"Wenn Gesellschaft und Bier passen, muss die Pizza nicht die „beschde“ sein!"
Geschrieben am 13.12.2022 2022-12-13 | Aktualisiert am 13.12.2022
"Chick ‘n‘ Chuck"
Geschrieben am 09.12.2022 2022-12-09 | Aktualisiert am 09.12.2022
"Curry on, my wayward sons!"
Geschrieben am 04.12.2022 2022-12-04
"Sushi trübten leider den Gesamteindruck"
Geschrieben am 18.11.2022 2022-11-18 | Aktualisiert am 18.11.2022
Ich war verabredet mit einem zumindest auf diesem Portal amtsbekannten Nordschwarzwälder, der sich die kurvige Anreise von der Herrenälbler Höhe nicht hatte nehmen lassen, um mit seinem Pfälzer GG-Kumpan italienische Rundbackwaren eines vollmundig beworbenen neuen Pizza-Ladens anzutesten.
Die am Anfang des Jahres von dem ebenfalls aus dem Schwarzwald stammenden Kai Hürdler eröffnete Pizzeria mit dem Superlativ im Namen schien laut Homepage bzw. Speisenkarte ihre konzeptionellen Schwerpunkte auf Regionalität, Frische und Nachhaltigkeit zu legen. Das klang im Vorfeld sehr vielversprechend.
Na klar, man muss sich ja auch irgendwie von der alteingesessenen Konkurrenz aus Italien und Südosteuropa abheben. Und dazu passt natürlich auch das Logo des Ladens, das einen vor Pizza- und Weinglück strahlenden Langzeitstudenten zeigt, der im Schneidersitz hockend seine kulinarische Erleuchtung gefunden zu haben scheint. PizZEN als meditatives Erlebnis des gegenwärtigen Augenblicks? Wir waren gespannt…
Betritt man den kleinen, nicht ungemütlich wirkenden Gastraum kann man dem jungen Team um Kai Hürdler dabei zusehen, wie sie hinter der Theke die Pizzen à la minute zubereiten.
Offene Pizzaküche hinter der Theke
Die offene Küche schafft eine gewisse Transparenz und soll bei der Kundschaft Vertrauen wecken. Die Suche nach dem badischen Teigfladengral konnte also beginnen.
Das vermeintlich „Beschde“ schien uns beiden kulinarisch aufgeschlossenen Gaumenfreunden gerade gut genug und so trafen wir uns zum Lunch in dem direkt vor dem Eingang des Lokals positionierten „Hasenkasten“, der als (zu) schmale Veranda fungierte und uns vom Trottoir aus direkt auf die viel befahrene Amalienstraße schauen ließ.
Unser "Hasenstall"
Ein wenig idyllischer Freisitz, der meinem Gegenüber in Sachen Bequemlichkeit deutlich mehr zu schaffen machte als mir. Mit anderen Worten: neben der beengten Platzsituation im improvisiert wirkenden Holzanbau war es vor allem sein Sitzkomfort, der doch arg zu wünschen übrig ließ.
Unser letztes Treffen war schon wieder eine ganze Weile her. Seltsamerweise fand dieses im November 2021 in derselben Straße, lediglich ein paar Meter weiter westlich Richtung Mühlburger Tor im wenig ansprechenden China-Tempel „Wangji“ - wir berichteten - statt. Was zunächst aussah wie eine kulinarische Verschwörungstheorie, war jedoch in Wirklichkeit reiner Zufall.
Den mit allen Heimatklischees gewaschenen Herren aus dem Schwarzwald erkannte ich schon von weitem an seinem traditionellen Bollenhut, den er für gewöhnlich nur zum Räuchern des Schinkens bzw. Backen der Kirschtorte abzieht. Pünktlich wie eine digitale Kuckucksuhr fand sich der gute „Razzo“ in besagtem Etablissement ein.
Zu diesem Zeitpunkt ahnte er noch nicht, dass er bald auf Gevatter „Hentschel“, die „allerbeschde“ Tagespizza seit der Erfindung des Rahmabschöpfens (vor ca. 5000 Jahren), treffen würde. Dieser besagte „Hentschel“ grüßte, mit Salami, Schinken, Ei, Sahne (!!!) und Basilikum beladen, von der liederlich bekritzelten Empfehlungstafel, die lässig neben dem Eingang lehnte.
Daneben waren auf einem DIN-A4-Zettel noch weitere „Himmelsscheiben“ – man wirbt ganz bescheiden mit dem Ausdruck „…a slice of heaven“ – gelistet. Ich zählte 14 Varianten, darunter fünf in der Veggie-Version. Preislich lagen die Hefeteigerzeugnisse im unauffälligen Bereich. Zwischen 8 und 13 Euro wurden für die mit rund 27cm Durchmesser angegeben Pizzen abgerufen. Man konnte dabei zwischen einem Teig aus Dinkel- und Weizenmehl wählen.
Was die verschiedenen Beläge betraf, war man gar nicht mal so unkreativ unterwegs. Karamellisierte Zwiebeln, die man sonst nur vom besseren Burger her kennt, waren genauso vertreten wie der weltberühmte Moosalbtäler Luftikus. Mit letzterem war mitnichten mein windiger Tischgenosse gemeint - sonst hätte es ja Herrenälbler Luftikus heißen müssen -, sondern ein luftgetrockneter Schinken von der badischen Premium-Metzgerei Glasstetter.
Getränketechnisch setzte ich an jenem warmen Sommertag ganz auf die 900jährige Brautradition des Klosters Alpirsbach aus dem Nordschwarzwald. Deren „Klosterstoff“ (0,33l für 3 Euro), ein 5,9%-iges Märzenbier, kam aus der gut gekühlten Bügelflasche, die ich mir aus dem Kühlschrank neben der Bestell- und Bezahltheke per Selfservice besorgte.
Klosterstoff = guter Stoff
Ein wohlgehopftes, äußerst süffiges Märzen mit hellgelber Farbe und einem feinen, tiefgründigen Geschmack. Seine dezente Brotnote gefiel mir besonders gut. Der S5 sei Dank, musste ich es nicht bei einem belassen. Der Hopfenheld neben mir hatte noch den Rückweg mit dem Auto zu bewältigen, was ihn zu alkoholfreiem Weizenbier der gleichen Marke greifen ließ.
Vorweg teilten wir uns ein großzügig bestücktes Vesperbrett, das als Antipasti-Teller unter dem Namen „Omni“ (14 Euro) firmierte. Dieses war locker für zwei bis drei ausgiebig vorspeisende Personen ausgelegt und kam „mit allem“, was die kalte Küche des Ladens so zu bieten hatte, an den Tisch.
Vesperplatte "Mit allem"
Die Wurstwaren (Salami und luftgetrockneter Schinken) waren nichts Besonderes.
Wurstwaren aus der Region
Die bekommt man beim Italiener in besserer Qualität auf die Platte – Stichwort: Parma bzw. Spianata. Die Oliven, die karamellisierten Zwiebeln und die getrockneten Tomaten trat ich gerne an meinen Tischgenossen ab, da ich diesen drei Produkten ganz allgemein nicht viel abgewinnen kann.
Karamellisierte Zwiebeln und Oliven...Futter für den Razzo!
Ich hielt mich lieber an den eingelegten Schafskäse, den Charakterkäse von der Ziege und die öltrunkenen Paprikastücke. Erfreulicher Begleiter unserer Kaltspeisen war eine Mischung aus Pizza- und Fladenbrot der selbstgebackenen Sorte.
Das Pizzabrot konnte was...
Noch leicht warm, wunderbar fluffig und etwas gesalzen passten die in Viertel geteilten Stücke hervorragend zur georderten Plattenkost. Wahrhaft nahrhaft war das, was wir da zum „reingrooven“ in unseren Mägen verschwinden ließen.
Und zwei Pizzen sollten ja noch folgen. Trotz fortgeschrittener Sättigung stellten wir uns den bald darauf servierten Hauptaufgaben. Ganz im Stile eines bekannten GG-Kollegen hatte ich eine „AndiHa-Gedächtnis-Scharfscheibe“ geordert. In Ermangelung des wahren Teigfladen-Teufels „Diavola“, der jedoch auch hier im Detail stecken sollte, griff ich nach der in der Karte mit einer Chilischote gebrandmarkten „Mexikana“ (10 Euro), aber selbstverständlich ohne Oliven.
Meine Pizza "Mexikana"
Mein dem Neuen stets zugewandter Tischgenosse hielt es da lieber mit einem Schlagerhit von Udo Jürgens aus den frühen 70ern, denn seine skurrile „Hentschel-Kreation“ schmetterte förmlich den berühmten Titel „Aber bitte mit Sahne!“. Jene Sahne bedeckte in flüssiger Form – und dazu nicht gerade schüchtern portioniert – das deftige Rund des staunenden Fladenfreunds, der sich diese Angelegenheit wohl nicht ganz so süffig vorgestellt hatte.
Der "Hentschel"
Meine anfängliche Verblüffung über diese durchaus gewagte Kreation wich bald einem verheerenden Feuer am Gaumen, das die frischen Chilis in meinem Mundraum entfacht hatten.
In Mexiko war der Diavolo los!
Der Detail-Teufel hatte da bereits „de toute sa force“ zugeschlagen und heizte meinen Papillen ordentlich ein.
AndiHa-Gedächtnisscharfscheibe
Wie gern hätte ich zur Linderung meines vom Capsaicin herrührenden Schärfereizes dem Kollegen die Sahne von seiner „Suppen-Pizza“ geleckt.
Ganz schön flüssig...
Wahrscheinlich wäre beiden von uns damit geholfen gewesen. Aber die viele Jahre zuvor unter kindlichem Protest anerzogenen Tischmanieren verboten Letzteres natürlich.
Ein weiterer Stoff aus dem Kloster Alpirsbach beruhigte schließlich die aufgebrachte Schar der Geschmacksknospen und ließ mich auf weiteren „Schotengenuss“ dankend verzichten. Neben dem - für mich - zu hohen Schärfegrad gab es an meiner „Mexikana“ wenig auszusetzen. Der farbenfrohe Belag bestand aus einer soliden Tomatenbasis, geschmolzenem Mozzarella, deftiger Salami, eingelegten Paprikastücken und drei frischen Basilikumblättern.
Nichts Außergewöhnliches, aber alles von guter Qualität. Auch der Pizzaboden fiel keineswegs unseriös aus. Knusprig am Rand und nicht allzu dick veranlagt, lieferte er eine wohlgebackene Basis für die appetitlich wirkende Auflage.
Was den Service betraf, konnte ich keine besonderen Auffälligkeiten feststellen. Die durchweg jungen Leute agierten im freundlichen „Du“ - ganz dem legeren Setting entsprechend. Einen Hinweis auf die Schärfe meine Pizza lieferte ja die Speisenkarte. Da habe ich dann auch keine zusätzlichen „Vorwarnungen“ vom Personal zu erwarten. Eine Anmerkung zu dem Umstand, dass hier gerne flüssige Sahne auf die Pizza gekippt wird, hätte man bei der „Hentschel-Bestellung“ jedoch machen können.
Wie beengt man sich in einer Gastro-Toilette fühlen kann, erfuhr ich beim Besuch der winzigen Abort-Zelle, die sich im hintersten Winkel des Etablissements befand. Nicht dass draußen im „Hasenkasten“ viel mehr Platz gewesen wäre, aber dort war die Luft etwas besser.
Unser letztes kulinarisches Vieraugengespräch des Jahres 2022 war zwar von ein paar suboptimalen Umständen begleitet, hat aber dennoch Spaß gemacht. 10 Tage später trafen wir uns dann noch einmal. Da allerdings zusammen mit Familie Shaneymac und einem gut erzogenen Pudel in der „Vieux Moulin“ in Lauterbourg (Elsass).
Den Betreibern des kleinen Pizzaladens in der Amalienstraße wünsche ich alles Gute und dass sie ihr wegen eines Brandes derzeit geschlossenes Lokal bald wieder eröffnen können. Denn auch wenn sich bei unserem Besuch keine rechte Erleuchtung einstellen wollte, die „kaschemmige“ Dönerladenszenerie dieser Gegend wertet es allemal auf.