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So war das auch vor ca. drei Jahren, als wir die französisch inspirierte Wohlfühlküche in den renommierten Geberts Weinstuben genossen – der Bericht dazu ist hier auf GG nachlesbar – und danach hochzufrieden die Heimreise antraten.
Anfang Mai ließen wir dann das Auto in der Tiefgarage unter dem Augustusplatz stehen (um später zähneknirschend die mondänen Parkgebühren zu entrichten…) und spazierten nach überstandener Routineuntersuchung in Richtung Gautor, wohlwissend dass in dessen Umgebung einige gute Lokale auch am Mittag geöffnet haben.
Schon im Vorfeld war mir das „Heinrichs“ positiv aufgefallen, da es mit guten Google-Bewertungen und einer Erwähnung im roten Guide von sich reden machte. Letzterer sprach von einem preisgünstigen Mittagsmenü und einer netten kleinen Terrasse auf dem Gehsteig. Da hatten wir ja gleich zwei Gründe, um an diesem sonnigen Freitag gegen 13 Uhr im Kästrich, jenem Teil der Mainzer Oberstadt, auf dem einst ein römisches Legionslager thronte, vorstellig zu werden.
Der gleichermaßen herzlich wie souverän agierende Servicechef Erik Brandstätt begrüßte uns freundlich und bot uns einen Zweiertisch unter einem der Sonnenschirme an, die vor der beliebten Mainzer Wirtschaft den Gehsteig säumten. Da ließen wir uns nicht zweimal bitten und machten es uns am Rand der nicht besonders viel befahrenen Straße gemütlich.
Draußen unterm Schirme...
Das im Hochparterre eines Eckhauses in der Martinsstraße ansässige, von außen recht unscheinbare Lokal ist das Reich des hier seit 2009 tätigen Küchenchefs und Inhabers Wilfried Heinrich Nestle (daher auch der Name).
Das Heinrichs aus der Gehsteigperspektive
Der passionierte Koch und Maler – seine farbenfrohen Werke lassen sich übrigens im Gastraum bewundern – geht mittlerweile stramm auf die 70 zu, weshalb er am 24.September dieses Jahres zum letzten Mal seine „Wirtschaft“ öffnen wird, um danach den wohlverdienten Ruhestand anzutreten.
All das erfuhren wir quasi en passant im Gespräch mit dem redseligen Serviceleiter, der uns nicht nur top bediente, sondern auch glänzend unterhielt. Einer, der schnell einen guten Draht zu seinen Gästen herstellt und der sich im Herbst nach etlichen Jahren Dienst am Gast eine neue, komplett andere Beschäftigung suchen wird. Schade, solche Typen gibt es nicht mehr viele im Bewirtungsgenre. Umso schöner, dass wir diesen sympathischen Kellner noch kennenlernen durften.
Er reichte uns die Speisenlektüre, die mit wenigen, dafür aber umso verlockender klingenden Gerichten auskam. Gerade mal fünf Vorspeisen und sechs Hauptgänge listete das Heinrich’sche Köchelverzeichnis. Dabei klang ein Gericht besser als das andere. Ligurische Fischsuppe, hausgemachter Leberwurststrudel mit Spitzkohl und kross gebratener Pulpo mit Rotweinrisotto lauteten drei der ambitioniert klingenden Einstimmer. Iberico-Kotelett, Perlhuhnbrust vom Grill und Kalbsleber mit Kartoffelstampf waren als exquisite Fleischklassiker bei den Hauptgängen am Start.
Und dann war da ja auch noch das Mittagsmenü, das mittwochs bis samstags in drei Gängen für gerade mal 25 Euro offeriert wird. An jenem Freitag spielte ein Steinbeißerfilet mit Frühlingsgemüse im Hauptprogramm. Auf Nachfrage wurde uns mitgeteilt, dass man heute hausgebeizten Lachs mit Spargel und grüner Soße vorwegschicken würde. Den süßen Abschluss würden dann ganz saisonal ein paar marinierte Erdbeeren mit einer Nocke Joghurteis bilden. Na das klang doch alles sehr vernünftig. Da griffen meine Mutter und ich beherzt zu.
Das vornehmlich aus Rheinhessen stammende Angebot an offen ausgeschenkten Weinen ignorierend – die Heimfahrt stand ja noch bevor –, beließen wir es bei einer gut gekühlten Flasche Mineralwasser aus Selters an der Lahn (0,75l für 6 Euro).
Schon die Vorspeise überzeugte uns auf ganzer Linie. Stimmig marinierter grüner und weißer Spargel flankierte das saftige Rot des hausgebeizten Lachses.
Hausgebeizter Lachs mit Spargel und grüner Soße
Der eigentliche Star auf dem Teller war jedoch die dazu angegossene grüne Soße, die den Gebrauch von frischen Kräutern nicht leugnete. Ein toller, sommerlicher Terrassenteller, zu dem ich lediglich den Chardonnay vom Kalkstein vom Weingut Milch aus Monsheim (Rheinhessen) schmerzlich vermisste.
Den Gang zur Toilette nutzte ich, um mich in der holzvertäfelten Gaststube ein wenig umzuschauen.
Die Wirtschaft von Innen
Den vielen, teilweise schon ausgetrunkenen Flaschen, die als Deko den Raum bevölkerten, nach zu urteilen, geht es hier häufig sehr gesellig zu.
Das Weinreich von Erik Brandstätt
In dem schätzungsweise 40 Personen aufnehmenden, etwas verwinkelt wirkenden Gastraum herrschte eine gediegene, von rustikaler Bodenständigkeit geprägte Atmosphäre, die ländlichen Charme versprühte.
Eingangsbereich
Kein Wunder also, dass mir diese Umgebung als Pfälzer Landei sofort sympathisch war.
Wie man kaltes Gemüse geschmackvoll auf den Teller bekommt, hatte der Chefkoch ja bereits beim Spargel bewiesen. Zum perfekt gebratenen Steinbeißerfilet wiederholte er diese Küchenleistung, indem er leicht knackig gegarte Stücke von Blumenkohl, Kohlrabi, Spargel und Zuckerschote als dezent angemachtes Frühsommergemüse zwischen Fisch und einem frittierten „Polentafinger“ platzierte.
Schön, wie dieser vermeintlich einfache Teller mit Kontrasten spielte. Kalt-warm, knackig-weich, knusprig-mürb. Der kleine, leichte Sommerteller vermochte viele kulinarische Akzente zu setzen und wirkte in der Summe sehr harmonisch arrangiert.
Perfekt gebratenes Steinbeißerfilet
Und dass bei Wilfried Heinrich Nestle nur beste Ware auf den Teller kommt, versteht sich von selbst. Vor seiner gastronomischen Laufbahn war er schließlich 23 Jahre lang Chefeinkäufer beim Frankfurter Frischfisch-Lieferanten „Edelfisch“.
Der Meister der grünen Sauce hielt auch beim Fischgang die Kräuterkelle hoch und servierte uns eine abgewandelte, wesentlich leichtere Version seiner grünen Wellnesstunke – diesmal als leicht aufgeschäumte Begleitung zum Schuppentier.
Es grünt so grün...
Keine Ahnung, wie oft meine Mutter erwähnte, wie gut ihr das alles schmecke und wie wohl sie sich auf der hübsch angelegten Gehsteigterrasse fühle. Happy Mother, happy Son! – der Nachtisch durfte nach angemessener kulinarischer Konsolidierung anrücken.
Schade, dass an diesem Tag kein hausgemachter Baba au Rhum angeboten wurde, denn dieser soll hier besonders fein schmecken, wenn man den Berichten auf anderen Portalen Glauben schenkt. Unsere Nachtischempfehlung – eine Dessertkarte gibt es im „Heinrichs“ nicht – war aber auch nicht zu verachten.
Und so kam es, dass wir Anfang Mai in Mainz die Erdbeersaison kulinarisch einläuteten.
Die Saison ist eröffnet!
Die marinierten roten Aromabomben mundeten ganz ausgezeichnet. Zusammen mit dem cremigen Joghurteis (wäre auch als Sauerrahm-Sorbet durchgegangen…) war das ein simpler, aber absolut gelungener Schlusspunkt dieses leichten Mittagsmenüs, das seine 25 Euro allemal wert war.
Den beiden Wirtschaftsweisen vom Mainzer Kästrich wünsche ich für die Zukunft alles Gute und bedanke mich an dieser Stelle für das in allen Belangen überzeugende Mittagsmahl. Ob ich vor der Schließung im September noch einmal dorthin kommen werde, ist fraglich. Vielleicht aber schafft es ja der gute Nolux, dort noch einmal einzukehren. Der kennt den Laden bestimmt, da wette ich um eine Flasche Riesling vom Weingut Künstler aus der Hochheimer Hölle…