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Ihr angestammtes Hotel unweit der Saarmündung und auf gleicher Höhe mit der seit über 1800 Jahren am anderen Ufer der Mosel stehenden Igeler Säule ist dagegen auf genügsame Gäste eingerichtet. Sehr kleine, einfache Zimmer, ungeheuer hellhörig und ohne Klimaanlage, was bei den sommerlichen Temperaturen für den erquicklichen Nachtschlaf eigentlich nicht förderlich war. Aber ich hatte ja schon die Weine erwähnt...
Deshalb für das Restaurant eine Empfehlung; das Hotel werden die rüstigen Wandervögel hier besser beurteilen können.
Wir ergriffen jedenfalls die Gelegenheit, mal wieder dem schönen Trier einen Besuch abzustatten. Zwischen Porta Nigra, Kaiseraula und neuester Karl-Marx-Statue chinesischer Herkunft hatten wir einen schönen Tag. Der sollte mit einem Menü im Becker‘schen Gourmetrestaurant im eingemeindeten Weinort Olewig (sprich Oleewich) gekrönt werden. Wohlweislich hatten wir gleich eine Übernachtung im neuen Hotelflügel gebucht, der wohl bewusst auf extra anreisende Kulinarik-Junkies zielt. Denen könnte nämlich der Wechsel zwischen dem stylishem, u.a. mit 2 Sternen und 18 Punkten hoch dekorierten Gourmettempel und dem traditionellen Gasthof für Wanderer sehr krass vorgekommen sein. Das Frühstück ist allerdings für alle Gäste gleich, was dann wieder für ein eher rustikales Angebot sorgt.
Der Neubau zeichnet sich durch klare Linien und die Verwendung von viel Grauschiefer und anderen regionalen Materialien aus. Durch kleine Wasserflächen ergibt sich eine japanisch anmutende, etwas kühle, für meinen Geschmack aber sehr elegante Atmosphäre. Die bezahlt sein will; die aufgerufenen Übernachtungspreise lagen eindeutig auf Großstadt-Niveau. Ein verglaster Bad-/Toilettenbereich ist derzeit in der Hotellerie schwer angesagt, aber sicher „Geschmackssache“. Die unangenehm zugige Klimaanlage etwas ärgerlich; das Frühstück hatte ich schon erwähnt.
Auch das Restaurant ist mit viel Naturstein angenehm klar gestaltet
ohne ungemütlich zu werden. Im Gegenteil ein modern-eleganter Raum, der aber durchaus wohnliches Flair hat. Etwas irritierend allein eine Installation im Eingangsbereich; halb Altar, halb Feuerstelle
Drei weitere Tische wurden nach und nach besetzt, gerade richtig. Aussicht gibt es nicht. Der Neubau grenzt direkt an das Grundstück des Nachbarn, der vom Balkon interessiert die Gästeschaft inspiziert. Der Blick auf den hauseigenen Lieferwagen ist durch einen Vorhang gnädig eingeschränkt.
Im Service agierten mehrere junge Damen unauffällig, bei Ansprache aber freundlich und durchaus kompetent. Im Wesentlichen kam jedoch Frau Christine Becker an unseren Tisch, die auch für die Weinbegleitung verantwortlich zeichnete.
Eingeschenkt wurden:
Weißburgunder 2015 vom familieneigenen Weingut,
Josephshöfer Riesling GG 2009 von Kesselstatt,
junger Rosado de Leorin aus Navarra,
Chardonnay aus dem Barrique von Wageck,
feinherber Riesling Kabinett vom Karthäuserhofberg,
aus Teneriffa einen autochthonen Listan negro (Spannend!),
galizischer Godello (Toll!),
Ürziger Würzgarten Spätlese von Molitor,
zum Abschluss Wintricher Ohligsberg Auslese 2002 von Weingut Haart.
Das waren für eine Begleitung tolle Weine, alle sehr passend und teilweise überraschen; beide Spanier kannte ich noch nicht. Mit 65 Euro zudem preiswert.
Auch im Übrigen gab es fachlich wenig auszusetzen, bis auf die völlig daneben gegangene Abstimmung mit der Küche bei einem Gang (Der Manzanilla kam, als der Teller schon abgeräumt war...).
Aber da war die Stimmung sowieso schon nahe Null.
Ausnahmsweise will ich es mit dem großen Disney-Philosophen Vater Klopfer halten: „Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, sollte man besser den Mund halten.“
Wir werden jedenfalls nicht mehr in Olewig einkehren.
Was nicht am Kulinarischen lag.
Überrascht hat uns allerdings, dass kein ernst zu nehmendes Angebot für Vegetarier offeriert wurde. Im ausschließlich zur Verfügung stehenden Menü kamen vegetarische Teller erst ab dem Pre-Dessert. Das ist natürlich Entscheidung des Restaurants, erscheint inzwischen aber nicht mehr zeitgemäß (wo selbst carniphile Bentheimer von fleischlosen Menüs schwärmen). Die Bemerkung von Frau Becker, dass Innereien doch kein Fleisch seien, empfanden wir als unpassend, selbst wenn sie spaßhaft gemeint war. Insgesamt aber ein Beispiel, dass die Interessen des Gastes hier leider nicht im Fokus stehen.
Nun gut, wir sind ja „flexitabel“ und außerdem nach der Anreise hungrig und durstig.
Als alkoholfreien Einstieg gab es Soda mit hausgefertigtem Extrakt auf Holunderblütenbasis (10€)
für meinen Geschmack etwas süß.
Gelungen dagegen die pikante Nussmischung nach Art des Hauses
und extrem dünne Grissini, die einem unaufmerksamen Betrachter fast wie Deko hätten erscheinen können
Um so bemerkenswerter, dass der Teig deutlich gewürzt war.
Die Grüße starteten mit einem kräftigen, angenehm kühlen Tatar im Brickteig-Cornet mit Salzkristallen
Gefolgt von drei Aperos.
Aus der runter geratterten Ansage meine ich Makrele mit Dillmousse vernommen zu haben, dazu Aubergine auf Chilicracker und - mein Favorit - gezupftes Krebsfleisch mit Yuzu-Gel. Alles austariert, gefällig, aber letztlich ein verhaltener Start. Dazu wurden frisches Baguette und Becker-Butter
gereicht. Im weiteren Verlauf offerierte die Küche eine abwechslungsreich aromatisierte Auswahl von Brötchen.
Alles erstklassig.
Als erstes angekündigtes Amuse schickte das Team um Wolfgang Becker eine gekühlte Gazpacho von Beeten und Beeren
deren Frische von viel Sauerrahm eingebunden wurde, während Meerrettich für pikante Spitzen sorgte. Vor allem meine Frau war begeistert.
Ich dagegen vom zweiten Gruß.
Blumenkohl, der derzeit ein Comeback in der Hochküche feiert, Pfifferlinge, weiches Wachtelei, Schnittlauchöl und Crumble von grünen Mandeln gaben eine ebenso kräftige wie süffige Mischung. Zum Reinlegen.
Das eigentliche Menü startete mit einer Rhapsodie in Braun.
Gebeizte Langoustine und zweierlei Gänselebercrème waren mit Champagnerlinsen in Gelee kombiniert. Obwohl die einzelnen Komponenten tadellos ausgeführt waren, überzeugte mich der Teller nicht vollends. Das kalt gegarte Krustentier blieb im Zusammenspiel blass und während sich die überwiegend weichen Komponenten im Mund schnell verflüchtigten, rückten die bissfesten kleinen Linsen mit dem Kauen etwas mehlig in den Vordergrund. Die Idee, sie in Gelee als Basis zu verwenden, war klasse, nur das Verhältnis war für mich nicht perfekt. Aber, wie Frau Becker uns beschied: „Der Koch hat sich etwas dabei gedacht.“
Auch im zweiten Gang setzte die Küche auf ein Surf‘n‘Turf:
Wunderbar zart confierter Oktopus wurde mit Chistorra kombiniert, der dünnen Chorizo-Variante aus Navarra. Texturen von der Artischocke verbanden beides herb und Piment betonte den kräftigen Charakter. Trotz einiger Schärfe blieb alles sehr harmonisch, die Rudi-Dutschke-Straße ist hier nicht nur geografisch weit entfernt. Beidseits des Tisches Zufriedenheit; das kulinarische Ansehen des Kraken steigt bei meiner Liebsten seit einiger Zeit deutlich.
Der erste Hauptgang in der Präsentation wieder sehr konzentriert, ohne in Purismus zu verfallen.
Eine hohes Seezungen-Filet „vom kleinen Boot“. Ich vermute, die Angabe bezieht sich auf die Fangmethode; fragen möchte ich schon länger nichts mehr. Schwelgen ging auch so. Feinste Qualität, auch durchgegart, dazu eine fantastisch Krustentierbéarnaise und ebenso intensive Steinpilze in Variationen. Da braucht es kein Chichi, wenn exzellente Zutaten so auf den Punkt zubereitet werden.
Es folgte der weitgehend vegetarische Teller.
Das Herzbries (gemeint war das Herzstück) geschmacklich und in der Konsistenz tadellos, war zwar optisch Hauptdarsteller, aber das „Allerlei von der Karotte“ hatte im Zusammenspiel gleichen Raum. Bevor es zu gemütlich wurde, brachte Schafsmilch einen würzigen Gegenpart und etwas Ingwer setzte fruchtig-scharfe Akzente.
Als Fleischgang gab es eine schöne Tranche von der Challans-Entenbrust,
trotz des Fotoeindrucks für mein Empfinden einen Tick zu weit. Aber da geht es um Sekunden und vor allem um persönliche Vorlieben, gerade bei Geflügel. Geschmacklich wieder sehr stark mit einem vollendete Barbecue-Lack. Musste sie auch sein, denn die reduzierte Jus kam unauffällig daher, glänzte jedoch mit Geschmackstiefe und getrockneten Jalapeños, die schon eine eindeutige Schärfe mitbrachten. Was selbst für mimimich kein Problem darstellte, denn durch die zweite mexikanische Hauptzutat, den Texturen vom Mais
wurde das Ganze wunderbar süß eingebunden.
Ein vermeintlich unspektakulären Teller, fast schon hausbacken angerichtet, aber am Gaumen ein Erlebnis.
Mit „cremigem Burrata“, unfassbar intensiver Petersilie-Reduktion, Kirschen in verschiedenen Zubereitungen und Haselnüssen hätte wir sehr spannend auf die Zielgerade gehen können.
Problem: Die Kräuterkomponente deckte die anderen Mitspieler weitgehend zu. Insbesondere der leckere Frischkäse ging völlig unter. Zudem fehlte es gerade an der besonders angekündigten Cremigkeit. Von der typischen Sahnefüllung war aber gar nichts zu bemerken. Schade, schade.
Absolut gelungen dagegen die folgende Erfrischung von Strauchtomaten, Basilikum-Eis und einem kräftigen Picual-Olivenöl.
Sehr schmackig, tolle Tomaten-Nuancen zwischen süß, sauer und würzig.
Vom Süßen Fan sehnsüchtig erwartet, präsentierte die Pâtisserie zum Abschluss des Menüs nun auch Gefälliges fürs Auge.
Inhaltlich dominierte feiner Vanilleschaum in dunkler Valrhona-Schokolade. Dazu sehr sparsam dosiert Pfirsich und Mascarpone. Lecker, klar. Nur 2 Sterne hab ich da nicht erkannt.
Gleiches dann auch bei den abschließenden Schokoladen.
Herzlich bedient (oder auch nicht) flüchteten wir aus einer kalten Atmosphäre in ein kühles Zimmer.
Fazit:
Die Küche von Wolfgang Becker kommt optisch und sensorisch erst auf leisen Sohlen daher. Showeffekte oder molekulare Spielereien sind ihr fremd. Umso stärker dann die gelungenen Kombinationen und die Geschmackstiefe. Auch nach mehreren Monaten sind mir überraschend viele Teller noch erstaunlich frisch im Gedächtnis. Das PLV mit 158€ für das Menü durchaus gastfreundlich.