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Auch wenn die steigende Entwicklung der gehobenen Gastronomie Leipzigs in den letzten Jahren die Erhebung neuer Restaurants in diese Sterne-Klasse absolut rechtfertigte, haben wohl nur sehr allwissende Insider damit gerechnet, dass es ausgerechnet das bis dato auch mir völlig unbekannte "Kuultivo" im westlichen Stadtteil Schleusig sein sollte, dem diese Ehre nun zu Teil wurde.
Weitere Neugierde weckte daraufhin natürlich der ungewöhnliche Name, der mit dem doppelten U wohl sicher nicht nur ein einprägsames Alleinstellungsmerkmal beinhalten soll, sondern auch auf eine Verschmelzung zweier Begriffe hindeutet. Tatsächlich verbinden sich hier "Kultur" und "coltivo" (ital. für "wachsen lassen" oder "anbauen"). Das bezeugt also bereits den Anspruch des kleinen Restaurants, in dem die kulinarische Kultur für die Gäste einen Zuwachs erfahren soll.
Das zarte Pflänzchen des Restaurants selbst hat dabei mit der Wahl des Eröffnungszeitpunktes 3 Wochen vor Beginn der Corona-Pandemie hingegen eine denkbar schlechte Ausgangslange erwischt, um heranzuwachsen. Trotz all dieser schlechten Vorzeichen schaffte es der 1984 geborene Klaus Schunack mit seinem Team hinter und vor dem Pass, 3 Jahre später einen Michelin-Stern zu erlangen. Das steigerte sowohl den Besuchswunsch, aber natürlich auch ein Stück weit die Erwartung an das Gebotene für mich.
Der gebürtige Ostdeutsche (Erfurt), der auch in seinen Wanderjahren stets in der Bundesrepublik blieb und hier an Erfahrung gewann, prägte dem Lokal dabei eine Philosophie auf, die zwar heute schon als "en vouge" bezeichnet werden kann, aber in Verbindung mit der erhaltenen Auszeichnung absolut für Qualitätsbewusstsein und Können stehen sollte: Regionale, saisonale und damit nachhaltige Erzeugnisse sollen raffiniert, aber trotzdem konzentriert in Szene gesetzt werden. Der Genuss soll dem Gast also unkompliziert zugänglich sein, was sowohl die Konstruktion der Gerichte, als auch die finanzielle Seite mit einem erschwinglichen Preis umfassen soll. Letzterer ist seit Erlangung und Verteidigung des Sterns mit nun 135 € für 6 Gänge sicher nicht mehr ganz „simpel“, soll aber dem erklärten Konzept im Vorhinein keinen Abbruch tun.
Zu finden ist das Restaurant nur einen Steinwurf entfernt westlich von der großen grünen Lunge Leipzigs, dem „Clara-Zetkin-Park“. Es befindet sich im Erdgeschoss eines weißen Eckhauses, welches sich direkt an einem kleinen Platz zwischen Könneritz- und Brockhausstrasse befindet.
Damit ergibt sich natürlicherweise eine große Fläche für vom Bürgersteig ungestörte Plätze unter freiem Himmel, was dieser Lage schon einige paar Pluspunkte bringt.
Von außen kann man über ein Fenster auf der rechten Seite vom Eingang in die Küche blicken. Am großen Schaufenster und auf einem Schild links der Eingangstür springt dem Gast zudem das Logo des Restaurants in die Augen, welches bereits mit kulturellem Anspruch in ganz eigener Schreibweise gestaltet ist.
Im Inneren spiegelt sich dann eher der angekündigte, unaufgeregt auf das Wesentliche fokussierte Ansatz des "Kuultivo" wieder, da das Interieur als schlicht bezeichnet werden kann. Vom Haupteingang aus zweigt sich der Raum zu zwei Seiten auf und bietet somit ca. 30 Gästen Platz. Auf dem häufig in solchen renovierten Gründerzeitgebäuden zu findenden, dunkel gefliesten Boden befindet sich links vom Eingang ein reiner Gastbereich. Im größeren linken Bereich zieht sich eine lederbezogene und gepolsterte Eckbank die Wand entlang. Übereinstimmend zu den weiteren Zweiertischpartien hält sich das Interieur dabei farblich in einem bräunlichen Holzton. Von der Decke hängen einzelne Lichtspots in unterschiedlicher Höhe, was dem Raum eine positive Lebendigkeit abseits von steriler, perfekter Geometrie gibt.
Nimmt man im Teilbereich rechts vom Eingang Platz, so hat man über die Bar direkten Blick auf die dahinterliegende offene Küche. Hier sorgen größere Hängelampen im Industrie-Stil für gut verteilte Ausleuchtung.
Die dunklen Holzstühle mit Armlehnen besaßen zwar keine Polsterung, gewährten für mein Empfinden aber trotzdem genug Sitzkomfort über den gesamten Abend hinweg und passten auch gut in das eher locker ausgelegte Konzept sowie die Größe des Lokals als z.B. schwere Sessel und große Stühle.
Ansonsten sind die Wände durchgängig weiß verputzt und nur noch mit ein paar Bildern geschmückt.
Die Einrichtung kann für mich zusammengefasst als stimmig und gelungen bezeichnet werden, denn das verhältnismäßig geringe Platzangebot wurde weder überfrachtet, noch hat man das Gefühl in einem kalten, sterilen Ambiente zu sitzen. Wir fühlten uns hier definitiv in eine entspannte Stimmung versetzt.
An diesem Abend des Ostersamstag 2025 füllte sich das ohnehin kleine Restaurant schnell natürlich komplett. Um die Gästeschar kümmerten sich dabei eine junge Frau und ein junger Mann im Service. Nachdem wir eintraten wurden wir dabei bereits sehr herzlich und aufgeschlossen von der jungen Frau empfangen und durften uns selbst einen der freien Zweiertische am großen Schaufenster aussuchen.
Im weiteren Verlauf des Besuchs erklärten beide die Gänge beim Service stets verständlich und waren auch gegenüber meinem gewohnt etwas größeren Feedback offenherzig gegenüber eingestellt. So machte jede Interaktion stets Spaß und wir fühlten uns als umsorgt und mit Freude empfangene Gäste.
Der Umfang des kulinarischen Angebots beschränkt sich auf ein Menü, bei dem sich eine omnivore und vegetarische Auslegung in den Grundzügen ähneln und meist nur die Proteinkomponente der betreffenden Gerichte variiert werden. Ein Wechsel von Gängen zwischen zwei unterschiedlichen Menüs steht hier also eher nicht zur Debatte.
Darüber hinaus muss der Gast nur die Entscheidung zwischen dem kompletten 6-Gang- und einem lediglich durch eine Speise reduzierten 5-Gang-Umfang treffen. Das aktuelle Preisniveau von wie gesagt 135€ für 6 und 110€ für 5 Gänge liegt dabei ebenso in einem gewohnten deutschen 1-Sterne-Bereich wie die sogar als günstiger zu bezeichnende Weinbegleitung mit 5 Positionen zu 45€. Dabei zählen der Start mit dem Tischgedeck, sowie die abschließenden Petit Fours nicht zur "offiziellen" Menüfolge, wodurch sich zusammen mit einem Amuse sogar mehr als 6 Services ergeben.
Wasser gibt es zudem als Wasserpauschale zu einem Preis von 5€, was für mich heutzutage sogar in der breiten Gastronomielandschaft als ausgesprochen günstig und damit natürlich auch erfreulich hervorgehoben werden kann.
Angesichts dessen kann man monetär für mich schon von einer unkomplizierteren und breiter zugänglichen Ausrichtung sprechen.
Die Aufmachung des Menüs verdeutlicht die proklamierte Philisophie der Reduktion und Konzentration auf wenige Dinge. So wird jeder Gang tatsächlich nur mit drei Schlüsselzutaten annonciert, die das Geschmacksbild im Wesentlichen prägen sollen. Das ruft natürlich auch eine hohe Erwartung an die Qualität und vor allem aromatische Kraft jedes dieser Elemente in den jeweiligen Gerichten hervor. Wird dies mit Bedacht und Hingabe kombiniert und ausgeführt, verspricht es tatsächlich einen unkomplizierten und unverfälschten Genuss, bei dem man sich nicht erst viele Gedanken darübermachen müsste, wie man das Gericht denn nun am besten isst oder wo man anfängt.
Für diese Prämiere im "kuultivo" sollten es schließlich 5 Gänge des omnivoren Menüs sein.
Ganz toll fand ich dabei die Spontanität des Personals, dass ich in meinem Menü auf das Dessert statt dem Zwischengang des vollen Menüs verzichten konnte, während meine Begleitung die ursprüngliche 5-Gang-Aufstellung wählte. Preislich bedeutete dieser Extrawunsch 15 € Aufschlag, was ich angesichts des höherwertigen Zutatenbedarfs beim Fisch als fair empfinde.
Zudem begann ich persönlich den Abend mit einem alkoholfreien, hausgemachten Aperitif für 8€: einem Magnolien-Sprizz mit Rosenblättern.
Die Wahl dieser Aperitif-Option, die im Menü eigentlich als alkoholfreie Dessertbegleitung vorgekommen wäre, stellte sich für mich auch als richtigen Griff dar, denn die fruchtige und florale Süße bereitete mir schon die erste geschmackliche Freude.
Ca. 20 Minuten nach unserer Menü-Entscheidung und den Aperitifs startete dann schließlich auch die kulinarische Reise mit einem vielfältigen Tischgedeck, welches im Menü als "Sauerteigbrot & Kleinigkeiten" angekündigt wurde.
Jene "Kleinigkeiten" hielten für uns ein spannendes Viererlei bereit.
Ein überzeugend rösch und lockeres Sauerteigbrot aus dem eigenen Ofen sprach hier in Verbund mit einer aufgeschlagenen Butter mit Trüffel, Madeira und Sauerklee aromatisch die salzigen Knospen im Mund an.
Eine aufgeschäumte Zwiebelsuppe mit Mandel als Öl und Stücke, Lakritzsahne und einer Zwiebelcreme am Boden beeindruckte zu diesem frühen Menübeginn bereite als begeisternde Melange, in der einerseits die süßen Grundgeschmäcker von Zwiebel und Mandel perfekt Hand in Hand gingen, aber gleichzeitig auch der jeweils eigene nussige und herzhafte Charakter dieser Zutaten zum Ausdruck kam. Vom Lakritz konnte man vordergründig nichts prononciert schmecken, was aber ebenfalls für mich genau richtig war, denn das hätte ja die tolle Kombi erschlagen können. Von diesem Gänsehaut-erregenden Elixier wurde mir sogar gerne noch eine Nachschlagportion geschenkt.
Gebackene Topinambur mit Eigelbcreme und Steinkraut war dann mit seiner Erdigkeit, die durch den Frittiermantel und Eigelbcreme eine zusätzliche Herzhaftigkeit erfuhr, eine tolle Ergänzung zur Suppe.
Ein Shisoblatt mit Sellerie-Rettich-Füllung bediente zum Abschluss der Kleinigkeiten noch den säuerlichen Geschmackssinn mit gepickelten Rettichstreifen, die aber dank einer Selleriecreme und vor allem dem erfrischenden Shiso-Aroma erneut besonders eingepackt werden.
Eine Ouvertüre die man sich anregender und schmackhafter nicht hätte erhoffen können.
Sodann waren wir natürlich sehr auf die erste Vorspeise des aktuellen Menüs gespannt, welche sich rein vegetarisch mit der Aufzählung „Rübe, Blutorange, Haselnuss“ ankündigte.
In Salz gebackene und flambierte Steckrübe mit exakt der richtigen Konsistenz aus zart-cremig und trotzdem bissfest bildeten mit Blutorange als Filet und Gel, die aber weniger säuerlich als erwartet, sondern mehr fruchtig erfrischend waren, das Zentrum dieses Gerichts.
Das alles lag in einem Ricottacreme-Ring und Buttermilchsud mit Kräuteröl, welche die Hauptkomponenten cremig umschmiegten
Piemonteser Haselnussstücke sorgte für den nussigen Crunch und zarte, kleine Chicoreeblätter on top runden das gesamte Bild mit einer sehr dezenten Bitterkeit nochmals ab.
Ein harmonischer Einstieg, der mit einer leiseren Aromatik diesen optimal für eine Menüfolge gestaltete.
Daraufhin wurde uns im nächsten Gang eine wohl ebenfalls vegetarische Kombination serviert, die urtypischer für „deutsche Küche“ nicht hätte klingen können, nämlich „Kraut, Kartoffel, Bier“.
Und schon der erste Blick auf den Teller überraschte vollkommen, sah man hier doch drei Teigtaschen statt z.B. hausmannsköstige Kartoffeln vor sich.
Es handelte sich dabei um Pelmeni mit Sauerkrautfüllung, welches im eigenen Haus mit Sake angesetzt wurde.
Dieser nun erstmals warme Gang überraschte mit dieser Interpretation der angekündigten Komponenten nicht nur von der Konstruktion her, sondern hielt auch geschmackliche wieder herrliche Eigenheiten bereit. Die 1A-Teigtaschen enthielten eine Krautfüllung, die einerseits so feine wie eine Creme war und auch geschmacklich ganz mild und wohl dank des Sake leicht unterschiedlich zum sonst bekannten Rieslingkraut schmeckten.
Kartoffel als Stroh mit Paprika bereicherte das Ganze nicht nur mit Crunch, sondern dank der Paprika auch mit einer gewissen auch Rauchigkeit erinnernden Note
Apfel als Creme und kleine Stücke erfüllten den das Sauerkraut kontrastierende süßlichen Part.
All das befand sich dabei in mit Bier angesetzter Sauce, welches auch noch als Schaum mit Schnittlauch auf den Teller stattfand. Auch hier zeigte das Küchenteam nochmals seine Feinfühligkeit, trat das des Deutschen liebste Getränk in keiner Weise penetrant hervor, sondern rundete diesen tollen Gang malzig und herzhaft ab.
Ein toller Kontrast zum ersten, kalten aber ebenfalls vegetarischen Gang mit dem man zeigte, wie vielfältig Gemüse eben auch in eine deftige Richtung gelenkt werden kann.
Es folgte nun der Zwischengang, den ich in mein 5-Gang-Menü statt des Desserts integrieren durfte: „Gelbschwanzmakrele, Blumenkohl, Ei“.
Passend zu Ostern im „Osternest“ serviert stand hier erneut eine unerwartete Interpretation dieser drei Hauptkomponenten vor mir.
Ei befand als japanischer Eierstich namens Chawanmuschi am Boden des tiefen Tellers. Bereits das war ein Traum an Cremigkeit, der aber auch geschmacklich eine Wonne am Gaumen entfaltete, in der auch der Blumenkohl seine Nuance ausspielen durfte.
Der Blumenkohl-Ponzu-Sud darum übernahm dann mehr die salzig-säuerliche Rolle, als das hier erneut der Kohl hervortreten sollte.
Die in Sake gebeizte Makrele begeisterte ebenso sowohl mit ihrer zarten Textur aber auch mit ihrem charakteristischen Geschmack, der in der Komposition voll zum Tragen kommen konnte.
Verschiedene Beten als Stücke ganz oben auf ergänzten das Mundgefühl mit einer Knackigkeit.
Mit jedem Löffel wurde dieser cremige Wohlfühl-Zwischengang immer besser und versicherte mir damit, dass die Sonderentscheidung zu Ungunsten des Desserts für mich genau die richtige war.
Zusammen kamen wir nun wieder in den Genuss einer weiteren Speise, die erneut Fisch in den Mittelpunkt stellte, genauer „Forelle, Kohlrabi, Gurke“.
Fjörd-Forelle kam als Tranche, die zuvor gebeizt und dann über dem Grill mit Buchenholz sanft gegart wurde daher und glänzte voll mit ihrem Schmelz und intensiven charakteristischen Geschmack.
Der Kohlrabi präsentierte sich daneben als mit Butter geschichtetes Mille-Feuille mit einer Creme nach Sabayon-Art obenauf. Das überraschte dabei durch eine säuerliche Betonung, die dank der Butter und Creme aber auch wieder geschmeidig eingebunden war. Zum Fisch war das dadurch eine optimale Ergänzung.
All das lag in einem ebenfalls mit Butter veredelten Kohlrabisud mit Gurkenperlen und Forellenrogen. Letztere sorgten hier nochmals für den knackigen Spaß im Mund und dabei unterstrich der Rogen natürlich noch einmal den auf den Fisch fokussierten Charakter dieses Gerichts.
So überraschte und erfreute dieser Gang erneute auf eine ganz eigene Art und Weise, denn
hier sollte weniger eine Kombination, als eher die Forelle als Star umschmeichelt und hervorgehoben werden, was eben auch voll gelang und somit bleibenden Genuss erzeugte.
Der nominelle Hauptgang, und in meiner Menü-Variante auch das abschließende Highlight, bediente dann mit „Rind, Bete, Kirsche“ auch die Fleischeslüste, die wir angesichts der aber schon bis hierhin gebotenen geschmacklichen Vielfalt und Tiefe gar nicht zur Zufriedenheit gebraucht hätten. Trotzdem freuten wir uns sehr auf diesen Abschluss des herzhaften Menüabschnitts.
Am klar puristischsten in der Menüfolge kam dieser Gang nun daher. Doch so viel sei vorweggenommen, die schiere Qualität des Fleisches hätte auch keine andere Zusammenstellung sinnvoller gemacht.
Das Fleisch schenkte für diesen Hauptgang eine Jungkuh. Von ihr servierte man links eine scharf gegrilltes Rumpsteak-Stück das zur meiner Freude und auch Potentierung des Fleischgeschmacks mit Schwarte belassen wurde.
Die rechte Seite füllte dann ein geschmortes und nochmals gegrilltes Rippchen als Quader aus. Dank dieser Zubereitung kam man hier in den Genuss einer krossen, rauchigen Kruste unter der ein herrlich mürber Kern Freude für den Gaumen bereithielt. Darauf hätten es auch gar nicht mehr als die gewählten feinen rote Bete Streifen und ein gepickeltes Radiccio-Blatt für noch zusätzliche Knackigkeit zum butterzarten Fleisch sein müssen.
Intensiv rundete ein kräftiger Rindsjus diese fleischige Geschmackskraft des Gerichts ab, erhielt aber durch eine Kirschcreme nicht nur eine Akzentuierung, sondern auch eine die Schwere wieder etwas aufbrechende Säure.
Hinsichtlich der Geschmacksdichte kreierte die Küchencrew hiermit also wahrlich den Höhepunkt des Menüs und setzten dazu Produktqualität abermals mit Können in Szene.
Über den Dessertgang durfte sich nun noch meine Begleitung freuen und dieser las sich im Menü mit „Sauerrahm, Rhabarber, Karamell“ bereits erneut interessant und appetitanregend.
Hier lag im Hauptteller ein Eis von weißer Schokolade in einer Sauerrahmcreme, zu dem noch ein Rhabarbersud angegossen wurde und in dem als knusprige Komponente Meringueblättchen steckten. Das alles thronte auf einem Rhabarberkompott, bei dem anscheinend auch die Karamellkomponente Eingang fand.
Eine ganz tolle Ergänzung war dazu auf dem Satellitenteller ein kleiner, schön warmer armer Ritter mit einer abgeflämmten Baiserhaube.
So kreierte die Patisserie auch hier für meine Begleitung nochmals eine Dessert-Harmonie aus warm und kalt, Cremigem und Knackigem, sowie Süße und Säure, dass sie mit jedem Stück erfreute.
Zusammen schlossen wir das Menü mit den in der Karte als "Süßigkeiten" betitelten kleinen Abschiedgrüßen der Küche ab.
Als Dreierlei legte auf der linken Seite ein Pate de Fruit mit Sanddorn nochmal einen sauren Kick ein, der durch den schmeckbaren Kardamonzucker aromatisch spannend auftrat.
Dies kontrastierend folgte in der Mitte zarter Fudge mit schwarzem Sesam und Miso, der sehr süß aber durch die ungewöhnlichen Zutaten auch spannend exotisch war.
Abschließend bereitete klassischer Canele mit einer so krossen Kruste, wie man sie sich nur wünschen kann, nochmals herrlichen Knabberspass.
Gesammelt nehme ich also folgende erste Eindrücke vom Leipziger "kuultivo" mit:
Das Ambiente unterstreicht in seiner Simplizität und gleichzeitigen Wertigkeit das Konzept des Restaurants, eine ungezwungene, kulturelle Atmosphäre zu schaffen, in der man sich ganz auf den Genuss und die Gesellschaft konzentrieren kann. Für diesen Zweck empfand ich es als gelungen zusammengestellt.
Zur Wohlfühlatmosphäre trägt natürlich auch der Service einen sehr entscheidenden Teil bei. Bei unserem Besuch fühlten wir uns sowohl von der jungen Frau als auch dem jungen Mann sehr herzlich aufgenommen und sowohl versiert, als auch stets auf lockere Art umsorgt. Das Erfüllen meines Wunsches zum Menü und auch der Apero-Nachschlagportion verdeutlichen die trotzdem lockere und entspannte Herangehensweise im „Kuultivo“ zusätzlich und sollten abschließend nochmals positiv erwähnt werden.
Mit einigen Erwartungen und auch Hoffnungen sind wir natürlich auf kulinarischer Ebene gezielt in das "kuultivo" eingekehrt. Das Team um Klaus Schunack bereitete uns dabei mit seinem saisonal geprägten Menü eine vollkommene Freude in der keine einzige Enttäuschung der Erwartungen enthalten war. Die Gänge verdeutlichten den Ansatz des Restaurants einer auf das Wesentliche konzentrierten Cuisine sowohl optisch als auch aromatisch. In keiner Speise hatte man ein Gefühl a la "da geht doch noch deutlich mehr", denn die Geschmacksknospen erfuhren stets ausgewogene und umfassende Umgarnung. Da dies in der Menüfolge auch stets mit Überraschung und Abwechslung einherging, überschritt man diese gewisse Grenze zwischen reinem „Essen“ und einem „kulinarischen Event“ so klar, dass für mich dieser Michelin-Stern nichts andere als verdient ist.
Den Preis von 110 respektive 125 € war daher bereits schon dieses gustatorische Erlebnis für uns wert und in Kombination aller gastronomischen Kategorien noch umso mehr.
Vollumfänglich bewies das "kuultivo", dass die Auszeichnung und Verteidigung des Sterns bis heute keineswegs ein Zufallsprodukt, sondern hinsichtlich kulinarischer Qualität und Servicekultur berechtigt war und ist. Gerade denjenigen, die der "Sterneküche" mangels Erfahrung noch etwas voreingenommen gegenüberstehen, sehen hier für mich auf unkomplizierteste und ungezwungenste Weise, welch lohnenswerter Genuss doch darin stecken kann.