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Wäre da nicht ein stets auffallend gut gefüllter Parkplatz vor dem „Gasthaus Müller“, der einen aufmerken lassen sollte. Und in der Tat wäre es durchaus lohnend, hier etwas langsamer zu fahren und einen Halt einzuplanen, denn dies ist nicht nur einfach ein Dorfgasthaus, sondern auch kulinarisches Ziel für Gäste von weiter her.
Es gibt diese Restaurants, über die man nur Gutes hört: über die hervorragende Qualität, den herzlichen Service, das untypisch umfangreiche Weinangebot, selbst die Tatsache, dass hier offenbar beispielhaft ausgebildet wird. All das hört man über das „Gasthaus Müller“ und wäre es nicht so umständlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, wären wir vermutlich schon längst hier vorbei gekommen. Aber lieber spät als nie und nun ist es ja soweit.
Der eigentliche Gastraum ist an diesem Sonnabend bereits gut gefüllt, so dass wir im zweiten, etwas neutraler, aber mit Parkettboden elegant eingerichteten Speiseraum platziert werden. Klassisch eingedeckt wird in beiden Bereichen und bei schönem Wetter ließe sich auch auf der großzügigen Terrasse mit Blick in Richtung Deister speisen. Dafür allerdings ist es heute schlicht zu windig.
Interieur
Die Karte besteht aus einem Menü in drei bis fünf Gängen (49,-- - 69,-- Euro), deren Gerichte auch separat bestellt werden können und einer à la Carte-Auswahl aus jeweils vier Vorspeisen (8,50 – 16,50 Euro), Hauptgerichten (18,50 – 28,50 Euro) und drei Desserts (6,50 – 9,50 Euro). Wir wählen das komplette Menü.
Butter und hausgemachtes Tomatenpesto stehen bereits auf dem Tisch. Sehr gutes Ciabatta, wir tippen mal auf Brot von Sabine Gaues aus dem nahen Gehrden, kommt mit dem Apéritif.
Butter / Tomatenpesto
Während wir aus der fast ausschließlich mit deutschen Weinen, und da mit allen bekannten Spitzenwinzern, bestückten Karte wählen, schickt die Küche das Amuse Bouche. Ein relativ großer Würfel Kalbstafelspitz ist von Joghurtcreme und einem relativ milden Kimchi begleitet. Das hätte durchaus etwas mehr Wumms haben dürfen, bleibt so etwas harmlos.
Amuse Bouche: Kalbstafelspitz, Kimchi
Mit einer kreativ angelegten Interpretation des Strammen Max beginnt das Menü. Allerdings werden hier gut gebratene Jakobsmuscheln in Szene gesetzt mit einem Chip von Tiroler Speck, Kartoffelpüree und Wachtelspiegelei. Aus dem angekündigten Brioche ist leider, so scheint mir jedenfalls, schnödes Toastbrot geworden. Und auch über den Wakamesalat könnte man streiten, ob es den hier braucht. Aber im Grundsatz ist das originell konstruiert und gut ausgeführt.
Strammer Max von Jakobsmuschel
Mit einer schönen Tranche von der Oldenburger Entenbrust geht es weiter. Die Kombination mit Fenchelsalat, Süßkartoffelpüree und einer nicht zu kräftigen Currysauce funktioniert sehr gut. Auch am Gargrad der Entenbrust gibt es nichts auszusetzen. Allerdings ist hier der einzige handwerkliche Makel zu konstatieren, denn das Fleisch wurde nicht ausreichend lange ruhen gelassen, so dass sich jetzt der Fleischsaft etwas unschön auf dem Teller verteilt. Dem Geschmack tut das indes keinen Abbruch.
Brust von Oldenburger Ente - Apfel - Fenchel – Curryschaum
Gut gelungen ist das Pfifferlingsrisotto, das zwar hart an der Salzgrenze spielt, aber eben auch nicht darüber. Abgepuffert wird dies ohnehin durch das konfierte Eigelb. Crunch liefert ein Cracker aus Parmesan. Auch den Schinken hätte ich mir knusprig vorstellen können, aber die Küche entscheidet sich, den Serrano pur auf das Gericht zu geben, was auch gut funktioniert. In Summe ein guter Gang.
Pfifferlings-Risotto - Serranoschinken - Eigelb – Parmesancracker
Mit einer opulenten Version des Filet Rossini geht es weiter. Doch mit Rinderfilet, Gänseleber und Trüffel geben sich Müllers hier nicht zufrieden. Das ganze thront auch noch auf einem fabelhaften Ochsenschwanzragout, das so gut ist, dass man daraus auch ein eigenständiges Gericht machen könnte. Blumenkohl, Brokkoli, Romanesco und Kartoffelpüree geben hier die sehr klassischen Beilagen, die aber ohnehin nur die Nebendarsteller sind in einem üppigen, sehr sorgfältig zubereiteten Ensemble, das der Fleischeslust huldigt.
Zweierlei vom Rind "Rossini": Filet & Ochsenschwanzragout
Unkompliziert und gut gemacht ist auch die Passionsfruchtcreme mit frischen Beeren und Schokoladenerde als Pré-Dessert.
Pré-Dessert: Passionsfruchtcreme & frische Beeren
Für den eigentlichen süßen Abschluss legt sich die Küche dann noch mal ordentlich ins Zeug. Auf einem Baumkuchenboden ist eine gelierte Himbeermasse gearbeitet, flankiert von Kokosespuma, Himbeergel, diversen Cremes und einer Schokoladenerde. Ganz hervorragend auch das Eis von Tonkabohne und weißer Schokolade.
Das ist lecker und demonstriert noch einmal eindringlich, dass hier mit Aufwand und Anspruch zu Werke gegangen wird, der deutlich über dem liegt, was man von einem Dorfgasthaus sonst erwarten würde.
Himbeerschnitte - Baumkuchen - Kokos – Pistazie
Da fügt sich auch die bereits erwähnte Weinauswahl ein, die von Grit Müller fachkundig betreut wird. Bis auf ganz wenige Ausnahmen konzentriert sich die Karte auf deutsche Weine und hier vor allem VDP-Weingüter. Die Preise hierfür sind mehr als fair kalkuliert und wir sind froh, dass wir nicht mehr selbst fahren müssen, so dass wir uns von Grit Müller nicht nur fachkundig einen Weißwein von Salwey empfehlen lassen, den sie uns vorab aus dem Coravin zum Probieren gibt. Nein, für den Hauptgang, zu dem wir uns einen offenen Wein wünschen, scheinen ihr die standardmäßig angebotenen Weine nicht passend genug zu unserer Beschreibung, so dass sie für uns etwas spezielles auswählt. Das allerdings packen sie und ihre charmante Kollegin in ein Ratespiel. Die genaue Region vermochte ich nicht zu identifizieren, aber mit Rebsorte (Merlot) und Land (Deutschland) lag ich zumindest richtig, was die Servicedamen wohl doch überrascht. Aber für irgend etwas muss ja das jahrzehntelange Wein-Training gut sein. Die limitierte Auflage vom Weingut Prinz Salm ist jedenfalls gut ausgewählt. So gut, dass wir uns bei der Frage, ob sie glasweise nach Verbrauch abgerechnet werden soll oder wir den verbliebenen Rest in der Flasche mit nach Hause nehmen möchten, für letzteres entscheiden.
Das bescherte uns einen schönen Nightcap, bei dem wir diesen hoch erfreulichen Abend noch einmal Revue passieren lassen konnten.
Das „Gasthaus Müller“ hat nicht den Anspruch, exaltierte Sterneküche auf die Teller zu bringen. Dafür ist man zu bodenständig und weiß, dass man immer noch ein Gasthaus auf dem Land ist, das auch das Publikum dort bedienen muss. Trotzdem unterscheidet sich das Angebot vom häufig anzutreffenden Schweinebraten-Allerlei – obwohl es den auch hier sicherlich in mustergültiger Ausführung gäbe. Und ja, Schnitzel kann man von den Brüdern Frank und Rolf Müller auch bekommen, aber dann eben vom Saalower Kräuterschwein und nicht aus einer x-beliebigen Massenzucht.
Nein, das „Gasthaus Müller“ hat Anspruch - in Bezug auf Qualität der Zutaten, Kreativität und sorgfältige Zubereitung. Die kleinen Patzer beim fehlenden Brioche und der Ente fallen angesichts des gesamten Abends nicht ins Gewicht. Denn wir hatten viel Spaß, zu dem auch der herzliche Service eine Menge beigetragen hat. Es gibt eine aufgesetzte und geschäftsmäßige Freundlichkeit oder eben eine sehr natürliche und ansteckende. Und genau letztere haben wir hier erlebt. Wir waren zum ersten Mal zu Gast und fühlten uns wie Stammgäste. Bravo!
Bericht wie immer auch auf meinem Blog: http://tischnotizen.de/gasthaus-mueller-goexe/