, sondern auch... mehr lesen
Restaurant Dimi und Maxi
Restaurant Dimi und Maxi€-€€€Restaurant, Biergarten063329076300Homburger Straße 53, 66482 Zweibrücken
4.0 stars -
"Ein Haus – Zwei Brücken oder: wie uns eine Spontaneinkehr sehr ordentliche Hellenenkost bescherte" marcO74Sonntag war Rückreisetag. Wir hatten schon recht früh unsere Unterkunft in Völklingen verlassen, um uns am Morgen vor der Heimreise in die Pfalz noch ein Saarland-Event der besonderen Art zu gönnen. Die Rede ist vom Saarpolygon bei Ensdorf (in der Nähe von Saarlouis). Dieses ca. 30 m hohe Denkmal zur Erinnerung an den seit 2012 endgültig beendeten Steinkohlebergbau im Saarrevier thront auf einer Abraumhalde („Bergehalde“) rund 150 Meter über dem umliegenden Saartal und ermöglicht nicht nur tolle Fotos, sondern auch
Geschrieben am 13.10.2020 2020-10-13| Aktualisiert am
12.02.2021
Besucht am 04.09.2020Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 84 EUR
Meine Frau und ich waren Anfang September übers Wochenende im Saarland. Aus zeitlichen Gründen kam es leider nicht zum GG-Treffen „Südwest“ mit dem geschätzten Kollegen Simba. Stattdessen wurde die seit 1986 stillgelegte Völklinger Hütte – heute ein sehenswertes Weltkulturerbe – von uns ins Visier genommen. Unsere angemietete Wohnung lag ebenfalls in der recht schmucklosen, ca. 40.000 Einwohner zählenden Stadt Völklingen.
Das gastronomische Angebot beschränkt sich dort eher auf Dönerbuden und Pizza-Take-Aways, so jedenfalls mein Eindruck, als wir von unserer Bleibe in Richtung Bahnhof unterwegs waren. Bahnhof deshalb, weil wir uns am ersten Abend auf den Weg nach Saarbrücken machten. Dort hatten wir bereits einen Tisch für Zwei im Restaurant Indochine in der Klausenerstraße reserviert.
Die 5 mal 5 Sterne vom „Saarbabo“ mit der Kennziffer 47533 am Ende waren Anreiz genug, dem Asia-Schuppen unsere Aufwartung zu machen. Zumal wir ein ganz besonderes Verhältnis zu „Indochine“ haben – ist es doch auch der Name unserer französischen Lieblingsband.
Danke an dieser Stelle an den guten Simba, der mir noch weitere kulinarische Alternativen in seinem Gastro-Revier nannte und mir das Lokal als besonders gute Adresse für vietnamesische Küche empfahl. In diesem Punkt gebe ich ihm auch nach dem Besuch uneingeschränkt Recht, denn alles was wir auf unseren Tellern landete, war und schmeckte sehr fein. Nur bis es eben soweit war…
Wir erledigten die kurze Strecke vom Saarbrücker Hauptbahnhof in die Klausenerstraße in knapp 10 Minuten zu Fuß. Dort angekommen, wurden wir von der Servicechefin, Frau Nguyen, freundlich in Empfang genommen. Wir wählten einen der Tische im Inneren, da draußen auf der Terrasse viel los war und uns die angenehme Ruhe des Gastraums mehr zusagte. Auch waren wir zu diesem Zeitpunkt die einzigen Gäste, die nicht unter freiem Himmel zu speisen gedachten. Im Laufe des Abends kamen allerdings noch ein paar „Drinnen-Esser“ hinzu.
Ehrlich gesagt, von außen betrachtet würde man die gediegene Atmosphäre in Inneren nicht unbedingt vermuten. Das von reichlich grüner Hecke eingefasste Anwesen mit der gezackten Fassade wirkte auf den ersten Blick recht spartanisch. Außenansicht
Das, was man durch die nahezu durchgängige Fensterfront erkennen konnte, vermittelte jedoch einen durchaus einladenden Eindruck und der sollte sich drinnen auch bestätigen. Wir nahmen direkt vor einem der hohen Fenster Platz und ließen das Interieur auf uns wirken. Gastraum-Impression 1
Das seit 2013 von der Familie Nguyen betriebene Restaurant – vorher residierte hier der Saarbrücker Nobelitaliener „Roma“ – zeichnete sich durch eine zwar etwas in die Jahre gekommene, aber dennoch geschmackvolle Einrichtung aus. Dunkles Holz wechselte sich bei den Stühlen (und Wandbänken) mit hellen, bequemen Polstern stimmig ab. Mit weißem Leinen auf schwarzlackierten Bistrotischen setzte sich dieser „Yin-und-Yang-Stil“ auch beim Mobiliar angemessen fort. Kleine, in der Decke verbaute Spots und drei prächtige Kronleuchter sorgten für eine aparte Beleuchtung, die wir als atmosphärisch wahrnahmen. Nur der etwas derb wirkende, dunkle Fliesenboden wollte sich nicht so recht ins gepflegt wirkende Gesamtbild einfügen. Gastraum-Impression 2
Auch übertrieb man es nicht mit fernöstlichen Devotionalien. Die schon von Simba erwähnten Schwarzweiß-Fotografien aus der Zeit der französischen Kolonisation hafteten noch immer an der Wand. Kultiviertes Ambiente
Auf Hochglanz polierte Wein- und Wassergläser, hochwertiges Besteck und gefaltete Stoffservietten mit aufgesticktem Logo machten uns schnell klar, dass wir hier nicht bei einem x-beliebigen Panasiaten gelandet waren.
Madame Nguyen wurde an diesem Abend von einer jungen, kaum Deutsch sprechenden Servicekraft unterstützt. Die junge Dame agierte noch sehr unsicher. Ihr fehlte es schlichtweg an Erfahrung und Aufmerksamkeit, so dass bereits geleerte Flaschen für den Rest des Abends auf unserem Tisch verweilten. Uns störte das nicht, aber bei Gästen mit höherer Serviceambition kann so etwas auch zu Unmut führen.
Herr Hoa Nguyen musste an diesem Abend seine Küche angeblich alleine „schmeißen“. Vielleicht sind ihm die Beiköche ausgefallen oder die Aushilfen waren alle krank. Jedenfalls hatte der zu den besten Küchenmeistern der Region – so stand es in einem der regionalen Gastro-Institutionen gewidmeten, hübsch bebilderten Buch, das stolz aufgeschlagen direkt am Eingang auslag – zählende Vietnamese einen massiven Personalmangel zu verzeichnen, wie uns seine Frau später am Tisch mitteilte.
Dass sich dies zeitlich jedoch so in die Länge ziehen würde, hätte uns die gute Dame gleich zu Beginn mitteilen können. So warteten zwei ausgehungerte Gäste aus der Pfalz zunächst einmal auf die Speisekarten und dann wiederum auf eine Gelegenheit, ihre kulinarischen Wünsche an Frau Nguyen bzw. ihre Aushilfe zu bringen.
Positiv formuliert: man ließ uns sehr viel Zeit, die Speisebüchlein ausgiebig zu studieren. Auf die Wochenkarte hatten es lediglich zwei Gerichte geschafft. Bilder bei Tripadvisor wiesen darauf hin, dass diese scheinbar schon eine ganze Weile als Zusatzgerichte empfohlen wurden. Thunfisch-Tatar à la Indochine mit Mango und Avocado (18,90 Euro) und ein gebackener Steinbutt für zwei Personen (85 Euro) kündeten von feiner Produktküche.
Daneben wurde ein siebengängiges „Deluxe-Menü“ angeboten (125 Euro). Dieses konnte jedoch auch in reduziertem Umfang geordert werden. Gleich vorweg: hätten wir uns für dieses entschieden, wären wir sicherlich erst am Folgetag aus dem Lokal gekommen und hätten mit dem Taxi zurück nach Völklingen fahren müssen, da zu solch später Uhrzeit dann doch keine Züge mehr verkehren.
Eine Seite weiter lachte uns die gemischte Vorspeisenplatte (25,90 Euro) für zwei Personen an. Darauf befanden sich allerlei Leckereien aus dem Meer, wie beispielsweise Tempura-Garnelen oder mit Weißpuder vom Klebreis verfeinertes Thunfisch-Sashimi. Aufgespießte, in Betelblätter gerollte Froschschenkel und Papaya-Pulpo-Salat klangen auch nicht gerade alltäglich. Unser Vorweggericht war damit beschlossene Sache. Und das obwohl Fischcremesuppe, Reispapierrollen (Nems) und eine mit Scheiben vom Charolais-Rind verfeinerte Pho als warme Starter gelistet waren.
Auch bei den Hauptspeisen war die Auswahl recht übersichtlich. Für Vegetarier gab es Reisbandnudeln mit Tofu und Wokgemüse. Fischfans durften sich an einer angeblich „sehr scharfen“ Edelfischpfanne, karamellisierten Seeteufel-Medaillons und Riesengarnelen im Tontopf sowie auf der Haut gebratenem Wolfsbarschfilet „Lyonais Style“ (natürlich ohne Fleischwurst!) erfreuen.
Auf den gemeinen Fleischverputzer warteten französisch inspirierte Kreuzüberkreationen. Barbarie-Entenbrust, Medaillons vom Angus Rind mit gebackenem Kalbsbries und Gewürfeltes aus der Hirschoberschale durchbrachen nachvollziehbar die 30-Euro-Marke bei den Hauptgerichten. Mit vier Desserts (Crème brulée, Profiteroles, Ingwer-Parfait und gebackener Eiscreme) endete die kulinarische One-Man-Show des Hoa Nguyen an diesem Abend.
Für meine Frau sollte es das vegetarische Reisbandnudelgericht (17,90 Euro) sein, während ich mich über die scharfe Edelfischpfanne mit Filetstreifen, Scampi und Jakobsmuscheln (28,90 Euro) hermachen wollte. Die etwas gehobeneren Preise weckten natürlich auch gewisse Erwartungen. Wir waren gespannt, was uns der gute Herr Nguyen auf die Teller zaubern würde.
Die Preise für die Getränke ließen sich ebenfalls im leicht angehobenen, städtisch beeinflussten Normbereich verorten. Die 7 Euro pro Flasche Mineralwasser der Marke GMQ – abgekürzt für Gräfin Mariannen Quelle – waren schon stramm kalkuliert. Die 6,20 Euro für den banalen Elsass-Riesling fast schon eine Unverschämtheit, wenn man bedenkt, was für Weißweine in der Heimat fürs gleiche Geld (oder weniger) eingeschenkt werden. Egal, Deckungsbeiträge müssen sein, sonst überlebt keiner in der Gastronomie!
Wir hatten genug Zeit die Abläufe beim Service genauer zu verfolgen und es fiel uns auf, dass nur sehr sporadisch einzelne Gerichte die Küche verließen, um dann ich Richtung Außenterrasse getragen zu werden. Wir hatten keine Ahnung, wie viele Leute da draußen saßen, aber so wie es aussah, würden sich unsere knurrenden Mägen noch eine Weile gedulden müssen, bevor Handfestes Linderung versprach.
Zum Händewaschen verschlug es mich ins Souterrain, wo mich ein ebenfalls etwas antiquiert wirkender Nassraum empfing. Dem nicht genug, begrüßte mich der Sanitärbereich mit dem zeitgleichen Einsetzen dreier Pissoirspülungen. Solch einen rauschenden Willkommensgruß hätte ich gar nicht erwartet. Nun, wenigstens die Toiletten funktionierten hier auf Anhieb.
Ein Stockwerk höher tat sich nach wie vor nicht viel. Seit unserer Ankunft war eine gute Stunde vergangen und so langsam wurde es draußen dunkel. Schön, dass man uns zu dieser Zeit mit einem kleinen Amuse die weitere Wartezeit etwas verkürzte. Eine halbe Reispapierfrühlingsrolle – die Vietnamesen nennen sie „Nem“ – lag kross frittiert auf einem Kaffeeunterteller und war bedeutend schneller verputzt als serviert. Warum die Küche dafür allerdings eine geschlagene Stunde Zeit brauchte, ist mir bis heute ein Rätsel. Das (späte) Amuse
Doch dann wurde der kulinarischen Skrupellosigkeit Tür und Tor geöffnet. Die junge Bedienung hatte uns fälschlicherweise einen kleinen Teller mit geröstetem Weißbrot und einer Sauce Rouille an den Tisch gebracht. Natürlich hatte ich vorher (mit einem Ohr) die Bestellung der Fischcrèmesuppe am Nachbartisch mitbekommen. Hungrige Gäste können so erbarmungslos sein! Denn ich ließ die junge Dame gewähren.
Noch ehe der Nachbartisch seine fehlende Bouillabaisse-Beilage bemerkt hatte, tunkte ich bereits – trotz mehrfacher Ermahnung meiner Frau – die krossen Brotscheiben in die Rouille und erfreute mich ganz ungeniert an der unverhofften Zwischenmahlzeit. Ganz ehrlich, ohne sie hätte ich die nächste halbe Stunde bis zur Vorspeise kaum überlebt. Merke: In der Not tunkt nicht nur der Teufel gern sein Brot…
Die Gäste ohne Rouille bekamen selbstverständlich bald Ersatz. Und natürlich bedauerte ich das schamlose Ausnutzen dieses „Bedienungsfehlers“ im Nachhinein. Aber wenn es um die blanke Sättigung geht, steht die Aufklärung kleinerer Service-Patzer eben nicht an allererster Stelle. Zumindest nicht nach so langem Warten auf feste Nahrung.
Etwa eineinhalb Stunden nach dem Bestellvorgang wurde uns endlich die gemischte Vorspeisenplatte serviert. Im Vordergrund die Froschschenkel in Betelblätter gehüllt
Was sehr lange währte, wurde zugegebenermaßen auch sehr gut! In der Mitte des Porzellans markierte der zylinderförmig aufgetürmte Papaya-Pulpo-Salat den zentralen Blickfang. Vorspeisenplatte für zwei (Ausgehungerte)
Scampi und Cocktailtomate grüßten vom Obergeschoss des delikaten Asia-Towers. Das Thunfisch-Sashimi ähnelte zwar aufgrund seiner Klebreis-Panade kleinen Backfischfilets kurz vor dem Bad in der Fritteuse, schmeckte aber deutlich besser. Roher Thunfisch in Weißpuder vom Klebereis paniert
Hübscher anzusehen war der rohmarinierte Lachs, der zu einer Blume gerollt worden war und in einer 1-A-Qualität auf die Platte kam. Marinierter Lachs mit Sesam
Zwei saftige, kurz vor dem Brutzeln durch Tempurateig gezogene Garnelen lagen versteckt unter den aufgespießten Froschschenkeln, die allesamt in Betelblätter gehüllt waren. Einzig ihr Geschmack ließ sich nicht so recht verorten. Ein Schnitz Limette, ein Klecks Meerrettichsauce mit salzig-jodigem Forellenrogen obendrauf und etwas Balsamico-Graffiti am Tellerrand komplettierten unser geschmackvoll arrangiertes Hors D’oeuvre.
Die Zeit bis zur Ankunft unserer beiden Hauptspeisen kam uns dann auch nicht mehr ganz so lange vor. Meine Fischpfanne stellte sich als veritables Fisch-Curry heraus. Das in Klammern angemerkte Prädikat „sehr scharf“ konnten meine Papillen jedoch nicht bestätigen. Aber pikant war es allemal. Das Gemüse – hauptsächlich Staudensellerie, Karotte und Brokkoli – lag auf den Punkt gegart in der Mini-Cocotte, aus der ich den aromatisch duftenden Fernostklassiker löffelte. Die Edelfischpfanne aus der Cocotte Reis, Reis, Baby....
Auch die Meeres- und Schalentiereinlage war vom Feinsten. Die Jakobsmuscheln spielten in puncto Größe und Qualität in der Top-Liga. Klar, die knapp 30 Euro mussten sich ja auch irgendwo in diesem vorzüglichen Kokossud versteckt haben.
Die junge Dame gegenüber verzehrte ihre gewokten Gemüse-Nudeln mit Inbrunst. Auch bei ihr toppten kleingehackte Erdnüsse und Röstzwiebeln das Hauptgericht. Eine klassische Asia-Pasta im besten Sinne, die ebenfalls vom idealen Gargrad ihres Gemüseanteils profitierte. Gebratene Reisbandnudeln mit Tofu und Wokgemüse
Seit unserer Ankunft waren mittlerweile fast 3 Stunden vergangen. Stunden, in denen wir viel Zeit zum Quatschen, Lachen und letztlich auch Genießen hatten. Madame Nguyen entschuldigte sich für die lange Wartezeit aufs Essen gleich in doppelter Hinsicht.
Zuerst fand ein Tapioka-Mais-Dessert mit Kokosmilch als süße Gabe des Hauses den Weg auf unseren Tisch. Tapioka-Mais-Kokos-Dessert (aufs Haus)
Und danach bot man uns noch einen Schnaps aufs Haus an. Zwei eisgekühlte Williams-Christ schufen klare Verhältnisse. Frau Nguyen hatte diesen selbst geschenkt bekommen und zeigte sich doch leicht überrascht, dass von der an den Tisch gebrachten Eierlikör-Flasche der Marke „Božkov“ solch ein hochprozentiger Inhalt ausging. Sachen gibt’s... So klar ist kein Eierlikör! Schwör!
Als wir am Schluss auf unsere Rechnung einen kleinen Rabatt bekamen, setzte dies dem skurrilen Treiben beim Saarbrücker Nobelvietnamesen sogar noch ein etwas günstigeres Ende. Trotzdem empfanden wir gerade das Preis-Genuss-Verhältnis im Indochine als verbesserungswürdig. Die lange Wartezeit aufs Essen hat uns zwar nicht die Laune verdorben, war aber ein limitierender Faktor bei der Bewertung. Sollten wir irgendwann einmal wieder im Saarbrücker Stadtteil Malstatt vorbeischauen, um in den Genuss fernköstlicher Leckereien aus Indochina zu kommen, dann nur zusammen mit dem „Roten Khmer“ der Saarbrücker Gastrokritik. Den hätte man dort bestimmt schneller bedient. Geh ich jede Wette!
Meine Frau und ich waren Anfang September übers Wochenende im Saarland. Aus zeitlichen Gründen kam es leider nicht zum GG-Treffen „Südwest“ mit dem geschätzten Kollegen Simba. Stattdessen wurde die seit 1986 stillgelegte Völklinger Hütte – heute ein sehenswertes Weltkulturerbe – von uns ins Visier genommen. Unsere angemietete Wohnung lag ebenfalls in der recht schmucklosen, ca. 40.000 Einwohner zählenden Stadt Völklingen.
Das gastronomische Angebot beschränkt sich dort eher auf Dönerbuden und Pizza-Take-Aways, so jedenfalls mein Eindruck, als wir von unserer Bleibe... mehr lesen
3.5 stars -
"Braucht Fernköstliches wirklich so viel Zeit? - Skurriles Slow-Food-Erlebnis beim Saarbrücker Nobelvietnamesen" marcO74Meine Frau und ich waren Anfang September übers Wochenende im Saarland. Aus zeitlichen Gründen kam es leider nicht zum GG-Treffen „Südwest“ mit dem geschätzten Kollegen Simba. Stattdessen wurde die seit 1986 stillgelegte Völklinger Hütte – heute ein sehenswertes Weltkulturerbe – von uns ins Visier genommen. Unsere angemietete Wohnung lag ebenfalls in der recht schmucklosen, ca. 40.000 Einwohner zählenden Stadt Völklingen.
Das gastronomische Angebot beschränkt sich dort eher auf Dönerbuden und Pizza-Take-Aways, so jedenfalls mein Eindruck, als wir von unserer Bleibe
Geschrieben am 11.10.2020 2020-10-11| Aktualisiert am
12.02.2021
Besucht am 27.08.2020Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 47 EUR
Meiner Oma war schon damals beim Betrachten meiner Hände klar, dass ich später mal keinen Handwerksberuf erlernen würde. Sie sollte recht behalten. Als Heranwachsender zog ich die Theorie gerne der Praxis vor und im Fach Werken/Bildende Kunst kam ich selten auf einen grünen Zweig. Im Gegenteil: am Ende der 10. Klasse strich ich entnervt die Segel. Das war im Prinzip das letzte Mal, dass ich bewusst an einer Werkbank stand, um etwas zu „erschaffen“.
Auch in den Folgejahren ist kein großer Handwerker aus mir geworden, auch wenn mir diverse Studentenjobs in dieser Hinsicht durchaus zuträglich waren. Aber jedem das Seine. Die Karlsruher „Werkbank“ hatte ich schon seit einiger Zeit auf meiner kulinarischen Agenda. Aber es war letztlich die Empfehlung von Küchenchef Marc Wendel aus der Kapeller Hopfestubb (Kapellen-Drusweiler), die uns an einem Donnerstagabend Ende August dort erstmals einkehren ließ.
Übrigens, in diesem Eck der Fächerstadt war ich vorher noch nie. Ein hübsches, von alter Bausubstanz dominiertes Wohnviertel mit grünen Einsprengseln erwartete uns als wir nach kurzer Fahrt mit der Straßenbahn an der Haltestelle Gottesauer Platz ausstiegen und die letzten 500 m zu Fuß absolvierten.
Als wir an diesem lauen Sommerabend nach unserer Einkehr wohlgesättigt auf zwei E-Rollern in Richtung Südstadt bretterten - dort hatte ich mein Auto geparkt – war ich seit langem mal wieder mit der von Baustellen übersäten, zweitgrößten Stadt Baden-Württembergs im Reinen. Dass dies natürlich auch auf unseren Besuch der Werkbank zurückzuführen war, lag auf der Hand bzw. vorher auf dem Teller.
Die Werkbank bereichert seit rund fünf Jahren mit frisch zubereiteter Hausmannskost die Karlsruher Gastroszene. Unter dem Motto „Einfach. Ehrlich. Köstlich.“ stehen Inhaber und Küchenchef Egemen Dogan (früher Chefkoch im „La Vie“ in Rulands Thermenhotel in Bad Herrenalb) zusammen mit seinem Team für eine schnörkellose, gerne auch saisonal inspirierte deutsche Küche. Ein bewusst reduziert gehaltenes Speiseprogramm lässt auf viel Haus- und Handgemachtes schließen.
Wir hatten an diesem Donnerstagabend vorsorglich reserviert. Die Möglichkeit, das Essen unter freiem Himmel einzunehmen, schlugen wir aus. Da gefiel es uns im Inneren des Lokals doch wesentlich besser als draußen auf dem Trottoir. Bevor das Team der Werkbank hier Einzug hielt wurde im Erdgeschoss des stattlichen Klinkerbaus in der Veilchenstraße Ecke Essenweinstraße angeblich griechisch gekocht. Außenansicht
Davon war natürlich im Gastraum nichts zu mehr merken. Eingangsbereich
Der in L-förmigem Grundriss geschnittene Ort der Speisung war geschmackvoll eingerichtet. Zwei alte, wieder in Schuss gebrachte Werkbänke fielen uns sofort ins Auge. Mit etwas erhöhten Barstühlen ausgestattet, wurden auch sie als zünftige Tafeln für die Verköstigung genutzt. Das Rätsel um den Namen des Restaurants war damit gelöst. Aber auch sonst dominierte hölzerne Rustikalität bei der Einrichtung. Blick zum Tresen
Die aus großen Rundsieben gebastelten Wandleuchten sorgten für kulinarische Goldgräberstimmung. Einzig die mit quadratischen Paneelen verkleidete – wahrscheinlich abgehängte – Decke erinnerte mich doch arg an die Zahnarztpraxis meines Vertrauens. Ein Einrichtungsmakel, der bald beseitigt werden soll, wie mir die überaus freundlich agierende Bedienung versicherte. Der Gastraum
Sie versorgte uns umgehend mit den Speisekarten und auch die obligatorische Flasche Mineralwasser (0,75l für städtische 6 Euro) – diesmal hieß die Marke „Selters“ – sprudelte zeitnah und recht „classic“ auf unserem Tisch. Ein helles Halbes aus bayrischen Landen (3,80 Euro) sollte später noch folgen.
Die beiden in Weiß (Essen) und Schwarz (Getränke) gehaltenen Karten waren rasch durchstöbert. Lachstatar, Ziegenkäse und gemischter Salat – Letzterer war in zwei Größen erhältlich – bestimmten das Vorspeisenprogramm. Vier vegetarische Gerichte, darunter Herzerwärmendes wie hausgemachte Käsespätzle, Rösti oder Maultaschen, ließen meine gerne auf Fleisch verzichtende Gattin aufhorchen. Eine Seite weiter machten mir fünf verschiedene Fleischspeisen die Entscheidung schwer.
„I beg your pardon“, aber an diesem Abend war es nicht der für faire 28,90 Euro angebotene „Roast-Braden“ vom heimischen Rinderfilet (mit Spätzle und Röstzwiebeln), der mich in den Karnivorenolymp hieven sollte. Auch der gesottene Kalbstafelspitz mit Meerrettich, grünem Apfel und Bouillonkartoffeln war dazu – meiner Ansicht nach – nicht in der Lage. Mit gebratener Kalbsleber konnte ich noch nie viel anfangen. Und die hausgemachten Fleischküchle mit Kartoffelstampf und Pommery-Senfsauce klangen zwar äußerst verlockend, verloren aber letztendlich im Eins-zu-Eins-Duell gegen das „Werkbankschnitzel“ (21,80 Euro).
Bei diesem handelte es sich um ein dünngeklopftes Wiener Original vom Kalbsrücken. Die Pommes-Beilage wurde problemlos durch Spätzle ersetzt. Eine Extraportion Rahmsoße (3 Euro) wurde noch hinzugeordert. Der Süffigkeit musste schließlich Genüge getan werden. Im Schnitzel-Preis inkludiert war noch ein kleiner Beilagensalat.
Meine Frau hatte sich da schon längst für die Käsespätzle mit Zwiebeln und Bergkäse (8,60 Euro) entschieden. Und zwar im aller badischsten Sinne. Einen kleinen gemischten Salat (4,50 Euro) hängte sie in frischer Absicht noch dran.
Ein Blick zur Theke erklärte mir dann auch den Zusammenhang zum anfangs erwähnten Pfälzer Küchenchef und Winzer Marc Wendel. Neben den in der Standardkarte angebotenen Kreszenzen aus dem Kraichgau, der Pfalz und dem Markgräflerland, waren es ein paar Weinempfehlungen aus Kapellen-Drusweiler – ein trockener Regent aus dem Barrique und ein grüner Silvaner –, die hier von zwei Tafeln grüßten und glasweise auf ihre Entdecker warteten. In Wendel Veritas! Mit diesem Weingut hätte ich in der Karlsruher Oststadt nicht unbedingt gerechnet. Ausschankbereich
Schon die Art und Weise wie der Kraut- und Rübensalat geraspelt war, ließ keinerlei Convenience-Verdacht aufkommen. Auch das feinsäuerliche Dressing unserer Beilagensalate war geschmacklich gelungen und machte aus dem frischen Blattwerk eine einfache, aber delikate Angelegenheit. so geht frischer Beilagensalat!
Ein guter Einstieg, der dem ersten Hunger knackig die Stirn bot. So konnte es gerne weitergehen. ....oder so!
Und wie es weiterging. Aus dramaturgischen Gründen sei zuerst der schlonzige Käsespätzle-Hügel meiner Frau erwähnt. Würzige Bergkäseraspel verdeckten die zarte Schmelzzwiebelhaube. Optisch war das zwar ein Stückweit entfernt von den Kasnocken „from Austria“ – da knusperten die kross gebratenen Zwiebelringe förmlich um die Wette – aber geschmacklich konnten sie mit den fluffigen Knöpfle aus unserem letzten Urlaub in Saalfelden durchaus mithalten. Und selbstverständlich waren sie hausgemacht. Die Käsespätzle
Zeitgleich zu den servierten Spätzle, duftete mir mein mega-dünn geklopfter Kalbsteppich über den Tellerrand hinaus entgegen. Die eine Hälfte des Wieners
Außen runzlig-krosses, innen welliges „Impaniergehabe“ und eine angenehme Würze waren weitere positive Eigenschaften dieses im Schmetterlingsschnitt zubereiteten Monolithen mitteleuropäischer Esskultur. Das Werkbankschnitzel in Gänze
Allein dem Geruch nach elegisch gebuttertem Brötchenknusper aus rasch ausgewischter Eisenpfanne konnte ich mich nur schwer entziehen. Der in alter Figlmüller-Tradition sanft ausgeklopfte und deshalb herrlich mürbe Kalbsrücken schmolz förmlich auf der Zunge. Schnitzel-Querschnitt 1
Selten habe ich ein besser zubereitetes Exemplar dieses Klassikers genießen dürfen. Schnitzel-Querschnitt 2
Der begleitenden Preiselbeersauce hätte es gar nicht bedurft. Die beiden Zitronenschnitze waren mir indessen sehr willkommene Auffrischer. Und die 3 Euro extra für die schmackhafte Rahmsauce dankten mir nicht nur die à part gereichten Spätzle, sondern auch meine Frau, die gerne davon naschte. Die Beilagenspätzle (ohne Käse) Fazit:
Die Werkbank wird ihrem kulinarischen Motto in vollem Umfang gerecht. Die von uns genossenen Gerichte waren zwar einfach, aber handwerklich ehrlich zubereitet. Dass sie uns köstlich schmeckten muss an dieser Stelle gar nicht mehr hervorgehoben werden. Die verwendeten Zutaten erfuhren in Egemen Dogans Küche nicht nur eine sorgfältige Behandlung, sondern waren auch von beachtlicher Qualität. Mehr geht bei gutbürgerlicher Deutschkost eigentlich kaum. Weniger leider noch immer zu häufig. Empfehlung? Sieht jedenfalls ganz danach aus…
Meiner Oma war schon damals beim Betrachten meiner Hände klar, dass ich später mal keinen Handwerksberuf erlernen würde. Sie sollte recht behalten. Als Heranwachsender zog ich die Theorie gerne der Praxis vor und im Fach Werken/Bildende Kunst kam ich selten auf einen grünen Zweig. Im Gegenteil: am Ende der 10. Klasse strich ich entnervt die Segel. Das war im Prinzip das letzte Mal, dass ich bewusst an einer Werkbank stand, um etwas zu „erschaffen“.
Auch in den Folgejahren ist kein großer... mehr lesen
4.5 stars -
"Erfolgreiche Schnitzeljagd in der Karlsruher Oststadt" marcO74Meiner Oma war schon damals beim Betrachten meiner Hände klar, dass ich später mal keinen Handwerksberuf erlernen würde. Sie sollte recht behalten. Als Heranwachsender zog ich die Theorie gerne der Praxis vor und im Fach Werken/Bildende Kunst kam ich selten auf einen grünen Zweig. Im Gegenteil: am Ende der 10. Klasse strich ich entnervt die Segel. Das war im Prinzip das letzte Mal, dass ich bewusst an einer Werkbank stand, um etwas zu „erschaffen“.
Auch in den Folgejahren ist kein großer
Geschrieben am 05.10.2020 2020-10-05| Aktualisiert am
12.02.2021
Besucht am 21.08.2020Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 44 EUR
An einem warmen Freitag im August hatte ich mich mit meinem Vater zum Wandern verabredet. Da wir uns ein paar Wochen zuvor schon durch das Pfälzer Outback nahe der Grenze zu Frankreich geschlagen hatten, nahmen wir diesmal die badische Seite ins Wandervisier. Abseits gewohnter Pfalzpfade sollte es an diesem herrlichen Sommertag für den bekennenden „Linksrheiner“ einiges zwischen Badischer Weinstraße und nördlichem Schwarzwald zu entdecken geben.
Wir starteten von dem zu Baden-Baden gehörenden Stadtteil Neuweier, einem rund 2000 Einwohner zählenden Weindorf inmitten der Vorbergzone des Nordschwarzwalds. Bei noch recht großer Hitze erklommen wir die auf 520 m ü. NN thronende Yburg, die mit einer bombastischen Aussicht auf die Rheinebene und die benachbarten Weinberge ein sehr empfehlenswertes Ausflugsziel darstellte.
Auf der Yburg angekommen ging es auf ein wohlgehopftes Helles in das einladende Burgrestaurant, das uns mit deftigen Leckereien wie z.B. „Hofmagdschmaus“, „Hunnenschnitzel“ und „Burgbraten“ empfing. Für solch schwere Kost war es uns jedoch schlichtweg noch zu warm. Außerdem hatte mein Vater einen Terrassenplatz für Zwei im Restaurant Röderswald, einem nahegelegenen Ausflugslokal, reserviert.
Dort trafen wir dann nach absolvierter Rundwanderung und einem kleinen Abstecher zum Weingut Nägelsförst – man muss ja schließlich auch die rechtsrheinischen Erzeuger im Auge behalten – am Abend ein. Auf der von Sonnenschirmen ausreichend beschatteten Terrasse war einiges los. Kein Wunder, sitzt man hier doch ganz formidabel und richtet dabei den Blick gen Westen, von wo die Sonne mit hochsommerlicher Strahlkraft diesen herrlichen Abend erwärmte. Terrassenblick Modell "Wow!"
Das etwas erhöht, außerhalb des Weinorts Varnhalt gelegene Restaurant wirbt mit diesem tollen Ausblick ins Rheintal auch auf seiner Homepage. Und auch der weitblickverwöhnte Pfälzer musste zugeben, dass es sich hier um einen äußerst idyllischen Flecken handelte. Terrassenansicht
Wenn jetzt auch noch das Kulinarische stimmen würde, wäre das badische Komplettpaket perfekt. So jedenfalls der Gedanke des Chronisten, als er sich auf seine bequeme Sitzgelegenheit aus Polyrattan niederließ. Terrassenblick 1
Auf unserem Bistrotisch lag das Besteck in einer mit dem Restaurantnamen bedruckten, weißen Einwegtasche, die auch als Serviette fungierte. Pfeffer, Salz und ein Aufsteller mit der Tischnummer ergänzten die karge Tischlandschaft, auf der sich alsbald zwei frisch gezapfte Ulmer Biere (0,4l zu 3,30 Euro), ein Sekt mit Crodino (0,1l zu 3,90 Euro) sowie eine gut gekühlte Flasche Mineralwasser der Marke Peterstaler (0,75l zu 4,70 Euro) wiederfanden. Unser Tisch
Mit dem Slogan „Genießen pur in der Natur!“ begrüßte mich bereits die gläserne Schautafel mit angepinnter Speisenkarte vor dem Eingang zur Terrasse. Auf jener sitzend hielten wir bald die Küchenlektüre in unseren Händen und studierten das Angebot. Da wurde zunächst ein dreigängiges Menü für geradezu unverschämt preisgünstige 13,90 Euro empfohlen. Es beinhaltete eine Petersilienrahmsuppe, hausgemachte Cevapcici in Paprika-Rahmsauce und Basmati-Reis sowie ein saisonal inspiriertes Zwetschgen-Joghurt-Parfait zum süßen Abschluss.
Es war Eierschwammerl-Zeit, wie man in Österreich zu sagen pflegt. Klar, dass deshalb auch einige Gerichte mit Pfifferlingen auftauchten. Ob gebraten zum Salat oder in Schnittlauchrahmsauce mit hausgemachten Kräuterflädle musste noch entschieden werden. Das war gar nicht so einfach, denn der gegrillte Seehecht auf Penne-Nudeln wurde ebenfalls mit Pfifferlingrahmsauce serviert. Außerdem lockten das im „Badischen Sößle“ geschmorte Lammhäxle (die vielen Endungen auf „le“ erinnerten mich sprachlich, wo wir uns gerade befanden…), der mittlerweile zum Standardrepertoire zählende „Hausburger“ sowie das Bühler Zwetschgensteak vom Schweinerücken.
Und das war nur das jahreszeitlich bedingte Empfehlungsschreiben. Zwei Suppen, vier Salatteller, zwei Veggie-Gerichte und zwei Fischteller weiter ging es endlich ans „Fleischgemachte“. Rumpsteak, Tafelspitz und Schweinemedaillons gutbürgerlichten da um die Wette. Gegrillte Hähnchenbrust in asiatisch akzentuierter Kräuter-Curry-Sauce (mit Kokosmilch) und die Lasagne Bolognese komplettierten die muntere Auswahl, die einen Hauch von Internationalität auf die badische Sommerterrasse wehen ließ.
Der Hunger hielt sich bei mir hitzebedingt etwas in Grenzen, während mein Vater nonchalant zum dreigängigen Tagesmenü griff. Seine Vorspeisensuppe sollte allerdings direkt an den Filius gehen. Das stand schon vor dem Bestellvorgang fest. Etwas Frische auf dem Teller würde an diesem Sommerabend sicherlich guttun. Und so orderte ich den Salatteller mit gebratenen Pfifferlingen, dünnen Scheiben vom Roastbeef, Honig-Senf-Remoulade und einem Reibeküchle. So nennt man wohl nicht nur im Badischen den ordinären Kartoffelpuffer.
Das in der Porzellantasse servierte Petersiliencrèmesüppchen hatte leider etwas zu viel der guten Sahne abbekommen. Der Geschmack nach der vermeintlichen Hauptzutat hielt sich deshalb doch stark in Grenzen. Doch es blieb der einzige kleine kulinarische Lapsus an diesem Abend. Petersilienrahmsüppchen
Meine Pfifferling-Roastbeef-Garnitur machte zum grünen Blattwerk eine gute Figur. Die „Waldzwerge“ wurden mit etwas Speck und Zwiebel angedünstet und dies – Gott sei Dank – nicht zu lange. Waldzwerge auf Blattgrün
Sechs dünn geschnittene, herrlich mürbe Roastbeefscheiben, ein ordentlicher Klacks Remoulade und das auf einem Extrateller servierte Küchle sorgten zusammen mit ein paar Scheiben Weißbrot für ausreichend Sättigung. S'Küchle à part
Gut, mit der Balsamico-Crème hätte man vielleicht nicht ganz so inflationär umgehen müssen, aber wie sagt man hierzulande: das sind doch nur Streifen im Salathaufen. Saison-Salat mit Pfifferlingen und Roastbeef
Mein Vater hatte nur lobende Worte für seine hausgemachten Balkanröllchen aus gut gewürztem Hackfleisch. Seine Paprika-Rahmsauce kam auch ohne Sahne ganz gut aus. Cevapcici mit Paprika-Ohne-Rahm-Sauce und Basmati-Reis
Die hatte man wohl komplett im Suppentopf verschwinden lassen. Egal, ihm war es so lieber. Genauso lieb war ihm übrigens auch der Nachtisch. Sein Zwetschen-Joghurt-Parfait zeugte von grundehrlichem Patisserie-Handwerk und fügte sich auch portionsmäßig gut ins Menü ein.
Im nahen Westen ging allmählich die Sonne unter, was der gemütlichen Atmosphäre auf der Röderswald-Terrasse keinen Abbruch tat. Ganz im Gegenteil. Um eine solide Ausflugsadresse reicher ging es für mich wieder zurück ins Pfälzer Ländle (Perspektivwechsel vollzogen!). Dass man auch auf der badischen Seite in Sachen Einkehrmöglichkeiten gut aufgestellt ist, habe ich nie bezweifelt. Naja, vielleicht ein bisschen.
An einem warmen Freitag im August hatte ich mich mit meinem Vater zum Wandern verabredet. Da wir uns ein paar Wochen zuvor schon durch das Pfälzer Outback nahe der Grenze zu Frankreich geschlagen hatten, nahmen wir diesmal die badische Seite ins Wandervisier. Abseits gewohnter Pfalzpfade sollte es an diesem herrlichen Sommertag für den bekennenden „Linksrheiner“ einiges zwischen Badischer Weinstraße und nördlichem Schwarzwald zu entdecken geben.
Wir starteten von dem zu Baden-Baden gehörenden Stadtteil Neuweier, einem rund 2000 Einwohner zählenden Weindorf inmitten... mehr lesen
4.0 stars -
"Gutbürgerlicher Sommerabend im Badischen mit genialem Ausblick" marcO74An einem warmen Freitag im August hatte ich mich mit meinem Vater zum Wandern verabredet. Da wir uns ein paar Wochen zuvor schon durch das Pfälzer Outback nahe der Grenze zu Frankreich geschlagen hatten, nahmen wir diesmal die badische Seite ins Wandervisier. Abseits gewohnter Pfalzpfade sollte es an diesem herrlichen Sommertag für den bekennenden „Linksrheiner“ einiges zwischen Badischer Weinstraße und nördlichem Schwarzwald zu entdecken geben.
Wir starteten von dem zu Baden-Baden gehörenden Stadtteil Neuweier, einem rund 2000 Einwohner zählenden Weindorf inmitten
Geschrieben am 05.08.2020 2020-08-05| Aktualisiert am
15.02.2021
Besucht am 20.07.2020Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 43 EUR
Schweigen ist ganz und gar nicht feige! Da muss ich einem bekannten deutschen Rock-Sänger aus dem Rheinland aber vehement widersprechen. Schweigen ist - oder besser gesagt - bedeutet flüssiges Gold! Und dieses Gold wächst in Traubenform an den Rebstöcken dies- und jenseits der nahen Grenze zum Elsass. Warum ich das erwähne?
Nun, im 6. Teil meiner kulinarischen Reise durch die Südpfalz hat es mich direkt an den geographischen Anfangspunkt der Deutschen Weinstraße nach Schweigen-Rechtenbach verschlagen. Dort befinden sich nicht nur das martialisch wirkende Deutsche Weintor (von neunzehnhundertdolfzig…) und das bei Spätburgunder-Sympathisanten hoch angesehene VDP-Weingut Friedrich Becker sondern auch eine Weinstube, die sich von den herkömmlichen Saumagenbastionen deftiger Pfalz-Prägung erfreulicherweise abhebt.
Die Rede ist von der Weinstube Jülg, die schon seit über 50 Jahren ihre Gäste mit ehrlich zubereiteter, bodenständiger Hausmannskost beglückt. Hinter jeder guten Weinstube steckt natürlich ein entsprechendes Weingut. Opa Oskar war es, der damals als vinophiler Autodidakt die ersten Weine kelterte. Er baute sie entgegen des damaligen Süßweintrends trocken aus. Das unterschied die Jülg’schen Tropfen schon früh von den Restzuckerschmeichlern der Region.
Heute zählt das Weingut Jülg, das mittlerweile vom sympathischen Sohn Johannes (zum Aufsteiger des Jahres im aktuellen Eichelmann-Weinführer gekürt), geführt wird, mit zu den Besten der Pfalz. Burgunder-Buddies und Pinot-Präferenzler wissen dies schon lange zu schätzen. Unter seiner Ägide entstehen hier äußerst hochklassige, sehr terroirbezogene Kreszenzen, die von Vinum, Falstaff und Co. regelmäßig mit hohen Bewertungen und Auszeichnungen versehen werden.
Früher stand Oma Erika in der Küche und briet, während sich Tochter Karin um die Gäste kümmerte, die mit Abstand besten Bratkartoffeln der Südpfalz. Das kann sie heute aus Altersgründen leider nicht mehr selbst erledigen, aber mit dem neuen Küchenchef und ehemaligen Sternekoch Laurent Durst (früher Restaurant Alte Sonne in Ludwigsburg), seiner Frau Kerstin und einem weiteren Koch aus Wissembourg konnte man das kulinarische Angebot der Weinstube sogar noch aufwerten.
Die bewährten Klassiker aus Oma Erikas Küche stehen selbstverständlich noch immer auf der Karte. Sie wurden lediglich um ein paar kreative Akzente erweitert. Elsass meets Pfalz. „Wo, wenn nicht hier?“, möchte man fragen. Laurent Durst und seine Frau Kerstin stammen schließlich aus der pfalzverwandten Nachbarregion.
Dem großen Andrang im herrlich angelegten Innenhof und wohl auch den coronabedingten Unwägbarkeiten nach der Wiedereröffnung Mitte Mai war es geschuldet, dass man die Speisenauswahl in den Sommermonaten mit Bedacht reduziert hatte. Das nach wie vor in deutscher und französischer Sprache abgedruckte Angebot bestand aus jeweils acht verschiedenen Vor- und Hauptspeisen.
Saumagencarpaccio, karamellisierter Ziegenkäse und gegrillte Garnelen an marinierten Tomaten und Zupfsalat fungierten dabei als delikat klingende Gerichte zur Einstimmung. Die heilige Pfälzer Dreideftigkeit (Bratwurst, Saumagen, Leberknödel), der Tagesfisch mit Ratatouille sowie das obligatorische Rumpsteak vom Pfälzer Rind übernahmen dagegen gerne höhere Sättigungsaufgaben.
Als wir uns an einem warmen Montagmittag zu einer Spontaneinkehr im Rahmen einer ausgiebigen Radtour entschieden, war der mediterran bepflanzte, mit Schatten spendenden Schirmen und gut gepolstertem Gartenmobiliar ausgestatte Innenhof bereits sehr gut gefüllt. Im Innenhof
Freunde aus der Gastronomie hatten es sich bereits am Nachbartisch gemütlich gemacht. Zufälle gibt’s! Da setzten wir uns einfach an einen der danebenstehenden Tische und kommunizierten mit Maximalabstand.
Frau Karin Jülg leitete wie eh und je den Service. Sie hatte jederzeit den Überblick und wurde von ein paar jüngeren Damen - wahrscheinlich Aushilfen - unterstützt. Wir wurden flott bedient und schon bald konnten wir unseren Radfahrerdurst mit der ersten Flasche Mineralwasser (3,50 Euro) löschen.
Wie gerne hätte ich einen der knochentrocken ausgebauten Weißweine aus dem Jülg’schen Keller genossen, aber der Weg zurück ins heimatliche Steinweiler stand ja noch bevor und bei der sommerlichen Hitze wäre -wenn überhaupt - nur die Schorle-Option in Frage gekommen. Mit Wasser strecke ich solche leckeren Tropfen jedoch äußerst ungern und so übte ich mich in sportlichem Weinverzicht. Nicht mal der von mir so geliebte Weißburgunder Kalkmergel fand den Weg ins Glas. Von der Rotwein-Cuvée „Les Frères“ ganz zu schweigen.
Aber Schweigen liegt ja nicht weit entfernt und beim nächsten Besuch werden wir mit Sicherheit ein paar Flaschen Jülg-Wein in den Kofferraum laden.
Auf unserem Tisch landete ein hübsch anzusehender, vor Frische strotzender Beilagensalat (3,50 Euro), den sich mein Kollege zu seinem Rumpsteak (18,50 Euro) schmecken ließ. Auf die in Spätburgunder geschmorte Zwiebelbeigabe verzichtete er unverständlicherweise.Beilagensalat Das Rumpsteak
Die Hitze und die Anstrengung auf dem Rad unterdrückten zunächst ein wenig mein Hungergefühl, was mir lediglich einen Straßburger Wurstsalat (8,50 Euro) zusammen mit ein paar Bratkartoffeln (3,50 Euro) einbrachte. Der Straßburger DIE Bratkartoffeln
Das mag frugal erscheinen, war aber in dieser Kombination (und bei dieser Witterung) genau das richtige Mittagessen für mich. Zumal die Bratkartoffeln wie immer sensationell knusprig und hervorragend gesalzen aus der kleinen Porzellanschüssel grüßten. Auch der mit Käse und extrafein geschnittenen Zwiebeln verfeinerte Wurstsalat hielt dank seiner erfrischenden Essigwürze allen Kriterien hausmannsköstlicher Speisung statt. Es war mit Sicherheit einer der besten „Straßburger“, die ich jemals auf dem Teller hatte.
Auch mein Kollege lobte die Fleischqualität seines Pfälzer Rumpsteaks, das den typisch flachen, deutschen Cut aufwies und im gewünschten Gargrad (medium) serviert wurde. Die Röstspuren auf dem lediglich mit etwas Pfeffer und Salz gewürzten Bratfetzen ließen auf eine Zubereitung in der gußeisernen Pfanne schließen.
Wir schlossen unseren mittäglichen Boxenstopp mit einem Kaffee und einem wunderbaren Bauchgefühl, das uns gestärkt auf die Räder und auf den Heimweg schickte. Der nächste Besuch im Jülg’schen Innenhof ist schon in Planung. Einem lauen Sommerabend bei köstlicher Hausmannskost und noch besseren Weinen sollte demnach nichts im Wege stehen.
Schweigen ist ganz und gar nicht feige! Da muss ich einem bekannten deutschen Rock-Sänger aus dem Rheinland aber vehement widersprechen. Schweigen ist - oder besser gesagt - bedeutet flüssiges Gold! Und dieses Gold wächst in Traubenform an den Rebstöcken dies- und jenseits der nahen Grenze zum Elsass. Warum ich das erwähne?
Nun, im 6. Teil meiner kulinarischen Reise durch die Südpfalz hat es mich direkt an den geographischen Anfangspunkt der Deutschen Weinstraße nach Schweigen-Rechtenbach verschlagen. Dort befinden sich nicht nur das... mehr lesen
4.5 stars -
"Kulinarische Topadressen der Südpfalz – Teil 6: Wenn Pfälzer Spitzengewächse zu besonders schmackhafter, ambitioniert vorgetragener Hausmannskost serviert werden, dann ist grenznahes Savoir-Vivre garantiert" marcO74Schweigen ist ganz und gar nicht feige! Da muss ich einem bekannten deutschen Rock-Sänger aus dem Rheinland aber vehement widersprechen. Schweigen ist - oder besser gesagt - bedeutet flüssiges Gold! Und dieses Gold wächst in Traubenform an den Rebstöcken dies- und jenseits der nahen Grenze zum Elsass. Warum ich das erwähne?
Nun, im 6. Teil meiner kulinarischen Reise durch die Südpfalz hat es mich direkt an den geographischen Anfangspunkt der Deutschen Weinstraße nach Schweigen-Rechtenbach verschlagen. Dort befinden sich nicht nur das
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Ach was habe ich früher die Textzeilen dieses bekannten deutschen Rockbarden geträllert. Nie hätte ich gedacht (nicht einmal „Mit 18“…), dass einmal eine Zeit kommen würde, in der eben jener Satz mein Verlangen nach der Rückkehr zur alten, so schmerzlich vermissten „Normalität“ am ehesten ausdrückt. Und das nicht nur in Bezug auf das gemeinsame Musizieren mit guten Kollegen.
Die meisten Dinge, die uns als soziale Wesen mit Sinn erfüllen, sind derzeit – wenn überhaupt – nur als gedrosselte, oft rein mediale „Light-Produkte“ (passend zum misslungenen Lockdown der letzten Wochen) verfügbar. Da wirkte die Zeit zwischen den Einschränkungen wie ein kleiner Lichtstreifen am Horizont.
Wohl dem, der diese Zeit zum Auftanken nutzte. Er wird seinen aufgeladenen Erlebnis-Akku sicherlich in den kommenden Wochen und Monaten gut gebrauchen können. Denn ein Ende der Durststrecke ist ja nach wie vor nicht in Sicht. Genauso wie die Anzahl an Insolvenzen im Gast- und Hotelgewerbe derzeit nicht abschätzbar ist.
Was bleibt mir anderes übrig, als ein wenig zurückzuschauen. Nicht auf unbeschwerte Tage, aber im Vergleich zur heutigen Situation auf allemal bessere. Sorry, meine lieben Stammleser, die ihr den kulinarischen Herrenwitz genauso schätzt wie ich. Solch ernste Worte sind normalerweise nicht das Terrain, auf dem sich mein „launiger“ Schreibstil bewegt.
Aber alles Lamentieren hilft ja nichts. Schauen wir nach vorne. Lasst uns zusammen diesen pandemischen Hades durchqueren. Denn selbst Currywurst-Gröni sang einst von der Hoffnung als Gegengewicht. Na dann, auf nach Speyer! Nicht zum Goldenen Hirschen, sondern in den wiederbelebten Alten Engel.
In dieser alteingesessenen Speyerer Adresse hat seit Mitte Juli dieses Jahres der Küchenchef Sven Niederbremer (ehemals „Zwockelsbrück“ in Neustadt, „Moro“ in Neustadt-Gimmeldingen usw.) zusammen mit seiner Frau Priscilla das Sagen. Zum Traditionslokal im romantischen Gewölbekeller gehört eine Etage höher die angegliederte Weinbar, die sich „Zwischen den Engeln“ nennt. Zwischen deshalb, weil gleich nebenan das seit 1857 (nicht 1890!!) im Schaefer’schen Familienbesitz befindliche Hotel „Goldener Engel“ zugegen ist.
Bei so vielen Engeln sollte es doch mit dem Teufel zugehen, wenn sich da nicht kulinarische Höhen erklimmen ließen. Aber da waren wir unbesorgt, kannten wir doch die Küche des Mannes aus Bremen-Walle noch aus seinen Neustädter Tagen. Was für ein schöner Zufall, dass es den werten Herrn Borgfelder zusammen mit seiner charmanten Gemahlin für eine Nacht in die sympathische Domstadt am Rhein verschlug.
Er, der Gordon Schaumwein der Bremer Sektklasse hatte höchstselbst einen Vierertisch im Alten Engel reserviert. Seine knapp gehaltene Buchungsanfrage enthielt neben den üblichen Nettigkeiten auch die Bitte, ob denn Herr Niederbremer nach vollzogener Gaumenorgie noch kurz zur Feedbackrunde an unseren Tisch kommen würde. Er kam – so viel sei vorweg bemerkt – und zwar trotz des lebhaften Abendgeschäfts, das der Chefkoch und sein Team an diesem Dienstag zu wuppen hatten.
Ja, es war ein ganz gewöhnlicher Dienstagabend, an dem sich das Pfalz-Bremen-Quartett zum Abendessen traf. Dieser Umstand erlaubte keinen allzu tiefen Blick ins Weinglas meinerseits, denn am nächsten Tag hieß es wieder früh aufstehen und ab ans pädagogische Fließband. So war von vornherein klar, dass sich unser Rendezvous mit den beiden Bremer Engeln gelagetechnisch in Grenzen halten würde. Gut, der Schampus-Schamane von der Weser konnte am nächsten Tag auspennen, was ihm zwar einen kleinen Vorteil verschaffte, den er aber keineswegs auszunutzen trachtete. Von der alten Grashoff’schen Trinkform war auch er um ein paar Flascheninhalte entfernt. Aber das wird bei ihm wiederkommen. Da bin ich mir zu 12,5% sicher…
Der Alte Engel befindet sich in der Mühlturmstraße, etwas westlich des Altpörtels, einem historischen Stadttor, das mit seiner Höhe von 55 Metern zu den höchsten und bedeutendsten der Republik zählt. Für Leute wie uns, die mit dem Auto anreisen, ist dieser Umstand recht bequem, da keine 100 Meter vom Genussgewölbe entfernt das Postgalerie Parkhaus mit hochanständiger Preispolitik (wir sind ja hier nicht in den Mannheimer Raubritterquadraten!) und ausreichenden Möglichkeiten der zeitweiligen KFZ-Beherbergung lockt. Dadurch war uns kein nerviges „Lückenbüßen“, sondern eine durchweg entspannte Anreise garantiert.
Ein paar Worte möchte ich noch zur jüngeren Historie dieser beliebten Speyerer Nostalgieschenke verlieren. Der Alte Engel wurde bis Ende April dieses Jahres von Gastronom Philipp Rumpf betrieben. Er hatte das Lokal von seinem Vater Eberhard übernommen, der den Alten Engel schon vor über 40 Jahren gepachtet hatte und ihn zu einer überregional bekannten Adresse für Freunde deftiger Hausmannskost machte.
Vater Eberhard verstarb leider viel zu früh und so führte Sohn Philipp die kulinarische Tradition im „Engel“ fort. Mittlerweile hat er das ehemalige „Klosterstübchen“ in der Korngasse bezogen und es zur „Sux – Restobar“ modernisiert. Der ungewöhnlich klingende Name „Sux“ geht übrigens auf den Vater von Philipp Rumpf zurück. Eine wirklich tolle Geste vom Junior, die neue Gastronomie nach dem Spitznamen des Herrn Papas zu benennen.
Warum erzähl ich das? Naja, nach dem Essen schaute ich zusammen mit dem Wesermann noch kurz dort rein. Der gastronomisch mit allen Blubberwassern gewaschene Spürhund aus der Hansestadt hatte den Laden anscheinend schon mittags erkundet und wollte mir nach unserem Abendmahl noch seine neue Entdeckung zeigen. Die Mädels blieben vorsichtshalber draußen, denn sie wussten um die Absackerneigung ihrer Gatten nur zu gut.
Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Sollte die „Sux-Weinbar“ den Lockdown überstehen, dann werden wir sie beim nächsten Speyer-Besuch definitiv aufsuchen. Allein ihr stilvoll eingerichtetes, wertig-schickes Inneres versprühte derart viel Flair, dass es Borgi und mir echt schwerfiel, den lauschigen Schuppen gleich wieder zu verlassen. Aber Frauen lässt man nun mal nicht warten – schon gar nicht draußen!
So, genug ausgeholt und vorgespult! Jetzt aber schnurstracks ins neue Reich des Niederbremers.
Nachdem wir die unscheinbare Pforte des Alten Engel passiert hatten, wurden wir im Vorraum (der Weinbar) von einer Servicedame in Empfang genommen. Man fragte freundlich nach unserer Reservierung. Nach der Nennung des Buchungswunders von der Weser öffnete sich das Sesam bzw. wir wurden zum Schlemmen in den Keller geschickt. Die Krypta des Speyerer Doms wirkt gegen das schummrige Backsteingewölbe wie eine gut ausgeleuchtete Bahnhofshalle. Aber nur auf den ersten Metern. Dann wurde es Licht…
Ein lauschiges Eck...
Auf echte Engel ist eben Verlass und gleich zwei von dieser seltenen Spezies warteten bereits an einem rustikalen Holztisch sitzend auf uns. Die Wiedersehensfreude war groß, hatten wir uns doch seit der nachweihnachtlichen Zusammenkunft bei Grashoff (in Bremen) nicht mehr gesehen. Wie gern hätte man sich mal wieder freundschaftlich in den Arm genommen. Aber darauf mussten wir leider pandemiebedingt verzichten.
Nun denn, auch so genossen wir die neue deutsche Nähe am Tisch und fühlten uns im Höhlenhalbdunkel des Gewölbekellers gut aufgehoben.
Unsere Wirkungsstätte
Zünftiger Holzdielenboden, altertümlich von der Backsteindecke baumelnde Deckenlampen und antik wirkendes, vornehmlich aus dunklem Holz geschnitztes Mobiliar schufen ein zeitlos-warmes Ambiente, das vom Teelichtgeflacker auf den Tischen und der indirekten Wandbeleuchtung noch stimmungsvoll befeuert wurde. An den Wänden jede Menge Gemälde und Drucke mit Speyerer Motiven (Brezelfest, Dom, Rheinaue, etc.) aus vergangenen Tagen. Das wirkte manchmal etwas museal, aber definitiv nicht unsympathisch.
...Engel-Atmo!
Beim Aushändigen der Speisenkarten traf ich auf ein bekanntes Gesicht. Thomas Fischer, eine mir wegen zahlreicher, tadelloser Leistungen bei Gehrleins Hardtwald und der Krone in Neupotz noch sehr gut in Erinnerung gebliebene Servicekraft, arbeitete nach einem Abstecher im Badischen wieder auf der linken Seite des Rheins. Echte Wiedersehensfreude, die später noch in ein sehr herzliches Gespräch münden sollte. Was konnte jetzt noch schiefgehen?
Okay, die Auswahl des Weines. Bei dem Bremer Weißweinzombie ist das ja prinzipiell kein Selbstläufer. Doch war mir beim Durchstöbern des Engel‘schen Kellerkompendiums schon klar, dass auch Borgi hier fündig werden würde.
Die Erstentscheidung bei der Flaschenwahl wurde ganz gönnerhaft mir überlassen. Ein perfider Taschenspielertrick meines Schräg-Gegenübers, den ich natürlich gleich durchschaute. Es folgte das, was kommen musste: eine vinophile Trotzreaktion meinerseits.
Da wurden die wirklich hervorragenden Pfälzer Kreszenzen des respektablen Weinsortiments – sowohl offen als auch in der Flasche – geflissentlich überlesen und Südafrika als Weinland mit guter Hoffnung (passend zum Kap) zum flüssigen Begleitprogramm des Abends erhoben.
Über die dortige, 850 km lange Route 62, der angeblich längsten Weinstraße der Welt, sowie die vorherrschenden Qualitäts- und Nachhaltigkeitsbestrebungen der Kap-Winzer informierte uns die Weinkarte. Sven Niederbremer kennt sich in dieser Region gut aus, denn er hat selbst einige Jahre dort verbracht. Schade nur, dass er das Südafrika-Menü bereits aus seinem kulinarischen Programm gestrichen hatte. Wir hätten uns nur zu gern Bobotie und Co. an diesem Abend schmecken lassen.
Eine Karaffe Tafelwasser (Literpreis: 3,90 Euro) sowie diverse Aperos später - den furztrockenen Riesling-Sekt vom Birkweiler Weingut Siener (0,1l für 5,90 Euro) und den angenehm säuerlichen Lillet mit Hibiskus on the Rocks (6,50 Euro) möchte ich an dieser Stelle nicht verschweigen – hatte ich dann auch meine Entscheidung in Sachen Rebsaftwahl getroffen.
Wir eröffneten mit einer Flasche Doringbay Sauvignon Blanc (31 Euro) vom südafrikanischen Weingut Fryer‘s Cove, dem angeblich „kältesten“ des ganzen Landes. Als Zusatzbeschreibung las ich in der Karte nur ein Wort: Aromenbombe. Dies genügte mir, um die Order zu vollstrecken. Ein Wein, der allen am Tisch Laune machte und mit superfrischem „Cool climate“ für ordentlich Spaß im Glas sorgte.
Der Sauvignon Blanc aus Südafrika
Zu der Zeit hatten wir die Speiseliteratur schon ausgiebig durchstöbert und – wie es so unsere Art ist – mit viermal Schnitzel „Wiener Art“ (inklusive Salatbeilage vorweg) die kulinarische Marschrichtung des Abends abgesteckt. Das nur als kleiner Prank am Rande.
Natürlich schöpfte der Ehrenmann aus Bremen-Borgfeld – in Köln würden sie ihn glatt als „Ehrenfelder“ durchgehen lassen – ganz unasketisch aus dem Vollen. Er hatte sich für das viergängige Menü „Alter Engel“ (42 Euro) entschieden, wobei er der Pfifferlingsuppe aus dem Standard-Programm eine Absage erteilte und sie ganz ungeniert gegen eine Schaumsuppe vom Kürbis mit gebackenen Parmesankugeln eintauschte. Für die Engelsküche kein Problem. Die Bremer „Haute-Velouté“ galt bei Suppen seit jeher als recht heikel.
Dem nicht genug, machte eben jener auch beim Dessert von seinem freundlich, aber bestimmt vorgetragenen Umtauschrecht Gebrauch. Auf die rhetorische Frage in der Speisenkarte „Gibt es zu viel Schokolade?“, die der Schoko-Variation ihren Namen gab, antwortete der notorische Vierkäsehoch nicht etwa mit einer Platte gereifter Molkereierzeugnisse, sondern erklärte sein Dessert kurzerhand zur „Tea-Time“ – nur eben „mal anders“. Diese bescherte ihm später eine Zitronentarte mit weißer Schoko-Mousse.
Die Frau des berühmt-berüchtigten Schikanen-Schwelgers beschied sich mit einem kurz unter Rauch gesetzten Linsensalat (9 Euro), der mit Forelle, Zwiebelaroma und Brunnenkresse-„Tee“ veredelt wurde und später im Niederbremer’schen Einweckglas-Format als wohlduftende Vorspeise seinen appetitlichen Dampf abließ. Als Hauptgang sollten gebackener Zander (the one and only) auf Kartoffel-Erbsen-Püree (18 Euro) folgen. Eine schaumige Beurre blanc unterfütterte dabei ihren Backfischgang aufs Süffigste.
Die Dame an meiner Seite, die der Tischälteste wie gewohnt in eine auf ihr Bundesland bezogene Konversation einband, hatte sich vorweg für den „Alten-Engel-Salat“ ohne Garnele (9 Euro) entschieden. Sie untermauerte ihr vegetarisches Ansinnen mit Kürbisgnocchi und jungem Spinat (15 Euro). Einem Gericht, das auch mit gegrillter Perlhuhnbrust „in lecker“ angeboten wurde und das beim 4-Gang-Menü des Gourmandkollegen aus dem Norden den Hauptgang bildete.
Meine Wenigkeit begnügte sich mit dem saisonalen Pfifferlingsüppchen (7 Euro) als Appetizer, um dann den „Alten-Engel-Salat“ (mit gebratener Riesengarnele für 12 Euro) noch nachzuschieben. Natürlich hätte ich mich auch mit dem gegrillten Kabeljau an Rote-Beete-Risotto und Meerrettich-Schaum (18 Euro) oder mit den Tagliatelle, die mit einem Ragout von gezupfter Entenkeule, Shiitake-Pilzen und Radicchio (17 Euro) kombiniert wurden, anfreunden können. Aber an jenem Abend war mir eher nach seichter Kost zumute. Kein Wunder bei meinem hochtrabenden Geschwätz zu Tisch.
Aber was half die beste Wasserpredigt, wenn diametral der Weißwein aus vollem Glas genossen wurde. Da hieß es: Rotweinverstand ausschalten und die gute Weißweinmiene zum südafrikanischen Sauvignon Blanc aufsetzen. Dieser wurde übrigens in der Halbzeitpause des Flaschenweinkonsums von einem 2018er Chardonnay Chavant (52 Euro) vom Weingut Louisvale (Stellenbosch, Südafrika) abgelöst. Ein cremig-fruchtiger Vertreter seiner Art, dessen 4-monatiger Aufenthalt im Barrique-Fass definitiv kein Fehler war. Schluck für Schluck wurde da der eigene Weißweinkosmos ein wenig in Richtung Süden erweitert. Warum auch nicht?
Die Zeit bis zum ersten „echten“ Leckerbissen vertrieb man uns mit gutem Sauerteigbrot und einem Dip, den ich an diesem Abend dankend ablehnte. Keine Ahnung, was das für eine Crème war, die uns die Küche als Vorabgruß reichte. Den anderen drei Herrschaften am Tisch schien sie aber gemundet zu haben.
Der Mann mit dem kulinarischen Viergang-Getriebe bekam zeitnah seinen ersten Teller, der schlicht mit Lachs und Artischocke tituliert war. Ein leichter, von asiatischen Aromen geprägter Aufgalopp, dessen Basis ein respektabler Glasnudelsalat bildete. Der mild marinierte Lachs ließ laut seinem Verputzer qualitativ nichts zu wünschen übrig. Eine erste Hürde, die er auch ohne Anlauf locker übersprang.
Die Zeit verging genauso schnell, wie es sich für eine intakte Tischgesellschaft auch gehört. Man hatte sich ja lange nicht gesehen und dementsprechend viel zu berichten. Unsere Konversation wurde lediglich durch das Auftragen der Vorspeisen kurz unterbrochen. In schlichter, aber geschmackssicher ausgewählter Keramik wurden uns die beiden Suppen, der Alte Engel in Grün und der eingedampfte Linsensalat serviert.
Meine Pfifferlingsterrine war Liebe auf den ersten Löffel. Wie mir Chefkoch Niederbremer später versicherte, wurde da kein Fond – weder Rind noch Gemüse – verwendet. Die geschmackliche Tiefe erzielte man durch das lange Einkochen, das schon am Tag zuvor begann. Das Einziehen über Nacht hatte der gänzlich ohne Sahne auskommenden Brühe eine zusätzlichen Portion Umami beschert. Einfach, ohne Schnickschnack, aber mit ordentlich Rückgrat. Solche Süppchen brock ich mir gerne ein.
Der Kürbissuppenlöffler moserte auf ganz knusprigem Niveau. Seine gebackenen Parmesankugeln waren aufgrund ihres Härtegrads schwer zu zerteilen und gleichzeitig doch ein wenig zu voluminös, um sie komplett vom feinen Mahlwerk ihres Vertilgers kleinzubekommen. Über die Suppe an sich äußerte er sich dagegen wohlwollend.
Gegenüber von mir ließ es Frau Borgfelder ordentlich dampfen, indem sie das Einmachglas mit der Forelle auf Linsensalat öffnete. Auch sie lobte ihr „Viel-Rauch-um-Wenig-Fisch-Gericht“, dessen wohliger Duft selbst mich als Linsenkritiker überzeugte. In dieser Form hätte ich mir die Hülsenfruchtkombi auch gefallen lassen.
Schließlich erinnerte mich der Anblick dieser „Rauchbombe“ an einen Besuch der Zwockelsbrück (Neustadt) vor rund vier Jahren. Damals war es ein Onsen-Ei, das Herr Niederbremer nach seinem einstündigen Aufenthalt im Konvektomaten (bei 64 Grad) auf einer eingekochten Haferflocken-Waldpilz-Jus ins Einmachglas sperrte und be(weih)räucherte. Vielleicht packt er ja sein früheres „Unterschrifts-Gericht“ auch an seiner neuen Wirkungsstätte auf den Speiseplan.
Meine Frau war ganz begeistert von ihrem „Crispy Salat“ mit Fetakäse, Kürbis-Chutney und karamellisiertem Speck. Letzterer sorgte zusammen mit dem Schafskäse für recht pikante Momente, während sich das Chutney und der sehr gute Balsamico für ein fruchtbetontes Säurelevel verantwortlich zeigten. Damit die Kauwerkzeuge auch ja nicht zu kurz kamen, bediente man sich gerösteter Kürbiskerne. Der Rest bestand aus einem mit schmackigem Essig-Öl-Dressing angemachten Hügel aus diversen Pflücksalatblättern. Schön, wenn sich auf einem Teller Würze, Säure und Frische ein so kongeniales Stelldichein geben.
Dann endlich wurde es ernst, denn die Hauptspeisung wurde von der gut aufgelegten Servicetruppe um Thomas Fischer eingeläutet. Einige „Hmmmms“ meiner Frau ernteten die putzigen Kürbisgnocchi mit Jungspinat, die von einem schaumig geschlagenen Soßensaum eingefasst waren. Gleiches Bild beim Mann gegenüber, der sich zusätzlich mit dem Besten vom Perlhuhn (Supreme) zufriedengab.
Und noch mal Perlhuhn, weil's so schön perlt...
Mit stolz gegrillter Perlhuhnbrust ließ er sich den süffigen Herbstteller munden. „Hauptsache es perlt!“ – da machte er beim Huhn keine Ausnahme.
Gegrillte Perlhuhnbrust auf Kürbisgnocchi und jungem Spinat
Die Dame, die mir gegenübersaß, machte mir mit ihren gebackenen Zanderfilets auf Kartoffel-Erbsen-Püree den Mund wässrig, während sich der süßliche Duft einer gerösteten Riesengarnele (im Panzer) über meinem Engels-Salat ausbreitete.
Mein Alter-Engel-Salat mit Garnele fristete nur auf dem Bild ein Schattendasein ;-)
Gut, dass noch etwas Chardonnay da war. Ich hätte mir keine bessere Begleitung zum Krustentier vorstellen können.
Feta, Karamellspeck & Co. wussten meine Geschmacksnerven aufs Würzigste zu überzeugen und über das himmlische Balsamico-Dressing habe ich mich beim Salat meiner Liebsten ja schon lobend ausgelassen.
The Salad of Darkness
Unsere Hauptgerichtsurteile fielen einstimmig positiv aus. Nur die Desserts wurden uns später noch auf Bewährung aus- bzw. vorgesetzt. Meine Frau und ich beantworteten die Frage, ob es zu viel Schokolade geben könne mit einem überzeugten „Niemals!“ und orderten die Schoko-Variation „Alter Engel“ (9 Euro).
Gibt es zuviel Schokolade? (Schoko-Variation "Alter Engel")
Der süße Fan tat sich derweil an Pfälzer Zwetschge mit Käsekuchencreme und Mandel gütlich (7 Euro), während sich wiederum ihr größter Fan die Zitronentarte schmecken ließ. Von diversen Geltupfern, Knuspercrumble und weißem Schokomousse flankiert, waren es bei Borgis „Tea-Time“ die Nebendarsteller, die der etwas lahmen Zitrusschnitte auf die Sprünge halfen. Dennoch ein süßer Schlussakkord in gefälligem Dur.
Tea-Time mal anders (mit Zitronentarte)
Der Abend mit unseren beiden verlässlichen Bremer Engeln ging natürlich viel zu schnell über die Bühne. Damals planten wir noch ganz naiv unser jährliches Weihnachtstreffen in Bremen. Wie gerne hätten wir das mit den Borgfelders in Stefan Schröders neuer Location namens L’Orangerie abgehalten. Naja, hoffentlich dann eben im nächsten Jahr. Planbar ist ja in diesen Zeiten kaum noch was.
Ach so ja, fast hätte ich es vergessen. Herr Niederbremer stellte sich nach getaner Küchenarbeit noch den Fragen der beiden Rezensenten am Tisch. Das tat er ganz unaufgeregt, sympathisch und grundehrlich. Nordisch by nature halt und Werderaner durch und durch, der Gute. Dass Borgi den zum Blumentopf umfunktionierten SV Werder Bremen-Kaffeebecher von seinem Gang zur Toilette mitbrachte, lasse ich an dieser Stelle unkommentiert.
Nach einem sehr herzlichen Plausch mit meinem „LieblingsFischer“ vom Service und den besten Wünschen für die Zukunft ging es eine Etage höher und wir waren wieder „zurück auf der Straße“…
Anmerkung:
Die wenigen brauchbaren Essensbilder bekam ich dankenswerter Weise von meinem Bremer Kollegen zur Verfügung gestellt. Für die Kamera meines Billig-Handys war es im Alten Engel einfach zu duster. Sorry folks…