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das von der „Papierlage“ und dem Blick durch die Fensterscheibe
sehr vielversprechend erscheine.
Beim nächsten Besuch in der sächsischen Musik- und Handelsstadt machte ich sogleich die Probe auf‘s Exempel.
Soviel vorweg: Im Januar habe ich für ein Geschäftsessen zu viert wieder reserviert.
Mit Blick auf mein Schuhwerk betrachtete ich trotz schönen Wetters skeptisch den recht staubig aussehenden Splitt des Freisitzes, der zudem mit harten hölzernen Klapp-Mobiliar ausgestattet war. Die vorbei kreischende Straßenbahn tat ein Übriges, dass ich über eine Treppe durch den Seiteneingang das Lokal im Hochparterre betrat. Auf diesem Niveau befinden sich auch die Küche und die Toiletten (Stoffhandtücher). Der Haupteingang liegt fast auf Straßenniveau. Aber nur fast. Eine Stufe dürfte z. B. für Rollifahrer nicht ohne Hilfe zu überwinden sein.
Die Innengestaltung ist ein echter Hingucker! Viel Türkis (oder mit dem Gault: Petrol) an fast allen Wänden ist ein echtes Ausrufezeichen. Kombiniert mit hellem Holz, schwarzen Bauhausleuchten, Details in Gold und Bronze und vor allem den dunklen Marmorplatten der Tische ist das einerseits mutig, aber eben auch elegant mit einem Hauch Extravaganz.
Geerdet wird das Ganze durch die Holzdielen und ein großes sympathisches Foto-Portrait des Wirtspaares an der Frontseite.
Beide u.a. mit mehrjähriger Erfahrung in der Sternegastronomie (natürlich auch im FALCO) ausgestattet und bei meinem Besuch anwesend, wirkte Andreas Reinke bodenständig, Lisa Angermann fröhlich und offen, wie manche sie vielleicht aus der Show The Taste in Erinnerung haben, die sie 2017 gewann. Wenn ich recht verstanden habe, ist der Name FRIEDA eine Anleihe bei ihrer Oma. Einziges Manko der Innenausstattung: Die harten Holzstühle erinnern mich eher an meine Grundschulzeit, als dass sie zu längerem Verweilen einladen. Das kenne ich aber ja schon und erhielt auf Bitte hin flugs ein Kissen vom überaus freundlichen Sommelier, der mit der Unterstützung eines weiteren jungen Mannes den Service im sich nach und nach leerenden Außenbereich gut wuppte. Drinnen versammelten sich später nur noch drei Pärchen an zwei Tischen, so dass auch immer Zeit für ein Schwätzchen blieb. Bei sehr entspannter Musik (z.B. Your song in einer französischen Chanson-Version) ging ich schon gut gelaunt an die Auswahl von Trank und Speis.
Die Weinkarte ist weder nach Ländern, noch nach Traubensorten sortiert, sondern versucht, Weiße wie Rote nach ihrem Charakter zu beschreiben. Statt esoterischem Blödsinn à la Berlin-Mitte (ebbt nach meinem Empfinden langsam ab), findet der interessierte Trinker Kategorien wie Kräftig-Rauchig-Würzig oder Leicht-Fruchtig-Frisch oder auch Elegant-Cremig-Vollmundig. Ich finde das eine gute Idee für Gäste, die wissen, welche Art Wein sie schätzen, ohne ins Detail gehen zu können. Nachdem ich ein paar Vorlieben genannt hatte, überließ ich die Auswahl dem Haus.
Das brachte mir zunächst einen Chenin Blanc aus dem Anjou (2015, Clos d’Elu, Bio - teilweise aus georgischen Amphoren - und trotzdem gut) ins Glas und später einen Württemberger Grauburgunder (2015, Schick) mit immerhin 14%, der 18 Monate im kleinen Holzfass verbracht hatte. Zwei Weine, die überhaupt nicht weh taten und die ich ohne Empfehlung nie bestellt hätte. Glück gehabt. Dass ich die zweite Flasche nicht ganz leeren konnte, war laut Sommelier nicht schlimm, dann werde er den Rest trinken. I bet you say that to all the drunkards! Tatsächlich wurde glasweise mit günstigen 6€ abgerechnet. Auch über die Kalkulation der Flaschen mit einem Faktor unter 3 kann man sich nicht beschweren.
Das FRIEDA bot bei meinem Besuch ein bis zu fünfgängiges Menü für 75€, das sich überzeugend las:
SCHWERTFISCH CEVICHE
STEINPILZE GEBRATEN
PULPO MIT SOBRASADA ÖL GEGRILLT
HANGING TENDER VOM KALB
BERGPFIRSICH MIT SAUERRAHMEIS
Alle Gerichte waren auch à la carte zu bestellen, ebenso wie die Angebote der zusätzlichen Sommerkarte.
Aktuell startet das Menü bei 44€ für drei Gänge und für inzwischen sechs Teller werden 94€ fällig. (Vegetarisch bis 84€). Ein sehr gutes PLV.
Die gut gelaunte Chefin brachte ein ungewöhnliches, tolles Brot.
Warm, locker, kräftig malzig und - ja, man ist nicht in Hannover;-) - mit Körnern drin und drauf. Dazu drei ebenso überraschende Begleitungen: aufgeschlagene Paprikacrème, stückige Thunfischzubereitung, die ordentlich Salz hatte und schließlich gepickelte Gurke und Avocado mit Purple Curry.
Das konnte schon als Apero-Bausatz durchgehen.
Und so startete das Menü ohne weiteres Amuse sogleich mit dem Schwertfischceviche, dessen prägnante Säure von einer Johannisbeer-Vinaigrette stammte.
Schwertfisch-Ceviche mit Johannisbeeren und Avocado
Die saisonale Beere kam auch noch Natur und als Papier und wurde von roter Zwiebel mit schönem Biss begleitet. Schade aber, dass in der zu markanten Säure alle anderen Mitspieler weitgehend untergingen, Avocado sowieso, aber auch Kräuter und sogar schwarzer Knoblauch. Der Schwertfisch war aufgrund seiner festen Struktur vergleichsweise lange zu kauen und konnte so zum Schluss geschmacklich doch wieder auftauchen. Trotzdem litt dieser an sich nicht nur optisch schöne Teller an der fehlenden Balance.
Beim zweiten Gang ging es dann molliger zu. Gebratene vorzügliche Steinpilze standen im Vordergrund, wurden aber durch süffige Cheddar-Crème und Speck vom Mangalitzaschwein in Texturen leckerst begleitet. Dazu gehacktes Ei und vor allem ein Gazpacho-Sud, der die Papillen aus allzu viel Schwelgerei holte. Das Ganze sehr instagramable auf knusprigem Finnen-Knäcke drapiert.
Liebhaber herzhafter Frühstücke mit Ei, Speck, Käse und Pilzen wären bei diesem (natürlich viel eleganteren) Gericht rundum glücklich gewesen. Also ich, zum Beispiel. Und das hatte gar nichts damit zu tun, dass der mir immer sympathischer werdende Sommelier zu der Umami-Bombe einen feinherben Riesling ausgab!
Der „Fisch“-Gang war fleischiger als gedacht.
Die zwei Oktopus-Arme („Duopus“? Oparazzo, übernehmen Sie!) waren zwar nicht die zarteste Versuchung, seit es Kraken auf meinem Teller gibt. Aber sie hatten auf dem Grill eine angenehme, kräftige Röstung bekommen, die sich als Vorteil herausstellte. Denn der knackige Kopfsalat war recht kalt und konnte sich daher durch Textur und Temperatur lange im Vordergrund halten. Mit dem Salatsaft, Ananas sowie einer von Joghurt etwas gepufferten schönen Sobrasada-Schärfe entwickelte sich dann doch eine sehr ausgewogene Kombination kräftiger Aromen.
Zur Gaumen-Erfrischung vor dem Fleisch orderte ich natürlich ein Gläschen Champagner (Roederer einfach, 10€) statt altmodischem Sorbet. (War auch gar nicht im Angebot. Zufälle gibt’s...Der Pacojet scheint in der Küche ganz zu fehlen, denn in den Gängen kein allseits beliebtes Eis.)
Das folgende Onglet hatte ich vom Kalb noch nie genossen. Es war einfach - einfach fantastisch.
Zart aber fest, innen ganz leicht blutig und außen kräftig gebräunt. Super Kalbfleischgeschmack und in respektabler Menge für einen Menügang.
Die Beilagen fielen kein bisschen ab. Von den Nussbutterbröseln über die dichte, pfeffrige Gulasch-Jus und der süßen Grillpaprika bis hin zur leicht stückigen Artischocken-Brandade und zum kontrastierend kühlen, Frische gebenden Fenchelsalat passte alles 1a! Perfekter Fleischteller.
Ich war wohl so begeistert, dass man meinen Hundeaugen eine Käseauswahl nicht abschlagen konnte - obwohl in der Karte nicht angeboten.
Was stark verwunderte, denn fünf überwiegend gut gereifte Sorten hat man ja in der Regel nicht „so“ herumliegen. Besonders nett das Wiederschmecken mit dem 20 Monate alten Cheddar aus dem Steinpilz-Gang. Scharfe Aprikosenmarmelade und die beiden bekannten Brotsorten wurden gereicht, aber nicht gebraucht. 14€ außer der Reihe ein angemessener Preis. Dazu einen Port, für den 7€ berechnet wurde.
Und weil die Stimmung gerade so gut war, noch ein kleiner Test der Patisserie. Also mal ganz gegen meine Gewohnheit das Dessert.
Aber Bergpfirsich, cremiges Sauerrahmeis und Bergamotte-Waldmeister-Sud waren starke, nicht so geläufige Geschmäcker, die verhinderten, dass Himbeeren, kräftig geflämmter Baiser und Mandelbiskuit allzu gefällig wirkten. Klingt einfach, war aber eine sehr stimmige Kombination zum Abschluss.
Ergebnis der Probe?
Im FRIEDA wird eine optisch sehr schöne, leicht zugängliche, durchaus kräftige Wohlfühlküche geboten, der Purismus ebenso fern ist, wie verspielte Tupfenmalerei. Und die vor allem von Anfang bis Ende Freude bereitet.
Natürlich eine klare Empfehlung und ein Dankeschön an den Tippgeber!