"Gute Ansätze wenig konsequent umgesetzt -oder: Mehr Konzentration, bitte!"
Geschrieben am 28.06.2015 2015-06-28 | Aktualisiert am 28.06.2015
"Angebote aus artgerechter Haltung, Biozertifikat, -oder: Nachhaltig is besser!"
Geschrieben am 14.06.2015 2015-06-14 | Aktualisiert am 15.06.2015
"Landhausküche mit kreativen Ansätzen -oder: Flinker Service sucht nette Gäste"
Geschrieben am 14.06.2015 2015-06-14
Freundlich wurde unsere Reservierung bestätigt, man erinnerte sich sogar an unseren vergeblichen Versuch. Interessant in diesem Zusammenhang scheint, dass das Restaurant höchstwahrscheinlich noch Kapazitäten auf einer Art Empore hätte, diese scheinen jedoch Gesellschaften oder der absoluten Hochsaison vorbehalten. Grundsätzlich ist es sicherlich besser einen Teilumsatz nicht zu machen, als jenseits der Kapazitätsgrenze zu agieren und mit daraus möglicher Weise resultierenden Defiziten die Gäste zu verärgern.
Man betritt das Restaurant durch den Café-Eingang und steht direkt vor dem Hausbaum (richtiger wäre wohl vor einem der Hausbäume, das Ensemble besteht aus fünf historisch renovierten Häusern) unter einer hohen Balkendecke. Rechts befindet sich die Bar, daran links vorbei sind der Wintergarten sowie Innenhof und Hotel-Toiletten zu erreichen. Neben dem mittleren Hausbaum führt eine Treppe auf die Empore. Der Gastraum ist recht groß, trotzdem fühlt man sich nicht verloren, sogar der Geräuschpegel war während unseres Aufenthalts erträglich.
Nach dem Eintreten zunächst nicht wahrgenommen, konnten wir uns in Ruhe umsehen. Netter Weise werden hier die reservierten Tische mit einem individuellen Schild (Willkommen Familie XY…) versehen, daher war es einfach den uns zugedachten Platz in Beschlag zunehmen. Kurz darauf begrüßte uns eine recht junge, leicht gehetzt wirkende Kellnerin (4,3), überreichte die Karten, entzündete das obligatorische Grablicht und fragte direkt nach Getränkewünschen. In Unkenntnis des Angebots orderten wir zunächst eine Flasche stillen Wassers (Loona Naturelle, 0,75 L à 5,50 Euronen). Die Karte bietet mit verschiedenen kalten und warmen (hier in Anlehnung an die klassische Menuefolge Zwischengerichte genannt) Vorspeisen, diversen Suppen, acht Hauptspeisen, zwei vegetarischen (Risotto und Pasta) Gerichten und vier Desserts (auch alle vegetarisch ;-}), sowie einer Spargelkarte (zehn Positionen) ein recht umfangreiches Angebot. Von der Weinkarte (auch im www einsehbar) waren wir ein wenig enttäuscht. Da wir keine ausgewiesenem Rieslingfans sind und die verbliebenen beiden deutschen Flaschenweine aus Scheurebe (hier ist oftmals der Name Programm) bzw. Weißburgunder, deren Beschreibung hohe Säurewerte assoziierte, verlegten wir uns auf das etwas breitere Angebot an offenen Weißweinen (drei Mal 0,25 L sind ja auch ‘ne Flasche…). Interessant in diesem Zusammenhang scheint der Umstand, dass die Viertel (Deutscher Weißwein) teilweise mit 9,50 und die entsprechend Flasche (0,75 L) mit 30,- Euronen wenig kundenfreundlich bepreist sind.
Das Wasser wurde schnell serviert und es gab etwas Brot und Butter, leider nur Wastelstreuer zum Nachwürzen. Bei Rückfragen zum Wein und auch den Speisen servierte man lediglich ausweichende Antworten, auf die Idee bei jemandem der sich auskennt nachzufragen, kam die Servicedame indes nicht. Insgesamt war ihr Nervenkostüm wohl bereits aufgrund einiger Reklamationen/Fehlleistungen ziemlich angegriffen und so versuchten wir sie nicht zu überfordern, was aber nur eingeschränkt gelang. Wohl wegen der hohen Auslastung und diversen Extrarunden, die bei Reklamationen notwendig werden, war die Wartezeit auf die Vorspeisen schon recht lang, ein amuse gueule zur Überbrückung gab es leider nicht. Das erste Viertel Bacchus aus Sachsen für 9,50 Euronen (Weingut Deckert, ansprechend mit ganz leichtem Muskatton) war längst verdunstet, dann endlich kamen…
| Die Vorspeisen |
Madames Spargelcrèmesuppe mit frischer Petersilie für 6,- Euronen entsprach exakt der Beschreibung, nicht mehr und nicht weniger. Keinerlei Einlage, weder Spitzen noch Stücke, einfach nur leicht gebundener Spargelfond mit Sahne abgeschmeckt, kein Pfiff erkennbar. Schade, für Madames Suppenpassion aber ein Treffer.
Die Meerbarbenfilets mit sauer-scharfem Rhabarberconfit à 12,- Euronen kamen ebenso reduziert daher. Zwei schöne kleine, leicht kross (mehliert) gegarte Rougetfilets, gerade noch saftig auf gut abgeschmecktem süß-saurem (grünem) Kompott. Einzig die avisierte Schärfe habe ich ein wenig vermisst. In Summe ein guter Start.
Bis zum Auftragen der Hauptspeisen verging erneut einige Zeit während der wir einige Nachbesserungsversuche am Nebentisch beobachten konnten. Genaue Details hab ich leider nicht mitbekommen, jedenfalls musste einer des Vierertisches recht lange auf sein Essen warten, während die drei Übrigen bereits fertig waren und lediglich zugucken durften. Bei einer Wein-Nachbestellung meinte unsere Kellnerin dann auch, dass heute so einiges schief gegangen sei. Passend dazu fand an der Bar anscheinend wiederholt so etwas wie Kriegsrat statt. Was aber wohl keine Auswirkungen hatte. Wurde der zweite Wein (Grauburgunder Oktav, Dr. Heger 0,25L à 9,50 Euronen, unauffällig, klassisch mild) noch recht schnell serviert, musste bis es weiter ging, ein gehöriges Maß an Geduld aufgebracht werden. Auch dieser Wein schien sich von selbst zu verflüchtigen und so bestellten wir ein weiteres Viertel. Dieses Mal sollte es ein Cuvée aus Chardonnay und Weißburgunder aus der Pfalz (Karl Pfaffmann, QbA für ebenfalls 9,50 Euronen, untypisch sauer und flach, Zitrusfrüchte) sein. Wie sich leider erst später beim Erhalt der Rechnung herausstellte hatte die Servicekraft lediglich Chardonnay verstanden und einen spanischen Wein (Inzolia und Chardonnay) serviert. Pech, aber fast erwartbar. Irgendwie war es wohl nicht der beste Tag und die Kellnerin anscheinend nicht wirklich geschult/informiert. Bei den aufgerufenen Kursen sollte man aber wenigstens Beratungskompetenz und Konzentration erwarten dürfen.
| Die Hauptgänge |
Das gebratene Kalbsfilet auf glasiertem Pak Choi und Möhrenpüree à 24,80 Euronen für Madame war auf den Punkt zartrosa gegart aber leider kaum gewürzt und von der Fleischmenge her sehr übersichtlich. Reichlich dazu gab es gedünstetes Pak Choi-Gemüse, dessen Glasur wir jedoch nicht ausmachen konnten, es wirkte eher wie mit Sahne angesetzt. Ebenso gut bemessen, ein schön abgeschmeckter Möhren-Stampf und eine kräftige Jus. Unterm Strich genau das Richtige für Madame.
Auf der Spargelkarte war ein halbes Pfund Spargel mit neuen Kartoffeln, wahlweise mit hausgemachter Sauce Hollandaise oder Nussbutter für 14,50 Euronen ausgelobt. Aufgewertet mit unterschiedlichen, klassischen Begleitern landet man dann schnell bei bis zu 35,- Euronen (Kalbsfilet) Gesamtpreis. Unter den Fischgerichten hatte ich auf der Haut gebratenes Barschfilet ausgemacht und gebeten dies zum Spargel zu reichen. Nach Rückversicherung wurde das auch zugesagt und ein Preis von 21,50 Euronen aufgerufen. Leider waren die beiden Filets ebenfalls mehliert und knusprig aber ziemlich trocken gegart, Spargel und Hollandaise (tatsächlich aus eigener Herstellung) so wie sie sein sollten, die neuen Kartoffeln mit reichlich Kräutern und Frühlingszwiebelringen sehr gut umgesetzt. Endlich mal keine langweiligen Kartoffeln.
Überwog bei den Vorspeisen noch das Licht, hatte bei den Hauptspeisen der Schatten merklich aufgeholt. Im Verhältnis würde ich sagen unentschieden. Eine Entscheidung erzwingen sollten dann…
| Die Nachspeisen |
Ein Mürbteig-Schokotörtchen mit Sprühsahne, einem anscheinend selbstgemachten Monster-Schoko-Crossie, einer mit Schokolade überzogener Physalis und einem Quenelle Orangen-quarkeis stellte die Latte Macchiato-Tarte mit Schoko-Crossies und Orangen-Topfeneis für 8,50 Euronen dar. Sehr intensive Canache trifft auf erfrischend-aromatisches Eis, eine gelungene Kombination der Rest wäre nicht nötig gewesen, irgendwie will man wohl den Preis rechtfertigen.
Die Hauptkomponente der gebrannten Cassiscrème mit einem Apfelduo à 8,- Euronen konnte leider nicht überzeugen. Leicht geronnen, daher etwas zu weich und mit nur wenig Cassisaroma kämpfte die crème brûlée gegen das kleine, aromatische Apfelkompott und das recht feste aber sehr gelungene Apfelsorbet, vergebens. Immerhin war die Zuckerkruste gut gelungen.
Im Fazit gebe ich mal ein freundliches Naja. Anscheinend ist die Ambition (mit Ausnahme bei der Preisgestaltung) dem Sternerestaurant des Betriebs vorbehalten. Es gibt gute Ansätze die aber wohl nur halbherzig umgesetzt werden. Im Servicebereich wäre IMHO eine bessere Schulung notwendig. Für zwei Vor-, Haupt- und Nachspeisen, eine Flasche stillen Wassers und drei Viertel Weißwein wurden 113,50 Euronen aufgerufen. Vergleichsweise im Rahmen, für das Gebotene jedoch überzogen.