"Schöne Lage, angenehmes Ambiente, leckere Speisen und Weine – aber (noch) kein Sterneniveau in meinen Augen"
Geschrieben am 27.12.2015 2015-12-27
"Auf Gut Landscheid verwöhnt nun ein Sternekoch die Gäste"
Geschrieben am 07.12.2015 2015-12-07
"5 Jahre Gut Landscheid"
Geschrieben am 05.09.2015 2015-09-05
Unsere neue Karte Spargelkarte ist online!
http://ggurl.de/1914
In den ersten Jahren des Bestehens kochte hier Florian Becker, der nun im „Vita Moderna“ in Leichlingen am Herd steht.
Sein Nachfolger ist ein ehemaliger Sternekoch: Eiko Scharfenberger.
Seine Stationen lesen sich großartig:
Geboren im Jahre 1978
1996-1999 Konditorlehre
1999-2001 Kochausbildung/ Jahrgangsbester
2001-2002 Pâtissier Fährhaus Munkmarsch, Sylt
2002-2003 Pâtissier Restaurant Vendôme, Bergisch Gladbach
2003-2004 Entremetier und Poissonnier Restaurant Dieter Müller, Bergisch Gladbach
2005-2006 Sous Chef Restaurant Zur Post, Odenthal
2006-2010 selbständig, Chefkoch „Restaurant Sonne“, Overath
2008 -2010 ein Michelin Stern (bis zur Aufgabe des eigenen Lokals)
Weitere Stationen: Bitzerhof, Köln; WINELIVE, Büderich
Ab 2015 Gut Landscheid
Das machte uns natürlich neugierig.
Die Reservierung geschah per Telefon und klappte perfekt. Das Weihnachtsmenü wurde mir vorab per Mail zugesendet (darauf beziehe ich mich auch im Weitern).
Ambiente - 4*
Die Räume sind geschmackvoll eingerichtet. Die Tische stehen mit genügend Abstand zu anderen Gästen – aber nicht unbedingt optimal für den Service, um alle Gäste am Platz günstig zu versorgen. Unser Tisch war in klassischem Weiß eingedeckt und mit einem Weihnachtstern und einer roten Kerze dekoriert.
Die festlich weihnachtliche Musik kam nicht aus einer Anlage und in die Räume per Lautsprecher übertragen, sondern ein Musiker spielte original am Flügel in der Nähe des Thekenbereichs über den Abend verteilt dezente Weisen.
Sauberkeit - 4*
Alles wirkt gut gepflegt.
Sanitär - 4*
Die Toiletten befinden sich im Keller und sind mit einem Aufzug oder über Treppen zu erreichen. Auch hier ist alles sauber und ordentlich.
Service – 2,5 bis 4*
Der Service hat für uns kein stimmiges Konzept: Soll es stilvoll oder lässig zugehen? Ich weiß es nicht einzuschätzen. –
Überwiegend war ein Kellner im Einsatz. Er wurde bei Bedarf von einer Dame und einem jungen Mann unterstützt. Ein älterer Herr (in bestem Alter) – vermutlich der Restaurantleiter – blicke manchmal in den Raum – ohne aktiv einzugreifen.
Die Kräfte sind freundlich und zuvorkommend. Wünsche werden zur Kenntnis genommen und auch umgesetzt. Die Garderobe wurde in Empfang genommen und versorgt. –
Aber das Wasser wird zum Beispiel auf dem Tisch nur abgestellt (zugeschraubt), doch nicht eingeschenkt. –
Manchmal wissen die Kellner nicht, wer was geordert hat und „fuchteln“ dann mit den Tellern umher. –
Die Speisen wurden nicht komplett angesagt – speziell auch nicht wenn es kleine Änderungen gab; gerade bei „Sonderwünschen“ vom Gast oder abweichende Zutaten aus der Küche. –
Eine Weinbegleitung war ohne weiteres glasweise möglich. Der Wein wurde aber eher nicht vor dem Gericht, sondern kurz nach dem neuen Teller präsentiert. Dabei wurden die Getränke auch gerne und fachlich erklärt. Es wurde auch immer aus der Originalflasche am Tisch ausgeschenkt und ein Probeschluck angeboten. Dabei kann das Essen leider auch schnell abkühlen. –
Überhaupt soll man wohl mehr selber nachfragen, dann werden Erklärungen auch gerne und souverän erteilt und Wünsche erfüllt. Ebenso wurde sich nach jedem Gang ernsthaft erkundigt, wie es gemundet hat und je nach Rückmeldung auch angemessen reagiert. –
Doch gab es keine verlässliche Linie.
Die verkosteten Speisen - 2,5 bis 4,5 *
WEIHNACHTSMENÜ 2015 (24. Dezember – 27. Dezember)
3-Gänge | Vorspeise, Hauptgang, Dessert | 49 €
****
4-Gänge | Vorspeise, Suppe, Hauptgang, Dessert | 59 €
*****
5-Gänge | Vorspeise, Suppe, Zwischengang, Hauptgang, Dessert | 69 €
Wir wählten das komplette Menü – einmal Fisch und zweimal Fleisch.
Auffällig waren für uns die sehr detaillierten und kleinschrittigen
Aufzählungen der Zutaten und Küchentechniken in der Speisekarte. Ich habe mir die Mühe gemacht die Fachbegriffe alle nachzuschlagen und habe die Erläuterungen eingefügt (damit möchte ich keinem Leser unterstellen, die Begriffe nicht zukennen, sondern es soll das Lesen erleichtern).
Der Service entfernte jedoch (wohl aus Platzgründen) die Karte mit der Übersicht. Die Gänge wurden dann aber meist nicht näher angesagt. Das geschah auf Nachfrage (doch wir wollten nicht immer darauf bestehen – wir hatten ja den Text als Mail erhalten).
Vorab gab es Brot und einen kleinen Gruß aus der Küche.
Im Korb lagen zwei Sorten bereit. Olivenöl und zwei Salzkreationen (Hibiskus und Curry) standen auf dem Tisch und dienten zur Aromatisierung. Dafür stand ein Brotteller zur Herrichtung bereit. – Brot wurde nachgereicht, wenn der Korb leer war.
In einem Glasgefäß wurde eine dreischichtige Kreation gereicht. Angesagt wurde eine „Wildmousse mit Likörkirschen“. Die Gesamtaromatik ging in eine Süße Richtung. Die untere Lage erinnerte mich im Geschmack an Leber. In der Mitte war es sahnig und oben waren die Kirschen deutlich zu schmecken. – Das Gericht konnte ich nicht mit „Wild“ in Verbindung bringen, damit wurden Gaumen und Gehirn zum „Nachdenken“ animiert.
-Vorspeise-
* Tatar von der Fjordforelle, lauwarmes Rote Bete Confit (Confit ist in Fett/Öl langsam gegart und so haltbar gemacht), Spinat-Estragonmousseline (Mousseline ist eine Schaumsauce auf Grundlage einer Sauce hollandaise) & Kräutersalat
Die Forelle war gut gewürzt und zu einem sehr fein geschnitten Tatar verarbeitet – im Mund fast so leicht wie ein Mousse. Die kleinen Betewürfelchen waren weich gegart und hatten durch die Würzung kaum noch die herben Aromen eines Wurzelgemüses, sondern schmeckten in eine süßliche Richtung. Die Mousseline wies feine Aromen der verwendeten Kräuter und Gemüse auf und rundete den Genuss der diversen Kräuterblättchen gut ab. Das Gericht hat uns sehr zugesagt.
-Suppe-
* Pastinakencremesüppchen mit Gänsekleinravioli
Die Suppe war wirklich cremig; der Koch hatte nicht mit sahnehaltigen Zutaten gespart. Der Pastinakengeschmack war noch zu spüren, aber die Aromatik zeigte wieder eine liebliche Prägung. Wenn man lieber die ursprüngliche Richtung des Gemüses bevorzugt, ergibt das ein Problem. Wer satte Cremigkeit bevorzugt, hatte hier ein prächtiges Beispiel.
Von der „Brühe“ umgeben war ein größerer Raviolo. Der Teig war nicht besonders dünn ausgefallen und entzog sich daher gerne der Aufteilung in Stückchen durch einen Löffel und „flutschte“ etwas durch den Teller. Die Füllung war schmackhaft, aber einen ausgesprochenen Gänsegeschmack konnte ich nicht feststellen.
Mir hat die Suppe zugesagt.
-Zwischengang-
* Geschmorter Schweinebauch & sautierte Jakobsmuschel (Sautieren ist eine Kurzbrattechnik bei einer hoher Temperatur und meist klein geschnittenem Gargut), Blumenkohlcreme, dicke Bohnengremolata (Gremolata nennt man eine Kräuter-Würzmischung aus der lombardischen Küche. Die klassische Form besteht aus glattblättriger Petersilie, Zitronenschale (Zesten) und meist auch Knoblauch, die zusammen gehackt, aber erst gegen Ende der Garzeit auf die warmen Gerichte zugegeben werden), leichte Zimtveloute (Veloute ist eine Samtsauce)
Auf diesen Gang war ich schon im Vorfeld gespannt. Weil sich hier ein Surf ’n’ Turf Gedanke andeutete. Das Schweinefleisch war ausgezeichnet geschmort und absolut zart. Leider mundete mir die Zubereitung der Muschel gar nicht. Sie zeigte gerade für mich keine Röstaromen, die eigentlich bei hoher und kurzer Temperatur entstehen kann, sondern war eher cremig und durchgegart. Die Jakobsmuscheln waren auch in meinen Augen besonders klein, was mich schließen lässt, dass sie eher länger bei tiefer Temperatur warm gehalten wurden und daher eher weichlich waren. Auf der Muschel befand sich noch winzige Speckwürfelchen.
Das Blumenkohlpüree wiederum hat mich total überzeugt, ebenso die Bohnen. Wir nehmen an, dass bei uns die Zimtsauce nicht auf dem Teller war, weil wir uns vorher über den Geschmack erkundigt und bekundet haben, dass wir dieses Gewürz nur sehr dezent mögen.
Der Schweinebauch war ein positives Erlebnis, das ich vorher skeptisch eingeschätzt hatte. Die Jakobmuscheln waren hingegen für uns eine leichte Enttäuschung.
-Hauptgang-
* Rinderrücken am Stück gebraten, karamellisierte Perlzwiebeln, Kartoffelplätzchen,
Selleriepüree, sautierte Waldpilze (Sautieren ist eine Kurzbrattechnik mit hoher Temperatur und klein geschnittenem Gargut) & Gewürzbalsamicojus (Jus ist die Bezeichnung für konzentrierten, entfetteten Fleischfond oder Bratensaft, der erkaltet geliert wird und oft zu Saucen weiter verarbeitet oder erkaltet als festes Gelee zu Würfelchen geschnitten wird.)
Das Rind war saftig und butterzart. Die angewandte Gartechnik hat uns sehr überzeugt. Mit drei Streifen auf dem Teller wurde auch – Gott sei Dank – nicht an Fleisch gespart. Die Sauce passte gut dazu und war auch – genau wie wir es mögen bzw. bei einer „Überschwemmung“ auf den Tod hassen – dezent unter dem Braten platziert.
Ebenso waren auch alle anderen Komponenten des Tellers schmackhaft zubereitet und abwechslungsreich gestaltet.
Pilze haben wir aber nicht entdeckt, aber dafür gab es breite grüne Bohnen zu kleinen Rauten bzw. Parallelogrammen geschnitten. Diese Bohnen waren nun das erste und einzige Beispiel in dem kompletten Menü von Gemüse al dente. Die Stückchen „quietschten“ noch beim Verzehr und hätten so nach unserer Vorstellung noch einige Sekunden länger in der Pfanne bleiben dürfen.
* Seezungenfilets, Fenchelcreme, Orangenfenchel, Safrankartoffeln & Champagnerbutter
Leider war dieser Teller farblich sehr eindimensional: alles war weiß bis cremefarbig fürs Auge. Ich war sofort froh, den Fleischgang gewählt zu haben. Probiert habe ich aber von allen Zutaten etwas (natürlich im Tausch von meinem Gericht).
Der Fisch war offensichtlich nicht gebraten, sondern eher konfiert oder gedünstet. Mit Salz hatte die Küche nicht gespart – versalzen wäre aber übertrieben. So nennt man es, mutig gewürzt. Ich selber habe Seezunge lieber auf der Haut scharf angebraten und dann sanft geschmort. Aber auch so war der Fisch aromatisch. Jedoch war die Fenchelcreme sehr dominant dazu. Das Fenchelgemüse wurde durch die Orangenaromen in eine interessante neue Richtung gebracht. Auch die weiteren Zutaten waren schmackhaft.
-Dessert-
* Bratapfelmousseschnitte (Mousse nennt man Speisen von schaumiger und crèmeartiger Konsistenz), Rotweineis, Lebkuchensponge (Sponagen sind Biskuitkuchen, die wie ein Schwamm in der Konsistenz sind) & Calvadosapfel
Bratapfel als Mousse hat mir gefallen. Den ganzen Apfel meist mit Marzipan gefüllt mag ich nämlich gar nicht besonders gerne. Als Schnitte war es mir gerade recht. Das Eis war cremig und locker. Die kleinen Apfelwürfelchen ergänzten gut das Gericht. Daneben befanden sich die kleinen „Schwämmchen“.
Im Nachhinein hätte ich hier als Werkzeug neben dem Löffelchen noch eine Gabel gehabt, um gerade die kleinen Stücke leicht aufzunehmen. So musste ich mit dem Löffel die Teile über den Teller „jagen und einfangen“ – aber das war auch nicht schlimm.
Getränke - 4*
Wasser (Haaner Quelle) 0,75l – 7,00 €
Haussekt – 5,50 €
Campari-Soda – 6,50 €
Begleitende Weine glasweise (0,1l) je 5,00 bis 6,50 €
* Muscadet Sèvre et Maine sur lie (Loire)
* José Pariente Sauvignon Blanc 2013 (Rueda)
* Bouvet, Cremant de Loire Rosé (70% Chardonnay, 20% Chenin Blanc, 10% Pinot Noir)
* Setzer Zweigelt (Weinviertel)
* Gunderloch Messidor Beerenauslese 2012 (Cuvée aus Müller-Thurgau, Gewürztraminer und Riesling – Rheinhessen)
Mir schmeckten die Weine zu den jeweiligen Gerichten recht gut. Ihre Temperaturen waren jeweils gut gewählt. Der Kellner schenkte jeweils großzügig ein.
Preis-Leistungs-Verhältnis - 3,5*
Die Kalkulation scheint wie in einem Sternerestaurant gewählt, hält dann aber nicht durchgängig diesem Anspruch stand.
Fazit
3 – wenn es sich ergibt
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder – nach „Kuechenreise“)
Datum des Besuchs: 26.12.2015 – 3 Personen – abends