"Mittags unter Sternen"
Geschrieben am 08.02.2024 2024-02-08 | Aktualisiert am 08.02.2024
"Entspannte Mittagspause im Großdorf"
Geschrieben am 28.01.2024 2024-01-28 | Aktualisiert am 28.01.2024
"Feines Bistrorant aus dem Sylter King-dom"
Geschrieben am 23.01.2024 2024-01-23 | Aktualisiert am 23.01.2024
"Super leckere Waffeln für den kleinen Hunger zwischendurch"
Geschrieben am 16.01.2024 2024-01-16 | Aktualisiert am 16.01.2024
"feine Speisen im extravaganten Ambiente"
Geschrieben am 10.11.2023 2023-11-10 | Aktualisiert am 10.11.2023
Umso erfreulicher, dass Sylts einziges mit 2 Sternen ausgezeichnete Gourmetrestaurant im Luxushotel Söl‘ring Hof ganz offensiv ein Mittagessen anbietet, ehedem in JPs „Kantine“, seit letztem Jahr in JPs „Wohnzimmer“, wobei die Initialen natürlich für Jan-Philipp Berner stehen, dem unglaublich engagierten und überaus freundlichen Chef, wie wir bei seinen gleich zwei Honneurs erleben durften. Die Bezeichnung Wohnzimmer verdient sich dieser kleinere Gastraum besonders durch die bequemen hellgrauen Polstermöbel, viele schwarz-weiß-Fotografien an den mit blauer Textiltapete bekleideten Wänden und nach meinem Empfinden durch die Regale, in denen neben Büchern viele schöne, gereifte Spirituosen stehen. Dazu rustikale braune Dielenbretter, Designerlampen und dunkelbraune Tischplatten.
So recht aus einem Guss erschien es mir nicht - aber das gilt für die meisten heimischen Stuben ja wohl auch. Halt ein „living room“, wie es viel treffender im Englischen heißt. Zudem: Nicht alle, aber unsere Plätze waren auf Couchtischhöhe; das empfinde ich für ein Mittagessen als eher unbequem. Anders als vielleicht bei Kaffee und Kuchen gilt mittags wohl „Und schön rüberbeugen!“
JPs Wohnzimmer liegt landwärts
hat also nicht den atemberaubenden Blick über die Nordsee - schon das ein Grund, irgendwann auch abends im Söl’ring Hof zu dinieren. An sich nicht schlimm, leider stand den ganzen Lunch über ein großer grauer SUV in der Einfahrt; so dicht vor den Fenstern, dass es nur wenig mehr als die Rückfront mit Hamburger Kennzeichen zu sehen gab. Sylt-Probleme, halt…
Gemessen an vielleicht fünf oder sechs Tischen - eine Kleinfamilie, sonst alles Pärchen - war sehr viel Personal anwesend, alle mit Höflichkeit, ungekünstelter Freundlichkeit und viel Fachwissen ausgestattet. Begrüßung, Service, Weinberatung alles auf Augenhöhe mit dem Gast, sehr schön und angenehm. Und wenn eine Frage nicht beantwortet werden konnte, wurde halt ein Experte allein für die Portweine geholt, die hier seit den Zeiten von Johannes King in beeindruckender Zahl und Qualität vorrätig sind.
Ein Menü wird mittags nicht angeboten; man wählt aus dem Tagesangebot und einer kleinen Karte. Erst schien mir das Konzept etwas schwierig, zumal für Vegetarier. Aber die erstaunliche Gast-Orientierung des Teams löste alle Bedenken in Luft auf. Wer also bestimmte kulinarische Wünsche hat, möge sich nicht scheuen, diese im Vorfeld zu kommunizieren. Prompte, freundliche Antwort ist garantiert. Vorspeise und Dessert liegen aktuell um die 20€, die Hauptgerichte beginnen bei 33€. Preisliche Spitzenreiter sind derzeit geräuchertes Rinderfilet oder gefüllter Wolfsbarsch für 59€. Als Tellergericht, wohlgemerkt. Andererseits, in Paris wäre man amüsiert…
Wir starteten mit fruchtigen Aperitiven: Quittenlikör auf Tonic mit Orange für die Dame, einen weißen Portwein mit Aromen von Quitten und Birne für mich. Einer für schmale 8€, der andere das Doppelte und die Flasche Wasser standesgemäß 9€.
Nach etwas Hin und Her um Vorlieben und Stimmigkeit zum Essen fiel die Weinwahl auf eine Flasche österreichischem Riesling aus dem Kamptal vom Weingut Hirsch (Ried Gaisberg 1. Lage 2018). Der aktuelle Jahrgang wird ab Weingut für 35€ verkauft; da lasse ich mir die 85€ auf Sylt gern gefallen.
Inzwischen wurde als stimmiges Amuse eine in der Schale geräucherte Kartoffel mit reichlich Felchenkaviar serviert, der lange nachschmeckte, während der zurückhaltende Rauch die Süße der Kartoffel nicht überdeckte.
Baguette und Dinkelbrot mit gesalzener Butter waren geschmacklich tadellos, irritierten aber durch ihre recht weiche Kruste.
Die Vorspeise war das, was in Mannheim ein „Knaller“ heißt: Die Variationen diverser Tomatensorten hätten vermutlich auch schwäbische Connaisseure des vielfältigen Nachtschattengewächses überzeugt. Geschickt spielte die Küche mit Reifegraden, Geschmäckern und Temperaturen. Herausragend die geeiste klare Tomatenessenz. Die vorherrschenden Akkorde waren süß und sauer, als Gegenspieler dienten expressiv kräuterig Majoran und Thymian sowie zurückhaltenderes anderes „Grünzeug“, teils als Öl, teils nature oder in andere Komponenten eingearbeitet. Die Hauptdarsteller harmonisch eingebunden von Nussbutter und sehr stimmigen Brotcreme und -Chips.
Ein geschmacklicher Kraftprotz, der die Idee eines sommerlichen Tomatenbrotes mit frischen Kräutern in die Hochküche umsetzt. Maximal beeindruckend (17€).
Auch beim Hauptgang blieben wir einheitlich: Lachs kündigte die Karte an.
Aber was für welcher! Seit die Problematik der norwegischen oder gar chilenischen Zuchtfarmen hinlänglich bekannt ist, verzichten wir zunehmend auf diesen früher tatsächlich mal Edelfisch. Außer eben es gibt eine Qualität auf Label Rouge Niveau, wie hier. Voller Geschmack mit hinreichend Fett, saftig mit etwas Biss. Ganz wunderbar! Wie auch bei Geflügel, sind meine Geschmacksknospen völlig beeindruckt, welche Welten ein solches Spitzenprodukt von der Allerweltsware entfernt ist.
Genauso überraschend war auch die Darreichung als geschnittenes mit einer leichten Dill-Note versehenes Tatar, das im Ring von einer Seite kurz, aber kräftig angebraten worden war und so eine verblüffende Textur- und Geschmacksänderung einbrachte.
Auch hier gelang Jan-Philipp Berner und seiner Crew, durchaus bekannte Kombinationen elegant zu veredeln. Sei es das Meerettich-Eis, dessen Schärfe durch die Kühle gemildert wurde, das Kräuteröl oder die vielfältigen Variationen von Gurke, gepickeltes Radieschen und Senfsaat. Für ordentlich Crunch sorgten dünne Chips von der Fischhaut, Algencracker und gepoppter Einkorn. Interessant, wie diese vielen Komponenten harmonisch zusammenspielten aber auch immer wieder eigenständig durchschmeckten, wie z.B. Bitternoten der hübschen Blüten und Kräuter.
Einziges kleines Manko: Für einen Hauptgang war die Portion etwas klein ausgefallen, zumal bei einem Preis von 46€.
Ich entschied mich daher spontan, einen - Überraschung - Käsegang einzuschieben, der vom Wagen nach Wahl angerichtet wurde.
Aus dem schönen Angebot von Maître Affineur Antony gab es für mich fünf Klassiker:
Comte, 12 Monate
Chaource
Ziege mit Pflanzenasche
Roquefort
Epoisses.
Man erkennt die wunderbare Reife und die nicht kleinliche Menge. Für diesen „Kleinen Käseteller“ standen 28€ auf der Rechnung.
Auf begleitendes „Gedöns“ kann ich bei solcher Ware leicht verzichten. Also jedenfalls auf dem Teller:
Beim Dessert war die Süße Fan wieder voll dabei. Und in der Sterneküche bin ich meist auch neugierig, welche Wunderwerke die Patisserie zaubert. Das war’s hier vielleicht nicht.
Aber der eingelegte Weinbergpfirsich mit seinem Sud in der karamellisierte Waffel strotzte von Sommeraroma. Dazu Lavendeleis, Ganache, frische Früchte und - auch hier ein absoluter Gewinn - Gartenkräuter!
Zur besseren Bekömmlichkeit des doch fast dreistündigen Mittagessens folgte ich der Empfehlung des Serviceleiters und war von der dunkelfruchtigen Bitterkeit dieser Gottesgabe (8€) schwer begeistert.
Und natürlich vom Mittagessen in JPs Wohnzimmer im Söl‘ring Hof insgesamt. Perfekter Service in stilvoller Umgebung und eine Küche, deren Umsetzung der Nordsee-Flora und -Fauna wir im angeregten Gespräch sogar zu wenig Beachtung geschenkt haben. Aber das lässt sich ja nachholen…