"Ein neues Niveau!"
Geschrieben am 16.10.2020 2020-10-16 | Aktualisiert am 16.10.2020
"Typischer, solider Japaner"
Geschrieben am 10.10.2020 2020-10-10
"Lieblingscafé um die Ecke"
Geschrieben am 12.07.2020 2020-07-12 | Aktualisiert am 12.07.2020
"Weiter nach oben!"
Geschrieben am 21.05.2020 2020-05-21 | Aktualisiert am 18.08.2022
Während im Alten Umspannwerk in Halle leider die Gourmet-Lichter verloschen sind (immerhin nun ein anscheinend gehobener Italiener) konnte in Sachsen-Anhalts Hauptstadt schon Denny Mette im High Kitchen eine (zugängliche) Gourmet-Küche etablieren. Nun hat auch Sebastian Hadrys seiner (schon bisher qualitativ überzeugenden) Landhausküche einen Kreativ-Boost verpasst.
So das sehr zufriedene Fazit bei meinem Besuch nach Aufhebung des (ersten?) Lockdowns.
Die Temperaturen Anfang Juni waren angenehm, so dass ich zu Beginn des Menüs noch auf der Terrasse mit Blick in den gepflegten Garten saß.
Nach Sonnenuntergang wurde es kühler und ich wechselte in den eleganten Gastraum.
Den Fotos tat es nicht sehr gut.
An mir vorbei mussten Restaurantleiterin Frau Ebeling und eine auch schon länger im Haus beschäftigte Kollegin ordentlich flitzen, denn nach der Wiedereröffnung hatten die Magdeburger ordentlich Lust auf gutes Essen. Knapp 40 Couverts am Dienstagabend belegten dies, zum Teil durch eine Familiengesellschaft, bei deren Versorgung die Küche ab und an mithelfen musste.
Auch das Amuse wurde von einem jungen Koch(-Azubi?) eingesetzt und sehr engagiert erläutert.
Die Küche hatte einen Grillteller ironisiert: Im Glas wurde auf einer Süßkartoffelcrème Pulled Pork und ein BBQ-Schaum auf der Basis einer Sauce Hollandaise geschichtet. Röstzwiebeln sorgten für Crunch.
Das kam unspektakulär daher, bot aber ein durch und durch süffiges Vergnügen, das sich von süß über würzig zu pikant entwickelte. Yee-haw!
Ein feiner Aufschlag für das (fast) einzige Menü, das nunmehr 3 bis 8 Gänge (von 37€ - der Bib Gourmand lässt grüßen - bis zu kaum glaublichen 62€!) umfasst. Welch ein Labsal für Küche und entscheidungsschwachen Gast, der früher zwischen drei, manchmal vier verschiedenen umfangreichen Menüs wählen „musste“. Nur das bodenständige, dreigängige Küchenmenü (35€) hat überlebt und bietet eben auch denjenigen Gästen einen Zugang zum Hadrys, die sich eher über Altbewährtes, aber auf perfektem Niveau freuen.
Da mich der Appetitanreger neugierig gemacht hatte, entschied ich mich für 6 Gänge, ohne Dessert und den Sattmacher Spargelrisotto mit Garnele. Zusätzlich aber den außer Konkurrenz angebotenen Käsereigen. In großer Ausführung. Natürlich.
Bei der Weinauswahl wurde es dagegen schwieriger, viel schwieriger. Zum einen, weil ich noch keine QR-Code-App installiert hatte und mich dabei so blöd anstellte, dass Frau Ebeling schließlich ein Einsehen hatte und die doch recht umfangreiche Karte auf ihrem Knie balancierend Seite um Seite für mich durchblätterte. Die Blicke der anderen Gäste fand ich etwas demütigend. Zum anderen, weil scheinbar auch bei der Preisgestaltung ein Umbruch stattfindet. Ein Teil der Flaschen noch mit dem gewohnten Faktor 2 bis 3 (gemessen am Internet-VK-Preis) bepreist. Allerdings auch ein Fläschchen Alsace blanc von Marcel Deiss, das auch beim dritten googeln mit dem acht- bis neunfachen stehen blieb. Meine Service-Fee zuckte mit den Schultern; ich stieg auf einen Gutswein von Nic Weis um,
der auch (über)teuer, aber eben doch bezahlbar in der Mitte dieser Extreme lag.
Die aufgewühlten Nerven mit einem wie stets mustergültig gekühlten weißen Port (Rozes, 5€) beruhigt, freute ich mich über die Brotauswahl und besonders darüber, dass immer noch das wunderbare, sehr dünne Knäckebrot dabei war.
An den Körnern scheiden sich hier die Geister, über den wunderbaren Knusper kann es eigentlich keine zwei Meinungen geben. Das im Haus gebackene Ciabatta hatte eher Luft noch oben, bildete aber eine gute Grundlage für einen cremig-leichten Hummus in Kurkumagelb und mit feiner, aber klarer Ingwerschärfe.
Der nächste Spaßmacher des Abends.
Das wie auch immer veredelte „Landhauswasser“ wird mit 3,8€ berechnet.
Der Menüstart nahm das Amuse-Thema auf und kombinierte optisch sehr routiniert superzartes Roastbeef mit BBQ-Sauce, Wasabi-Frischkäse, eingelegten Schalotten, angebratenem Spargel und Gurke.
Das sah klasse aus und bot natürlich ein Potpourri von Geschmäckern. Mir war das allerdings zu unentschieden zwischen Texas und Spreewald. Zumal der Käse den als TNT angekündigten Asia-Meerrettich weitgehend entschärfte. Und was war die Idee hinter dem Spargel? Trotzdem ein Teller, der einen neuen Anspruch formulierte.
Im folgenden Gang regierte erstmals Erbse, in Form einer aufgeschäumten, optisch wie geschmacklich gefallenden Zuckerschotensuppe.
Zuvor war die Einlage mit einem würzigen Kräuter- und Blütenbukett, einer kräftig angebratenen, untadeligen Jakobsmuschel und einer Sahnerose im Teller präsentiert worden.
Ein schöner, konzentrierter Frühsommer-Gruß!
Noch klarer die folgende Nordische Kombination: Statt Skisprung und Langlauf Eismeerforelle, Erbsen und Kohlrabi.
Der Fisch war in Gewürzbutter confiert worden und etwas weicher im Fleisch als erwartet. Dafür lieferten dünne Kohlrabi- und Radieschen-Scheiben einen schönen Knack, ebenso die nur kurz gekochten Erbsen.
Das Ensemble wurde durch einen Buttermilchsud mit etwas Zitronenabrieb wunderbar säuerlich frisch ergänzt. Roten Knusper konnte ich geschmacklich nicht bestimmen; vielleicht Hibiskus?
Egal: Das war frisch, kühl, auf den Punkt - begeisternd!
Einzige kleine Schwäche: Die Kohlrabi-Röllchen waren zu lang, um sie auf dem Löffel sicher und würdevoll in den Mund zu bekommen. Und in der hohen Schale mit rundem Boden schlecht zu schneiden. Aber irgendwas ist ja immer...;-)
Der nächste farblich tolle Teller brachte eine vegetarische Liaison von Karotten in verschiedenen Texturen, Pilzen, crispy Quinoa und Liebstöckel (Nicht zu viel - bevor gleich wieder ein Mimimi der Münsteraner Gang kommt...).
Später wurde noch ein süffiger Pilzsud angegossen. Hier ging die Küche schon kräftiger an die Aromen heran. Süße, Umami und zuletzt sogar etwas Schärfe wechselten ebenso am Gaumen wie die Festigkeit der Komponenten. Ein fleischloser Gang zum Wohlfühlen.
Erfreulich, dass nicht alles im Landhaus auf links gedreht wurde: Die gute alte Sitte der Sorbet-Erfrischung wurde beibehalten. Und ebenso, dass Sebastian Hadrys sich dabei von Cocktails inspirieren lässt. Das kräftige Rhabarbersorbet mit eindeutigem Gin-Tonic-Schaum brachte die Papillen in Wallung.
Auch das Eis selbst old-school: Statt Pacojet-Cremigkeit noch leichtes Knirschen, aber natürlich keine unangenehm spitzen Eiskristalle. Passte schon.
Eigentlich als Pre-Dessert gedacht, war ein Vorziehen vor dem Fleischgang kein Problem.
Der als Surf‘n‘turf angekündigt war und mich deshalb etwas rätseln ließ: Nun gut, die zwei prächtigen Tranchen Rehrücken waren nicht zu übersehen. Und nicht zu überschmecken, deutlich „wild“, war das sous vide gegarte und nachgebratene Fleisch mit seiner Jus.
Aber wo war die Meereskomponente? Erst beim Anschneiden bemerkte ich, dass der scharf gewürzte Bulgur nicht in einer aufgeschnittenen Nudeltasche steckte, sondern in zartem Tintenfisch!
Gelungene Überraschung. Auch schön, dass die orientalische Weizenspezialität noch etwas körnig geblieben war, denn für die Cremigkeit war eine himmlische Kartoffelmousseline zuständig, zusammen mit einer schmackigen Bèarnaise. Dritter im annoncierten Bunde war der wilde Brokkoli, der aber für mich den Beilagenwettkampf gegen die Paprikavariationen (Intensiver Schaum vom süßen gelben, Crumble und Schwamm in rot) verlor. Und zum Knabbern noch ein Kräuter-Biskuit. Handwerklich und am Gaumen alles erste Sahne, höchstens wieder ein wenig viel Leistungsschau. ABER: Wenn man sein Konzept umstellt, muss Ausprobieren erlaubt sein! Und auf diesem Niveau sehr, sehr gerne!
Höchst zufrieden durfte ich mich an der abschließenden Käseauswahl (19€) laben,
die auf meine fast schon flehentliche Bitte tatsächlich rechtzeitig aus der Kühlung kam.
Was der Chaource deutlich bewies.
Von den Kompagnons konnte ein endlich mal gereifter St. Maure gefallen, während der Comté noch recht jung war. Reblochon und ein durch Ingwer aromatisierter Kuhmilch-Hartkäse vervollständigten den Reigen. Feigensenf, Kapernäpfel und Brot an der Seitenlinie.
Den Termin am Folgetag fest im Blick entsagte ich weiterem Alkohol und tröstete mich mit einer roten Cuvée von Jörg Geiger (5,5€).
Was für ein Fest, und noch dazu so unerwartet!
Beim Warten aufs Taxi noch schnell ein Lob für das Team, wie mustergültig hier die Hygienevorschriften umgesetzt waren. Und etwas Kopfschütteln, wie lax die meisten Gäste ihrerseits mit den Regeln umgingen.
Warum das erwähnenswert ist? Gern wäre ich bei meinem nächsten Besuch in Sachsen-Anhalt wieder im Landhaus eingekehrt, aber ein großes Banner auf der Homepage war unmissverständlich:
„FÜR UNS IST DAS KEIN QUATSCH MIT DEM CORONA
Aufgrund der aktuellen Situation und aus Verantwortung gegenüber meinen Mitarbeitern und Gästen bleibt das Restaurant zunächst bis zum 14.9.2020 geschlossen.“
Inzwischen ist wieder geöffnet, es gibt ein Belüftungskonzept mit getrennter Zu- und Abluft. Zudem wurde ein Messgerät für die Luftqualität angeschafft.
RESPEKT FÜR SEBASTIAN HADRYS UND ALLE GASTRONOMEN, DIE UNSERE GESUNDHEIT UND REGELN ERNST NEHMEN!