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Und so machten wir uns zu dritt an einem Freitagabend auf nach Walle (klar, da wohnen sie alle…), dem einstigen Hafenarbeiter-Viertel im Bremer Westen, um gemeinsam mit der Schwester meiner Frau im alten Jahr noch einmal einzukehren. Diese absolviert übrigens gerade ihr Referendariat und bewohnt dort eine WG in der Bremervörder Straße.
Ich checkte vorab die kulinarische Lage und befand das mit persischen und afghanischen Spezialitäten werbende Restaurant Almaz in der fußläufigen Vegesacker Straße für durchaus einkehrenswert.
Außenansicht (von der Vegesacker)
Klar, warnte mich mein Schwiegervater im Vorfeld vor den Spelunken des Waller Westends. Aber ich war ja in Begleitung dreier Damen, da konnte also nicht viel schiefgehen.
Diese Gegend hätte mir als Student durchaus auch getaugt. Diverse Kneipen, Cafés, Imbisse und ein paar Gastros mit Länderküche verleihen der recht schmucklosen Wohngegend eine vornehmlich auf junges Publikum abzielende kulinarische Infrastruktur, die ein wenig Leben auf die Straße bringt. Wer es moderner mag, hat im nahegelegenen Stadtteil Überseestadt, einem teils sanierten, teils neu bebauten Areal direkt an der Weser, genügend Optionen.
Auf dem kurzen Fußweg von der Wohnung meiner Schwägerin zum reservierten Tisch im Restaurant Almaz schlenderten wir an diversen Durchhaltedielen, Genickschussbars und Selbsthasshöhlen vorbei. Die Leuchtschrift einer solchen Kultkneipe hieß mich mit den Worten „Hart Backbord“ willkommen. Ein Konzernpils zum Vorglühen war aber zeitlich nicht mehr drin. Wie gerne hätte ich dem gin-affinen Einzeltrinker an der Theke, der mir seltsam bekannt vorkam, ein wenig Gesellschaft geleistet…
Im hell beleuchteten Gastraum des Almaz hieß man uns freundlich willkommen. Viel war nicht los an diesem Abend und wir hätten sicherlich auch ohne Reservierung einen Tisch bekommen.
Der linke Gastraum im Überblick
Auf den gepolsterten Holzstühlen saß es sich ganz bequem. Die Mädels hatten es auf der behaglichen Wandbank sogar noch komfortabler.
Wir saßen ganz zufrieden zwischen Theke und Fensterfront, blickten ab und an nach draußen auf die winterliche Vegesacker, hatten wie immer viel Spaß mit der Jüngsten am Tisch und studierten bald das in Klarsichtfolien steckende Speisenprogramm aus dem nahen bzw. mittleren Osten.
Besser viele frisch zubereitete Speisen als wenige...
Da gab es einiges zu entdecken. Gerne hätte ich die gemischte Vorspeisenplatte mit Bademjan (gebratene Auberginen) und Shor Nokhod (gekochte Kichererbsen mit Kartoffeln) probiert, aber es fehlte mir da an MitstreiterInnen. Bei den Mädels hielt sich der Hunger nämlich in Grenzen. Und alleine traute ich mir den persisch-afghanischen Starter-Mix dann doch nicht zu.
Meine Frau entschied sich nach langem Hin und Her für Khorescht-e Gheymeh (12,50 Euro), ein persisches Lammragout. Ihre Schwester, die seit fast fünf Jahren auch meine Schwägerin ist, blieb dagegen fleischlos und wählte die gebratenen Auberginen und Tomaten mit getrockneter Joghurtmasse und Safran-Basmatireis (12,50 Euro). Unser Töchterlein durfte da mal wieder fleißig „räubern“.
Mir sagten die gelisteten Grillspezialitäten am meisten zu, was eine Almaz Grillplatte (24 Euro) mit diversen Spießgesellen und einem Lammkotelett zur Folge hatte. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, die Herren Chopan (Lammhüftspieß), Djudje (Hähnchenspieß) und Kubideh (Lammhackspieß) auf einem Grillteller kennenzulernen. Dafür nahm ich selbst im Winter die mitgelieferte Grilltomate gerne in Kauf.
Das Bierangebot überraschte positiv. Neben dem üblichen Bremer Standardgesöff (Becks und Haake Beck) wurde das rotblonde Original aus dem Hause Duckstein angeboten. Bei dieser obergärigen, leicht karamellig schmeckenden Bierspezialität aus Hamburg bin ich so gut wie immer dabei. 5 Euronen schlugen für den halben Liter zu Buche, was absolut nicht überzogen war.
Duckstone with pita!
Die Damen teilten sich eine Flasche Mineralwasser der nie versiegenden Quelle des heiligen Pellegrino (6,50 Euro). Eine kleine Maracuja-Schorle (0,2l für 3 Euro) kam für die Schwägerin noch hinzu. Dann harrten wir den persisch-afghanischen Speisen, die bald unseren Tisch bevölkern sollten.
Frisch aufgebackenes und deshalb noch leicht warmes Fladenbrot mit luftiger Krume machte dabei den auf erste Sättigung abzielenden Auftakt.
Ein Körbchen voll Fladenbrot für den ersten Hunger
Wenig später gaben die farbenfrohen Hauptgerichte den Ton an. Auf einer gusseisernen Platte schmurgelte mir eine ansehnliche Lamm- und Spießgesellschaft entgegen. Orientalisch gewürzt bzw. mariniert, verströmte sie ein geradezu betörendes Aroma. Mit dem saftigen Lammkotelett in der Linken begann ich meine Grillfleischfortbildung im wilden Waller Westend.
Lamm- und Spießgesellschaft
Die iranische Version des Adana-Kebabs namens Kubideh stand ihrem Pendant aus dem Süden der Türkei in nichts nach. Wobei der persische Spießgeselle deutlich „lammiger“ schmeckte, da hier kein Rinderhack verwendet wurde. Der Hähnchenspieß punktete ebenfalls mit einer so nicht unbedingt erwarteten Saftigkeit. Einzig die aufgespießten Fleischfetzen von der Lammhüfte gerieten etwas zu trocken. Geschmacklich konnte jedoch jeder der drei Kebabs überzeugen.
Die Almaz Grillplatte für 1 Person
Sehr zufrieden war ich auch mit meinen Beilagen.
Beilagen zur Grillplatte
Der körnig-lockere Kabuli Palau, eine Art afghanischer Pilaw-Reis, der mit karamellisierten Karotten, Rosinen, Mandeln und Pistazien garniert war, wurde um einen ordentlichen Safran-Basmati-Reishügel erweitert. Dazu gesellte sich eine mit Pfefferminz und Knoblauch verfeinerte Joghurtsauce, die sich zwischen Reisbeilage und Grillfleisch ziemlich wohlfühlte und in einer separaten Schale geliefert wurde.
Kabuli Palau mit Safran-Basmati-Reis
Ein wenig Rohkost und ein kleines Häufchen Salat komplettierten das abwechslungsreiche „Angrillen“ in der Vegesacker Straße Ende Dezember.
Des Grilltellers frische Momente
Selbst die – wie erwartet – aromenarme Grilltomate tat da nicht weiter weh. Bis auf den Grillspieß von der Lammhüfte war das ein gelungener Ausflug in die bisher viel zu selten aufgesuchte Küche zwischen Aras und Hindukusch.
Der gleichen Meinung waren auch meine beiden Begleiterinnen. Das in einer Keramikschale servierte Lammragout meiner Gattin entpuppte sich als süffige Aromenbombe. Neben den mürbe geschmorten Fleischstücken (weit weg vom alten Hammel!) waren es vor allem die beim Einköcheln der Tomatensauce verwendeten Gewürze, die darin schwimmenden, gelben Erbsen und die getrockneten, persischen Limetten, die dem iranischen Lammeintopf eine angenehme Orientalik verliehen.
Khorescht-e Gheymeh (persisches Lammragout)
Die gegrillte und danach bis zur Unkenntlichkeit zerhackte Aubergine kam mit etwas zu viel Öl aus der Pfanne bzw. auf den Teller. Dem anständig knoblierten Veggie-Teller fehlte es jedoch nicht an Geschmack, wie mir die gegenübersitzende Fleischverzichterin berichtete. Über das großzügig darüber verteilte Joghurt-Saucen-Graffiti mögen die Teller-Ästheten dieses Portals richten.
Gebratene Auberginen und Tomaten mit Joghurt-Graffiti
Irgendwie hatte ich nach meiner mit Bravour verputzten Grillplatte noch Lust auf einen süßen Abschluss. Aus dem kleinen Dessertangebot wählte ich mutig das Faloodeh (6 Euro), ein halbgefrorenes Sorbet aus Rosenwasser und dünnen Reisnudeln, das mit Mandeln und Pistazien aufgeknuspert wurde.
Mein erstes Faloodeh
Mit Limettensaft und persischem Kirschsirup, die beide separat in zwei kleinen Schälchen mitgeliefert wurden, konnte diese traditionelle, leider etwas parfümiert wirkende, persische Süßspeise noch nachgesäuert bzw. -gesüßt werden. Kann man ruhig anstelle hinlänglich bekannter „Desserteure“ wie Schokomousse, Crème Brulée und Tiramisu mal ausprobieren. Nach ein paar Löffeln hatte ich mich an das exotische Aroma der Rosenwasser-Granita gewöhnt und fand es sogar ganz interessant, mal wieder abseits ausgetretener Gaumenpfade zu wandeln.
Und so wurde die letzte Einkehr des Jahres zu einer erfreulichen, kulinarischen Entdeckungstour in persisch-afghanische Gefilde. Die gut gelaunten jungen Männer vom Service machten ihre Sache wirklich gut. Wir wurden freundlich umwirtet und auf Besonderheiten bei den Gerichten aufmerksam gemacht. Klar, kann man gemütlicher sitzen, aber die (zu) hellen Lichtverhältnisse sorgten immerhin für ganz passable Essensbilder.
Auf dem Weg zurück zum Auto kamen wir wieder an einigen urigen Waller Kneipen vorbei. Sie schienen ihren Insassen ein willkommenes Nachtasyl anzubieten. Wäre ich mit meinem Freund aus dem Borgischen hier gestrandet, hätten wir garantiert aus der Not eine Tugend gemacht und uns nonchalant unter die beinharten Kampftrinker gemischt…Fortsetzung folgt!