"Wenn allzu wohlwollende Vorab-Berichterstattung und großspurige Eigenwerbung hohe Erwartungen befeuern: erstmalig zu Gast in der MAKU Weinbar am Ohligser Markt."
Geschrieben am 03.04.2022 2022-04-03 | Aktualisiert am 14.05.2022
"Namaste, Restaurant Spicy! Über ein gastronomisch leicht holpriges, menschlich dafür umso erfreulicheres First-Date."
Geschrieben am 10.01.2022 2022-01-10 | Aktualisiert am 16.01.2022
"Und ewig lockt der nachbarschaftliche Holzkohlegrill: über erhofft entspannte Momente im „Paketo-Gewitter“"
Geschrieben am 31.12.2021 2021-12-31 | Aktualisiert am 01.01.2022
"Gelungene Italien-Balkan Liaison im sympathischen kleinen Familienbetrieb"
Geschrieben am 12.12.2021 2021-12-12 | Aktualisiert am 13.12.2021
"Alle Jahre wieder lockt die Gans – über winterliche Behaglichkeit, herzliche Gastlichkeit und ansprechendes Küchenhandwerk"
Geschrieben am 29.11.2021 2021-11-29 | Aktualisiert am 04.12.2021
Montag: | Ruhetag |
Dienstag: | Ruhetag |
Mittwoch: | 18:00 - 00:00 Uhr |
Donnerstag: | 18:00 - 00:00 Uhr |
Freitag: | 18:00 - 03:00 Uhr |
Samstag: | 12:00 - 03:00 Uhr |
Sonntag: | 16:00 - 23:00 Uhr |
"Tapas – für Menschen mit Geduld, finanzieller Leidensfähigkeit und nicht allzu hohen Ansprüchen im Detail"
Geschrieben am 25.07.2021 2021-07-25 | Aktualisiert am 25.07.2021
"Warum in die Ferne schweifen? Über gepflegte, nachbarschaftliche Gutbürgerlichkeit in erfreulicher Tagesform…"
Geschrieben am 18.07.2021 2021-07-18 | Aktualisiert am 12.02.2022
Es gibt in Solingen Neueröffnungen, denen messe ich eher wenig Bedeutung bei, und dann gibt es wiederum hin und wieder Dinge, die mich aufhorchen lassen, weil sie dem Anschein nach durchaus das Potential haben, die Stadt in gastronomischer Hinsicht nachhaltig zu bereichern, mitunter gepaart mit Mut und einer Prise Idealismus.
Insofern freute ich mich sehr, als ich im letzten Jahr von den Plänen eines örtlich ansässigen Rechtsanwaltes erfuhr, der u.a. zusammen mit Patu Habacht, einem in der Stadt nicht unbekannten Koch mit unzweifelhaft vorzeigbaren Qualitäten und ebensolchem beruflichen Werdegang, vorhabe dem Mitte der 30er Jahre errichteten Pavillon auf dem Ohligser Markt neues, sehr ansprechend klingendes Leben in Form einer gepflegten Weinbar einzuhauchen.
Jener Anwalt ist auch treibende Kraft im Verein „Ohligser Jongens“, der es sich zum Ziel gesetzt hat, sich zum Wohle des nicht zuletzt durch die noch vergleichsweise intakte Fußgängerzone m.E. sehr lebenswerten Stadtteils einzusetzen.
Dieser umtriebige Verein wird zwar von manchen Solingern leicht abschätzig als elitärer Klüngel-Club belächelt, was ich jedoch als sehr einseitige, ätzende Lästerei empfinde. Geklüngelt wird schließlich in jeder Stadt und der Verein hat schon viel bewegt, auch weit über die Grenzen des Stadtteils hinaus, wenn ich mich bspw. an die Organisation von Fluthilfe im letzten Jahr erinnere.
Patu Habacht kennt man in der Region noch am ehesten aus seiner Zeit im weiland besternten Düsseldorfer Monkey`s West, das im Sommer 2013 leider aus kommerziellen Gründen die Pforten schließen musste.
In Solingen hat er sich jedoch vornehmlich mit der „Haasenmühle“, die er gemeinsam mit seiner Frau bis 2015 betrieb, in die Herzen so mancher zufriedener Stammgäste gekocht, vor allem das fair bepreiste Überraschungsmenü dürfte noch vielen in lebhafter Erinnerung sein.
Auch wenn dieses Haus mich bei meinem letzten Besuch in eben diesem Jahr maßlos enttäuschte – die Kritik ist hier auf GastroGuide leider nicht mehr zu finden, da der Eintrag des Restaurants nach der Schließung entfernt wurde und in 2019, nach der Neueröffnung frisch und jungfräulich angelegt wurde - konnte man hier unzweifelhaft grundsätzlich gut essen. Nur schien mir ein gewisser Hype dann doch zu übertrieben, für manche Gäste bzw. „Fans“ schien das Lokal so etwas zu sein wie das „Solinger Tantris“, aber vielleicht auch verständlich, schließlich ist die Stadt nicht unbedingt reich gesegnet in Sachen Gastronomie mit Anspruch.
Aber zurück in die Gegenwart: Die zusammen mit Sebastian Brodthäuser (Falstaff Sommelier des Jahres 2012 und gut beleumundeter Weinfachmann) entwickelte Weinkarte der MAKU Weinbar, so hörte man im letzten Jahr von Habacht, solle „die beste Weinkarte der ganzen Region sein“, man habe den Anspruch „gastronomisch Besonderes“ zu schaffen, das auch Gäste aus den Nachbarstädten anlocken solle; wahrlich kein demütiger Auftritt im Vorfeld der Eröffnung, selbst wenn Habacht seit jeher nicht unbedingt für Bescheidenheit bekannt ist, um es freundlich zu formulieren.
Das Ganze wurde und wird selbstredend redaktionell auffallend unreflektiert wohlwollend und regelmäßig in der Lokalpresse gewürdigt, lupenrein investigativ und garantiert klüngelfrei natürlich (…), aber wer würde solche Kanäle nicht nutzen, wenn sie ihm offenstehen.
NACHTRÄGLICHER HINWEIS ZU DEN ANGESPROCHENEN ARTIKELN & INTERVIEWS, EDITIERUNG VOM 8.5.2022:
Da der Name Patu Habacht in Kombination mit den Interviews in der Lokalpresse eine wesentliche Rolle spielten, was meine Erwartungen angeht, wies mich Herr Novakovic dieser Tage darauf hin, dass es neben den von mir zitierten Passagen auch durchaus bescheidenere Töne gab, in denen von „kalten und warmen Kleinigkeiten“ die Rede war, die man den Gästen bieten wolle.
Was ich allerdings viel entscheidender finde, als Zitat-Klaubereien: er sagte mir, diese Interviews fanden unter der festen Annahme statt, von Anfang an (die Sanierung verzögerte sich) die Möglichkeiten der Produktionsküche auf der Prinzenstraße nutzen zu können und kulinarisch / prozessual aus dem Vollen schöpfen zu können.
Momentan wird vieles in der privaten Habacht`schen Küche zubereitet und man versucht das Beste daraus zu machen, in Zukunft werde sich aber noch einiges tun (und man wolle auch vermehrt Specials bieten, die in der Tat bislang sehr gut aussahen, leider gab es am Tag meines Besuches keines).
Davon bin ich überzeugt, freue mich darauf, sehe die angesprochen Äußerungen in der Presse doch mit etwas anderen Augen und wäre mir das bekannt gewesen, hätte ich gewisse hier angesprochene Dinge zwar auch nicht besser resümiert, allerdings zwischen den Zeilen zumindest etwas anders eingeordnet.
ENDE EDITIERUNG
„Maku“ ist übrigens finnisch und bedeutet „Geschmack“, Habacht hat finnische Wurzeln und diese schlugen sich hier offenkundig nieder, eine sympathische Idee mit persönlicher Note abseits anstrengender Hipster-Klischees.
Nebenbei verantwortet der umtriebige Koch auch ein weiteres, von mir mit viel Vorfreude und Interesse beäugtes Projekt in Kooperation mit einem erfolgreichen örtlichen IT Unternehmer, der sympathischer Weise völlig abseits von Bits und Bytes ein großes Herz für Kulinarik wie auch den Standort Solingen besitzt.
Auf der Prinzenstraße wird ein neuer Anlauf in Sachen „Fine Dining“ gestartet, mit Millionenaufwand entsteht in einem denkmalgeschützten Industrieobjekt ein modernes Gastronomie-Konzept, gehobene Küche in ungezwungener, eleganter Loft-Atmosphäre.
Diesem Vorhaben wünsche ich schon jetzt alles erdenklich Gute, denn auch wenn Habacht nicht müde wird zu erwähnen, dass Solingen eben doch kein so schwieriges Pflaster für Gastronomie sei, denn schließlich gebe es hier „viele Gäste, die Bock auf einen schönen Abend mit leckerem Essen und guten Getränken haben“, kann ich dem nur bedingt zustimmen.
Unbestritten gibt es diese Gäste in Solingen, ansonsten wäre es nicht zu erklären, wie viele Solinger sich am Wochenende in Düsseldorf oder Köln tummeln, wenn ihnen bspw. der Sinn nach Kulinarik mit gewissem Anspruch steht.
Jedoch zeigte sich zuletzt mit dem – zugegeben etwas klassischer, wenn auch mitnichten steif oder langweilig ausgerichteten - Restaurant Pfaffenberg, bzw. dessen „Gourmet-Restaurant“ im Obergeschoss, dass gute Küche zu mehr als fairen Preisen in der Klingenstadt nicht unbedingt ein Selbstläufer sein muss.
Aber ich möchte nicht menetekeln, Habacht und sein Umfeld sind bestens vernetzt, die Weinbar wird seit ihrer Eröffnung im Dezember letzten Jahres am Wochenende überrannt und das im Sommer öffnende Restaurant soll sich wirtschaftlich nicht nur auf das abendliche à la carte Geschäft stützen, ich werde beizeiten berichten und freue mich darauf.
| endlich vor Ort am Markt |
Insofern fasste ich den überfälligen Besuch in der MAKU Weinbar auch ein wenig als Visitenkarte und Vorgeschmack auf das auf, was auf der Prinzenstraße entstehen würde und war gespannt, zumal ich noch vor wenigen Tagen ein äußerst verlockendes Foto eines Gastes zugeschickt bekam, dass ein grandios aussehendes Tatar nebst angegossenem Sud zeigte, ein Tages-Special.
Am vergangenen Freitag, dem Tag meines Besuches, waren die Temperaturen drastisch in den Keller gefallen und es schneite sogar leicht ab der Mittagszeit. Insofern war ich froh, bereits eine Woche vorher, als ich zufällig in Ohligs weilte, bei bestem Frühlingswetter ein paar Fotos des kleinen Pavillons gemacht zu haben, die die Stimmung am Markt sicher vorteilhafter eingefangen haben, als es vorgestern möglich war.
Das 1934 errichtete Gebäude diente vor vielen Jahren einmal als Pausenraum eines Taxi-Unternehmens, hernach gab es dort lange einen Kiosk bevor die letzte Station vor der umfassenden Sanierung schließlich ein Döner-Imbiss darstellte, von denen es in Solingen gefühlt mittlerweile mehr als Straßenlaternen geben dürfte.
Hell, aufgeräumt und freundlich präsentiert sich der kleine Gastraum, vielleicht einen Hauch spartanisch für den einen oder anderen Geschmack, man schien sichtlich bemüht zu sein, auf der sehr begrenzten Fläche die maximale Zahl von Sitzgelegenheiten zu schaffen.
Dass man dabei abends am Wochenende keine Scheu vor Tuchfühlung haben sollte, haben mir bereits mehrere Gäste anschaulich berichtet, teilweise fühlte man sich wie in einer Sardinenbüchse und schnell ist dann kein Durchkommen, zumal man hier auf Selbstbedienung setzt und sich seinen Wein an der Theke bestellt, wenn man sich denn seinen Weg bahnen konnte.
Aber das war am vergangenen, frostigen Freitagmittag kein Thema: eine Handvoll Gäste verteilte sich im Raum, eine Stundentin paukte mit ihrem iPad und freute sich an einer Kanne Tee nebst wunderhübscher Tasse, ein älterer Herr genoss sein Weinchen am Fenster zur Fußgängerzone, zwei gepflegte Damen in den besten Jahren pflegten ein vinophiles Kaffeekränzchen, im Hintergrund in angenehmer Lautstärke geschmackvolle urbane Beats, eine schöne Atmosphäre.
Zwei leger gekleidete junge Damen hinter der Theke begrüßten mich freundlich, Platz nehmen könne ich wo ich wolle, ich setzte mich auf die umlaufende Bank an einen der winzigen quadratischen Tische, direkt neben dem seitlichen Zugang zum Barbereich mit seiner ebenfalls winzigen Küche.
Die Frage, ob ich von der kleinen Karte auch mittags schon frei wählen könne, bejahte man offenherzig und motiviert, gepaart mit einer Empfehlung für das Roggenbrot mit Avocado.
Die Offerten als solches durchaus stimmig im Rahmen des Konzeptes, allerdings würde ich mir bei solch einem minimalistischen, produktfokussierten Angebot, doch eine exaktere Bezeichnung der Ware wünschen.
Ob man die Sardinen mittlerweile zumindest als „Vintage Sardinen“ bezeichnet, weil ich kürzlich bereits in Facebook kommentierte, dass ein Hinweis auf schöne Jahrgangsware auch angesichts des Preises doch sicher angebracht wäre falls zutreffend weiß ich nicht, zumindest bedankte man sich für die ausdrücklich konstruktiv gemeinte Anmerkung.
Aber gerade beim Schinken finde ich die reine Deklaration der Reifezeit doch etwas dünn, wer mit breiter sprachlicher Brust vorgibt das „Besondere“ bieten zu wollen, sollte das auch leben. „15 Monate gereift“ trifft auch bisweilen auf drittklassige Supermarktware zu, woher kommt der Schinken, was macht ihn aus?
Hier würde ich besten Serrano, eher noch reinrassigen Bellota erwarten, aber keinen 11,50€-Mystery Schinken, Gleiches gilt für den Käse und die nicht gerade scheu taxierten marinierten Oliven.
Aber gut, vielleicht muss man sich auch noch finden dachte ich, traf meine Auswahl und bestellte, wobei ein drolliger Satz fiel, der unvergessen bleiben wird.
Ich saß wie gesagt direkt neben der Bar, zum offiziellen „Bestellort“ vor dieser waren es Luftlinie keine zwei Meter und ich hatte in diesem Moment schlicht vergessen, dass man hier auf Selbstbedienung setzt. Daher hörte ich in freundlichem, leicht jovial-belehrendem Ton „Weil sie so „küchennah“ sitzen, habe ich eine Ausnahme gemacht, normalerweise bestellt man hier vorne an der Theke!“
„Küchennah???“ Tolles Wort, merke ich mir, aber in einem Raum der gefühlten Größe einer Standard-Garage dürfte per se doch jeder „küchennah“ sitzen, ich musste leicht schmunzeln und widmete mich der Weinkarte.
Diese durchgängig aus spontanvergorenen Bio-Weinen bestehende Karte überraschte durchaus mit spannenden Optionen abseits des Mainstreams, aber hatte man sich in derer Dimensionierung an das Gebäude angepasst?
Angesichts von lediglich fünf offenen Weißweinen -ich beziehe mich auf die Karte im Aushang vor Ort, auf der Website listet man komischerweise weit mehr - finde ich die Selbstdarstellung der „besten Weinkarte der Region“ doch sehr ambitioniert, es sei denn Herr Habacht definiert Ohligs als eigene Metropol-Region, dann ergäbe diese Aussage natürlich durchaus Sinn.
Ansonsten gibt es selbst in Solingen durchaus auch vereinzelt ansprechende Weinkarten, das Landhaus Sonneneck zum Beispiel empfand ich in dieser Hinsicht als recht überzeugend.
NACHTRÄGLICHER HINWEIS ZUR WEINKARTE, EDITIERUNG VOM 8.5.2022:
Hier kam es zu einer unglücklichen Verkettung von mehreren Dingen. Die Wandkarte zeigt in der Tat nur eine kleine Auswahl und ich kenne es aus vergleichbaren Weinbars so, dass die aktuellen, offenen Stamm-Optionen an der Wand hängen und es eine separate Flaschenweinkarte gibt.
Auf ergänzende offene Weine weist man in der Regel hin, aktiv im Gespräch oder mit Aufstellern auf der Bar oder weiteren Tafeln. Da ich explizit nach hochklassigem Lagen-Riesling fragte hätte ich erwartet, dass man mich auf ergänzende offene Weine hinweist, was allerdings nicht geschah.
Somit folgte ich der selbstbewusst vorgetragenen Empfehlung für einen Riesling von PJ Kühn und so, wie dies geschah, klang es eindeutig so, als ob dies die einzige Option war, die in einem kleinen Sortiment wenigstens etwas in die von mir erfragte Richtung ging.
Ich hatte somit wirklich keinen Grund für die Annahme, man würde mehr offene Weine bieten, als die kleine Wandkarte verkündet, auch lag keine Karte aus, obwohl ich mich umsah.
Es gibt allerdings noch weitere offene Optionen, ich hatte mich im Nachgang mit einem der Betreiber, Herrn Sascha Novakovic ausgetauscht.
Herr Novakovic hat sich die Mühe gemacht, die offenen Positionen zu zählen, man bietet aktuell 14 offene Weißweine, zwei Rosé, 12 Rotweine, vier Schaumweine, drei Portweine: insgesamt also 35 Posten, ergänzt durch eine kleine Flaschenkarte mit 14 Positionen.
Ganz andere „offene Dimensionen“ also und auch, wenn man sicherlich immer noch darüber streiten kann, ob dies zur „besten Weinkarte der Region“ reicht – je wie man „Region“ definiert - muss man hier eindeutig mal die Kirche im Dorf lassen.
Schließlich hat man hier wirklich nur begrenzten Platz zu Verfügung und ohne jetzt auf einzelne Weine eingehen zu wollen, ist die ansprechend kuratierte Karte in dieser Form wirklich mehr als bemerkenswert im örtlichen Kontext und damit meiner Meinung nach die in Solingen beste Weinkarte im Bereich der offenen Optionen.
Und da ich auch– neben der aufgrund der Karten-Konfusion bemängelten Sortimentsbreite –auch die gänzlich fehlende Jahrgangstiefe ansprach, die ich in einer Weinbar mit Anspruch erwarten würde, ließ mich Herr Novakovic wissen, dass man nun auch Positionen offeriert, die diese bieten; für mich nicht der entscheidendste Punkt aber große Klasse, dass man reagiert hat.
ENDE EDITIERUNG
Zu den erwarteten kräftigen Aromen meiner Speisen (s.u.) fragte ich nach einer Empfehlung und man bot wie aus der Pistole geschossen die offenkundige Allzweckwaffe des Hauses an, den Hauswein, einen Weißburgunder aus der Pfalz.
Ich erwiderte, ein Weißburgunder sei mir doch etwas zu filigran zu meinen Speisen, was man verstand aber im Bereich Weißwein war man etwas ratlos, ich erkundigte mich nach gereiftem, extraktreichen Lagen-Riesling.
So etwas habe man nicht im Sortiment, allerdings eine offene Flasche Riesling von Peter Jakob Kühn, der zumindest etwas Holz gesehen hat und etwas Fülle versprach.
Da ich mittags normalerweise nie Alkohol trinke, es sei denn in Ausnahmefällen im Urlaub wenn ich nicht mehr fahren muss, fragte ich, ob ich ein 0,1l Glas bekommen könne.
Die Antwort überraschte: es gibt weder 0,1l noch 0,2l sondern nur 0,15l, was dazu führte, dass ich ein gutes Drittel des Glases nicht trank. Denn auch die vergleichsweise geringe Menge Alkohol am Mittag war zu spüren, für ähnlich veranlagte Autofahrer eine unglückliche Unflexibilität wie ich meine.
Zudem kommt, dass die ohnehin nicht zurückhaltend kalkulierten Weine preislich noch strammer daherkommen, verglichen mit dem gängigen 0,2l Standard.
Den Wein holte ich mir brav an der Theke hab und nippte am wohltemperierten, verlässlichen VDP.Gutswein von einem der wohl bekanntesten VDP Weingüter des Rheingaus.
Routiniert bereitete man zu meiner Linken meine Gerichte zu und ich schaute mir das interessiert an, auf einer kleinen Induktionsplatte brutzelte man Pimientos und huch, was war das, aus dem Kühlschrank tauchte ein kleiner Stapel vorgefertigtes Carpaccio auf, in Plastik, so wie man es aus der Metro kennt oder auch von Block House im guten Supermarkt.
Das Ganze wird dann nur auf den Teller gelegt, die Folie vorsichtig entfernt und schon liegt es da, das fleischige Fundament für alles, was man noch obenauf anstellen möchte.
Naiv-gutgläubig wie ich bin dachte ich, „ach, das haben sie vielleicht in einer Produktionsküche vorkonfektioniert!“ aber dazu gleich mehr…
Kurz darauf wurde dann serviert, was aufgrund des Mini-Tischchens leichter gesagt als getan war, aber mit ein wenig Teller-Tetris gelang auch das mit vereinten Kräften….
| zur Kulinarik |
"hausgemachtes" Brot & Öl – 2,50 €
Eine zu diesem Preis sehr großzügige Portion zweier Brote wurde serviert, ein recht unspektakuläres Roggenmischbrot sowie ein mir besser gefallenes Oliven-Ciabatta. Das Brot wurde leicht erwärmt, wobei die Roggenvariante de facto gar keine Wärme abbekommen hatte und bei der Ciabatta nur eine Seite der außen liegenden Scheiben.
Das Öl italienischer Provenienz gefiel mir gut, etwas zu gefällig für eingefleischte Olivenöl-Fans vielleicht aber rund und aromatisch ohne Experimente zu machen, der Deutsche Gaumen missbilligt ja gerne bittere Noten beim Olivenöl.
Nur der Umgang mit dem Wort „hausgemacht“ in der Karte (s. Foto) wunderte mich doch sehr, denn auf Nachfrage gab man unverblümt und mit jugendlicher Selbstverständlichkeit zu, das sei zugekaufte Ware.
Ich merkte an, dass mich das sehr überraschte und hörte „Es ist ja auch teilweise hausgemacht, wir machen es ja hier warm!“.
Ich glaube, mein Blick sagte alles und wie mehrfach bei diesem Besuch verwies man auf die großen Pläne auf der Prinzenstraße, „da haben wir dann auch eine eigene Backstube!“ berichtete man euphorisch.
Das ist ja sehr schön, trotzdem reden wir ja nicht über ungelegte Eier sondern über eine momentane Karte mit entsprechenden Versprechen.
Normalerweise bin ich kein Haarspalter, verzeihe auch fast jeder preiswerten Pizzeria ihre „Pizza Scampi“ so zu nennen, selbst wenn sich in die gesamte Küche noch nie echter Kaisergranat verirrt hat.
Da fühlt man sich doch in die Irre geführt, ich wollte wissen, ob ich mit dieser Meinung alleine dastehe und habe am Freitag kurzentschlossen eine kleine Umfrage gestartet, ich denke das Ergebnis spricht für sich:
Da es schlecht lesbar ist: von über 260 abgegebenen Stimmen votierten über 95% dafür, dass die Bezeichnung hausgemacht für sie bedeutet, dass das Brot im Restaurant hergestellt ist. Von A-Z, also kein Aufbacken, kein ledigliches Aufwärmen etc.
EDITIERUNG IN SACHEN BROT:
Die Karte wurde textlich als Reaktion auf diese Kritik umgehend geändert und die Bezeichnung "hausgemacht" ersatzlos gestrichen.
Pimientos de Padrón – 5,50 €
Sehr sehr schön! Fast durchgängig perfekt gebraten, so müssen Pimientos aussehen, nur die sehr großen Exemplare waren mir noch etwas zu al dente und ein wenig mehr Öl hätte die Pfanne sehen dürfen.
Ansonsten gab es bei diesem puristischen Tapas-Klassiker wirklich nichts zu meckern, gute, frische, aromatische Ware und auch die Portionsgröße war wie schon beim Brot ausnehmend großzügig.
Nur die geviertelte Limette bereicherte lediglich optisch, Limettensaft und die Bitterkeit der Paprika harmonieren zumindest in meiner Welt nicht wirklich, da ich das so noch nie kombiniert sah, probierte ich neugierig zwei Schoten damit zu beträufeln und beließ es dabei.
Würde ich hier jederzeit wieder bestellen, wunderbar auch die Salzmenge, dazu etwas Brot und Aioli und etwas Schinken und man hat einen schönen Feierabend-Snack bzw. ein leichtes Abendbrot.
„Hauchdünnes vom Rind“ – 12 €
2019 Jacobus, Riesling, Weingut Peter Jakob Kühn, Oestrich-Winkel, Rheingau 0,15l zu 8,00€
Hinsichtlich der prallen Selbstdarstellung war ich angesichts der reduzierten Bezeichnung in der Karte, mit gepflegten vertikalen Trennern versehen, doch neugierig, man liest:
Hauchdünnes vom Rind
Staudensellerie | Bergkäse | Trüffelmayo
Ist das nur eine reine Aufzählung von unverarbeiteten Komponenten und damit stilistische Augenwischerei in Sachen „schicke Karte die optisch was hermacht“ oder vielleicht doch ein Hinweis auf etwas mehr Raffinesse in der Rezeptur?
Leider nicht, als der Teller kam schwitzte das hauchdünne, blässliche Fleisch noch seine Kühlschrank-Kälte aus, obenauf ein fein gehobelter, milder „Bergkäse“, der geschmacklich auch als Butterkäse durchgehen würde, und drei Kleckse Trüffelmayo.
Ich probierte zunächst Fleisch mit etwas Käse und Mayo, gut gefiel mir die beherzte Würzung des Fleisches mit einem Pfeffermix und Fleur de sel, was aber auch nötig war, da es solo, bedingt durch Temperatur und eher unauffällige Qualität fast geschmacksneutral war, wie ich später feststellte.
Die Mayo dabei sehr intensiv, da war der eine oder andere Schuss Trüffelöl mit im Spiel, war aber noch im Rahmen des Erträglichen.
Was man auf dem Foto allerdings nicht sieht und was das Gericht für mich beinahe vollständig ruinierte: Unter dem Käse befanden sich im Verhältnis zur Menge der restlichen Komponenten geradezu Unmengen von dicken, halbierten und dabei grenzwertig rustikal gearbeiteten (Kettensäge?) Ringen von rohem Staudensellerie.
Ich habe nur wenige davon probiert in Kombination mit allem was der Teller hergab, aber wenn man das tat, hatte man auf dem Gaumen lediglich einen Mix aus den herben, bitteren Sellerienoten und der penetranten Trüffelnote der Mayo, alles andere ging sang- und klanglos unter.
80% des Selleries schob ich an die Seite und als ich das Foto gestern einem Freund zeigte schaute er mich an und sagte nur „Sellerie? Da drin? Warum?“. Kann man so stehen lassen in dieser Ausführung des Gerichtes.
Der begleitende, spontan vergorene, mineralisch-fruchtige Riesling von Kühn mit solidem Säuregerüst zwar doch etwas zu leicht und frisch unter dem Strich was aber vornehmlich an den erdigen Trüffelnoten lag, für sich genommen aber ein blitzsauber produzierter Qualitätswein in gewohnter Kühn-Qualität.
Beim Abräumen plauderte ich noch ein wenig mit der netten, fleißigen Küchenfee, sie erzählte sie komme aus einem kleinen Ort im Sauerland (oder war es die Eifel?) und wie sich die Anfänge in Solingen für sie anfühlten. Eine durch und durch sympathische Person und gottlob erdverbunden und nicht im Ansatz schnöselig, was angesichts von Teilen der nicht gerade bedürftigen Ohligser Kundschaft auch hoffentlich so bleiben wird.
Ich fragte vorsichtig nach dem „Convenience Status“ des Carpaccios, ob man dies so wie von mir gesehen fertig kauft oder das Fleisch wider Erwarten vielleicht doch selbst vorkonfektioniert, denn bevor ich Mist behaupte möchte ich auf Nummer sicher gehen!
Auch hier wieder eine klare Antwort: „Nein, das bekommen wir so geliefert! AAABER auf der Prinzenstraße da haben wir ja bald ganz andere Möglichkeiten…“
Seufz, mag ja sein, aber mittlerweile war mir das dann doch einen Hauch zu viel Hypothek auf die nahe Zukunft wenn ich ehrlich sein soll. Und ja, viele machen das mit dem Carpaccio, sicher auch das ein oder andere Haus, dem man das eigentlich nicht zutrauen würde. Aber wer vorab medial dermaßen – Pardon – „auf die Kacke haut“ und das „gastronomisch Besondere“ anbieten möchte, sollte mehr Ansprüche an sich selbst haben, alles andere riecht nach faden Lippenbekenntnissen.
Bezahlt hatte ich bereits vorab, weil man darum bat als ich meinen Wein in Empfang nahm, das scheint hier so Usus zu sein.
Kurz bevor ich aufbrach, platzte noch ein beliebter Solinger Gastronom mit seiner Gattin rein, den Herrn hatte ich auch schon heimgesucht und hier rezensiert, wir freuten uns und plauderten noch ein wenig.
Unter dem Strich also doch auf ihre Weise eine sehr angenehme Mittagspause, die jungen Damen verabschiedeten sich ebenso freundlich wie sie mich begrüßt hatten und ich kämpfte mich durch den eisigen „Blizzard“, der Ohligs gerade verwüstete, zurück zu meinem Vehikel auf der Talstraße.
Fazit
Ich bin angesichts dessen, was man vorab propagierte nicht glücklich mit dem, was man geboten hat und komme vor diesem Hintergrund auf 2,5 Sterne für die Küche: Fertig gekauftes „Hausgemachtes Brot“, das nur im Ofen kurz erwärmt wird, fertiges Carpaccio wie man es aus der Metro kennt, lieblos verarbeitetes Gemüse, mitunter geschmacklich fragwürdige Kombinationen (Limette, Sellerie-Klumpen).
Da geht sicher noch mehr und ohne die wirklich guten Pimientos wäre ich noch deutlicher geworden, sehr schade, dass das am Rande erwähnte Tatar nur ein Tages-Special war, dem Anschein nach hatte es das Potential genau die Erwartungen zu erfüllen, die vorab bei mir geweckt wurden.
Das Ambiente gefiel mir grundsätzlich gut, vier Sterne für das, was man hier möglich gemacht hat, an einem überfüllten Abend könnte ich mir auch vorstellen, ein Minus vor die vier zu schreiben, das muss man dann doch mögen.
Den Service kann man vor dem Hintergrund der Selbstbedienung normalerweise nicht bewerten, allerdings bekam ich mein Essen serviert und auch die Bestellung geschah am Tisch, vier Sterne für den sympathischen und vor allem ehrlichen Eindruck.
Bei Preis-Leistung bin ich hin und her gerissen, die Weine zum Teil sehr sportlich (der LEH Flaschenpreis meines Weines liegt brutto bei ca. 12 Euro), Dinge wie Brot und Pimientos fair kalkuliert, in Summe akzeptable drei Sterne.
Ich werde hier dennoch definitiv nochmal aufschlagen und kann verstehen, warum Ohligs sich sehr über das neue erweiterte Wohnzimmer freut, für einen abendlichen Schoppen mit Freunden in netter Atmosphäre ist das Lokal sicher eine willkommene Bereicherung und Empfehlung.
Was allerdings jemand, der die Kulinarik im Fokus hat, vor dem Hintergrund der geweckten Erwartungen an diesem Tag von dem Gebotenen hielt (und auch solche Zeitgenossen sind ja zweifellos Zielgruppe, nicht nur die abendliche trinkfreudige Runde), habe ich für meine Begriffe fair transportiert und habe mich mit unangebrachtem Sarkasmus weitgehend zurückgehalten.
Denn darauf lege ich viel Wert, denn Motzen um des Motzen Willen ist durchaus auch eine hiesige Stärke und damit möchte ich mich nicht gemein machen.
Insofern hoffe ich, dass man sich in seinen Ambitionen noch entwickelt, seine eigenen Versprechen hält - bzw. sich derer erinnert, Denn es wäre mehr als bedauerlich, wenn man sich lediglich auf dem jetzigen, massiven Zulauf der örtlichen Bussi-Bussi-Klientel ausruht und sein Ziel damit schon erreicht sieht.
Das wäre dann mittelfristig die eigentlich größte Enttäuschung, denn dass man Potential hat, nicht zuletzt durch Patu Habacht als führenden Kopf, ist unbestritten!