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Gleich die erste Sendung hat allerdings ein überraschendes Echo gefunden:
https://www.t-online.de/region/berlin/id_100454898/raue-der-restauranttester-berliner-koch-von-rtl-format-ausgetrickst-.html?utm_source=pocket-newtab-de-de
Mein Besuch in Moabit lag zeitlich zwischen Aufzeichnung und Ausstrahlung der Sendung. Folgend meine Eindrücke:
Chef Emil hat 2020(!) mit 17(!) Jahren sein eigenes Lokal eröffnet und meint, nun die Schwelle zum Feinschmecker-Restaurant überschritten zu haben. Vielleicht, um die in der Tat recht ambitionierten (wahrscheinlich wirtschaftlich notwendigen) Preise zu rechtfertigen. Nicht nur der Vergleich z.B. mit dem Düsseldorfer Bistro Fatal zeigt: Hat er sicher nicht. Und das ist auch gut so. Es ist eben ein Bistro. Aber ein sehr anständiges.}
Moabit is(s)t überall voll, auch draußen, nur bei Emil „verlieren“ sich gerade mal vier Gäste außer mir. Wobei der Gastraum selbst bei allerengster Stellung des schmalen Bistro-Mobiliars nur gut 20 Plätze hergibt. Deren Zahl zugunsten einer formschönen Theke auch noch fast zu halbieren, war die (kurzlebige) „Rettungs“-Idee von Frau Raue. Der junge Mann im Service verweist anlässlich der mauen Belegung auf das gute Geschäft am Vortag und den Umstand, dass es halt das hochpreisigste Resto im Kiez sei. Hoffen wir weiterhin das Beste; die Bekanntheit wurde dank RTL ja schon mal gesteigert.
Das Ambiente nach der Re-Rettung ein (wie ich finde) durchaus charmantes Chaos. Die hübsch lavendelfarben gestrichenen Wände und die 4 ovalen Spiegel sind von der eher kühlen Gestaltung durch Mm. Raue II geblieben. Gefliester Boden, andererseits eine Kerze auf jedem Tisch, also schummrig, wozu die farbige Lichtkunst unter der Decke beiträgt. An den Wänden allerlei Bilder und sonstige Deko, die alles ist, nur nicht aus einem Guss. Wie es sich für das Klischee gehört, werden Chansons gespielt, dankenswerterweise nicht nur die allzu bekannten.
Mir gefällt es so. Nur leider ist die Luft massiv verraucht; die Lüftung scheint nicht zu funktionieren. Oder war gar nicht eingeschaltet, denn später bessert es sich deutlich. Ich flüchte zunächst auf den Bürgersteig der ruhigen Seitenstraße, trotz des eher kühlen herbstlichen Wetters. Ein älterer Mann, der im hochgeschlossenen Trenchcoat(!) an einer Biergarten-Garnitur sitzt, fällt hier nicht auf. Berlin halt... Die vielen vorbei joggenden jungen Menschen beweisen, dass die Gentrifizierung tatsächlich Moabit erreicht hat.
Der sehr, sehr nette fränggische Kellner trägt dementsprechend natürlich Schnauzer. Aber versteht vor allem was von seinem Handwerk. Und siezt mich sogar. Doch noch nicht wie in Mitte...
Man frönt übrigens nicht nur beim Essen einer französischen Leidenschaft: Über dem Durchgang zur Küche hängt ein Rennrad und auf der Karte findet sich unter den ausschließlich selbst gefertigten Desserts ein Paris-Brest! Das ist nun wirklich ein selten anzutreffendes Gebäck diesseits von Grand-Est.
Kleine Irritation: Der gebrachte Wein stimmt nicht mit der Karte überein. Der Kellner entschuldigt sich und bietet aktiv einen Preisnachlass an, da kein anderer Sauvignon Blanc verfügbar sei. Das braucht es nicht. Die 38€ enthalten dann halt einen Spenden-Teil für junge Menschen, die verrückt (oder in diesem Fall verpeilt) genug sind, sich in der Gastro selbstständig zu machen.
Erst kommen Pistazien zum Knabbern; eine nette Kleinigkeit, aber auch nicht mehr. Amuse Fehlanzeige. Zum Wein gibt es einfaches Brot und Leitungswasser auf‘s Haus. Tout Bistrot; wie kommt der Kerl bloß auf Feinschmecker-Restaurant?
Die Karte hat sich seit der Aufzeichnung der problematischen RTL-Sendung kaum geändert: Es werden vier Menüs angeboten: Vegetarisch, zweimal mit Fleisch oder mit Fisch. Ich entscheide mich für das Menü Aquatique für aktuell 58€ und freue mich an meinem gespritzten Pampelle, dem Grapefruit-Likör aus Korsika. Für 8,5€ eine angenehm herb-säuerliche Abwechslung im orangen Spritzeinerlei…
Dann gehts los:
Erste Runde: Jakobsmuscheln in Weißweinreduktion. Drei kleinere Exemplare gut gegart und klar erkennbar. Leicht gratiniert, aber nicht von einer zähen Käsehaube erschlagen. Dazu Schalotten, und Petersilie, eine klare Säure vom Wein. Pikant durch beherzten Einsatz von Pfeffer. Das war lecker und mehr als 08/15.
Nächster Gang: Drei kleine Filets vom Wolfsbarsch.
So saftig, wie dieser eher magere Fisch halt sein kann. Die Haut noch leicht knusprig. Untadelig.
Die Sauce mit Passionsfrucht hat die typisch fruchtige, aber nicht adstringierende Säure. Passt zum kräftigen Fisch überraschend gut, nur die sehr bissfesten Karotten gehen unter. Süße fehlt, Wo ist das sonst so omnipräsente Selleriepüree, wenn man es braucht? Vanille wäre auch eine schöne Option gewesen.
Unerwartet und daher trotzdem interessant (und zwar nicht Sinne der kleinen Schwester von…).
Dann schon Dessert: Die Tartelette aux Citron überrascht zunächst optisch, aber der Fladen dünnen Mürbeteigs ist süß und ge(würzig) und hält die frische, feste Limettencreme gut in Schach. Mandeln, Puderzucker und Limettenabrieb fügen das ihrige bei. Kannste schicken.
Weil es so selten ist, bestelle ich tatsächlich ein zweites Dessert: Der Paris-Brest erweist sich als klassisches Konditorhandwerk. Spritzgebäck, noch kurz erwärmt, innen luftig, außen knusprig, auch die untere Hälfte. Die Haselnusscreme überraschend leicht und erfreulich nussig.
Likör ist leider nicht verfügbar, auf den freundlich angebotenen Cognac verzichte ich - wie auch schweren Herzens - auf den Käse!
Dem jungen autodidaktischen Chef - an diesem Abend nicht anwesend, was die gute Leistung nur hervorhebt - sei seine Selbstüberschätzung verziehen. Als (schon arg teures) Bistro hat mir das Chez Emil an diesem Abend durchaus gefallen. Wenn ich wieder in der Nähe bin, würde ich einen weiteren Besuch durchaus in Erwägung ziehen, schon weil in Moabit jenseits des Paris-Moskau (noch?) wenig aus dem Einerlei heraussticht. Möge das Chez Emil überleben!