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Der äußerliche Eindruck ließ mich trotz der einladenden Beleuchtung stutzen
Nicht etwa wegen der Verkleidung des geschwungenen Baukörpers mit Stahlblechschindeln, bei dem sich wahlweise Gedanken an ein UFO, ein U-Boot oder einen amerikanischen Diner der 50er Jahre aufdrängten. Aber im Netz hatte das Innere doch viel größer ausgesehen? TARDIS-Technologie etwa? Das Geheimnis lüftete sich nach dem Eintreten: Ein Teil des Restaurants befindet sich unterirdisch in den Kasematten des Felsen, die ursprünglich zu einer Bahnlinie in den Hafen gehörten. Auf dem gleichen Niveau auch die Terrasse direkt am Fluss, die einen Besuch bei schönem Wetter fast erzwingt. Aber auch drinnen gibt es sehr schöne Fensterplätze. Um die Höhe des oberirdischen Aufbaus auszugleichen, ist hier die Decke abgehängt. Aus meiner Sicht etwas schade. Allerdings machte sich die geräuschdämmende Wirkung positiv bemerkbar, als sich das Culinaria komplett füllte.
Der Raum wirkte ein wenig vollgestellt und unaufgeräumt
Kinderspielzeug (löblich), Kuchenkühlschrank, viele Gläser auf der Theke und dem Hängetisch an der Mittelsäule, Serviettenstapel, eine einsame Grünpflanze, noch ein Kühlschrank usw. Das passt nicht recht zum angesagten Industrial Design mit blanken Holztischen auf rohen Metallgestellen, schlichtem Steinfußboden und den allgegenwärtigen großen „Glühbirnen“. Auch die Bestuhlung etwas unentschlossen. Während die gepolsterten, mit Velours bezogenen Exemplare jedenfalls in der besessenen Club-Ausführung sehr bequem sind, scheinen die Hochstühle direkt aus dem örtlichen Folterkeller übernommen worden zu sein. Wer zwingt Menschen auf sowas? Und warum bloß?
Alles in allem: Design vs. Realität. Ausgang Geschmacksache. Ungemütlich war’s aber nicht.
Der Toilettenbereich ist in einem der Tunnel eingebaut, modern und sauber. Allerdings funktionierte der Handtuchspender nicht, das ist blöd, wenn man mit tropfenden Händen davor steht.
Auf den Tischen herrschte Klarheit. Schickes schwarzes Besteck von Comas
Wasser- und Weinglas, Frottee-Serviette. Künstliches Teelicht. In die Tische war Glas eingelassen, so dass man in die massiven Holzplatten schauen konnte
Mal was anderes.
Gleich nach dem Eintreten wurde ich von einer jüngeren Dame in weißer Bluse und grauer Weste bemerkt und etwas burschikos begrüßt. Aber das war nicht böse gemeint, so ist hier in Magdeburg auch in der gehobenen Gastronomie der Ton eben, wie ich aus persönlicher Erfahrung inzwischen weiß. Immerhin bedauerte sie, mir nur einen kleinen Tisch mitten im Raum anbieten zu können. Ach nee, dann doch lieber an die Theke, denke ich, und erklimme den Folterstuhl.
Unterstützt wird die Restaurantleiterin, die einen guten Job macht, von drei jungen Menschen in schwarz. Alle sind nicht vom Fach und haben noch recht große Lücken, aber sie sind freundlich und willig, wenn man klare Ansagen macht. Erklärt vielleicht auch die resolute Art der Chefin. Später kommen wir in ein nettes Gespräch.
Von meinem Hochsitz schaute ich in eine gut gefüllte Bar
Was aber nur für die Menge, nicht für die Auswahl galt. Mit Müh‘ und Not fand sich ein Crodino, das mit Soda aufgespritzt und mit viel Orange und frischer Minze gepimpt, doch einen recht vernünftigen Auftakt in die alkoholfreie Zeit darstellte (5€). Leider das Letzte seiner Art, im Nachgang ging ich auf Johannisbeersaft und Wasser (je 2,9€) zum selber Mixen über. Eis und weitere Minze gab’s auf Nachfrage auch noch.
Eine Woche vorher hätte ich auf der Weinkarte einen recht kompletten Streifzug durch die italienischen Anbaugebiete machen können, bis hin zu drei Super-Toskanern. Dazu nur vereinzelte Flaschen aus Deutschland, Österreich und Spanien. Etwas seltsam und sicher durch den bisherigen kulinarischen Schwerpunkt der Inhaber bestimmt. (Ihnen gehört auch das Sapori d’Italia, Feinkostladen nebst kleinem Bistro im Einkaufszentrum Allee-Center. Neugierig bin ich dort am folgenden Mittag eingekehrt und war sehr zufrieden!)
Kaum stand der Aperitif vor mir, verabschiedeten sich in meinem Rücken die Gesellschaft von Geschäftsleuten, die bis dato den schönsten Tisch des Ladens besetzt hatte. Ein runder Achter in einer etwas „lauschiger“ eingerichteten Ecke
Mir wurde sofort ein Umzug angeboten. Holla, das war mutig, auch wenn sich Gruppen meist anmelden. Vielleicht stand auch der Wunsch Pate, das gelegentlich ungelenke Treiben hinter dem Tresen meinen wachsamen Blicken zu entziehen? Man sieht mir ja mein tibetanisches Wohlwollen nicht gleich an... Egal, von meinem Clubsesselchen gemütlich umfangen, residierte ich hinter dem mächtigen Möbel wie Graf Koks von der Gasanstalt und widmete mich der angenehm übersichtlichen Karte, die leider kein Menü enthielt:
Geflämmtes Rinderfilet Pflücksalat Balsamico Getrocknete Tomaten (11,5€)
Pappardelle mit Trüffeln (13,5€)
Ferkelbauch Rote Linsen Röstzwiebel Chorizo (18,5€)
Gebackener Bergkäse „Cranberry‘s“ (Stöhn!) Walnuss Knäckebrot (12,5€)
Für das auf dem Teller Gebotene ein gutes PLV, das dem örtlich üblichen entsprach.
Aus der Küche kam zunächst frisches, knuspriges Weißbrot mit einer schmackigen tomatisierten Kräutercreme
Mehr als o.k. Kein weiterer Gruß.
Der erste Gang konnte überraschen
Ganz ungewöhnlich für das edle Stück war das Filet mit dem Steaker auf Handgröße flachgeklopft
und dann geflämmt worden. Dadurch natürlich etwas erwärmt, extrem weich und mit kräftiger Rauchnote. Im Mund der nächste Überraschungseffekt: Was ich beim Hinsehen für Salzflocken hielt, war eine ganz leicht karamellisierte Zuckerkruste. Dieser Teufelskerl in der Küche! Süße und Grillaroma geht natürlich immer. Genauso der Balsamico, der mit Parmesan und getrockneten Tomaten das Bouquet aus Frisee, Radicchio und Feldsalat begleitete. Das war mal mit eigentlich einfachen Mitteln ein wirklich ambitionierter Auftakt!
Als Zwischengang hatte ich mich für die Tagesempfehlung Pappardelle mit Trüffel entschieden
Die eventuell selbst gemachten, breiten Bandnudeln hatte einen schönen Biss und kamen mit einer großen Menge gehobelter Trüffel an den Tisch. Dementsprechend ein kräftiger Duft. Aber wie so oft, ergab sich daraus so gut wie kein Geschmack. Um so stärker vom reichlich verwendeten Trüffelöl. Es war kein schlechter Teller, zu dem ein frittiertes Blatt Salbei ebenso passte, wie angeschwitzte rote Zwiebeln und Knoblauchwürfel. Trotzdem: Den Preis etwas hoch gesetzt und deutlich weniger, aber dafür Perigord-Trüffel - das wäre schon eine andere Klasse gewesen.
Der Teller des Hauptgangs war ordentlich gefüllt
Ferkelbauch aus dem Ofen, Linsen, Röstzwiebeln, viele scharf angebratene Chorizo-Stücke und noch Pastinakenschaum. Das gebackene Schweinefleisch sah wunderbar aus, hatte aber auch Schwächen. Sehr dunkle, resche Kruste, die teilweise schon hart geworden war (immerhin besser als weich). Saftig, aber die Fleischschicht zum Rand hin eher trocken. Die vielen Beilagen rissen es nicht wirklich raus. Am Besten ohne Frage das rauchig-süße, sehr intensive Mus von Röstzwiebeln. Daher war der ebenfalls süße Pastinakenschaum verzichtbar, zumal er gegen die kräftigen Aromen kaum durchschmeckte. Die Linsen eher trocken und bis auf etwas Rosmarin kaum merkbar gewürzt. Langweilig. Eigentliches Problem die „scharfe spanische Wurst“, die vor allem so salzig war, dass sie alles überdeckte. Mir reichte eine Scheibe in kleinen Stückchen völlig, trotzdem bestellte ich noch ein Wasser. Schade, die Erwartungen nicht ganz erfüllt.
Der Abschluss dann wieder sehr zufriedenstellend
Eigentlich stand der Bergkäse als Vorspeise auf der Karte, aber einem Käse zum Ende eines Menüs kann ich ja nicht widerstehen, erst recht nicht warm.
Behutsam im Ofen gebacken, eine schöne weiche Konsistenz, aber noch in Form. Das kräftige Aroma konnte die intensive Frucht der vielen Cranberries gut ausbalancieren. Walnüsse zum Beißen, angeröstet, ganz prima! Als Unterlage fungierte selbst gemachtes dickes Knäckebrot, das mir mit mediterranen Kräutern im geschmacksstarken Teig gut gefiel. Ein versöhnlicher Abschluss.
Fazit:
Die Küche versteht ihr Handwerk und hat Anspruch. Wie auch im Restaurant selbst, war aber einiges unordentlich ausgeführt, nicht ausbalanciert. Das ist schade, denn der Abend hat mir Spaß gemacht. Das Culinaria ziehe ich gern für einen Wiederholungsbesuch in Erwägung.