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Selbstkritik sieht anders aus. Aber vielleicht liegt es ja tatsächlich nur an den abgehobenen Ansprüchen.
Schaun mer mal, wie die üblichen Verdächtigen sich so schlagen...
I. Der Lässige
Mit 12 Punkten ist das Küche 13 (wenn einem gar nichts mehr einfällt, muss die Hausnummer herhalten) noch gerade so in den Gault&Millau gerutscht. Den Grund für die Abwertung um einen Punkt vermutete Inhaber und Chef Jan-Philipp Iwersen in den eben fehlenden Tischdecken und dem einfachen Besteck.
Und in der Tat verleugnet das Lokal seine Vergangenheit als Eckkneipe nicht. Viel Eichenholz, einfaches Mobiliar mit Gebrauchsspuren und einfache Ausstattung. Lediglich der Laminatfußboden und ein wenig Wandschmuck zeugen von einer Renovierung. Anstelle der Theke nun die offene Küche, für die der Abzug in dem eher kleinen, etwas gestreckten Raum unterdimensioniert zu sein scheint. Nicht so, dass die Klamotten in die Reinigung müssten, aber eben doch bemerkbar.
Jedenfalls an meinem kleinen Zweiertisch „am Gang“, den ich Dienstag pünktlich zur abendlichen Öffnung um 18.00 Uhr gerade noch ergattern konnte. Denn das Restaurant einschließlich eines abseitigen Nebenraums füllt sich und im Verlauf des Abends fragen etliche potentielle Gäste, meist Paare, vergeblich nach einem Tisch. Läuft hier also, was Herr Iwersen in der örtlichen Tageszeitung als weiteren Beleg für die aus seiner Sicht nicht nachvollziehbare Bewertung anführte.
Nun ja, die gute Nachfrage mag vielleicht auch daran liegen, dass die hier im gentrifizierten Ostertor lebenden, gut situierten Libertins einfach die Lässigkeit des Ladens schätzen. Gibt er doch das gute Gefühl, im Herzen Rebellen mit Sehnsucht nach der zusammen gezimmerten Strandbar auf Mykonos oder Gomera geblieben zu sein. Auch, wenn ansonsten Anspruch auf Wohlergehen und entsprechender Geldbeutel keinen Vergleich zu Groß- und Bildungsbürgern vergangener Generationen scheuen müssen. (Die bösartigen Unterstellungen beruhen übrigens auf Einschätzungen der Gästeschaft durch ebensolche „Ostertorschen“ selbst. Ich wasche meine Hände in Unschuld...) Die Vermittlung dieses Lebensgefühl ist jedenfalls Programm. Selbst die Betreibergesellschaft firmiert nicht schnöde als „xy Gastronomie“, sondern schnodderig als „Küchenjungs GmbH“.
Da weiß man, was man hat. Und vom - meist weiblichen - Service erwarten darf. Schon mal niemanden, der die eigene Bedeutung womöglich durch anbiedernde Freundlichkeit gegenüber den Gästen schmälert. Hier muss die Freude reichen, überhaupt bedient zu werden. Auch die Erinnerung, doch bitte wie zugesagt, dem wackelnden Tisch Unterstützung zu geben, wurde sehr giftig kommentiert. Wobei um Viertel nach sechs die eigentliche Servierarbeit noch überschaubar war. Löbliche Ausnahme ein älterer Kollege, der mit einer vielleicht etwas manierierten Höflichkeit doch wohltuend wirkte und auch mit Kritik umgehen konnte. Leider zog er sich im Lauf des Abends immer mehr zurück. Ansonsten agierte der Service professionell: offener Wein wird nachgeschenkt, statt auf dem Tisch warm zu werden, Etikett der Wasserflasche zum Gast, Tagesempfehlungen (US-Beef, Iberico) vernehmlich angesagt. Aber eben lieblos, wenig zu einem angenehmen Restaurantbesuch beitragend.
Meine Liebste, nicht mit meinem bekannt ausgeglichenen Gemüt ausgestattet, verweigert jedenfalls konsequent weitere Besuche.
An der Sauberkeit war nichts auszusetzen. Auf der Toilette kleine Handtücher und sogar berührungslose Seifenspender.
Als Aperitif mal wieder weißer Vermouth (Noilly Prat) mit Eis und Zitrone. (3,3€ was sehr preiswert ist, allerdings immer noch mehr, als in der Karte angegeben war...)
Die Karte ist einfach gestaltet, der Inhalt keineswegs. Ich wählte:
Thaipomelosalat mit Garnelen, Kürbiskernen, Cocktailsauce, Wildkräutern (15€)
Pikante rote Linsensuppe mit Croûtons und krassem Lardo (8€)
Schwarze Pasta mit Vongole, Chili, Tomaten und Basilkum (13€ als Vorspeise)
Filet vom Ibericoschwein (27€)
Sorbet vom weißem Pfirsich (3€)
Für Wartezeit gab es ein schönes Sauerteigbrot mit einer knusprigen, leicht bitteren Kruste, gut gemacht. Serviert in einer schnöden Papiertüte, da spart man den Teller...
Ein lockerer, Dill-lastiger Kräuterquark war ok.
Los ging’s dann mit dem Salat.
Die Pomelo war in feine Streifen geschnitten und ließ mit ihrer milden, fruchtigen Säure genug Platz für ein ausgewogenes 1000-Islands-Dressing. Kürbiskerne sorgten für Knackigkeit, u. a. Koriandergrün für exotische Würze. Die vielfältigen Wildkräuter in nicht zu saurer Vinaigrette brachten einige bittrige, pikante und ätherische Noten mit und wurden von selbst gemachten Croûtons knusprig begleitet.
Die warmen(!) Gambas waren ebenfalls kräftig gewürzt, hatten einen festen Biss und deutlichen Geschmack.
Ein sehr schöner frischer, aber ausgewogener Auftakt, leider mit einem mittelschweren Manko: Eine Garnele war so offensichtlich nicht enttarnt, dass das allerspätestens beim Anrichten auffallen muss. Geht für mich gar nicht.
Dazu ein floraler Sauvignon Blanc 2016 von Pfannebecker, der so (zu) jung war, dass er noch moussierte.
Zur Suppe wechselte ich auf Empfehlung einer der Eisköniginnen zu einem Spätburgunder 2014 vom selben Weingut. Er passte mit seinen Vanilletönen gut zu den folgenden Aromen.
Ob die Basis der heiß servierten Suppe nur rote Linsen waren, kann ich nicht sagen. Ihre Farbe war jedenfalls ein indifferentes Grün. Ich meine, auch Möhren geschmeckt zu haben. Dazu Kreuzkümmel und auf einem (nur optisch sinnvollen) Weißweinschäumchen Raz-al-Hanout. Der Teller hatte allerdings geraume Zeit am Pass ausharren müssen. Den Croûtons und dem angekündigten „knusprigen“ Lardo hatte das nicht gut getan - Pampe und Schlabber. Meine Bitte um eine frische Portion war für den Herrn im Service nachvollziehbar. Für die Küche scheinbar nicht. Mich erreichte ein neuer Teller und gesondert eine Schüssel mit Brotwürfeln und Speck. Letzterer in so großen Stücken, dass ich erstmal Hand anlegen musste. Klar, so hab ich das Topping ganz frisch. Und NOCH frischer wäre es, wenn ich mir die Suppe gleich selber koche!
Egal, nun war das Gericht ja fertig. Schmeckte nur seltsam lasch. Ach so, die Küche hatte der zweiten Portion keine Gewürzmischung mehr gegönnt. Ich schaute vorsorglich, ob ich da etwas in meinem DIY-Bausatz übersehen hatte, aber leider Fehlanzeige. Tja, da war der Abend eigentlich gelaufen.
Als Zwischengericht mit Sepiatinte gefärbte viereckige Spaghetti. Exakt gegart, etwas rauhes Mundgefühl (Vollkornanteil?), aber leider arg versalzen. Die anderen guten Mitspieler, allen voran die leckeren Vongole, hatten nur bei homöopathischer Beimengung der Teigwaren geschmacklich eine Chance. Schade, denn so wurden Zwiebelgrün, Basilikum, Paprika und durchaus passende(!) geschmolzene Kirschtomate (leider mit Haut) erschlagen.
Tja: Haste Sch... am Fuß, haste Sch... am Fuß. (A. Brehme, Gastro-Weiser)
Dazu fiel ein Riesling 2016 vom Weingut Winter aus Rheinhessen nicht weiter auf.
Ich bin ja old-school und hatte mir vor dem Hauptgang ein Kügelchen Sorbet gewünscht. Weißer Pfirsich war im Angebot, schön, schön. Aber was war das denn? Vanille vielleicht, aber wo war da Pfirsich? Und dann gefrorene Wasserkristalle ohne Ende. Entschuldigung, aber wie aus der Supermarkt-Kühltruhe und nach dem Antauen wieder eingefroren. Mit 3€ noch überzahlt.
Ich war mit Kritik äußern schon lange durch und ließ das Zeug einfach vor sich hin schmelzen. Wurde kommentarlos abgeräumt.
Zum Glück war ein Kollege aus der Nachbarschaft herbei geeilt, um meine Stimmung zu retten. Schnell zwei Bier unter Hochdruck, damit sich die Pegelstände etwas anglichen und schicksalsergeben ging es an die Hauptspeise.
Die war immerhin ein versöhnlicher Abschluss:
Das nussige Borstenvieh perfekt rosa gebraten, zart und voll schweinigem Geschmack, nur etwas kräftigere Röstung hätte noch gut getan.
Dazu wohl Pastinaken (angesagt wurde nur auf Nachfrage und ich, s.o.) und eine schöne, überraschend dunkle Jus.
Da gab’s wirklich nichts zu meckern. Allerdings auch deutlich bodenständiger in der Komposition. Egal, das Highlight des Abends.
Zum Abschluss noch einen Tawny aus der Quinta da Rosa für erneut erfreuliche 3,5€.
Andererseits ist man sich nicht zu schade, fürs Leitungswasser 50 Cent abzurechnen, für das Nachfüllen natürlich erneut. Wenn keine andere Getränke bestellt werden, o.k. ich mag auch keine Gäste, die sich als Sparfuchs gerieren. Angesichts etlicher bezahlter Gläser Wein und Bier ist das unpassend und kleinlich. Aber ein perfekter Ausdruck des hiesigen Selbstverständnisses.
Fazit:
Ich wiederhole mich: Noch gerade so in die G&M-Empfehlung rein gerutscht. Weil Herr Iwersen und Team kreative Gerichte schaffen, die abwechslungsreich sind und Spaß machen. Sonst macht hier nicht viel Spaß, auch wenn die Kundschaft mit den vielen Nachlässigkeiten augenscheinlich kein Problem hat. Solange das für den eigenen Anspruch ausreicht, muss man nichts verbessern. Aber schön wär’s schon.
Bis dahin halte ich es mit meiner Liebsten.